Bewußtsein

Bewußtsein
Bewusstseinvorstellung aus dem 17. Jahrhundert

Bewusstsein (lat. conscientia „Mitwissen“ und agr. συνείδησις syneidesis „Miterscheinung“, „Mitbild“, „Mitwissen“, συναίσθησις Mitwahrnehmung und φρόνησις von φρόνειν bei Sinnen sein, denken) ist der Besitz und die Empfindung mentaler Zustände wie Wahrnehmungen, Erinnerungen und anderer Vorstellungen,[1] Gedanken aller Art und Formen wie Überlegungen, Beurteilungen, Einschätzungen und Bewertungen, Planungen oder Konzeptbildungen einschließlich der dazu nötigen Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit.

Das Phänomen des Bewusstseins gilt als eines der größten ungelösten Probleme von Philosophie und Naturwissenschaft, während es im Bereich der Psychologie in Ansätzen eine gewisse Klärung erfahren hat.[2]


Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Das Wort „Bewusstsein“ wurde von Christian Wolff als Lehnübersetzung des lateinischen conscientia geprägt. Das lateinische Wort hatte ursprünglich eher Gewissen bedeutet und war zuerst von René Descartes in einem allgemeineren Sinn gebraucht worden. Der Begriff „Bewusstsein“ hat im Sprachgebrauch eine sehr vielfältige Bedeutung, die sich teilweise mit den Bedeutungen von „Geist“ und „Seele“ überschneidet. Im Gegensatz zu diesen Begriffen ist „Bewusstsein“ jedoch weniger von theologischen und dualistisch-metaphysischen Gedanken bestimmt, weswegen er eher auch in den Naturwissenschaften verwendet wird.

Man unterscheidet heute in der Philosophie und Naturwissenschaft verschiedene Aspekte und Entwicklungsstufen:

  1. Bewusstsein als „belebt-sein“ oder als „beseelt-sein“ in verschiedenen Religionen oder als die unbegrenzte Wirklichkeit in mystischen Strömungen.
  2. Bei Bewusstsein sein: Hier ist der wachbewusste Zustand von Lebewesen gemeint, der sich unter anderem vom Schlafzustand oder von der Bewusstlosigkeit abgrenzt. In diesem Sinn lässt sich Bewusstsein empirisch und objektiv beschreiben und teilweise eingrenzen. Viele wissenschaftliche Forschungen setzten hier an; insbesondere mit der Fragestellung, inwieweit das Gehirn und das Bewusstsein zusammenhängen.
  3. Bewusstsein als phänomenales Bewusstsein: Ein Lebewesen, das phänomenales Bewusstsein besitzt, nimmt nicht nur Reize auf, sondern erlebt sie auch. In diesem Sinne hat man phänomenales Bewusstsein, wenn man etwa Schmerzen hat, sich freut, Farben wahrnimmt oder friert. Es wird allgemein anerkannt, dass Tiere mit hinreichend komplexer Gehirnstruktur ein solches Bewusstsein haben. Phänomenales Bewusstsein ist als so genanntes Qualiaproblem eine Herausforderung für die naturwissenschaftliche Erklärung.
  4. Bewusstsein als gedankliches Bewusstsein: Ein Lebewesen, das gedankliches Bewusstsein besitzt, hat Gedanken. Wer also etwa denkt, sich erinnert, plant und erwartet, dass etwas der Fall ist, hat ein solches Bewusstsein. Es ist als Intentionalitätsproblem eine Herausforderung für die naturwissenschaftliche Erklärung.
  5. Bewusstsein des Selbst und seiner mentalen Zustände: Selbstbewusstsein in diesem Sinne haben Lebewesen, die nicht nur phänomenales und gedankliches Bewusstsein haben, sondern sich auch darüber im Klaren sind, dass sie ein solches Bewusstsein haben. Dieses Selbstbewusstsein ermöglicht somit ein Bewusstsein von sich selbst als Individuum. Man trifft es bei Menschen und rudimentär bei einigen Säugetieren an.
  6. Individualitätsbewusstsein besitzt, wer sich seiner selbst und darüber hinaus sich seiner Einzigartigkeit als Lebewesen bewusst ist und die Andersartigkeit anderer Lebewesen wahrnimmt.

Die Verwendung des Begriffes Bewusstsein ist letztlich immer auf eine dieser Bedeutungen und damit auf eine Eingrenzung angewiesen. Auch drücken sich in den verschiedenen Verwendungsweisen oft unterschiedliche Weltanschauungen aus. Eine allgemeine Definition des Begriffes ist aufgrund seiner sehr unterschiedlichen Bedeutungen schwer möglich.

Bewusstsein als Rätsel

Der Philosoph Thomas Metzinger erklärt: „Das Problem des Bewusstseins bildet heute - vielleicht zusammen mit der Frage nach der Entstehung unseres Universums - die äußerste Grenze des menschlichen Strebens nach Erkenntnis.“ (Siehe Metzingertext unter „Weblinks“).

In einem materialistischen Weltbild entsteht das Rätsel des Bewusstseins anhand der Frage, wie es prinzipiell möglich sein kann, dass aus einer bestimmten Anordnung und Dynamik von Materie Bewusstsein entsteht. Die Vertreter der These, dass das Bewusstsein rätselhaft sei, argumentieren, dass selbst eine lückenlose Aufklärung sämtlicher physiologischer Gehirnprozesse diese Frage nicht beantworten könne. Es scheine unklar, warum ein Mensch nicht einfach funktionieren könne, ohne dass er es bewusst erlebt. Die Vorstellbarkeit dieser Situation lege offen, dass das Phänomen des Bewusstseins aus naturwissenschaftlicher Sicht noch nicht verstanden sei. Und schließlich scheint es anders als bei anderen Problemen ungeklärt, anhand welcher Kriterien eine Lösung des Problems überhaupt als solche erkennbar sein könnte.

Bereits Gottfried Wilhelm Leibniz hat das Problem in aller Schärfe formuliert. In der Monadologie (§17) stellt er sich eine riesige, begehbare Nachbildung des Gehirns vor und erklärt:

„[...] So wird man bei ihrer Besichtigung nichts als gewisse Stücke, deren eines an das andere stößt, niemals aber etwas antreffen, woraus man eine Perception oder Empfindung erklären könnte.“

Die Innenperspektive in einer Illustration von Ernst Mach

Bewusstsein in der Philosophie

In der Philosophie war das Rätsel des Bewusstseins schon lange bekannt. Es geriet aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Behaviorismus und der Kritik von Edmund Husserl am Psychologismus weitgehend in Vergessenheit. Dies änderte sich nicht zuletzt durch Thomas Nagels 1974 veröffentlichten Aufsatz What is it like to be a bat? Nagel argumentierte, dass wir nie erfahren würden, wie es sich anfühlt, eine Fledermaus zu sein. Diese subjektiven Fakten seien aus der Außenperspektive der Naturwissenschaften nicht erforschbar. Heute teilen viele Philosophen die Rätselthese – etwa David Chalmers, Frank Jackson und Joseph Levine. Es gibt allerdings auch Philosophen, die hier kein Rätsel erkennen wollen – etwa Patricia Churchland, Paul Churchland und Daniel Dennett.

