Berliner Operation

Berliner Operation
Schlacht um Berlin
Teil von: Zweiter Weltkrieg

Datum 16. April2. Mai 1945
Ort Berlin
Ausgang Besetzung Berlins durch die Rote Armee
Konfliktparteien
 Sowjetunion
 Polen
 Deutsches Reich
Befehlshaber
Georgi Schukow
Iwan Konjew
Konstantin Rokossowski
Gotthard Heinrici
Helmuth Weidling
Wilhelm Mohnke
Truppenstärke
2,5 Millionen Soldaten
6250 Panzer
7500 Flugzeuge
1 Million Soldaten
800 Panzer
>100 Flugzeuge
Verluste
ca. 350.000 (78.000 davon Tote), 8.900 Polen (2.800 davon Tote)[1], 2.156 Panzer, 1.220 - 2000 Geschütze, 527 - 900 Flugzeuge[2][3] 150.000 - 173.000 Tote (Soldaten und Zivilisten)
200.000 Verwundete Soldaten

480.000 Gefangene[4]

Die Schlacht um Berlin war die letzte bedeutende Schlacht des Zweiten Weltkrieges in Europa. Sie dauerte vom 16. April bis zum 2. Mai 1945 und hatte die Besetzung Berlins, Reichshauptstadt des nationalsozialistischen Deutschland, durch die Rote Armee der Sowjetunion zur Folge. Die Kämpfe forderten Schätzungen zufolge etwa 250.000 Tote und 450.000 Verwundete. Mindestens 100.000 Tote waren Zivilisten.

Mit dem Ende dieser Schlacht, die mit dem Selbstmord der politischen Führung des NS-Regimes, namentlich Adolf Hitlers und Joseph Goebbels einher ging, war die Diktatur des Nationalsozialismus nach der bereits erfolgten Befreiung der vom Deutschen Reich besetzten Gebiete Europas auch im Ausgangsland dieses Krieges militärisch besiegt.

Knapp eine Woche nach der Einnahme Berlins, trat am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht mit der Unterschrift von Generaloberst Alfred Jodl, der vom Nachfolger Hitlers als Reichspräsident, Großadmiral Karl Dönitz, zu deren Unterzeichnung autorisiert worden war, in Kraft. Damit wurde der Zweite Weltkrieg in Europa nach fast sechs Jahren beendet.

Deutschland verlor seine staatliche Souveränität und wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt, bis am 23. Mai 1949 mit der Bundesrepublik Deutschland und am 7. Oktober 1949 mit der Deutschen Demokratischen Republik zwei deutsche Staaten mit unterschiedlichen ideologischen Konzepten konstituiert wurden (vgl. Teilung Deutschlands).

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Nach den Schlachten von Stalingrad (Winter 1942/1943) und am Kursker Bogen (Sommer 1943) befand sich die Wehrmacht an der Ostfront in der Defensive. Im Süden und Westen waren nach der Landung der westlichen Alliierten auf Sizilien am 10. Juli 1943 (vgl. Operation Husky) und der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 (D-Day) zwei neue Fronten entstanden. Zeitgleich zur Invasion in der Normandie erlitt die Wehrmacht im Osten ihre größte Niederlage durch die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte. Bedingt durch die für das NS-Regime katastrophalen Verluste dieser Schlacht hatte die Wehrmacht ihre operative Handlungsfähigkeit an der Ostfront bereits im Sommer 1944 vollständig verloren. Die im Westen unter britischem, US-amerikanischem und nach der Befreiung Frankreichs wieder mit unter französischem Kommando stehenden Truppen waren bis April 1945 in ihren Landoffensiven an die Elbe, und einzelne amerikanische Verbände bis in die Nähe Berlins vorgedrungen. Auch ein wichtiger Teil der Donau- und Alpenreichsgaue (Österreich) und Groß-Wien war Mitte April 1945 in die Hand der Anti-Hitler-Koalition gefallen.

