Besatzung des Irak nach dem Irak-Krieg

Besatzung des Irak nach dem Irak-Krieg
Geteilte Besatzung des Irak 2003-2008 durch die USA (türkis und purpur), Großbritannien (grün) und Polen (hellrot)

Seit dem Ende des Dritten Golfkrieges wird der Irak von einer Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten besetzt. Es wurden zunächst Besatzungszonen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Polens eingerichtet. Das Multi-National Force Iraq, ein internationales Verbundkommando, ist dabei für die alltägliche sowie langfristige Instruktion und Supervision der Besatzungsstreitkräfte zuständig. Daneben fungiert es als Schnittstelle zwischen den Interessen der okkupierenden Länder, der irakischen Bundesregierung und der Zivilbevölkerung.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Patrouille der U.S. Army im Bagdader Stadtbezirk Karada (2008)

Militärische Besatzung

Infolge des Sturzes der Diktatur Saddam Husseins am 7. April durch den Fall Bagdads an die 3. US-Infanteriedivision wurde eine Übergangsverwaltung eingerichtet. Das Besatzungsregime schuf eine Übergangsregierung, die über beschränkte Souveränität verfügte. Während vor allem die Streitkräfte der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs die Invasion angeführt hatten, entsandten 29 andere Mitglieder der Koalition der Willigen Truppen, die beim Wiederaufbau des Irak Unterstützung bieten sollten.

Größere Militäroperationen während der Besatzung

Ein US-Panzer in Bagdad

Baker-Kommission

Am 16. März 2006 wurde vom amerikanischen Kongress die Baker-Kommission eingesetzt, um eine unabhängig Beurteilung der Situation im Irak und Empfehlungen für künftige Strategien und Aktionen zu erarbeiten. Gemäß zahlreicher Medienberichte[1] wird die Baker-Kommission einen Abzug der Kampftruppen bis zum Jahr 2008 vorschlagen. Den Empfehlungen der Baker-Kommission folgend beschloss das US-Repräsentantenhaus den Abzug der US-Truppen aus dem Irak zum 1. April 2008.[2]

Truppenabzug

Am 14. September 2007 kündigte George W. Bush einen Teilabzug der Truppen aus dem Irak an. Der Grund dafür seien Erfolge, sodass nicht mehr so viele Soldaten benötigt würden. Er sagte: „Je erfolgreicher wir sind, desto mehr amerikanische Soldaten können nach Hause kommen.“[3]

Das Vereinigte Königreich wird zum 31. Mai 2009 den Großteil seiner Truppen aus dem Irak abziehen, ein Prozess, der Ende März 2009 begonnen hat.[4]

Folgen von Krieg und Besatzung

US-Soldaten versorgen ein Opfer einer Attacke von Aufständischen

Seit Anfang des Krieges bis Ende 2007 starben mindestens 80.000 irakische Zivilisten durch Gewalteinwirkung.[5] Zugleich sind etwa 2,5 Millionen Menschen im Irak Binnenflüchtlinge, davon 1 Million bereits vor dem Krieg, die anderen seit 2003 mit einem dramatischen Anstieg seit Februar 2006 mit etwa 1,3 Millionen Binnenflüchtlingen. Dazu kommen seit 2003 über 2 Millionen Flüchtlinge außerhalb des Irak.[6]

Am 8. September 2004 überschritt die Zahl der amerikanischen Gefallenen die psychologisch kritische Marke von 1.000, was die Wahlkampagne der opponierenden Demokraten in den USA begünstigte.[7] Bis zum heutigen Datum (1. November 2007) sind im Irak nach eigenen Angaben insgesamt 4145 Soldaten der Koalition gefallen, davon 3842 Amerikaner, außerdem sind über 8000 Amerikaner verwundet worden (gezählt nur die schweren Verletzungen im Kampf die Abtransport per Luft erforderten). Die Zahl der leicht im Kampf Verletzten, beläuft sich auf 19.696.[8]

Kriegsverbrechen während der Besatzung

Während der Besetzung des Irak verübten Akteure aller Seiten Kriegsverbrechen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dabei der Abu-Ghuraib-Skandal, bei dem amerikanische Geheimdienstmitarbeiter, Soldaten und Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen irakische Gefangene in einem Gefängnis nahe Bagdad gefoltert haben. Zugleich machten sie erniedrigende Fotos teils sexueller Natur, die bei ihrem Durchsickern heftige Reaktionen in der arabischen Welt provozierten.

Übergangsverwaltungen

Hauptartikel: Koalitions-Übergangsverwaltung (Irak)

Hauptartikel: Irakische Übergangsregierung

Status des Wiederaufbaus

2007

Angaben der US-Streitkräfte zufolge schreitet der Wiederaufbau des Irak voran. Im Juli 2007 habe die Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen, und 3.000 von knapp 3.400 Projekten des Iraqi Relief and Reconstruction Fund seien fertiggestellt gewesen. 60 % der Vertragsnehmer für Aufträge seien Iraker. Am wichtigsten sei die Wiederherstellung einer flächendeckenden medizinischen Betreuung sowie die möglichst durchgehende Versorgung Bagdads mit Elektrizität (derzeit acht Stunden pro Tag).[9]

Juristischer Status der Koalitionsbesatzung

Durch ihre militärische Präsenz verfügen die Mitglieder der Koalition über gewichtigen Einfluss im Land und bekämpfen mit den neu aufgestellten irakischen Streitkräften den paramilitärischen Widerstand.

