Beweis (Rechtswesen)

Beweis (Rechtswesen)
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Der Beweis bezeichnet die Feststellung eines Sachverhalts als Tatsache in einem Gerichtsverfahren aufgrund richterlicher Überzeugung.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Ein Zivilgericht etwa prüft eine Klage auf Zulässigkeit und Begründetheit (vgl. Relationstechnik). Hinsichtlich eines Beweises betrifft der festzustellende Sachverhalt in der Zulässigkeitsprüfung eine zweifelhafte Zulässigkeitsvoraussetzung, in der Begründetheitsprüfung die bestrittene Tatsachenbehauptung einer Partei. Vom Vorliegen einer Zulässigkeitsvoraussetzung überzeugt sich das Gericht im Freibeweis, von der Richtigkeit einer Parteibehauptung im Strengbeweis.

Die Beweisfindung verläuft regelmäßig in einem dreiaktigen Prozessgeschehen mit unterschiedlichen Beteiligten:

  • Mit dem Beweisantritt benennt eine Partei für ihre Behauptung oder der Gegner für deren Unrichtigkeit ein Beweismittel. Tätig ist die Partei. Der Beweisantritt muss sich dabei auf eine beweisbedürftige Tatsache richten. Es darf ferner kein Beweisverbot bestehen.
  • Bei der Beweisaufnahme macht das Gericht eigene Wahrnehmungen von dem Beweismittel. Tätig ist das Gericht unter Einbeziehung der Beweismittel und der Parteien, die ein Fragerecht haben.
  • In der Beweiswürdigung verschafft sich das Gericht auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Überzeugung von der Richtigkeit der Beweisbehauptung. Tätig ist das Gericht unter Ausschluss der Parteien. In der deutschen Rechtsprechung gilt die freie Beweiswürdigung.

Ist das Gericht überzeugt, so ist der Beweis geführt und die behauptete Tatsache steht für den Prozess fest. Bleiben dem Gericht Zweifel, so ist der Beweis nicht erbracht und die behauptete Tatsache lässt sich im Prozess nicht feststellen. Nur eine offenkundige Tatsache bedarf keines Beweises.

Ob und in welchem Umfang ein Gericht überhaupt Beweis(e) erhebt und die Folgen einer fehlenden Feststellbarkeit beurteilt der Richter anhand der Beweislast.

Im Strafprozess erhebt das Gericht Beweis von Amts wegen oder auf einen Beweisantrag (§ 244 StPO).

Beweis im kriminalistischen Sinn

Beweisen heißt, dem beurteilenden Gericht einen Sachverhalt durch jedermann überzeugende und beliebig oft reproduzierbare Fakten so darzustellen, dass ein vernünftiger Zweifel an dem von den Strafverfolgungsorganen bei vorläufiger Tatbewertung angenommen Tatgeschehen nicht möglich ist.

Beweisverfahren nach deutschem Recht

Im Strengbeweisverfahren vor dem Zivilgericht kommen nach deutschem Recht nur folgende Beweismittel in Betracht:

In der Hauptverhandlung im Strafverfahren kommen für den Strengbeweis nur Einlassung und Geständnis des Angeklagten, Zeugen, Sachverständige, Inaugenscheinnahme und Urkunden in Frage. Der Strengbeweis ist dort für die Feststellung der Tatsachen, die die Schuld- und Straffrage betreffen, vorgeschrieben. Das der Hauptverhandlung vorausgehende Ermittlungs- und Zwischenverfahren wird mit dem Freibeweis geführt.

Wesentlich für das deutsche Prozessrecht ist die Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens. Das erkennende Gericht hat seine Überzeugung aus der mündlichen Verhandlung zu schöpfen. Nur ausnahmsweise können Beweise, die nicht durch das Prozessgericht selbst erhoben wurden, in den Prozess eingeführt werden. So kann in der Regel die Beweiserhebung nicht einem anderen als dem erkennenden Gericht, übertragen werden. Im Strafverfahren können die durch die Polizei/Finanzbehörden und die Staatsanwaltschaft erhobenen Beweise nicht ohne weiteres in den Prozess eingeführt werden. So kann z.B. ein polizeiliches Verhörprotokoll im Hauptverfahren nicht einfach als Urkundsbeweis verlesen werden. Im Zivilprozess ist es aufgrund der dort geltenden Dispositionsmaxime dagegen durchaus möglich, dass etwa statt der Vernehmung eines Zeugen beispielsweise die Akte eines Strafverfahrens, in der bereits die Zeugenaussage zum Beweisthema als Protokoll enthalten ist, beiziehen zu lassen und somit den Beweis mittelbar über das Protokoll und somit über den Urkundsbeweis zu führen.

Beweismaß

Ein Beweis ist erbracht, wenn der Beweisführer dem Richter die persönliche Überzeugung von der Richtigkeit von der Tatsachenbehauptung verschafft hat. Dabei ist seit der Einführung der freien richterlichen Beweiswürdigung ( siehe § 286 Zivilprozessordnung oder § 261 Strafprozessordnung) grundsätzlich nicht mehr auf bestimmte Beweisregeln (z. B. das mittelalterliche "Durch zweier Zeugen Mund wird allwegs die Wahrheit kund.") abzustellen. Maßgebend ist (in den Worten des Bundesgerichtshofes) allein, ob der Richter persönlich von der Wahrheit der Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Dabei darf der Richter für seine Überzeugung keinen naturwissenschaftlich sicheren Nachweis verlangen, sondern muss sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zufriedengeben, der letzte (theoretische) Zweifel nicht ausschließt, ihnen aber praktisch Schweigen gebietet. Jedoch kennt das Recht auch nach wie vor Beweisregeln, bei denen der Richter sich nicht auf eine freie Beweiswürdigung stützen kann. So gelten etwa im Rahmen des Urkundsbeweises (§§ 415 ff ZPO), des Protokolls (§ 165 ZPO) oder der Zustellung eigene Beweisregeln.