Die Rätselhaftigkeit des Bewusstseins als Phänomen äußert sich in zwei verschiedenen Aspekten: Zum einen haben Bewusstseinszustände einen Erlebnisgehalt, und es ist nicht klar, wie das Gehirn Erleben produzieren kann. Dies ist das Qualiaproblem. Zum anderen können sich Gedanken auf empirische Sachverhalte beziehen und sind deshalb wahr oder falsch. Es ist aber auch nicht klar, wie das Gehirn Gedanken mit solchen Eigenschaften erzeugen kann. Das ist das Intentionalitätsproblem.

Das Qualiaproblem

Qualia sind als Erlebnisgehalte von mentalen Zuständen bestimmt. Man spricht auch von Qualia als dem „phänomenalen Bewusstsein“. Das Qualiaproblem besteht darin, dass es keine einsichtige Verbindung zwischen neuronalen Zuständen und Qualia gibt: Warum erleben wir überhaupt etwas, wenn bestimmte neuronale Prozesse im Gehirn ablaufen? Ein Beispiel: Wenn man sich die Finger verbrennt, werden Reize zum Gehirn geleitet, dort verarbeitet und schließlich wird ein Verhalten produziert. Nichts aber macht es zwingend, dass dabei ein Schmerzerlebnis entsteht.

Die fehlende Verbindung zwischen den neuronalen Prozessen und den Qualia scheint fatal für die naturwissenschaftliche Erklärbarkeit von Bewusstsein zu sein: Wir haben nämlich nur dann ein Phänomen naturwissenschaftlich erklärt, wenn wir auch seine Eigenschaften erklärt haben. Ein Beispiel: Wasser hat die Eigenschaften bei Raumtemperatur und normalen Luftdruck flüssig zu sein, bei 100 °C zu kochen usw. Wenn man einfach nicht erklären könnte, warum Wasser normalerweise flüssig ist, so gäbe es ein „Rätsel des Wassers“. Analog dazu: Wir haben einen Bewusstseinszustand genau dann erklärt, wenn Folgendes gilt: Aus der wissenschaftlichen Beschreibung folgen all die Eigenschaften des Bewusstseinszustands – also auch die Qualia. Da die Qualia aber eben aus keiner naturwissenschaftlichen Beschreibung folgen, bleiben sie ein „Rätsel des Bewusstseins“.

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, mit dem Qualiaproblem umzugehen:

  1. Man kann sich auf einen Dualismus zurückziehen und behaupten: Die Naturwissenschaften können das Bewusstsein nicht erklären, weil das Bewusstsein nicht materiell ist.
  2. Man kann behaupten, dass mit den neuro- und kognitionswissenschaftlichen Beschreibungen schon alle Fragen geklärt seien.
  3. Man kann behaupten, dass das Problem für Menschen nicht lösbar ist, da es ihre kognitiven Fähigkeiten übersteigt.
  4. Man kann zugeben, dass das Qualiaproblem nicht gelöst ist, aber auf den wissenschaftlichen Fortschritt hoffen. Vielleicht bedarf es einer neuen wissenschaftlichen Revolution.
  5. Man kann einen radikalen Schritt versuchen und behaupten: In Wirklichkeit gibt es gar keine Qualia.
  6. Man kann umgekehrt die Gegenposition einnehmen und behaupten: Jedem Zustand eines physischen Systems entspricht ein Quale oder ein Satz von Qualia. (Panpsychismus)

Das Intentionalitätsproblem

Hilary Putnam

Das Intentionalitätsproblem ist analog zum Qualiaproblem zu verstehen. Die grundlegende argumentative Struktur ist die gleiche. Auf Franz Brentano und seine Aktpsychologie geht die Einsicht zurück, dass die meisten Bewusstseinszustände nicht nur einen qualitativen Erlebnisgehalt haben, sondern auch intentional strukturiert sind. Das heißt, dass sie sich auf ein Handlungsziel beziehen. Ausnahmen sind Grundstimmungen wie Langeweile, Grundhaltungen wie Optimismus und etwa nach Hans Blumenberg auch Formen der Angst. [3] Der Gedanke, dass Herodot Historiker war, bezieht sich etwa auf Herodot, und er ist aufgrund seines Bezuges wahr oder falsch.

In Bezug auf das Intentionalitätsproblem kann man die gleichen Lösungsvorschläge vertreten wie beim Qualiaproblem. Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten. Man kann nämlich auch zu erklären versuchen, warum sich eine neuronale Aktivität auf etwas (etwa Herodot) bezieht. Die drei populärsten Vorschläge sind die folgenden:

  1. Jerry Fodor meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn er in einer bestimmten kausalen Relation zu X steht.
  2. Fred Dretske meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn er ein verlässlicher Indikator für X ist.
  3. Ruth Millikan meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn es die evolutionäre Funktion des Prozesses ist, X anzuzeigen.

All diese Lösungsvorschläge sind mit schweren Einwänden konfrontiert, und so halten viele Philosophen, etwa Hilary Putnam und John Searle, auch Intentionalität für nicht naturwissenschaftlich erklärbar.

Betrachtungsweisen des Bewusstseins

Man kann zwischen zwei Zugängen zum Bewusstsein unterscheiden. Zum einen gibt es eine unmittelbare und nicht-symbolische Betrachtung des Bewusstseins, die nur durch eigene Erfahrung möglich ist. Zum anderen wird versucht, Bewusstseinsphänomene aus der Außenperspektive der Naturwissenschaften zu beschreiben. Eine Unterscheidung zwischen der unmittelbaren und der symbolisch vermittelten Betrachtungsweise findet sich in vielen Traditionen und Theorien. Sie wird ebenfalls von den meisten Philosophen anerkannt, auch wenn einige Theoretiker und Theologen eine scharfe Kritik an der Konzeption des unmittelbaren und privaten Inneren geübt haben. Baruch Spinoza etwa nennt die unmittelbare, nicht-symbolische Betrachtung „Intuition“ und die objektive Beschreibung „Intellekt“.

