Bestandsschutz

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Altbauten genießen Bestandsschutz, können diesen jedoch durch Modernisierung verlieren.

Der Begriff Bestandsschutz oder Bestandsgarantie beschreibt allgemein im öffentlichen Recht das Phänomen, dass eine Genehmigung in ihrer ursprünglichen Form weiter gilt, obwohl neuere Gesetze schärfere Anforderungen stellen und heute zur Erlangung einer gleichen Genehmigung eine höhere Hürde zu erklimmen wäre.[1][2][3]

Der Begriff ist verfassungsrechtlich mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verknüpft. Der Bestandsschutz hat seine Wurzeln mit darin, dass nach Art. 14 Abs. 3 GG ein Recht nicht entschädigungslos entzogen werden darf.

Inhaltsverzeichnis

Bestandsschutz im Baurecht

Der baurechtliche Bestandsschutz gliedert sich in einfachgesetzlichen und übergesetzlichen Bestandsschutz. Im Unterschied zum einfachgesetzlichen Bestandsschutz, der sich im geschriebenen Recht wiederfindet (z.B. § 35 Abs. 4 BauGB), ist der übergesetzliche Bestandsschutz eine richterrechtliche Rechtsfigur, die aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG entwickelt wurde.[4] Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Freiheit des Einzelnen, auf seinem Grundstück zu bauen, sondern auch eine bereits errichtete bauliche Anlage als eigentumsfähige Sache. Aus diesem Grund unterscheidet man den übergesetzlichen Bestandsschutz wiederum in aktiven und passiven Bestandsschutz :[5]

Wie der Begriff passiver Bestandsschutz deutlich macht, geht es um den Schutz des Bestandes, also um den Erhalt des Istzustandes. Man kann von Bestands- und Nutzungsschutz sprechen. Eine bauliche Anlage bleibt somit auch dann baurechtmäßig, wenn sich die gesetzlichen Vorschriften nachträglich ändern. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:[6]

Die bauliche Anlage muss

  • zum Zeitpunkt der Errichtung rechtswirksam genehmigt worden sein (formell baurechtmäßig)
  • ohne rechtswirksam genehmigt zu sein, zur Zeit der Errichtung den materiellen Baurechtsvorschriften entsprochen haben (materiell baurechtmäßig) bzw.
  • ohne rechtswirksam genehmigt und errichtet worden zu sein, nach der Errichtung längere Zeit den materiellen Baurechtsvorschriften entsprochen haben (materiell baurechtmäßig).

Grundvoraussetzung aller Fallgruppen ist, dass Rechtsschutz nur für formell und materiell rechtmäßig Geschaffenes gewährt wird.


Der aktive Bestandsschutz hingegen befasst sich mit der Frage, ob auch Modernisierungsmaßnahmen, die der Erhaltung oder zeitgemäßen Nutzung des vorhandenen Bestandes dienen, geschützt werden.[7] Das BVerwG sah sogar die Errichtung eines Garagengebäudes zu einem bestehenden Wohnhaus trotz entgegenstehender Festsetzungen im Bebauungsplan vom aktiven Bestandsschutz erfasst.[8] Die Bedeutung des aktiven Bestandsschutzes ist heute mit Einführung des § 35 Abs. 4 BauGB nur noch gering. Spätestens seit dem Urteil vom 12. März 1998 nimmt die Rechtsprechung von diesem Rechtsinstitut Abstand.[9] Dies ist aber der einzig konsequente Schritt, da die Gesamtheit der Gesetze bestimmt, was Eigentum und damit das Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG ist. Der aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Bestandsschutz kann sich daher auch nicht gegen einfachgesetzliches Recht durchsetzen, wenn erst dieses einfachgesetzliche Recht den Gegenstand und den Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährten Bestandsschutzes bestimmt. Diese Argumentation lässt sich auf den beplanten und nichtbeplanten Innenbereich übertragen. Auch im Innenbereich nach § 34 BauGB ist daher ein Vorhaben nur dann genehmigungsfähig, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 BauGB erfüllt sind. Für eine erleichterte Zulässigkeit des Vorhabens aufgrund des Bestandsschutzes ist daher kein Raum.[10]

Einzelnachweise

  1. BVerwGE 62, 224: Müllabfuhr II, Az. 7 C 34.77 vom 27. Mai 1981.
  2. Dr. jur. Thorsten Franz, Halle: Einführung in das öffentliche Recht für Wirtschaftswissenschaftler, SS 2000, S. 24 (online als PDF)
  3. Prof. Dr. Gerrit Manssen, Greifswald: Staatsrecht I, Grundrechtsdogmatik Rn. 409.
  4. zur Verfassungsgemäßheit dieser Rechtsfigur: BVerfG, NVwZ-RR 1996, 483 = BauR 1996, 235
  5. Vgl. Boecker, BauR 1998, 441
  6. Gehrke, Brehsan: Genießt der baurechtliche Bestandsschutz noch Bestandsschutz?, NVwZ 1999, 932ff.
  7. Aichele, Herr: Die Aufgabe des übergesetzlichen Bestandsschutzes und die Folgen, NVwZ 2003, 415ff.
  8. BVerwGE 72, 362 = NJW 1986, 2126
  9. BVerwGE 106, 228 = NVwZ 1998, 842 = NJW 1998, 3136 L = DÖV 1998, 600
  10. BVerwG, NVwZ 1999, 523f.

Siehe auch

Literatur

  • Matthias Wehr: Materieller und formeller Bestandsschutz im Baurecht. In: Die Verwaltung. Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften. 38. Bd., 2005, S. 65–89.

Weblinks

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