Faktisch war die Kriegsniederlage des Deutschen Reichs, das 1939 den Zweiten Weltkrieg als Eroberungsfeldzug zuerst gegen Polen, dann gegen fast ganz Europa begonnen hatte, schon lange vor dem Beginn der Schlacht um Berlin besiegelt. Bereits im Oktober 1944 hatten Landstreitkräfte der Westalliierten die linksrheinischen deutschen Gebiete um Aachen eingenommen. Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive im Dezember 1944 war die Wehrmacht nicht mehr zu offensiven Aktionen in der Lage. Bedingt durch die Durchhalteparolen der nationalsozialistischen Führung, für die eine Kapitulation nicht in Frage kam, wurden die für die Deutschen im Grunde aussichtslosen, jedoch noch im letzten Kriegsjahr Millionen von Todesopfern fordernden Kämpfe fortgesetzt.

Alliierte Offensiven (rot) gegen Deutschland 1943-1945 (Blau: Der Einflussbereich des NS-Regimes kurz vor Ende des Krieges)

Im Osten rückte die Rote Armee bis Mitte Februar 1945 in mehreren Offensiven bis zur Oder vor [mit Ausnahme eines Küstenstreifens zwischen Stargard und Danzig, sowie der Provinzhauptstadt Breslau (vgl. Schlacht um Breslau)] und besetzte auch die westlich der Oder gelegenen Teile Schlesiens. Aus dieser Ausgangslage bereitete sie die Eroberung Berlins vor. Parallel dazu beschlossen die Staatschefs der führenden alliierten Mächte, Churchill (Großbritannien), Roosevelt (USA) und Stalin (Sowjetunion), auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) unter anderem die Art der anschließenden Besetzung Deutschlands in Form seiner Aufteilung in vier Besatzungszonen. Die so genannten Großen Drei versuchten dabei jeweils für sich eine machtpolitisch günstige Ausgangsposition für die Gestaltung der Nachkriegsordnung zu erlangen, wofür der Eroberung Berlins, das als Hauptstadt seinerseits in vier Sektoren aufgeteilt werden sollte, ein hoher Stellenwert zukam.

Zur Verstärkung einer Panzersperre am S-Bahnhof Hermannstraße in Neukölln graben Volkssturmsoldaten am 10. März 1945 Eisenträger ein.

Zur Einnahme Berlins konzentrierte die Sowjetunion etwa 2,5 Millionen Soldaten (inklusive nichtkämpfender Einheiten), 6.000 Panzer, 7.500 Flugzeuge und eine nicht näher bestimmbare Anzahl von weit über 10.000 Artilleriegeschützen. Ihnen standen bereits schwer angeschlagene Einheiten der Wehrmacht, der Waffen-SS und der Allgemeinen SS gegenüber, sowie das letzte Aufgebot Deutschlands: Der Volkssturm, der aus militärisch unerfahrenen und schlecht vorbereiteten Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren sowie meist männlichen Personen über 60 Jahren bestand. Diese – bezogen auf Erfahrung und Motivation – äußerst uneinheitlichen Streitkräfte umfassten insgesamt rund eine Million Menschen. Sie waren allerdings mit nur etwa 800 Panzern ausgestattet, mussten faktisch ohne Luftunterstützung kämpfen, und waren aufgrund der schlechten Versorgung mit Treibstoff und Munition in ihrer Flexibilität und Wirkungskraft zusätzlich eingeschränkt.

Brände nach Luftangriff 1944

Die Zivilbevölkerung Berlins wurde von den Militärbehörden zu Beginn der Schlacht um Berlin auf noch etwa 2,7 Millionen Einwohner geschätzt, im Vergleich zu 1939 mit 4,3 Millionen ein Rückgang von fast 40%. Von den verbliebenen Einwohnern waren etwa zwei Drittel Personen weiblichen Geschlechts jeder Altersstufe. Das Drittel der männlichen Zivilbevölkerung machten vor allem Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 16 Jahren und ältere Männer über 60 Jahre aus. Ein Großteil der vormaligen Einwohner Berlins war, wenn nicht als Soldaten an verschiedenen Frontabschnitten oder in Kriegsgefangenschaft, dann durch Evakuierungen oder Flucht – in der Regel nach Westen – nicht mehr in der Stadt. In den elf Wochen vor der Schlacht waren zudem etwa 200.000 Menschen durch 85 Luftangriffe, zumeist von britischen oder US-amerikanischen Verbänden, zur Flucht aus Berlin veranlasst worden oder ums Leben gekommen. Berlin glich bereits zu Beginn der Landoffensive der Roten Armee auf den Großraum der Stadt Mitte April 1945 einer Trümmerlandschaft.