Es wird häufig behauptet, dass die Ebene der unmittelbaren Bewusstseinsbetrachtung für die „Erkenntnis der Wirklichkeit“ die eigentlich entscheidende sei. Nur in ihr sei der Kern des Bewusstseins, das subjektive Erleben, zugänglich. Da diese Ebene allerdings nicht durch eine objektive Beschreibung zugänglich sei, seien auch den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet des Bewusstseins bestimmte Grenzen gesetzt.

Bewusstsein, Materialismus und Dualismus

Der Begriff des Geistes steht traditionell im Zusammenhang mit dem cartesischen Dualismus zwischen einer materiellen Welt und der immateriellen Welt des Geistes. Dies ist beim Begriff „Bewusstsein“ nicht der Fall, was allerdings nicht bedeutet, dass die Rede vom Bewusstsein zwingend mit einem Materialismus verbunden ist. Vielmehr wird die Existenz des Bewusstseins oft als das zentrale Problem jeder materialistischen Weltanschauung gesehen.

Die aufs Bewusstsein bezogenen antimaterialistischen Argumente basieren meist auf den oben diskutierten Phänomenen Qualia und Intentionalität. Die grundlegende argumentative Struktur ist dabei sehr einfach: Wenn der Materialismus wahr ist, dann müssen Qualia und Intentionalität reduktiv erklärbar sein. Sie sind aber nicht reduktiv erklärbar. Also sei der Materialismus falsch. In der philosophischen Debatte werden die Argumente natürlich ungleich komplexer. Ein sehr bekanntes Argument ist etwa von Frank Jackson entwickelt worden. In einem Gedankenexperiment stellt er sich die Superwissenschaftlerin Mary vor, die in einem schwarz-weißen Labor aufwächst und lebt. Sie hat noch nie Farben gesehen und weiß daher nicht, wie Farben aussehen. Sie kennt aber alle physikalischen Fakten über Farbensehen. Da sie aber nicht alle Fakten über Farben kennt (sie weiß nicht, wie sie aussehen), gibt es nicht-physikalische Fakten. Er schließt daraus, dass es nicht-physische Fakten gebe und der Materialismus falsch sei. Gegen dieses Argument sind verschiedene materialistische Erwiderungen vorgebracht worden (vgl. Qualia).

Gegen derartige dualistische Argumente sind zahlreiche materialistische Repliken entwickelt worden. Sie beruhen auf den oben beschriebenen Möglichkeiten, mit Qualia und Intentionalität umzugehen. Im Resultat existiert eine Vielzahl von materialistischen Vorstellungen vom Bewusstsein. Funktionalisten wie Jerry Fodor und der frühe Hilary Putnam wollen das Bewusstsein in Analogie zum Computer durch eine abstrakte, interne Systemstruktur erklären. Identitätstheoretiker wie Ullin Place und John Smart wollen Bewusstsein direkt auf Gehirnprozesse zurückführen, während eliminative Materialisten wie Patricia und Paul Churchland die Existenz des Bewusstseins gänzlich bestreiten. Detailliertere Beschreibungen finden sich im Artikel Philosophie des Geistes.

Bewusstsein in den Naturwissenschaften

Überblick

Angesichts der Rätsel des Bewusstseins mag man sich fragen, ob die Naturwissenschaften überhaupt etwas zum Thema beizutragen haben. Allerdings erleben wir ja nicht nur verschiedene mentale Zustände, sie haben auch messbare Ursachen und Wirkungen. Sie lösen Verhalten aus und verursachen andere mentale Zustände. Diese Wirkungen werden von der Psychologie beschrieben. Doch die mentalen Zustände sind auch aufs engste mit den neuronalen Zuständen verknüpft, diese Zusammenhänge werden von der Neurowissenschaft beschrieben. Schließlich kann die Funktionalität mentaler Zustände und neuronaler Prozesse auch so weit formalisiert werden, dass sie auf einem Computer simulierbar sind - das ist ein Arbeitsgebiet der künstlichen Intelligenz. Bezüglich solch denkendem Bewusstsein unterscheidet Roger Penrose mindestens vier mögliche Sichtweisen[4]:

A: Alles Denken ist Berechnung. Der Eindruck bewusster Wahrnehmung entsteht einfach durch die Ausführung geeigneter Berechnungen.
B: Bewusstsein ist eine Eigenschaft physikalischer Vorgänge im Gehirn. Diese Prozesse lassen sich mit Computern rechnerisch simulieren, die Berechnungen alleine schaffen aber noch kein Bewusstsein.
C: Es gibt physikalische Prozesse im Gehirn, die zu Bewusstsein führen, diese lassen sich aber mit Computern nicht rechnerisch simulieren. In diesem Fall wird eine neue Physik erforderlich.
D: Bewusstsein lässt sich überhaupt nicht wissenschaftlich erklären, weder physikalisch noch mittels Computersimulation.

Die Thesen A und B wurden vermehrt von metamathematischer Seite als theoretisch widerlegt angegriffen:[5] Man kann für formale Systeme (beispielsweise eine künstliche „Intelligenz“), für die die Freiheit von Redundanzen und von Widersprüchen gegeben sei, ab einer gewissen Komplexität eine als wahr bekannte Aussage innerhalb des Systems konstruieren, die sich mit den Annahmen des Systems weder formal beweisen noch widerlegen lässt (siehe auch Gödelscher Unvollständigkeitssatz). Wäre Bewusstsein etwas, das durch solche formalen Systeme vollständig simulierbar ist, kann man nach Kurt Gödel innerhalb des Systems eine wahre Aussage konstruieren, die innerhalb des Systems weder zu beweisen noch zu widerlegen ist. Ein solches System, das also einerseits nach Voraussetzung vollständig ist, andererseits gleichzeitig nicht vollständig ist, kann offensichtlich nicht existieren. Würde man versuchen, eine unvollständige beliebig komplexe Implementierung von Bewusstsein durch Hinzunahme von Information zu einem vollständigen System zu ergänzen, kann man erneut nach Gödel in dem System eine Wahrheit finden, die dem System nicht „bewusst“ wird.

Bei der Erforschung des Bewusstseins sind sehr viele Einzelwissenschaften beteiligt, da es eine große Anzahl von empirisch beschreibbaren Phänomenen gibt, die in Wechselwirkung mit ihm stehen.

Für die Naturwissenschaften bleibt also viel zu tun, auch wenn man der Meinung ist, dass einzelne Elemente des Bewusstseins (Qualia und Intentionalität) unerklärt bleiben. Allerdings gibt es in den einzelnen Naturwissenschaften auch oft den Anspruch, das Bewusstsein restlos mit empirischen Mitteln erklären zu wollen.

