Berlinische Besonderheiten

Berlinische Besonderheiten
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Heinrich Zille: Konsum-Genossenschaft, 1924;
Text: „Frida - wenn Deine Mutter ooch in’s „Konsum“ koofte wärste schon lange een kräftiges Kind - sag’s ihr!“
sowie eine Widmung

Der Berliner Dialekt, auch als „Berlinerisch“ oder „Berlinisch“ bezeichnet (auch Berlinismus bzw. Berolinismus, Verb: berlinern), ist die Mundart, die im Großraum Berlin-Brandenburg gesprochen wird. Dabei handelt es sich sprachwissenschaftlich nicht um einen Dialekt, sondern um einen (sehr selten anzutreffenden) Metrolekt, eine in großstädtischen Zentren aus einer Mischung vieler unterschiedlicher Mundarten entstehende Stadtsprache. Die Entwicklung des Berlinerischen hat auch die Sprache des umliegenden Brandenburgs beeinflusst und das regionale, ursprünglich in der Mark Brandenburg gesprochene Niederdeutsch verdrängt. Die stärkste Ausprägung hat diese „neue“ Sprache in den städtischen Bereichen Berlins erfahren; daher existieren in Berlin bis heute Wörter, Spitznamen usw., die ihren Weg noch nicht in das Umland gefunden haben. Zur Aussprache und üblichen Schreibweisen siehe Berlinische Grammatik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Stadt Berlin liegt im Bereich der Benrather Linie, stand also seit ihrer Gründung 1237 unter den Einflüssen des Niederdeutschen und des Mitteldeutschen. Mit der ab 1300 einsetzenden und sich ab etwa 1500 verstärkenden Zuwanderung, u. a. aus den flämischen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs, lassen sich zunehmend Veränderungen des in Berlin gesprochenen Ostniederdeutschen nachweisen bis hin zu seiner weitgehenden Aufgabe als Umgangssprache. So entstand ein eigener Metrolekt des Standardhochdeutschen mit klarer mitteldeutscher Basis, aber starkem niederdeutschen Substrat. Erst in jüngster Zeit griff dieser neue Dialekt auf das Umland über, das bis dahin ostniederdeutsch geblieben war. Das Berlinerische weist in einigen Eigenarten Parallelen zum Kölnischen („Kölsch“) auf, das ebenfalls starke Züge eines Metrolekts trägt und über Jahrhunderte durch Zuwanderung geprägt wurde (z. B. die charakteristische Anlautverweichung, beispielsweise jut, jehen, Auslautverhärtung wat?).

Bis ins 18. Jahrhundert hinein war die allgemeine Umgangssprache ein mark-brandenburgischer Dialekt, der im späten 18. Jahrhundert durch eine mitteldeutsche Ausgleichsmundart auf obersächsischer Basis verdrängt wurde. Sie ähnelt Entwicklungen in anderen niederdeutschen Regionen, die Missingsch-Dialekte zuerst als Mischsprache mit der Kanzleisprache entwickelten und sich im Gebrauch als Umgangssprache wandelten. Die neu entstandene Ausgleichsmundart, die dem heutigen Berlinischen sehr ähnlich war, übernahm aus den angrenzenden niederdeutsch sprechenden Gebieten einzelne Wörter (ick, det, wat, doof usw.).

Während Berlin seit 1871 einem immer stärkeren Zuzug vor allem aus Sachsen und Schlesien ausgesetzt war, die die niederdeutschen Sprachelemente zurückdrängten, kam es nach 1945, und nochmals nach 1961 zu großen Abwanderungswellen nach Westdeutschland. Da Berlin in der jetzigen Form erst 1920 entstand, gilt als Kerngebiet des Berlinischen die Fläche der heutigen Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Dazu kommen die Gebiete von Charlottenburg und Prenzlauer Berg innerhalb der Ringbahn der S-Bahn. Hier befanden sich jene Stadtteile, die besonders den genannten Einflüssen ausgesetzt waren. Die äußeren Ortsteile waren über Jahrhunderte Teil von Brandenburg, ohne intensiven Kontakt zum Berlinischen.