Einschließung und Eroberung Berlins

Sowjetische Artillerie vor Berlin
Volkssturmmann mit Panzerschreck vor Berlin

Die Rote Armee entschloss sich zu einem Zangenangriff auf Berlin, um die Stadt einzukesseln. Entlang der Oder standen die 2. Weißrussische Front unter Marschall Konstantin Rokossowski im Abschnitt Ostseeküste bis Schwedt, ab dort bis Guben die 1. Weißrussische Front unter Schukow und die 1. Ukrainische Front unter Iwan Konew im südlichen Abschnitt bis Görlitz. Am 16. April eröffnete die Rote Armee ihre Offensive mit dem stärksten Artilleriefeuer des Krieges; statistisch kam entlang der Oderfront auf fünf Meter ein Geschütz. Dieser Beschuss ging jedoch zum überwiegenden Teil ins Leere, da die Deutschen ihre Stellungen zurückgenommen hatten.

Sofort darauf eröffnete die Rote Armee die Offensive und im südlichen Abschnitt schaffte es die 1. Ukrainische Front unter dem Sowjetmarschall Konew schon bald, die deutsche Verteidigungslinie an der Lausitzer Neiße zu durchbrechen. Im nördlichen Abschnitt konnte die 1. Weißrussische Front unter dem Sowjetmarschall Georgi Schukow erst nach dreitägigen verlustreichen Kämpfen in der Schlacht um die Seelower Höhen die deutschen Einheiten zurückdrängen.

Am 21. April 1945 überschritten die ersten sowjetischen Einheiten bei Marzahn die Stadtgrenze Berlins. Währenddessen war in der gesamten Stadt bereits die Gas- und Wasserversorgung ausgefallen. Der deutsche Befehlshaber, Generalleutnant Hellmuth Reymann, hatte zuvor angeordnet, Berlin „bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone“ zu verteidigen. Am 23. April ernannte Hitler den General der Artillerie Helmuth Weidling zum Kampfkommandanten von Berlin und entschied sich damit gegen einen Ausbruch aus der Hauptstadt; für die Verteidigung des Regierungsviertels war SS-Brigadeführer Wilhelm Mohnke zuständig.

Die Gefechte gestalteten sich als ein erbitterter Häuserkampf. Oftmals wurde verbissen um nur wenige Quadratmeter Boden gekämpft. Die sowjetischen Einheiten waren im städtischen Gelände stets Hinterhalten durch Scharfschützen und Panzerfäuste ausgesetzt. Bei den Kämpfen im Stadtgebiet verlor die Rote Armee etwa 800 Panzer an die mit einfachen Panzerabwehrwaffen ausgerüsteten Einheiten der Wehrmacht, des Volkssturms und der Hitlerjugend. Auf Grund dieser Verluste ging die sowjetische Armeeführung dazu über, Gebäude im Vorfeld mit Artillerie anzugreifen. Die Übermacht der Roten Armee aber war zu stark, so dass die deutschen Verteidiger ihre Stellungen nicht lange halten konnten und nach und nach zurückweichen mussten.

In diesen letzten Kriegstagen kam es zu ungeheuren Zerstörungen an Bauwerken und an der Infrastruktur. So wurde unter nicht geklärten Umständen der Nord-Süd-Tunnel der Berliner S-Bahn unter dem Landwehrkanal gesprengt, was zu einer weitreichenden Flutung auch der Berliner U-Bahn führte.

Während dieser Apriltage nutzten fanatische Nationalsozialisten und SS-Führer Standgerichte und Exekutionskommandos, um ein Weiterkämpfen bis zum Ende zu erzwingen. Propagandistisch eingepeitscht wurde die aussichtslose Verteidigung Berlins durch Goebbels, der zusammen mit dem Staatssekretär des Propagandaministeriums, Werner Naumann, das Kampfblatt für die Verteidiger von Groß-Berlin mit dem Titel Der Panzerbär herausgab. In diesen Mitteilungen wurde Treue zum Führer gefordert und gleichzeitig Hoffnung auf einen Endsieg gemacht.