Ein herabgesetztes Beweismaß (nämlich nur die Wahrscheinlichkeit der Behauptung) ist bei der Glaubhaftmachung zu erbringen.

Problematik beim Indizienbeweis

Problematisch ist der sog. Indizienbeweis: Bei ihm gewinnt der Richter im ersten Schritt keine Überzeugung von der Haupttatsache (also etwa der Täterschaft des Angeklagten), sondern nur von Indizien als Hilfstatsachen des Beweises (etwa der jahrelangen Feindschaft von Angeklagtem und Opfer, der Androhung der Tat, der zeitlichen und örtlichen Gelegenheit usw.). Von diesen Hilfstatsachen wird dann auf die Haupttatsache geschlossen. Die Indizien (auch: Beweisanzeichen) vermitteln damit lediglich Hinweise auf Täter, Tat, Motiv und mögliche Beweise zur Ermittlung des wahren Sachverhalts. Die Überzeugung des Gerichtes kann sich auch auf Indizien stützen (vgl. Indizienprozess). Wirken mehrere voneinander unabhängige Indizien darauf hin, dass ein sonst nicht zu beweisender Sachverhalt vorliegt, wird von einer Indizienreihe gesprochen. Das Zusammenwirken besteht darin, dass sowohl Indiz 1 als auch Indiz 2 beide den Schluss auf die Haupttatsache erlauben. Davon ist die Indizienkette abzugrenzen, die vorliegt, wenn mehrere Indizien (voneinander abhängig) auf eine beweiserhebliche Tatsache hinweisen. Diese Abhängigkeit besteht bei der kürzesten Form der Indizienkette darin, dass sich der Richter von Indiz 1 überzeugt, hiervon auf Indiz 2 und erst von diesem auf die Haupttatsache schließt.

Grenzüberschreitende Beweiserhebung

Grundsätze

Die Beweiserhebung über ersuchte Richter in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Dänemark) regelt die im Rahmen der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergangene EG-Beweisaufnahmeverordnung (EG-BewVO).[1]

Danach sind folgende Möglichkeiten der Beweisaufnahme gegeben:

  • Klassische Beweisaufnahme durch das im Rahmen der Amtshilfe ersuchte ausländische Gericht (Art. 10 ff. EG-BewVO);
  • Durchführung der Beweisaufnahme durch das Prozessgericht im Ausland (Art. 17 EG-BewVO);
  • Beweiserhebung mittels Videokonferenz (Art. 10 Abs.4 EG-BewVO);
  • Beweisaufnahme durch das ersuchte ausländische Gericht im Beisein des nationalen Tatrichters (Art. 12 EG-BewVO).

Die VO selbst regelt keine Vorrangigkeit einer der beschriebenen Methoden.

Auswirkungen auf das deutsche Beweisrecht

Es ist umstritten, ob das deutsche Prozess- und Verfassungsrecht trotz der prinzipiell gegebenen "Freiheit" der Auswahl unter den Verfahrensvarianten der VO (EG) 1206/01 an den deutschen Tatrichter dennoch die primäre Anforderung stellt, eine der Varianten zu wählen, bei dem er sich selbst einen Eindruck vom im Ausland vernommenen Zeugen verschaffen kann, um dem Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit" (nach § 343 der Zivilprozessordnung (Deutschland)) Geltung zu verschaffen.[2]

Sonstiges

Der Begriff Beweislage bezeichnet die Situation eines Angeklagten hinsichtlich der Beweisbarkeit einer angeklagten Straftat, z.B. ist bei einer erdrückenden Beweislage tatbestandsmäßig kaum ein Freispruch möglich.

Viele Beweise werden von der Strafverfolgungsbehörde (vor allem von der Staatsanwaltschaft und der Polizei) im Ermittlungsverfahren zusammengetragen und dem Gericht vorgelegt.

Siehe auch

Literatur

  • zum Verwaltungsprozess:
    • Vierhaus, Hans-Peter: "Beweisrecht im Verwaltungsprozess", München 2011, Verlag C. H. Beck, ISBN 978-3-406-62025-6
  • zum Zivilprozess / Arbeitsgerichtsprozess:
    • alle Kommentare und Handbücher zur Zivilprozessordnung (Deutschland) (ZPO), bzw. zum Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
    • Holger Jäckel: Das Beweisrecht der ZPO – Ein Praxishandbuch für Richter und Rechtsanwälte. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-02793-6.
    • Schneider, Egon / Thiel, Lotte, Zivilprozessuales Beweisrecht. Grundlagen und Fehlerquellen, 1. Aufl., Münster 2008, ZAP-Verlag, ISBN 978-3-89655-377-5 (auch als E-Book erhältlich)
    • Zuck, Rüdiger: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen des zivilprozessualen Beweisverfahrens -
      • Grundlagen, NJW 2010, 3350
      • Zeugenbeweis, NJW 2010, 3494
      • Sachverständigenbeweis, NJW 2010, 3622
      • Parteivernehmung, NJW 2010, 3674
    • Vorwerk, Volkert: Beweisaufnahme im Ausland: Neue Wege für den deutschen Prozess. Die EG-BeweisaufnahmeVO und der Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit., Anwaltsblatt 05/2011, 369 [1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. VO (EG) 1206/01 vom 28. Mai 2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG vom 27. Juni 2001, Nr. L 174 S.1)
  2. Vorwerk, aaO (Literaturhinweise), AnwBl. 2011, 369
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