Resolution 1546 des UN-Sicherheitsrates erkannte das Ende der offiziellen Besetzung des Irak durch die Koalition sowie die gleichzeitige Übernahme der vollen Souveränität durch die irakische Übergangsregierung an. Daraufhin nahmen sowohl die Vereinten Nationen wie auch mehrere ihrer Mitgliedsländer diplomatische Beziehungen zum Irak auf und unterstützen die Übergangsregierung bei der Vorbereitung von Wahlen und der Ausarbeitung einer Verfassung.

John Negroponte, Botschafter der USA im Irak, deutete an, dass die USA aus dem Irak abzögen, würde die Übergangsregierung dies wünschen[10]:

If that’s the wish of the government of Iraq, we will comply with those wishes. But no, we haven’t been approached on this issue — although obviously we stand prepared to engage the future government on any issue concerning our presence here.

zu dt.:

„Wenn das [Anm.: der Abzug] der Wunsch der Regierung des Irak ist, werden wir dies befolgen. Aber bisher ist man noch nicht in dieser Absicht an uns herangetreten - auch wenn wir offensichtlich bereit sind, uns mit jedem Thema zu befassen, welches die Regierung in Bezug auf unsere Anwesenheit hier anzusprechen gedenkt.“

Konsequenzen

Die anhaltende Besetzung des Irak, für die in der öffentlichen Meinung in den Vereinigten Staaten die Unterstützung schwindet, ist das beherrschende Thema auf der politischen Agenda der Bush-Regierung. Greifbare Konsequenzen sind beispielsweise das stetig wachsende Haushaltsdefizit sowie die anhaltende Schwierigkeit der Streitkräfte, geeignete Rekruten zu finden, sodass sie die Besoldung verstärkt und die Eintrittshürden gesenkt haben. Dennoch bleibt die Moral der Truppen schlecht und den Streitkräften, allen voran dem Heer, drohen ernsthafte Entprofessionalisierungstendenzen.[11]

Haltung der irakischen Bevölkerung zur Besatzungsmacht

2006

Nach einer im Oktober 2006 veröffentlichten geheimen Umfrage der britischen Armee lehnten 82 Prozent der Iraker die Besatzung ab, 67 Prozent fühlten sich unsicherer durch die ausländischen Truppen, 72 Prozent hatten kein Vertrauen in die Besatzungstruppen, 71 Prozent verfügten nicht über sauberes Wasser, bei 70 Prozent funktionierten die Abwasseranlagen nicht oder schlecht, 47 Prozent wurden nicht ausreichend mit Strom versorgt und 40 Prozent der Südiraker waren arbeitslos.

2008

Anwohner im Gespräch mit US-Soldaten

Im Februar 2008 führte der amerikanische Fernsehsender ABC zusammen mit der BBC, der ARD und der NHK eine Umfrage unter der irakischen Zivilbevölkerung durch, die sich in mehreren Fragestellung mit deren Haltung zur Besatzungsmacht fünf Jahre nach der Invasion des Landes auseinandersetzte, und verglich diese Werte mit bereits veröffentlichten Umfragewerten vom August 2007. Dabei waren die Kräfte der Multi-National Force Iraq von gerade einmal 26 % erwünscht. Demgegenüber hatte der Wunsch nach einem sofortigen Abzug der USA und des Vereinigten Königreiches von 47 auf 38 Prozent abgenommen. Dabei sind die Iraker über das voraussichtliche Ergebnis eines endgültigen Abzugs gespalten, da 46 % damit rechnen, dass sich die Sicherheitslage verbessert, während der Rest eine Stagnation oder eine Verschlechterung annimmt. Ein Engagement der Vereinigten Staaten im Rahmen gängiger Diplomatie wie beispielsweise die fortgeführte Instruktion und Belieferung der heimischen Sicherheitskräfte erachtete eine überwältigende Mehrheit der Iraker als wünschenswert. Dabei war die Kooperation in der Terrorbekämpfung besonders beliebt, die sich 80 % erhofften.[12]

Am 4. Oktober 2008 übergaben die polnischen Truppen den US-Streitkräften die Kontrolle über die Multi-National Division Central-South (MNDSC) und am 29. Oktober 2008 wurde der Einsatz im Irak beendet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. NETZEITUNG IRAK: Baker- Kommission will Abzug aus Irak bis 2008
  2. Welt Online: Repräsentantenhaus beschließt Abzug aus dem Irak, vom 13. Juli 2007
  3. Bush will Totalabzug nur bei „Erfolg“
  4. o. V.: http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk/7973403.stm, in: BBC Online, 31. März 2009. Zugriff am 2. April 2009.
  5. Quelle: Iraq Body Count
  6. Iraq Assessments & Statistics Report der Internationale Organisation für Migration im Irak, zweiwöchentlich, Stand 1. März 2008
  7. U.S. death toll in Iraq passes 1,000 CNN-Bericht vom 8. September 2004. Funddatum: 14. April 2007.
  8. Quelle: Iraq Operation Casualty Count vom 1. November 2007
  9. Quelle: Iraq Rebuilding Shifts from Western Contracts to Iraqis. Bericht der United States Army vom 6. Juli 2007. Zugriff am 8. Juli 2007.
  10. US and UK look for early way out of Iraq - „Die USA und Großbritannien suchen möglichst schnellen Abzug aus dem Irak“, Artikel des Guardian vom 22. Januar 2005. Funddatum: 17. März 2007
  11. „US-Armee vor dem Kollaps“. FOCUS-Bericht vom 13. April 2007. Funddatum: 1. November 2007
  12. Anthony Cordesman: US Troop Levels And Iraqi Perceptions of the US. Veröffentlicht am 20. Juli 2008. Zugriff am 4. August 2008

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