Am 25. April 1945 gelang es den sowjetischen und polnischen Truppen, Berlin vollständig einzukesseln, als die 1. Weißrussische Front und die 1. Ukrainische Front in Ketzin aufeinander trafen und so den Ring um Berlin schlossen. Auf Grund der flächenmäßig großen Ausdehnung Berlins gelang es ihnen aber nicht, den Kessel so zu schließen, dass ein Ausbrechen vollständig verhindert werden konnte. So gelang es mehreren vereinzelten Truppen der Wehrmacht gegen Ende der Schlacht, sich vor allem im Spandauer Raum aus dem Kessel und somit der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entziehen. Viele deutsche Einheiten kämpften jedoch teilweise weiter, obwohl ein Entsatz von außen nicht möglich war. Im Süden konnte die deutsche 12. Armee unter General Walther Wenck nochmals bis in den Raum Ferch vordringen und nahm dann Ende April die Reste der aus dem Kessel von Halbe ausgebrochenen deutschen 9. Armee und ca. 15.000-20.000 Soldaten aus dem eingeschlossenen Potsdam auf. Den Befehl Hitlers zum Durchbruch nach Berlin, der ihm am 23. April persönlich im Forsthaus "Alte Hölle" bei Wiesenburg/Mark im Fläming durch Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, überbracht wurde, konnte und wollte Wenck jedoch niemals ausführen. Die Kämpfe Wencks zielten vielmehr darauf ab, den zunächst bei Halbe eingekesselten und sich dann in Richtung Beelitz kämpfenden deutschen Verbänden den Weg in die amerikanische Kriegsgefangenschaft offen zu halten.

Am 29. April stießen Einheiten der Roten Armee bis in das Regierungsviertel, in dem sich Hitlers Befehlsstand befand, vor.

An der Umzingelung Berlins nahmen 180.000 polnische Soldaten der I. und II. Armee teil.

Im Norden schirmte die 1. Polnische Armee den äußeren Flügel der 1. Weißrussischen Front gegen die Armeegruppe Steiner ab. Die 2. Polnische Armee kämpfte im Süden gegen Reste der Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Schörner.

Als einzige Formation, die außer der Roten Armee in der deutschen Hauptstadt kämpfte, nahm an der Erstürmung des Zentrums von Berlin die 1. Kościuszko-Division teil. Die im Mai 1943 in Lenino aufgestellte 1. Infanterie-Division Tadeusz Kościuszko unter General Bewziuk griff mit General Spychalski in die Straßenkämpfe Berlins ein. Sie verfügte noch von Kämpfen in Warschau bzw. Praga über besondere Erfahrungen im Straßenkampf und rückte im Verband mit der sowjetischen 2. Garde-Panzerarmee des Generals Bogdanow vor.

Die polnischen Streitkräfte hatten am 1. Mai 1945 400.000 Soldaten, 3.000 Geschütze, 508 Panzer und 320 Flugzeuge.

Der 1. Kościuszko-Division gelang es entlang der neuen Kant- und Pestalozzistraße, am Karl-August-Platz, vorzurücken und die Technische Hochschule, den S-Bahnhof Tiergarten sowie vier weitere U-Bahnhöfe zu besetzen. Weitere Kämpfe wurden entlang der Franklinstraße, der Englischen Straße, bei den Mercedes-Werken sowie in Tiergarten selbst und am hinteren Teil der Reichskanzlei geführt.

Sowjetischer Panzer vor dem Brandenburger Tor, 1945

Eines der letzten heftigen Gefechte entwickelte sich um das Reichstagsgebäude, das von Wilhelm Mohnke mit SS-Männern bis zum 30. April gehalten wurde. Dann war auch dieser Kampf entschieden, als um 14:25 Uhr zwei Rotarmisten erstmals die sowjetische Flagge aus einem Fenster des deutschen Reichstags hissten. Um 22 Uhr desselben Tages wehte die rote Fahne auf der Kuppel des Gebäudes. Der sowjetische Michail Petrowitsch Minin (1922–2008) hat als erster Rotarmist die sowjetische Fahne auf den Reichstag gehisst.[5] Da am nächsten Tag der symbolisch so bedeutungsvolle «1. Mai» war, ließ Stalin die Szene wiederholen und sie im berühmten Photo festhalten, allerdings mit anderen Soldaten.