So nimmt man heute an, dass in Berlin als wichtiger Handels- und Verwaltungsmetropole schon früh ein erhöhter Druck zur Verwendung des Hochdeutschen bestand, das als Superstrat auch auf die Umgangssprache der Bediensteten, Arbeiter und Mägde übergriff. Durch die immer größer werdende Bedeutung Berlins als preußische Metropole strahlte die Berlinische Stadtmundart auch bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in das Berliner Umland aus, wobei sie zunächst als Verkehrssprache neben den angestammten Dialekten bestand, diese aber schließlich ganz verdrängte. Dieser Dialektwechsel dauert bis heute an, und der Druck zum Hochdeutschen hat sich in der jüngeren Vergangenheit durch den wiedererlangten Status Berlins als gesamtdeutsche Hauptstadt wieder erhöht. Auch hat die Zuwandererwelle (Ende der 1990er-Jahre) von Bonner Rheinländern den Berliner Dialekt bisher nicht angenommen, der Dialekt der zugewanderten Schwaben (Mitte der 1990er-Jahre) ist ebenfalls noch häufig zu hören, und die zugewanderten Russlanddeutschen (Anfang der 1990er-Jahre) haben einen eigenen Dialekt entwickelt, der erst langsam ins Berlinische übergeht.

Zwischen 1949 und 1989 verließen eine Million Berliner die Stadt. Gleichzeitig kam es in Ost- wie West-Berlin zu bedeutenden Zuzügen aus dem süd-, ost- und westdeutschen Raum (Sachsen, Baden-Württemberg, NRW). Dazu kam die Aufnahme von Einwanderern aus der Türkei, Jugoslawien, Italien und dem Libanon. Dies führte zu einer starken Verdrängung des Berlinerns aus dem Alltag. Viele Neuberliner nahmen zwar Teile des Dialekts an, die Verwendung des Dialekts wurde – ebenso wie bei Dialekten in anderen Regionen Deutschlands – zunehmend als „unfein“, „proletarisch“ oder „ungebildet“ betrachtet. Dadurch finden sich die Zentren des Dialekts vor allem in den alten innerstädtischen Gebieten und Teilen von Ost-Berlin, wo relativ wenig Zuwanderer ansässig wurden.

Unverändert wird die Sprache in Berlin von Zuwandererwellen geprägt und bleibt dementsprechend unbeständig. Im Schnitt hat nur ein Viertel der Berliner auch Eltern, die schon in Berlin geboren wurden („waschechte Berliner“), und konnte somit den einheimischen Dialekt bereits im Kindesalter erlernen. Durch die Verbreitung im Funk und Fernsehen wurde der Berliner Dialekt dennoch in allen Teilen Deutschlands seit Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt. Dabei fand er häufig Gefallen von Nicht-Berlinern, die bestimmte – an West-Berlin orientierte – Grundregeln als „Standard der Berliner Mundart“ verbreiteten. Dadurch wurden allerdings die historischen Varianten verwischt, sodass heute fälschlich kolportiert wird, der Berliner Dialekt würde in den lautlich eng verwandten Sprachgebieten des nördlichen Brandenburg und Sachsen-Anhalt ebenso gesprochen wird wie in Berlin („berlinern“). Ungeachtet dessen bestehen verwandtschaftliche Beziehungen, das Neu-Altmärkische im Norden Sachsen-Anhalts ist nämlich eine Variante des Berlinisch-Brandenburgischen.

Gleichzeitig weitet sich, vor allem seit dem Mauerfall, der Einfluss des Berlinischen auf das Umland, das bis dahin ostniederdeutsch geblieben war, aus. Die Berlin-Brandenburgischen Dialekte haben sich so klar aus dem ostniederdeutschen Mark-Brandenburgisch entwickelt, werden heute jedoch oft dem ostmitteldeutschen zugeordnet, dem sie durch die Überformung näher stehen. Während der Datenerhebung für den Deutschen Sprachatlas (1880er-Jahre) wurden in zahlreichen Orten, die heute zum Stadtgebiet Berlins gehören, niederdeutsche Mundarten oder niederdeutsch-berlinische Mischmundarten gesprochen.