Bewusstsein in der Medizin

In der Medizin bezeichnet man als Bewusstsein das Zusammenspiel aus dem Grad der Aufmerksamkeit (im Gegensatz zur Bewusstseinstrübung), der Orientierung, dem Denken, der Erinnerung und dem Handeln. Auch die so genannten „Schutzreflexe“ (also etwa Husten) und die Reaktion auf Schmerz, werden zum Bewusstsein gezählt.

In der Psychologie, Neuropsychologie und Neurologie unterscheidet man sieben hierarchisch aufgebaute Bewusstseinszustände:[6]

  1. Koma, nur wenige psychovegetative Reaktionen sind möglich
  2. REM-Schlaf, verschieden hohe Erlebensgrade beim Träumen
  3. Somnolenz, ein leichtes Hypnosestadium, nur Teile werden erinnert
  4. Relaxation, Dösen ohne gezielte Aufmerksamkeit
  5. Scanning, die Aufmerksamkeit ist schweifend
  6. Vigilanz, syn. Daueraufmerksamkeit über längere Zeit in monotonen Situationen
  7. Tenazität, Aufmerksamkeitsform mit höchster Anspannung und Verarbeitungsintensität; alle Aspekte der Aufmerksamkeitsformen (selektive Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, Kontrollaufmerksamkeit) sind möglich.

Neurowissenschaft

Ein Gehirn per bildgebendem Verfahren visualisiert

Ein zentrales Element der neurowissenschaftlichen Erforschung des Bewusstseins ist die Suche nach neuronalen Korrelaten von Bewusstsein. Man versucht bestimmten mentalen Zuständen ein neuronales „Substrat“ gegenüberzustellen. Dieser Suche nach Korrelaten kommt die Tatsache entgegen, dass das Gehirn teilweise funktional gegliedert ist. Einzelne Teile des Gehirns (Areale) sind für verschiedene Aufgaben zuständig. So weiß man etwa, dass das Broca-Zentrum (bzw. die Brodmann-Areale 44 und 45) im Wesentlichen für Sprachproduktion zuständig sind. Schädigungen dieser Region führen folglich auch zu einer Sprachproduktionsstörung, der sogenannten Broca-Aphasie. Aktivitätsmessungen während aktiver Sprachproduktion zeigen eine dementsprechend erhöhte Aktivität in dieser Region. Und die elektrische Reizung dieses Areals kann zu vorübergehenden Sprachproblemen führen. Allerdings sind Zuordnungen von mentalen Zuständen und Hirnregionen gewisse Grenzen gesetzt, da Reize immer in mehreren Hirnregionen gleichzeitig verarbeitet werden. Die Zuordnungen zu einzelnen Hirnregionen haben daher meist einen eher heuristischen Wert.

Die Unterscheidung von neuronalen Korrelaten des Bewusstseins von unbewusster Gehirnaktivität kommt der Frage gleich, weshalb manche neuronalen Prozesse zur Bewusstwerdung eines Sinnesreizes oder eines internen Zustandes führen und andere nicht. Während tiefen Schlafs, einer Narkose oder einigen Arten von Koma und Epilepsie, zum Beispiel, sind weite Teile des Gehirns aktiv, ohne von bewussten Zuständen begleitet zu werden. Ebenso scheint die neuronale Aktivität des Kleinhirns nur wenig zum bewussten Erleben beizutragen, obgleich die Anzahl der dort lokalisierten Neurone die des Großhirns noch übersteigt.

In den vergangenen Jahren nahm die Wahrnehmungsforschung eine dominierende Position innerhalb der neurobiologischen Grundlagenforschung des Bewusstseins ein. Einige visuelle Illusionen etwa erlauben es, zu untersuchen, wie das bewusste Erleben der Sinneswelt mit den physikalischen Vorgängen der Reizaufnahme und -verarbeitung zusammenhängt. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Phänomen der binokularen Rivalität, bei dem ein Beobachter nur eines von zwei gleichzeitig präsentierten Bildern bewusst wahrnehmen kann. Die neurowissenschaftliche Erforschung dieses Phänomens hat ergeben, dass weite Teile des Gehirns von den nicht bewusst wahrgenommenen Sehreizen aktiviert werden. Auch hier stellt sich die Frage, was die zur bewussten Wahrnehmung führende neuronale Erregung von unbewusster Gehirnaktivität und Reizverarbeitung unterscheidet.

Der Bestimmung bewusster Gehirnaktivität kommt zunehmend ethische und praktische Bedeutung zu. Mehrere medizinische Problemfelder, so die Möglichkeit intraoperativer Wachheit während einer Vollnarkose, die Einordnung von Koma-Patienten und der Umgang mit diesen, oder die Frage nach dem Hirntod sind hiervon direkt betroffen.

Psychologie

Die Psychologie beschreibt im Detail, welche Reize in welchen Kontexten welche Bewusstseinszustände auslösen. Sie beschreibt auch, in welchem Verhältnis die Bewusstseinszustände untereinander stehen und in welcher Weise diese Verhalten verursachen. So untersucht etwa die Wahrnehmungspsychologie, wie Sinnesreizungen Bewusstseins- bzw. Wahrnehmungszustände erzeugen. Typische Fragen sind hier: Was nimmt eine Person wahr, wenn sie gleichzeitig visuelle und auditive Reize präsentiert bekommt? Wie viele Reize werden an der Peripherie bewusst, wenn die Aufmerksamkeit an das Zentrum gebunden wird?

Dabei spielt in der Psychologie die Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Zuständen eine besondere Rolle. Nur ein kleiner Teil der Reize, die vom Gehirn verarbeitet werden, gelangen auch in das Bewusstsein. So kann man etwa durch Priming zeigen, dass Reize, die nicht ins Bewusstsein gelangt sind, dennoch das Verhalten des Probanden messbar beeinflussen. Eine weitere Evidenz bietet das Phänomen der Rindenblindheit bzw. des Blindsight. Hier handelt es sich um eine Störung, bei der visuelle Informationen zwar verarbeitet werden, jedoch nicht in das Bewusstsein gelangen. Während die Patienten also meinen, nichts zu sehen, kann man nachweisen, dass sie den visuellen Input durchaus verarbeitet haben. Dies geschieht, indem man sie Merkmale des Gesehenen „raten“ lässt.