Über den Ruinen der Stadt wurde am 2. Mai 1945 um 6.55 Uhr früh (Moskauer Zeit) auf dem Brandenburger Tor neben der sowjetischen auch die weiß-rote polnische Flagge gehisst. Am 1. Mai kämpfte die Rote Armee noch gegen zahlreiche deutsche Widerstandsnester, und in den Morgenstunden des 2. Mai kapitulierte General Helmuth Weidling. Bis 15 Uhr waren schließlich alle Kampfhandlungen eingestellt und die meisten der überlebenden ca. 130.000 deutschen Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Hitlers Ende und der Zerfall des NS-Staats

Am 20. April, zu Adolf Hitlers 56. Geburtstag, traf die Staatsspitze des NS-Staates zum letzten Mal in Berlin zusammen. Zuvor hatte der Diktator einige halbwüchsige Hitler-Jungen mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Doch auch diese von der Wochenschau-Propaganda als Demonstration von Siegesgewissheit dargestellte Geste konnte die aussichtslose Lage nicht übertünchen: Großadmiral Karl Dönitz, Heinrich Himmler, Albert Speer und Hermann Göring verließen nach einem Empfang zu Ehren Hitlers umgehend die Reichshauptstadt, um nicht in sowjetische Gefangenschaft zu geraten. Von der politischen Führung blieben Goebbels, als Propagandaminister, Hitler, als Reichspräsident und -kanzler, sowie Martin Bormann, als Leiter der Parteikanzlei der NSDAP im Berliner „Führerbunker“ zurück.

Ab jenem Zeitpunkt schwankte Hitler nur mehr zwischen irrealen Siegeshoffnungen und der Bereitschaft, in Berlin den Tod zu finden. Sich an seiner Generalstabskarte orientierend, ließ er Befehle an Armeen weiterleiten, die es nicht mehr gab oder die in aussichtsloser Situation faktisch nicht in der Lage waren, Hitlers Anordnungen umzusetzen. Kaum einer seiner beratenden Offiziere traute sich aus Angst vor den hysterischen Wutausbrüchen Hitlers, den Befehlen des Oberkommandeurs zu widersprechen oder die Aussichtslosigkeit der Lage realistisch zu schildern. Hitlers letzte Hoffnungen richteten sich auf das III. Panzer-Korps unter SS-Obergruppenführer Felix Steiner und die im März neu aufgestellte 12. Armee unter Walther Wenck, die nach Hitlers Willen aus ihrer aussichtslosen Position heraus einen Gegenangriff auf die sowjetischen Linien beginnen sollten. Beide Einheiten verfügten tatsächlich aber nur über einen Bruchteil ihrer Soll-Stärken, und es gelang ihnen nicht, den Belagerungsring zu durchbrechen.

Am 29. April 1945 erhielt Generaloberst Alfred Jodl in Dobbin folgenden Funkspruch Hitlers:

„Es ist mir sofort zu melden: 1. Wo sind die Spitzen von ‚Wenck‘? 2. Wann greifen sie weiter an? 3. Wo ist die 9. Armee? 4. Wohin bricht die 9. Armee durch? 5. Wo sind die Spitzen von ‚Holste‘?“

Am 30. April 1:00 Uhr meldete Generalfeldmarschall Keitel zurück:

„1. – Spitze Wenck liegt südlich Schwielow-See fest. Starke Sowjetangriffe in gesamter Ostflanke. 2. – 12. Armee kann daher Angriff auf Berlin nicht fortsetzen. 3. – 9. Armee mit Masse eingeschlossen. Gepanzerte Gruppe nach Westen durchgebrochen. Verbleib nicht gemeldet. 4. – Korps Holste von Brandenburg über Rathenow nach Kremmen in die Abwehr gedrängt. Angriff auf Berlin an keiner Stelle mehr fortgeschritten, nachdem auch gesamte Heeresgruppe Weichsel von nördlich Oranienburg über Brandenburg bis Anklam in schwerem Abwehrkampf. Ich habe durch Frontbesuche Tag und Nacht mit meinen Offizieren das Äußerste aufgeboten, Bedeutung der Aufgabe klargemacht und letzte Hingabe durchgesetzt, die auch an allen Stellen gezeigt wurde.“