Berlin hat Anteil an vielen im gesamten ostmitteldeutschen Sprachraum verbreiteten sprachlichen Eigenheiten. Da vor der Maueröffnung West-Berlin als einziges Gebiet dieses Territoriums für Westdeutsche direkt zugänglich war, halten viele von ihnen diese Eigenheiten – eigentlich zu Unrecht – für „typisch berlinisch“. Als Beispiel kann die oft missverstandene Uhrzeitangabe „dreiviertel Fünf“ für 16:45 Uhr bzw. „viertel Fünf“ für 16:15 Uhr dienen, die tatsächlich in weiten Teilen Ost- und Süddeutschlands und Österreichs in Gebrauch ist.[1]

Einflüsse

Lange Zeit wurde das Berlinische (oder Berlinerisch, wie der Berliner sagt) als Verballhornung des Hochdeutschen betrachtet; diese Sicht ergab sich gerade auch durch den allgegenwärtigen Sprachwitz der Berliner, der gern mit Verschiebungen aufgeschnappter Begriffe arbeitet. Als Hauptstadt von Brandenburg, Preußen, Deutschland und der DDR war Berlin immer Zentrum von Handel, Verkehr, Emigration und Zuwanderung. Wichtig waren dabei für die Sprache:

Viele der typischen Berliner Ausdrücke lassen so auch den Rückschluss auf ihren Ursprung zu. So soll die Redensart Det zieht wie Hechtsuppe auf das jüdische „hech supha (Sturmwind)“ zurückgreifen. Mir is janz blümerant soll von französisch „bleu mourant (blassblau; ‚sterbend blau‘)“ stammen.

Als berlinisch wird oft auch der Ausspruch „mach keene Fisimatenten“ genannt, das die Berliner aus „visite ma tente“ (frz.: besuch mein Zelt) entwickelt haben sollen. Der Legende nach riefen dies französische Soldaten während der Zeit der französischen Besetzung der Stadt unter Napoléon den jungen Berliner Mädchen hinterher. Bei den Müttern der Mädchen führte das zu der ernsten Ermahnung, keine „Fisimatenten“ zu machen. Andere Erklärungen reichen aber auf ältere Ursprünge zurück. [2]

Die berühmte Berliner Bulette kommt vom französischen boule, dem Fleischbällchen. Der Einfluss der Hugenotten bzw. der französischen Besatzer führte sogar soweit, dass ursprünglich deutschsprachige Begriffe französisiert wurden: Trottoir für den Bürgersteig und Pissoir für das Café Achteck, die öffentliche Bedürfnisanstalt.

Berlinisch hat durch den Zuzug vieler Bevölkerungsgruppen eine Reihe von Worten und Redewendungen aufgenommen, die sowohl Dialekten und Umgangssprachen Zugewanderter entstammen als auch sonst nicht im Deutschen Sprachraum geläufig sind. Durch die starke sprachliche Verschleifung ist die Herkunft oft kaum zu erkennen. Eine Reihe von Wörtern entstammen auch dem Rotwelschen.

Mundart

Durch die allgemein weitgehende Verwendung von Begriffen des Hochdeutschen gab es bis heute keine Notwendigkeit für einen schriftlichen Gebrauch und das Berlinern bleibt eine Mundart, was allerdings wohl auch darauf zurückzuführen sein wird, dass Berlinern vor allem innerhalb der Region selbst stets als Dialekt der einfachen Leute verpönt war, und sich die Bildungsschicht davon distanzierend stets um einwandfreies Hochdeutsch bemühte. Der Wortschatz des Berlinischen ist inzwischen dennoch erfasst und beschrieben im Brandenburg-Berlinischen Wörterbuch.

Bei der schriftlichen Fixierung des Berlinischen herrscht immer wieder Unsicherheit, da jeder Sprecher auch tatsächlich die Lautung verschieden stark einsetzt, und je nach Gelegenheit stärkere hochdeutsche Lautung oder stärker berlinernde Lautung einsetzt. Einen Konsens zur schriftlichen Fixierung gibt es nicht, im Buchdruck kann so jeder Verleger eine eigene Variante wählen. Die überwiegende Zahl der Publikationen mit eingebetteten berlinischen Texten verwendet die hochdeutsche Rechtschreibung, bei der Buchstaben, Buchstabengruppen oder ganze Worte ersetzt werden, wo sie in der Mundart stark von der üblichen Aussprache des Hochdeutschen abweichen. Dies ermöglicht gewöhnlich jedem Deutschsprechenden, nach kurzer Eingewöhnung auf die üblichen Ersetzungen die Berlinischen Texte zu verstehen.