Während man sich in der Kognitionspsychologie oft auf wenig komplexe aber experimentell gut zugängliche unbewusste Prozesse beschränkt, spielt in der Psychoanalyse die Gegenüberstellung von bewussten und unbewussten Prozessen eine zentrale Rolle. Im Anschluss an Sigmund Freud wird angenommen, dass es eine komplexe Struktur von handlungswirksamen Motiven gibt, die der jeweiligen Person nicht bewusst zugänglich sind. Zu einem Problem werden diese unbewussten Strukturen insbesondere dann, wenn sie krankhaftes Verhalten verursachen. Dies macht eine Bewusstwerdung der entsprechenden Motive im Prozess der psychoanalytischen Praxis notwendig. Auch wenn immer wieder methodologische Einwände gegen die psychoanalytische Theorie vorgebracht werden, wird die Annahme einer komplexen unbewussten Ebene doch mittlerweile weitgehend akzeptiert. Eine Rolle spielen hier auch die neurowissenschaftlichen Untersuchungen von unbewussten Prozessen, die zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Psychoanalytikern und Hirnforschern geführt haben.

Kognitionswissenschaft

Da viele Einzelwissenschaften an der Erforschung von Bewusstsein beteiligt sind, ist eine umfassende Erkenntnis nur durch einen interdisziplinären Austausch möglich. Die Wissenschaftsentwicklung hat dem mit der Entstehung der Kognitionswissenschaft mittlerweile Rechnung getragen, da diese in aller Regel als ein interdisziplinäres Unternehmen zwischen Informatik, Linguistik, Neurowissenschaft, Philosophie und Psychologie verstanden wird.

Ein besonderer Schwerpunkt aktueller kognitionswissenschaftlicher Forschung besteht dabei in der Zusammenführung von empirischen Ergebnissen der Lebenswissenschaften und den Methoden und Erkenntnissen der modernen Informatik. Zwei Beispiele:

Bei all diesen Ansätzen ist jedoch umstritten, inwiefern sie zur Lösung des oben beschriebenen Rätsels des Bewusstseins mit seinem Qualia- und Intentionalitätsproblem entscheidend beitragen können.

Experimente zum Bewusstsein

Zeitliche Verzögerung des Bewusstseins

Experimente von Benjamin Libet zeigten, dass das Bewusstsein eines Ereignisses um eine halbe Sekunde verzögert ist. Nach Libets Theorie wird jedoch der Zeitpunkt des Erlebnisses vom Gehirn rückdatiert, sodass es so erscheint als ob das Ereignis gleichzeitig erlebt worden wäre. Seine Theorie wies er experimentell nach. [7] Auch Handlungsabsichten werden 350 ms vor dem Bewusstwerden der Handlungsabsicht unbewusst eingeleitet. [8] Kritiker jedoch vertreten die Position, dass die zu treffende Entscheidung in der Experimentalanordnung bereits vor ihrer Ausführung getroffen wurde, da die Probanden über den Testablauf unterrichtet waren. Die so zeitverzögerte Wahrnehmung des Gehirns lässt sich durch ein Entladen eines bereits vorhandenen Entscheidungspotentials erklären.

Unterschied zwischen bewussten und unbewussten Gehirnaktivitäten

Libets Experimente zeigten, dass der Unterschied zwischen bewussten und unbewussten Erlebnissen die Dauer der Gehirnaktivitäten ist. Bei diesen Experimenten wurden den Versuchspersonen Reize auf die aufsteigende sensorische Bahn im Thalamus gegeben. Die Versuchspersonen sahen zwei Lampen, die jeweils eine Sekunde lang abwechselnd leuchteten. Die Versuchspersonen sollten sagen, welche der beiden Lampen leuchtete, als der Reiz verabreicht wurde. Wenn der Reiz kürzer als eine halbe Sekunde andauerte, nahmen sie den Reiz nicht bewusst wahr. [9] Die Versuchspersonen wurden jedoch gebeten auch, wenn sie keinen Reiz bewusst wahrnahmen, zu raten, welche Lampe leuchtete, während der Reiz verabreicht wurde. Dabei zeigte sich, dass die Versuchspersonen, auch wenn sie den Reiz nicht bewusst wahrnahmen, sehr viel häufiger als die Zufallswahrscheinlichkeit (50%) richtig rieten. Wenn der Reiz 150 bis 260 ms anhielt, rieten die Versuchspersonen in 75% der Fälle richtig. [10]. Um zu prüfen, ob die Versuchspersonen nicht eine Lampe beim Raten bevorzugten, verabreichte Libet nicht immer Reize. Wenn keine Reize verabreicht wurden, lag die Wahrscheinlichkeit, wie erwartet bei 50%. Damit die Versuchsperson den Reiz bewusst wahrnahm, musste der Reiz 500 ms andauern.

Nach Libets Time-on-Theorie beginnen alle bewussten Gedanken, Gefühle und Handlungspläne unbewusst. D. h. alle schnellen Handlungen, z. B. beim Sprechen, beim Tennis usw. werden unbewusst vollzogen.

Die Dauer der Gehirnaktivitäten ist nicht das einzige Indiz für den Unterschied zwischen bewussten und unbewussten Erlebnissen. Die visuelle Wahrnehmung liefert über die eine Hälfte der Fasern des Sehnervs den bewussten Anteil der fovealen Wahrnehmung. Die andere Hälfte der Nervenfasern überträgt den Hintergrund, die periphere Wahrnehmung[11]. Gleichzeitig werden - zusätzlich zu den visuellen Sinneseindrücken - auch noch Geräusche, Gerüche, Gefühle, Berührungen, innerkörperliche Eindrücke usw. (meist unbewusst) wahrgenommen.

Selbstbewusstsein

Unter der Vielfalt der Bewusstseinsphänomene hat das Selbstbewusstsein in den philosophischen, empirischen und religiösen Diskussionen eine herausgehobene Stellung. Dabei wird „Selbstbewusstsein“ nicht im Sinne der Umgangssprache als positives Selbstwertgefühl verstanden, unter dem Begriff des Selbstbewusstseins werden vielmehr zwei andere Phänomene behandelt. Zum einen wird hierunter das Bewusstsein seiner selbst als ein Subjekt, Individuum oder Ich (grie. und lat. Ego) verstanden. Zum anderen bezeichnet „Selbstbewusstsein“ aber auch das Bewusstsein von den eigenen mentalen Zuständen. Hierfür wird auch oft der Begriff „Bewusstheit“ verwendet.