Unterdessen richteten sich enge Gefolgsleute auf das Ende des Diktators ein: Göring, der sich in Süddeutschland aufhielt, bedrängte Hitler in einem Telegramm am 23. April als dessen Nachfolger die Macht zu übernehmen. Göring konnte sich auf einen Erlass Hitlers vom 29. Juni 1941 berufen, in dem der Diktator ihn zum Stellvertreter und Nachfolger ernannt hatte. Am gleichen Tag erfuhr Hitler, dass Himmler mittels des schwedischen Grafen Bernadotte Kontakt zu den Westmächten suchte, um diesen die Teilkapitulation anzubieten und zusammen den Kampf gegen die Sowjetunion fortzuführen. Hitler bezichtigte beide des Verrats, enthob sie ihrer Ämter und ordnete ihre Festnahmen an. Zudem wurde Himmlers Verbindungsoffizier, SS-Gruppenführer und Hitlers Schwager Hermann Fegelein, als Mitwisser erschossen. Zum Nachfolger als Reichspräsident im Falle seines Todes bestimmte Hitler Großadmiral Karl Dönitz, zum Nachfolger als Reichskanzler Joseph Goebbels.

Als Hitler erfuhr, dass Einheiten der Roten Armee nur noch wenige hundert Meter von seinem Befehlsstand entfernt waren und die Entlastungsoffensive der 12. Armee gescheitert war, diktierte er am 30. April 1945 sein persönliches sowie sein politisches Testament und nahm sich anschließend zusammen mit Eva Braun, die er kurz zuvor geheiratet hatte, das Leben. Seine Leiche wurde, wie von ihm angeordnet, mit Benzin übergossen und verbrannt. Stunden später beging auch Joseph Goebbels zusammen mit seiner Frau Magda Selbstmord, nachdem sie zuvor ihre sechs Kinder mit Gift getötet hatten. Martin Bormann flüchtete zusammen mit anderen Überlebenden des Bunkers unter der Reichskanzlei durch die U-Bahn-Tunnel. Zusammen mit anderen erklomm er im S-Bahnhof Friedrichstraße die Gleise der Stadtbahn und flüchtete oberirdisch vermutlich nach Westen und soll am Lehrter Bahnhof, dem heutigen Hauptbahnhof zu Tode gekommen sein. Seine sterblichen Überreste wurden 1972 gefunden, und mittels Analyse der DNA wurde seine Identität festgestellt. Zudem ergaben sich Anzeichen, dass Martin Bormann Selbstmord durch Einnahme einer Zyankali-Kapsel begangen hat.

Die stark verkohlten Leichen Hitlers und seiner Frau wurden schließlich von sowjetischen Soldaten am 4. Mai aus einem Bombentrichter im Garten der Reichskanzlei geborgen. Eine Identifizierung der Leichen gelang unter anderem durch die Mithilfe der Assistentin von Hitlers Zahnarzt, Käthe Heusermann, welche die Leichname anhand der Zahnbrücken eindeutig identifizierte. Am 5. April 1970 wurden die sterblichen Überreste Hitlers, die von der Sowjetunion seit der Identifikation in Magdeburg aufbewahrt worden waren, auf Befehl von KGB-Chef Juri Wladimirowitsch Andropow vernichtet. Um keine Wallfahrtsstätte für Alt- oder Neonazis entstehen zu lassen, wurden die Überreste unter strengster Geheimhaltung verbrannt, zusammen mit Asche und Kohlenstücken vermischt, fein gemahlen und schließlich in den Fluss Ehle, einem Elbe-Nebenfluss bei Biederitz/Magdeburg gestreut.