Grammatik

Hauptartikel: Berlinische Grammatik

Die Grammatik und dazugehörende Syntax weichen zum Teil deutlich von der Hochsprache ab, im Brandenburgischen oft stärker als im Berlinischen. Adverben und Adjektive können problemlos wechselweise gebraucht werden, z. B. ne zue Tür (eine geschlossene Tür) oder komm oben (komm herauf). Die Konjunktionen erscheinen in alter Form, also als wie (wie), denn (dann), wenn (wann), wie (als), worum (warum). Der Akkusativ und Dativ werden kaum unterschieden (Akkudativ), wenn der Berliner sowohl für „mir“ als auch für „mich“ lediglich den „maulfaulen“ Universalausdruck „ma“ verwendet.

Auch Genitiv-Formen werden besonders im Brandenburgischen durch präpositionale Akkudativ-Formen ersetzt, zum Teil noch mit eingefügtem Pronomen, z. B. dem sein Haus. Die Pluralformen gehen oft auf zusätzlichen -s, Verkleinerungsformen enden auf -ken oder -sken. Darüber hinaus sind dutzende weitere Formen zu bemerken.

Sehr typisch ist die „Erzählende Vergangenheit im Futur“: Wehr ick doch heute morjen uff'm Weech ßum Beckah den Schulze treffen. Wird mir doch diese olle Nappsülze ... (Werde ich ... Wird er mir ...)

Dazu gibt es den Pluralis berolinensis, die Mehrzahlbildung auf -er, wie im Skandinavischen:
Klötzer, Stöcker (im Hochdeutschen sonst nur bei: Bilder, Denkmäler, Eier, Güter, Häuser, Länder, Männer, Rösser, Stifter (Kirchengüter), Sträucher, Wörter)

Auch wird offenbar, dass die einfache Regel eiee nicht allgemein zutrifft, sondern ei bleibt bei altem i (wie im niederdeutschen) erhalten. Also keen für kein ist richtig, aber meine, deine, seine, wenn es im niederdeutschen min, din, sin heißt. Bei anderen Gelegenheiten wird eine niederdeutsche Grundlage gesehen; die oft gerügte mangelnde Unterscheidung von Akkusativ und Dativ folgt der Nichtexistenz dieser Fälle im neueren Niederdeutschen, wo es nur einen Objektiv als dritten und letzten Kasus gibt (dort aus dem Skandinavischen eingesickert). Der von Nichtberlinern gern erwähnte Satz „Icke, dette, kieke mal, Oogn, Fleesch und Beene“ wird nur von Nichtberlinern als witzig empfunden. Geborene Berliner benutzen ihn nie.

Die lokale Lautung hat ebenfalls viele Besonderheiten. Zugezogene bemerken zuerst den Ersatz von g zu j, und der meisten Diphthonge zu langem Monophthong (au zu oo, ei zu ee). Tatsächlich kann man daran Altberliner und Neuberliner unterscheiden – das g wird eigentlich in einen velaren Frikativ-Laut γ verschleift, das insbesonderen nach dunklen Vokalen eher wie hochsprachliches r klingt, jedoch nach den hellen Vokalen und Halbvokalen (i,e,l,r) wird der Laut als stimmhaftes j gesprochen. Durch den γ-Laut lassen sich hochsprachliches Augen und Ohren nur schwer auseinanderhalten: Augen klingen in berlinischer Lautung wie Oogn, das hochsprachliche Ohren klingt wie Oan, wird also weniger kehlig und stärker behaucht gesprochen. Ohne Gewöhnung kann man diesen hörbaren Unterschied nur schwer bemerken (ähnlich wie Menschen des ostasiatischen Sprachraums den Unterschied l/r nur schwer heraushören können).

Als mitteldeutscher Dialekt an der Grenze zum Niederdeutschen hat das Berlinische die Zweite Lautverschiebung in vielen Fällen nicht durchgeführt, sondern behält die niederdeutschen Formen. Beispiele sind die Wörter det (das), dit (dies), wat (was), Appel (Apfel) u. a.

Das Berliner Er/Wir

Das sogenannte „Berliner Er“ ist eine auch in Berlin manchmal noch heute anzutreffende Form der Anrede, die früher im deutschsprachigen Raum allgemein als eine mögliche Anredeform gegenüber Untergebenen und rangniederen Personen benutzt wurde (bspw. zu finden in Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck: „Ich hab's gesehn, Woyzeck; er hat auf die Straß gepißt, an die Wand gepißt, wie ein Hund“). Hierbei wird jemand in der dritten Person Singular angeredet.