Selbstbewusstsein als Bewusstsein vom Selbst

Das allgemeine Selbstbewusstsein gilt Immanuel Kant als Voraussetzung für Erkenntnis

Selbstbewusstsein im ersten Sinne ist insbesondere durch René Descartes ein zentrales Thema der Philosophie geworden. Descartes machte das gedankliche Selbstbewusstsein durch seinen berühmten Satz „cogito, ergo sum“ („ich denke, also bin ich“) zum Ausgangspunkt aller Gewissheit und damit auch zum Zentrum seiner Erkenntnistheorie. Descartes Konzeption blieb allerdings an seine dualistische Metaphysik gebunden, die das Selbst als ein immaterielles Ding postulierte. In Immanuel Kants transzendentalem Idealismus blieb die erkenntnistheoretische Priorität des Selbstbewusstseins bestehen, ohne dass damit Descartes Metaphysik übernommen wurde. Kant argumentierte, dass das Ich die „Bedingung, die alles Denken begleitet“ (KdrV A 398), sei, ohne dabei ein immaterielles Subjekt zu postulieren.

In der Philosophie der Gegenwart spielt die Frage nach dem Bewusstsein vom Selbst nicht mehr die gleiche zentrale Rolle wie bei Descartes oder Kant. Dies liegt auch daran, dass das Selbst oft als ein kulturelles Konstrukt aufgefasst wird, dem kein reales Objekt entspreche. Vielmehr lernten Menschen im Laufe der ontogenetischen Entwicklung ihre Fähigkeiten, ihren Charakter und ihre Geschichte einzuschätzen und so ein Selbstbild zu entwickeln. Diese Überzeugung hat zu verschiedenen philosophischen Reaktionen geführt. Während manche Philosophen, wie etwa Susan Blackmore, die Aufgabe der Konzeption vom Selbst fordern, halten andere das Selbst für eine wichtige und positiv zu bewertende Konstruktion. Prominente Beispiele sind hier Daniel Dennetts Konzeption vom Selbst als einem „Zentrum der narrativen Gravitation“ und Thomas Metzingers Theorie der Selbstmodelle.

Der konstruktivistische Blick auf das Selbst hat auch wichtige Einflüsse auf die empirische Forschung. Insbesondere die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit der Frage, wie und wann wir zu den Vorstellungen von einem Selbst kommen. In diesem Kontext spielt auch die Frage nach Entwicklungsstörungen eine große Rolle. Wie kann es etwa dazu kommen, dass Personen eine multiple Persönlichkeit entwickeln und mehrere Identitäten entwickeln?

Selbstbewusstsein als Bewusstsein von mentalen Zuständen

Mit „Selbstbewusstsein“ kann auch das Bewusstsein von mentalen Zuständen gemeint sein, also etwa das Bewusstsein der eigenen Gedanken oder Emotionen. In der künstlichen Intelligenz wird eine analoge Frage unter Bezug auf Metarepräsentationen beantwortet. Ein Roboter muss nicht nur die Information repräsentieren, dass sich vor ihm etwa ein Objekt X befindet. Er sollte zudem „wissen“, dass er über diese Repräsentation verfügt. Erst dies ermöglicht ihm den Abgleich der Information mit anderen, eventuell widersprechenden, Informationen.

Es ist eine heiß umstrittene Frage, ob sich das menschliche Selbstbewusstsein in ähnlicher Weise als Metarepräsentation begreifen lässt. Gegen diese Konzeption wird argumentiert, dass bei einigen Selbstbewusstseinsphänomenen kein Irrtum möglich sei. Der Satz „Er glaubt, dass er London für die größte Stadt Englands halte, dass er sich aber dabei irre.“ scheint sinnlos zu sein. Wenn dies aber der Fall ist, kann man das Selbstbewusstsein nicht mittels grundsätzlich fehleranfälliger Repräsentationen erklären. Dieses Problem hat dazu geführt, dass das Selbstbewusstsein in der Philosophie des Geistes manchmal als das dritte große Rätsel des Bewusstseins – neben Qualia und Intentionalität – angesehen wird. Folglich gibt es auch viele Vorschläge einer Naturalisierung des Selbstbewusstseins. Bekannte Theorien kommen von Fred Dretske und Sydney Shoemaker.

Bewusstsein bei anderen Lebewesen

Die Primatenforschung hat viel Erstaunliches über die geistigen Fähigkeiten von Affen herausgefunden.

Ein Thema, das in den letzten Jahrzehnten an Popularität gewonnen hat, ist die Frage nach dem möglichen Vorhandensein eines Bewusstseins bei anderen Lebewesen. An seiner Erforschung arbeiten verschiedene Disziplinen: Ethologie, Neurowissenschaft, Kognitionswissenschaft, Linguistik, Philosophie und Psychologie.[12]

Anders als bei Menschen haben Bewusstseinsforscher bei anderen Lebewesen, beispielsweise bei Affen, Delfinen und Hunden, keine Vergleichsmöglichkeiten zwischen messbaren Reaktionen und subjektiv wahrgenommenen Empfindungen und Zuständen: Hunde können wie alle – zumindest höher entwickelten – Tiere zwar Schmerz empfinden, aber wir wissen nicht, ob sie darüber nachdenken können, da sie nicht mit uns darüber sprechen können. Dazu bedarf es höher entwickelter Gehirnstrukturen, die begriffliche, auf Sprache basierende Vorstellungen verarbeiten können. Etwa bei Schimpansen, die Zeichensysteme erlernen können und Graupapageien, ist diese Barriere teilweise durchbrochen.[13] [14] Der Gradualismus, der die plausibelste Position zu sein scheint, prüft für jede Spezies von neuem, welche Bewusstseinszustände sie haben kann. Besonders schwierig gestaltet sich dies bei den Tieren, die eine von der menschlichen stark verschiedene Wahrnehmung besitzen.[15]

Lange Zeit wurde vermutet, dass Selbstbewusstsein allein bei Menschen vorkomme. Inzwischen ist jedoch erwiesen, dass sich auch andere Tiere, wie etwa Menschenaffen, Delfine, Elefanten und auch Elstern im Spiegel erkennen können, was einer weit verbreiteten Auffassung zufolge ein mögliches Indiz für reflektierendes Bewusstsein sein könnte.[16] [17] Ein Gradualismus in Bezug auf die Existenz von Bewusstsein steht jedoch vor dem Problem, zu klären, wo im Tierreich Bewusstsein anfängt. Konrad Lorenz etwa ging aufgrund seiner fundierten ethologischen Erfahrung davon aus, dass höherentwickelte Tiere zur – unsprachlich artikulierten – Erkenntnis „ich bin“ befähigt sind.[18]

Bewusstsein in den Religionen

Im Christentum spielen die Begriffe „Geist“ und „Seele“ traditionell eine größere Rolle als der Begriff „Bewusstsein“. Dies ergibt sich auch daraus, dass erstere Begriffe in ihrer Bedeutung näher an der Metaphysik klassischer christlicher Fundamentaltheologie und Philosophie sind: Sie legen nämlich die Existenz eines nichtmateriellen Trägers von Bewusstseinszuständen nahe. Dennoch spielt der Begriff des Bewusstseins auch in modernen christlichen Debatten eine Rolle. Dies geschieht etwa im Kontext von Gottesbeweisen. So wird argumentiert, dass die Interaktion zwischen immateriellen Bewusstseinszuständen und dem materiellen Körper nur durch Gott erklärbar sei, oder dass die interne Struktur und Ordnung des Bewusstseins im Sinne des teleologischen Gottesbeweises auf die Existenz Gottes schließen lasse.