Folgen

60 Jahre danach: Der Berliner Künstler Marcel Backhaus zeigt in einem Panoramabild die Kriegszerstörungen am Brandenburger Tor
Verwüstete Straße in Berlin

Die Schlacht um Berlin steht sinnbildlich für die Brutalität des gesamten Krieges. Obwohl der Krieg für Deutschland schon lange verloren war, hatte Hitler noch am Ende befohlen, Widerstand bis zum letzten Mann zu leisten. Mit dem Volkssturm wurden tausende Jugendliche und alte Männer in den letzten Wochen des Krieges geopfert. Deserteure oder Zivilisten, die sich kritisch äußerten, wurden auch noch in den letzten Tagen des Krieges von der SS und der Volksgendarmerie erschossen. Auch Stalin opferte Tausende sowjetische Soldaten, indem er die Eroberung Berlins so bald wie möglich forderte, um den Amerikanern zuvorzukommen, und so auch einen propagandistischen Sieg für die Sowjetunion zu verzeichnen. So verlor die Rote Armee allein in den Anfangstagen der Offensive ca. 80.000 Mann und viele beim Häuserkampf in Berlin. Im Überblick betrachtet existieren jedoch über die Verluste beider Seiten, sowohl unter den Soldaten als auch den Zivilisten, keine genauen Zahlen. In unterschiedlichen Quellen variieren die geschätzten Angaben über die Anzahl der in unmittelbarer Folge der Schlacht um Berlin ums Leben gekommen Menschen erheblich; nach neuesten seriösen Forschungen verlor die Wehrmacht insgesamt über 100.000 Mann an Gefallenen in und um Berlin (einschließlich der Schlacht um die Seelower Höhen und im Kessel von Halbe).[6] Noch Jahrzehnte nach der Schlacht wurden oft durch Zufall bei Bauarbeiten noch verschollene Tote gefunden, die teilweise in Massengräbern verscharrt worden waren[7]. Die in diesem Artikel angegebenen Zahlen spiegeln lediglich einen Mittelwert der Schätzungen wider.

Die militärische Moral der noch andernorts verbliebenen deutschen Truppen sank weiter. Zudem konnte das Deutsche Reich in den letzten Kriegstagen nicht mehr von Berlin aus regiert und verwaltet werden. Hitlers Nachfolger, Großadmiral Dönitz, trat sein Amt, das im Grunde nur noch die Abwicklung des NS-Staates bis zur Kapitulation wenige Tage später beinhaltete, in der Nähe von Flensburg an.

Aus Angst vor der Roten Armee und aus Verzweiflung vor allem bei überzeugten Nationalsozialisten kam es in den letzten Tagen zu vielen Selbstmorden, so verzeichnete alleine der Bezirk Pankow 215 Selbsttötungen.[8]

Die Führung der Roten Armee befürchtete, dass es in der Euphorie des Sieges, gefördert durch Alkohol, zu Gewalttaten an der deutschen Zivilbevölkerung kommen würde. Deshalb gab Marschall Rokossowski einen Tagesbefehl heraus, nach dem Plünderern und Vergewaltigern das Kriegsgericht oder die unverzügliche Erschießung drohte. Obwohl sich auch andere Offiziere der Roten Armee darum bemühten, Racheakte der Soldaten zu verhindern, entluden sich nach der Einnahme von Berlin der Schmerz über die zahlreichen sowjetischen Verluste, den Opfern des ideologisch motivierten Vernichtungskriegs seitens des Deutschen Reiches, die allgemeine Abstumpfung und die Verrohung der Soldaten durch die Kriegsumstände in zahlreichen Plünderungen und Vergewaltigungen. Hierzu schreibt Karl Bahm, der an der Universität von Wisconsin Geschichte lehrt: „[…] natürlich führten sich nicht alle so auf, aber eine nicht zu kleine Minderheit tat es.“[9] In verschiedenen Quellen, die hauptsächlich auf den vieldiskutierten, teilweise umstrittenen Dokumentarfilm der Feministinnen Helke Sander und Barbara Johr und deren nachfolgendem Buch BeFreier und Befreite zurückgehen, wird von mindestens 100.000 (teils mehrfach) vergewaltigten Berliner Frauen ausgegangen, wobei es allerdings eine hohe Dunkelziffer gibt.[10] Cornelius Ryan schreibt in seinem Buch Der letzte Kampf, dass nach Schätzungen der Ärzte, mit denen er sprach, zwischen 20.000 und 100.000 Frauen vergewaltigt worden seien.[11]

Andererseits versorgten Gulaschkanonen der Roten Armee die notleidende Bevölkerung. Einzelne Soldaten teilten ihre eigenen – zumeist ohnehin kargen – Rationen mit Kindern.