So kann es vorkommen, dass man in Berlin gefragt wird: Hat er denn auch einen gültigen Fahrausweis? (bzw. Hatter denn ooch'n jült'jen Faahohsweiß?) oder Hat sie denn die fünf Euro nicht vielleicht klein? (bzw. Hattse denn die fünf Euro nich'n bisken kleena?)

Ebenso häufig ist die Redewendung in der ersten Person Plural geläufig: Na, haben wir uns entschieden was es denn jetzt zum Trinken sein soll? (bzw. Na, hamwa nu det richt'je Jesöff jewählt?) oder Da waren wir wohl ein wenig zu schnell, was? (bzw. Da warn wa wohl'n bisken fix, wa?).

Siehe auch: Hamburger Sie/Münchener Du

Redewendungen

Hauptartikel: Berolinismus: Redewendungen

Das Berlinische kennt viele Redewendungen, die teils auch außerhalb Berlins bekannt geworden sind, wie etwa das JWD (janz weit draußen). Na man du hast heut aba wieda ’ne Kodderschnauze, ist sowohl negativ wie positiv gemeint. Kodderig steht für „übel“ sein (vom Befinden), und gleichzeitig für „frech, unverschämt“. Ne koddrige Schnauze ist ein „loses Mundwerk“, das zu allem und jedem sein’ Senf beijehm muss (seine [überflüssigen] Kommentare dazugeben muss). Eine Randbemerkung ist so nicht ursächlich beleidigend gemeint, auch wenn sie in anderen Kreisen nur gesagt würde, wenn sie beleidigen soll. Über solche Sätze gehen die Berliner schlicht hinweg und geben einfach einen ähnlichen Satz zurück. Die so entstehenden „Gespräche“ sind noch heute in den Berliner Straßen zu hören, wenn auch bisweilen in hochsprachlicher Lautung. Die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten werden miteinander in Verbindung gesehen: Wer berlinert, dem traut man auch ein paar lose Sprüche zu.

Spitznamen

Hauptartikel: Berolinismus: Spitznamen

Der Berliner Volksmund ist berühmt dafür, allgegenwärtig mit Spitznamen durchsetzt und vergleichsweise ruppig zu sein. Wie bei allen Spitznamen (im 17. Jahrhundert spitz = verletzend) handelt es sich meist um Spottnamen, die einen kurzen Ersatznamen für den realen Namen geben, der sich aus den Charakteristika der Sache oder der Person ergibt.

Tatsächlich übertreiben vor allem Touristenführer und Reiseliteratur zur Herstellung eines Berliner Lokalkolorits gerne die tatsächlichen Verhältnisse. Im täglichen Leben werden der Fernsehturm (angeblich Telespargel) und der Funkturm (angeblich Langer Lulatsch) mit ihren korrekten Namen bezeichnet. Die alternativen Namen werden eher ironisch gebraucht oder wenn man Touristen ein wenig verwirren möchte.

Nur in wenigen Fällen ist der Spitzname gebräuchlicher, etwa bei Bierpinsel und East Side Gallery (mittlerweile offiziell), Café Achteck, Puderdose und Lippenstift (für Neubau Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche), Schwangere Auster und Tränenpalast (historisch).

Sonstige Wörter

Einige Wörter bzw. Aussprachen lassen sich kaum über Ausspracheregeln aus dem Hochdeutschen ableiten.

Zum Vergleich: Einige berlinische Wörter bzw. phonetische Merkmale, die aber auch in anderen Dialekten auftauchen, finden sich auch im Hochdeutschen wieder.

  • wohlmöglichwohłmöglichwomöglich
  • eene meene Muh [ˈeːnə ˈmeːnə ˈmuː]
  • wenn schon, denn schon
  • für ’n App’l und ’n Ei (für sehr wenig Geld)