Verschiedene buddhistische Traditionen und die hinduistischen Yoga-Schulen haben dagegen gemeinsam, dass in ihnen die direkte und ganzheitliche Erfahrung des Bewusstseins selbst im Mittelpunkt steht. Mit Hilfe der Meditation oder anderer Übungstechniken werden bestimmte Bewusstseinszustände erfahren, indem die personalen und sozialen Identifikationen abgebaut werden. Eine besondere Unterscheidung wird hier zur Bewusstheit getroffen, die ein volles Gewahrsein (awareness) des momentanen Denkens und Fühlens bedeutet. Sie soll erreicht werden durch die Übung der Achtsamkeit. Einsichten in die „Natur“ des Bewusstseins sollen so über die eigene Erfahrung gewonnen werden, die über einen rein reflektierten und beschreibenden Zugang hinausgeht. Das Konzept der Trennung in Körper und Geist oder Gehirn und Bewusstsein wird als eine Konstruktion des Denkens erfahren. Generell wollen alle mystisch-esoterischen Richtungen in den Religionen (z.B. Gnostizismus, Kabbala, Sufismus, u.a.) eine Bewusstseinsveränderung des Menschen bewirken. Tatsächlich zeigen „neurotheologische“ Forschungen mit bildgebenden Verfahren, dass durch die Meditation sonst unzugängliche neuronale Verknüpfungsmuster ermöglicht werden.

Siehe auch

  • Für umfassende Informationen und Links auf themennahe Artikel:
    Portal
     Portal: Geist und Gehirn – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Geist und Gehirn

Literatur

  • Einführungstexte zum Rätsel des Bewusstseins
  • Peter Bieri: Was macht das Bewusstsein zu einem Rätsel? In: Spektrum der Wissenschaft, 10, 1992, S. 48-56
  • Colin McGinn: Wie kommt der Geist in die Materie? Das Rätsel des Bewusstseins. Piper, München 2003 ISBN 3-492-23653-7
  • Colin McGinn: Das geistige Auge. Von der Macht der Vorstellungskraft. Primus, Darmstadt 2007
  • Thomas Nagel Wie ist es eine Fledermaus zu sein? In: Peter Bieri (Hrsg.): Analytische Philosophie des Geistes. Hain, Königstein 1981; 3. Aufl. Beltz, Weinheim 1997 ISBN 3-89547-117-8, 4., neu ausgest. Aufl. 2007 ISBN 978-3-407-32081-0
  • Systematische philosophische Literatur
  • Ansgar Beckermann: Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes. 2. Aufl. De Gruyter, Berlin 2001 ISBN 3-11-017065-5
  • David Chalmers: The conscious mind. In search of a fundamental theory. Oxford University Press, Oxford 1998 ISBN 0-19-511789-1
  • Dirk Hartmann: Philosophische Grundlagen der Psychologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998
  • Thomas Metzinger: Being No One. The Self-Model Theory of Subjectivity. MIT-Press, Cambridge, MA 2003 ISBN 978-0-262-63308-6
  • Thomas Metzinger (Hrsg.): Bewusstsein. Beiträge aus der Gegenwartsphilosophie. Schöningh, Paderborn 1995, 5. erw. Aufl. Mentis, Paderborn 2005 ISBN 3-89785-600-X
  • Quellen und Historische Studien
  • Eduard von Hartmann: Die Philosophie des Unbewußten. Berlin 1868
  • Thorsten Streubel: Das Wesen der Zeit. Zeit und Bewusstsein bei Augustinus, Kant und Husserl. Würzburg 2006
  • (Populär-)Wissenschaftliche Literatur
  • Antonio Damasio: Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. List, Berlin 2005 ISBN 3-548-60494-3
  • Dietrich Dörner: Bauplan für eine Seele. Rowohlt, Reinbek 2001 ISBN 3-499-61193-7
  • Gerald M. Edelman und Giulio Tononi: Gehirn und Geist. Wie aus Materie Bewusstsein entsteht. Beck, München 2002 ISBN 3-406-48836-6
  • Gerald M. Edelman: Das Licht des Geistes. Wie Bewusstsein entsteht. Rowohlt, Reinbek 2004 ISBN 3-499-62113-4
  • David R. Hawkins, Die Ebenen des Bewusstseins. VAK, Kirchzarten 2006 ISBN 3-932098-02-1
  • Julian Jaynes: Der Ursprung des Bewußtseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche. Rowohlt, Reinbek 1988 ISBN 3-498-03320-4 (TB 1993 rororo Sachbuch 9529 ISBN 978-3-499-19529-7 - Originalausgabe 1976, seit 1990 mit ausführl. Nachwort, seit 2000 auch als A Mariner Bbook ISBN 978-0618057078)
  • Christof Koch: Bewusstsein - ein neurobiologisches Rätsel. Spektrum Akademischer Verlag, 2005, ISBN 3-8274-1578-0
  • Carsten Könneker (Hrgg.): Wer erklärt den Menschen? Hirnforscher, Psychologen und Philosophen im Dialog. Fischer, Frankfurt 2006 ISBN 3-596-17331-0
  • Benjamin Libet: Mind Time. Wie das Gehirn Bewusstsein produziert. Suhrkamp, Frankfurt 2005 ISBN 3-518-58427-8 und 2007 als TB stw 1834 ISBN 978-3-518-29434-5
  • Stephen Pinker: Wie das Denken im Kopf entsteht. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt 1999 ISBN 3-463-40341-2
  • Arno Ros: Materie und Geist. Eine philosophische Untersuchung. Mentis, Paderborn 2005 ISBN 3-89785-397-3
  • Gerhard Roth: Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen. Suhrkamp, Frankfurt 1994, 5. überarb. Aufl 1996, seit 1997 a. als text- und seitenident.TB-Ausg. stw 1275 ISBN 978-3-518-28875-7
  • Heinz Georg Schuster: Bewusst oder unbewusst. Wiley-VCH, Weinheim 2007 ISBN 978-3-527-31883-4
  • Bewusstsein bei Tieren
  • Dominik Perler und Markus Wild (Hrsg.): Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion. Suhrkamp, Frankfurt 2005 (stw 1741) ISBN 978-3-518-29341-6
  • Fachpublikation
Journal of Consciousness Studies
  • Online-Zeitschriften