Zitate

  • Am 30. April 45 hat sich der Führer selbst entleibt und damit uns, die wir ihm Treue geschworen hatten, im Stich gelassen... Jede Stunde, die ihr weiterkämpft, verlängert die entsetzlichen Leiden der Zivilbevölkerung Berlins und unserer Verwundeten. Jeder, der jetzt noch im Kampf um Berlin fällt, bringt seine Opfer umsonst...“ - Kapitulationsbefehl von General Helmuth Weidling am 2. Mai 1945
  • Hat der Lump verspielt. Schade, dass wir ihn nicht lebend erwischt haben.“ - Stalins Reaktion als Schukow ihm am 1. Mai telefonisch die Aussagen deutscher Gefangener zu Hitlers Selbstmord mitteilte.
  • Die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk wird es immer geben. Josef Stalin“ - Spruch von Propagandaplakaten, die in Berlin aufgehängt wurden, um zu verdeutlichen, dass die Sowjetunion keine Rachegefühle gegenüber dem deutschen Volk hegte.

Verarbeitungen und Weiterführende Informationen

Einzelnachweise

  1. http:www.soldat.ru/doc/casualties/book/chapter5_10_1.html#5_10_49
  2. http://www.hrono.ru/sobyt/1900sob/1945berlin.html
  3. http://wwii-soldat.narod.ru/OPER/ARTICLES/039-berlin.htm
  4. http://wwii-soldat.narod.ru/OPER/ARTICLES/039-berlin.htm
  5. weltwoche.ch Sowjetfahne auf dem Reichstag in Berlin, aus Ausgabe 03/08 (Deutsch)
  6. Müller, R.-D. u.a. (Hg.): Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 10/1, 2008, S.673
  7. Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, Seite 419; Lizenzausgabe der Büchergilde Gutenberg 1968
  8. Karl Bahm: Berlin 1945. Die letzte Schlacht des Dritten Reichs. Klagenfurt 2002, S. 160.
  9. Karl Bahm: Berlin 1945. Die letzte Schlacht des Dritten Reichs. Klagenfurt 2002, S. 159f.
  10. Helke Sander und Barbara Johr (Hrsg.): BeFreier und Befreite, Fischer, ISBN 3-596-16305-6.
  11. Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, Seite 419; Lizenzausgabe der Büchergilde Gutenberg 1968

Literatur

  • Karl Bahm: Berlin 1945. DIe letzte Schlacht des Dritten Reichs, Kaiser Verlag, Klagenfurt 2002, ISBN 3-7043-5032-X
  • Antony Beevor: Berlin 1945. Das Ende, Goldmann, 2005, ISBN 3-442-15313-1
  • Joachim Fest: Der Untergang. Hitler und des Ende des Dritten Reiches, Berlin 2003, ISBN 3-8286-0172-3
  • Guido Knopp: Der verdammte Krieg, Das Ende 1945, C. Bertelsmann Verlag, München, 1995, ISBN 3-570-12153-4
  • Tony LeTissier: "Der Kampf um Berlin 1945. Von den Seelower Höhen zur Reichskanzlei" Bechtermünz Verlag (Lizenz Ullstein) 1997
  • Rolf-Dieter Müller: Kriegsende 1945. Die Zerstörung des Deutschen Reiches, Fischer, Frankfurt 1994, ISBN 3-596-10837-3
  • Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, Droemersche Verlagsanstalt München/Zürich 1966
  • Helke Sander und Barbara Johr (Hrsg.): BeFreier und Befreite, Fischer, Frankfurt a.M. 2005, ISBN 3-596-16305-6
  • Wilhelm Tieke: Das Ende zwischen Oder und Elbe – Der Kampf um Berlin 1945, Stuttgart 1992, ISBN 3-87943-734-3
  • Earl F. Ziemke: Die Schlacht um Berlin, Pabel/Moewig, Rastatt, 1982, ISBN 3-8118-4318-4

Filme

Weblinks


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