Zitate

Du denkst, Du bist die Allerschürfste für mich,
biste aber nich. Ick fin dir widerlich.
Du denkst, Dich findet wirklich jeder hier geil,
is aber nich so, janz im Jejenteil.
Du kommst hier reien als jehört Dir die Welt,
als wär jeder Tisch nur für Dir bestellt.
Du glotzt ma an, hau ab Du machst mir noch krank.
Du willst all'n jefallen. Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Du nervst, Du nervst.
Ick würd Dir so jern eine hauen.
Du bist völlich behämmert.
Du hast nicht mehr alle Latten am Zauen.
Is doch wahr…
Du denkst, Du bist die Allerschürfste für mich,
biste aber nich. Ick fin dir widerlich.
Du denkst Du bist wirklich unwiderstehlich,
biste aber ebend jerade nich
(Die Ärzte: Die Allerschürfste, Album Die Bestie in Menschengestalt, 1993)


Jetzt lachen immer alle, und reißen ständig Witze.
Wir sind nur noch am Baden gehen – wejen die Hitze.
(Die Ärzte: Hurra, Album Planet Punk, 1995)


Ick sitz hier und esse Klops
uff eenmal klopp's.
Ick staune, kieke, wundre mir,
uff eenmal jeht se uff, die Tier!
Nanu, denk' ick, ick denk': Nanu,
jetzt jeht se uff, erst war se zu!
Und ick jeh' raus und kieke,
und wer steht draußen? … Icke.
(Berliner Klopsgeschichte)


Auch is dett jemütlich uff de Pferdebahn,
ditt eene Pferd ditt zieht nich,
ditt andre ditt is lahm,
Der Kutscher kann nich kiek'n,
der Konduktör nich seh'n
und alle zehn Minuten, da bleibt die Karre steh'n
(Quelle unbekannt)


„Abraham“, sprach Bebraham, „kann ick mal dein Zebra ha'm?“
(Kalauer)


Mariechen zu Mariechen: „Lass ma ma' riechen.“
Da ließ Mariechen Mariechen ma' riechen.
(Kalauer)


Ick hab ma so mit dir jeschunden,
Ick hab ma so mit dir jeplacht.
Ick ha in sießen Liebesstunden
zu dir „Mein Pummelchen“ jesacht.
Du wahst in meines Lehms Auf un Ab
die Rasenbank am Elternjrab.
Mein Auhre sah den Hümmel offen,
ick nahm dir sachte uffn Schoß.
An nächsten Tach wahst du besoffen:
un jingst mit fremde Kerle los.
Un bist retuhr jekomm, bleich un schlapp –
von wejen: Rasenbank am Elternjrab!
Du wahst mein schönstet Jlück auf Erden,
nur du – von hinten und von vorn.
Mit uns zwee hätt et können werden,
et is man leider nischt jeworn.
Der Blumentopp vor deinen Fensta
der duftet in dein Zimmer rein…
Leb wohl, mein liebes Kind, und wennsta:
mal dreckich jeht, denn denke mein –!
(Singt eener uffn Hof, Kurt Tucholsky, 1932)


N umherjewürbelta Schefdirijent,
n olla abjeschmürjelta Fallschürmjägerjeneral
(imma mit Rejenschürm),
n jeistesfawürrta Jefängnisdirektor
und n Ziejenhürt mit na Hürnjeschwulst
kloppen sich ürjentwo
im brandenburgberlinerischn Waldjebürge
innem herunterjewürtschaftetn Demontaschefürmenjebäude
nebm na Kürche
mit viel Jeschürr und Jeklürr
um n famöjenswürksames Hürschjeweih.
Det für mausetot jehaltne Hürschjetier
is jedoch noch janz lebendich und am Lehm,
aba wejen m fapeiltn Jeschehn völlich ürrejeführt;
schnubbat daher nich nur aus Falejenheit
anna jut beleechtn Käsestulle rum
– ürjentwann vom fürznjährijen Fliesenleejajeselln
aus Jeschmacksfaürrung liejenjelassn –
und würft sich ditte am Ende
mit jeschlossnen Oogen
jeschmeidich hinta de Kiem'.
Wat? Een Hürsch und Kiem'?
Nich würklich – is ja ooch ne Lügenjeschichte,
aba würklichkeitsjetreu jeschildat;
uff jedn.
(Würklichkeitsjetreue Schilderung eena Lügenjeschichte, Det Pauly, 2003)


Ick muss sagen, siehst richtich schnieke aus, Keule.
Dit wa' ne echt dufte Entscheidung, Männeken.
(aus einer „Deutschlern-Kassette“ in der Fernsehserie Die Simpsons, Kraftwerk zu verkaufen, 8F09)