Weblinks

Allgemein
Literaturzusammenstellungen
  1. David Chalmers: HP mit umfangreichen Bibliographien und Linklisten Online-Standardreferenz zum Thema
  2. David Chalmers: Mindpapers Bibliographie zu Themen der Philosophie des Geistes, der Kognitionswissenschaften und der Bewusstseinstheorie mit mehr als 18.000 Titeln
  3. Thomas Metzinger: Bibliographie (PDF)
Spezielleres
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Einzelnachweise

  1. Auch Erinnerungen sind – meist spontanerscheinende“ oder entstehende, aber auch absichtlich hervorrufbare und sogar gezielt veränderbare – Vorstellungen! (Dirk Hartmann bestimmt in Philosophische Grundlagen der Psychologie WBG, Darmstadt 1998 S. 149 Vorstellen genauer als Imitieren des Wahrnehmens. In dem umfangreichen Kapitel zur Kognitiven Psychologie auf den S. 82-214, in dem er an vielen Stellen auch auf die schillernde Bedeutung des Wortes bewusst als „einem der philosophie- und psychologiehistorisch am meisten belasteten Ausdrücke“ [S. 85] eingeht, grenzt er die wenig beachtete Fähigkeit des Vorstellens – traditionell ausgedrückt: unser Vorstellungsvermögen oder unsere „Vorstellungskraft“ – auf den S. 146-164 gegenüber dem Wahrnehmen ab, um das alte Missverständnis auszuräumen, dass Vorstellungen wahrgenommen oder 'mit-wahrgenommen' würden, wie der traditionelle griech. Ausdruck für „Bewusstsein“ syn-'aístäsis' nahelegt: von aisthánesthei für sinnlich wahrnehmen; bez. der Rolle von Vorstellungen ist dagegen der griech. Ausdruck 'syn-eídäsis' – von [w]eído ich sehe, lat. video, und [w]eidós Bild, Idee – als Mit-Bild i.S. einer mitlaufenden Vorstellung oder „Einbildung“ recht zutreffend. NB: phrónesis steht sprachlich mit dem griech. Wort für für „Zwerchfell“ phrén in Zusammenhang, das in schizophren enthalten ist.)Vorstellungen stellen damit Imitate von Wahrnehmungen während früherer Erlebnisse dar. Als solche können sie auch in Kombination mit aktuellem Erleben auftreten; sie werden dann Assoziation genannt (s. Assoziationspsychologie). Sie können aber auch unabhängig von aktuellen Erlebnissen auftreten und bekanntlich sogar aktiv gebildet werden. Weil deswegen auch Erinnerungen als Vorstellungen prinzipiell unabhängig von früherem, aber auch aktuellen Erleben und damit willentlich oder willkürlich aktualisiert werden können, ermöglicht uns unsere Vorstellungsfähigkeit beliebige, sogar wissenschaftlich nutzbare „Gedankenspiele“, bei denen auch die jeweiligen Vorstellungen selbst – spontan wie beim „Tagträumen“ oder dem in der Nacht während des Schlafens – sich beliebig verändern, aber auch willentlich verändert werden können: psychologische „Grundlage“ aller spontanen oder gezielt z.B. künstlerisch genutzten Kreativität. Im übrigen reden wir auch von Wissen üblicherweise erst und nur dann, wenn sich jemand z.B. erinnernd jederzeit vorstellen kann, was er „weiß“ oder nach der Etymologie des Wortes „wissen“: „gesehen“ hat! (Im Unterschied zu einem bloßen Wiedererkennen von etwas früherer Erlebten während momentanen Erlebens!)
  2. im Werk von Julian Jaynes durch die Annäherung an die allerd. nicht weiter reflektierte oder gar diskutierte Rolle des Vorstellens und dadurch gebildeter Vorstellungen (bes. in Buch 1, Kap. 2 bez. der Analogbildung); zur Vorstellungsfähigkeit von philosophischer Seite s. neben dem in Anm. 1 erwähntem Grundlagenwerk von Hartmann (dort S. 97 - Erkennen, S. 140f - Absicht, Intention sowie Aufmerksamkeit u. S. 176f - Selbstbewusstsein) neuerdings Colin McGinn Mindsight (2004), dt. „Das geistige Auge - Zur Macht der Vorstellungskraft“ Primus, Darmstadt 2007
  3. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos S. 10
  4. Roger Penrose: Schatten des Geistes, Spektrum Akademischer Verlag, 1995, Kapitel 1.3: Das ABCD der Berechnung und des bewußten Denkens
  5. Penrose et al. 1991
  6. Pflüger, Leander: Neurogene Entwicklungsstörungen. UTB, Reinhardt München 1991, S. 111
  7. Benjamin Libet: “MIND TIME Wie das Gehirn Bewusstsein produziert” Suhrkamp (Verlag) ISBN 3-518-58427-8, Seite 105
  8. Benjamin Libet: “MIND TIME Wie das Gehirn Bewusstsein produziert” Suhrkamp (Verlag) ISBN 3-518-58427-8, Seite 176
  9. Benjamin Libet: “MIND TIME Wie das Gehirn Bewusstsein produziert” Suhrkamp (Verlag) ISBN 3-518-58427-8, Seite 133
  10. Benjamin Libet: “MIND TIME Wie das Gehirn Bewusstsein produziert” Suhrkamp (Verlag) ISBN 3-518-58427-8, Seite 137
  11. Hans-Werner Hunziker, (2006) Im Auge des Lesers: foveale und periphere Wahrnehmung - vom Buchstabieren zur Lesefreude, Transmedia Stäubli Verlag Zürich 2006 ISBN 978-3-7266-0068-6
  12. Martin Balluch: „Die Kontinuität von Bewusstsein“ Guthmann Petterson (Verlag) ISBN 3-900782-48-2, Seite 133
  13. „Was Tiere denken“ Spiegel online
  14. „Der sprechende Affe“ (Bonobo Kanzi) Abendblatt.de, Januar 2003
  15. „Beweislast für Fleischfresser“, Thomas Metzinger in Gehirn&Geist, Mai 2006
  16. „Elefanten erkennen sich im Spiegel“ Spiegel online, 31. Oktober 2006
  17. „Elstern erkennen sich im Spiegel“ Stern.de, 19. August 2008
  18. Konrad Lorenz „Über tierisches und menschliches Verhalten“, Piper Verlag, München 1966

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