Berliner Filz

Berliner Filz
Der Steglitzer Kreisel, der der ersten Affäre des Berliner Filzes seinen Namen gab

Der Berliner Filz (auch Berliner Sumpf) ist der Oberbegriff für eine Reihe von Skandalen und Affären im Land Berlin, die aus einer engen Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Verwaltung entstanden sind. Er führte seit den 1970er Jahren immer wieder zu Rücktritten von Landespolitikern verschiedener Parteien. Die bekanntesten Fällen waren die Kreisel-Affäre, der KPM-Skandal, die Garski-Affäre und der Antes-Skandal.

Inhaltsverzeichnis

Kreisel-Affäre

Nach dem Konkurs der Architektin und Bauunternehmerin Sigrid Kressmann-Zschach im April 1974 musste das Land Berlin für ihre Schulden in Höhe von 42 Millionen D-Mark aufkommen. Sie war Bauherrin des Steglitzer Kreisels, eines Büro- und Einkaufszentrums im Bezirk Berlin-Steglitz, das neben einem 119 Meter hohen Turmgebäude auch einen unterirdischen Bus- und U-Bahnhof beherbergen sollte. Finanzsenator Heinz Striek (SPD) und Bausenator Rolf Schwedler (SPD) hatten dem Bauprojekt der Architektin leichtfertig vertraut und eine Bürgschaft über 42 Millionen D-Mark unterzeichnet. Zudem waren 35 Millionen D-Mark für die Verkehrsbauten im Kreisel versprochen worden und Mittel bereits geflossen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Striek musste im April 1975 zurücktreten. Der Chef der Oberfinanzdirektion Berlin, Klaus Arlt, der Kressmann-Zschach beruflich half und ihr auch privat nahestand, wurde vom Amt suspendiert.

KPM-Skandal

Der persönliche Referent von Bürgermeister Kurt Neubauer (SPD), Jürgen Grimming, wurde kaufmännischer Direktor der Staatlichen Porzellanmanufaktur KPM. Hinter der Berufung durch den Verwaltungsrat stand der Berliner Senatsdirektor Dieter Schwäbl (SPD). Grimming zog wenige Wochen später als Berliner Abgeordneter in den Deutschen Bundestag ein und wurde beurlaubt. In seiner kurzen Zeit bei der KPM gewährte er zwei Abteilungsleitern, die SPD-Mitglieder waren, eine Gehaltserhöhung. Wie sich später herausstellte, hatte Schwäbl seinen vorgesetzten Senator für Verkehr und Betriebe, Harry Liehr (SPD), falsch informiert. 1976 mussten Schwäbl und Liehr von ihren Ämtern zurücktreten.

Garski-Affäre

Wie in der Kreisel-Affäre unterzeichnete der Berliner Senat 1978 für den Berliner Bauunternehmer Dietrich Garski eine Bankbürgschaft. Sie wurde 1980 fällig, als Garski zahlungsunfähig wurde. Die Bürgschaft belief sich auf insgesamt 112 Millionen D-Mark und diente der Finanzierung von Garskis Bauvorhaben in Saudi-Arabien. In einem Gespräch beim Regierenden Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD), an dem auch Finanzsenator Klaus Riebschläger (SPD) und Wolfgang Lüder (FDP) teilgenommen hatten, wurde die Bürgschaft noch wenige Monate vor der Insolvenz um 25,8 Millionen D-Mark erhöht. Anfang 1981 traten Riebschläger und Lüder in Folge der Garski-Affäre zurück. Stobbe legte sein Amt wenig später nieder, als das Berliner Abgeordnetenhaus seinen Vorschlägen zur Nachbesetzung in der Landesregierung die Zustimmung verweigerte.

Antes-Skandal

Der Baufinanzier Kurt Franke hatte dem Berlin-Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes (CDU) für verschiedene Baugenehmigungen, Pachtverträge und die Freistellung von Bauauflagen rund 300.000 D-Mark gezahlt. 1986 wurde der Politiker dafür zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Im gleichen Jahr wurde bekannt, dass er außerdem Politikern verschiedener Parteien "persönliche Wahlkampfspenden" zugewandt hatte. In einem Notizkalender, der der Staatsanwaltschaft im Zuge von Antes-Ermittlungen in die Hände gefallen war, hatte Franke ihre Namen vermerkt. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) erhielt von ihm 75.000 D-Mark, der frühere Finanzsenator Klaus Riebschläger (SPD) und Verkehrssenator Horst Vetter (FDP) erhielten je 10.000 D-Mark. Alle lieferten das Geld bei ihren Parteischatzmeistern als Parteispende ab. Die Senatskoalition von CDU und FDP verlor bei den folgenden Abgeordnetenhauswahlen die Mehrheit.

Der Architekt Heinz Werner Raffael gestand der Staatsanwaltschaft, 100 000 D-Mark "Provision" geleistet zu haben. Als Gegenleistung erhielt er von Antes einen Erbpachtvertrag für ein landeseigenes Grundstück.

Siehe auch

Literatur

  • Mathew D. Rose: Eine ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin. Transit Buchverlag, Berlin 2003, ISBN 3-887471792
  • Mathew D. Rose: Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption. Transit Buchverlag, Berlin 1999, ISBN 3-426269309
  • Mathew D. Rose: Warten auf die Sintflut. Über Cliquenwirtschaft, Selbstbedienung und die wuchernden Schulden der Öffentlichen Hand unter besonderer Berücksichtigung unserer Hauptstadt. Transit Buchverlag, Berlin 2004, ISBN 3-887471962

Weblinks


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