Awa det Scheenste am Abend, det war janz hinten, in eener Losche, da saß son janz stilla, janz bescheidena oller Mann in jrauen Haaren, mit'n jrauen Anzuch, der kieckte sich, janz in die Ecke jedrückt, den Zimt an. Det war der Meester Zille selba, janz valejen, det die son Radau um ihn machen.
(Berliner Tageblatt, März 1925)


Wenn ick am Fensta steh'
und schlach 'ne Scheibe entzwee'
dann setzet Keile,
'ne janze Weile.
Un wenn ick's nochmal tu'
Krieje ick no' mehr dazu.
Da mach ick mir nüscht draus
Und schlach noch eene aus.
(Altberliner Kinderreim)


Meine Wurscht is jut,
wo keen Fleisch is, da is Blut,
wo keen Blut is, da sind Schrippen,
an meine Wurscht ist nicht zu tippen.
(Budiker Friebel 1780, Molkenmarkt 11)


Ick stehe uff'a Brücke
Und spucke in'n Kahn,
Da freut sich de Spucke
Dit se Kahn fahren kann.
(Kinderreim)

Heute

Das Berlinerische ist das zentrale Idiom eines Dialektgebiets, das sich heute über Berlin, Brandenburg und Teile Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts sowie Sachsens erstreckt. Man spricht in diesem Zusammenhang meist von Berlin-Brandenburgischen Dialekten. Sie zeichnen sich durch eine fast hochdeutsche Aussprache aus mit einigen Synkopen und Apokopen, die aber in den meisten deutschen Mundarten gleich sind. Besonders zu erwähnen dabei ist das „wah?“, das soviel bedeutet wie „nicht wahr?“. Das Typische an der Aussprache ist das stimmlose „r“. Dadurch wird das „-er“ am Wortende häufig zu einem „-a“, z. B.: „Wassa“ statt „Wasser“. Am Wortanfang wird das 'r' immer aber nie hart gesprochen. In der Wortmitte kann man es bei vielen Wörtern kaum hören, z. B.: „A'beit“, statt „Arbeit“. Bis auf den Südosten (Neu- und Niederlausitzer Mundart) des Verbreitungsgebietes wird überall meist das „g“ zu „j“, z. B.: „jut“ statt „gut“.

Sprachbeispiele

Einige Synkopen:

jeh'n – statt: gehen
Beispielsatz: Der Hamma' liecht uff'm Tüsch – Der Hammer liegt auf dem Tisch
Jips jibs inna Jipsstraße. Jibs da keen Jips, jibs ja keen Jips – Gips gibt es in der Gipsstraße. Gibt es da keinen Gips, gibt es gar keinen Gips
Punks inna Pankstraße – Punks in der Pankstraße
Schrippe – Brötchen
Brause – Limonade
Dit jibs ja janich – Das gibt es ja gar nicht
Wadde ma – Warte mal
Ick glob mir knutscht n Elsch – Ich glaube mich küsst ein Elch
Keule – kleiner Bruder
Atze – großer Bruder
Schwelle – Schwester
Ellis – Eltern

Literatur

  • Der kleine Duden, Sonderausgabe Berlin. Dudenverlag Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich; Mannheim 2005, ISBN 3-411-14072-0
  • Norbert Dittmar, Peter Schlobinski: Wandlungen einer Stadtsprache – Berlinisch in Vergangenheit und Gegenwart. Colloqium-Verlag, 1988, ISBN 3-7678-0704-1
  • Ewald Harndt: Französisch im Berliner Jargon, Neuausg. Berlin 2005, ISBN 3897735245
  • Agathe Lasch: „Berlinisch“ : eine berlinische Sprachgeschichte. Berlin (Hobbing-Verlag) 1928
  • Hans Meyer, Siegfried Mauermann, Walther Kiaulehn: Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten. ISBN 3406459889
  • Jens Runkehl (Bearbeiter): Lilliput Berlinerisch. Langenscheidt, Berlin & München 2003; ISBN 346820034X
  • Joachim Schildt, Hartmut Schmidt: Berlinisch – Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Akademie-Verlag, 1986, ISBN 3-05-000157-7

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Viertel-Dreiviertel-Verbreitungskarte
  2. Siehe auch: Peter Honnen: „Alles Kokolores? – Wörter und Wortgeschichten aus dem Rheinland“, Greven Verlag, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0418-5, Seite 71 ff.

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