Biegung (Reiten)

Biegung (Reiten)

Die Biegung ist eine "Krümmung der Längsachse"[1] des Reitpferdes. Waldemar Seunig unterscheidet eine „Biegung ersten Grades“, die sich vor allem „aus der Streckung der äußeren Seite ergeben soll“ und der Lösung und der Geraderichtung dient, von der „Biegung zweiten Grades“ durch „direkte Einwirkung des äußeren Schenkels und Zügels um den inneren Schenkel herum als Stützpunkt“, wie beim Schulterherein und bei traversartigen Stellungen, so dass diese Biegung eher der Versammlung dient.[2]

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Der Begriff „geraderichtende Biegearbeit“[3] verdeutlicht ein Hauptziel dieser Lektionen: Erstens sind sie von hohem gymnastischen Wert, indem sie Flexibilität und Fleiß fördern, zweitens soll das Pferd in die Lage versetzt werden, „Kraft und Gewandheit beider Körperhälften gleichmäßig zu entwickeln“[4].

„Die gleichmäßige Belastung der inneren und äußeren Beine, ohne Rücksicht darauf, ob die Vorhand im Verhältnis zur Hinterhand etwas mehr oder weniger beansprucht wird, bildet das charakteristische Merkmal einer richtigen Längsbiegung.“

Seunig[5]

Die Biegearbeit soll demzufolge die natürliche Schiefe des Pferdes kompensieren und ihm ermöglichen, geradegerichtet zu gehen und so einseitige Belastungen zu vermeiden. Um Wendungen korrekt zu reiten, muss man das Pferd grundsätzlich gemäß dieser Wendung stellen und biegen. In den höheren Dressuraufgaben wird dann auch auf geraden Linien eine Längsbiegung verlangt, so zum Beispiel bei den traversartigen Bewegungen und bei der Traversale.

Durchführung

Im Gegensatz zur Stellung erfolgt Biegung, so wie sie in der Reitlehre gefordert wird, nicht nur im Genick, sondern über die gesamte Längsachse des Pferdes, das heißt sie soll vom ersten Halswirbel (Atlas) bis zum Schweif erfolgen, ohne dass das Pferd im Hals stärker gebogen wird als im restlichen Körper. Die Biegearbeit fängt schon beim Durchreiten der Ecken des Dressurvierecks in der Lösungsphase an und setzt sich dann auf Schlangenlinien an der langen Seite und auf Schlangenlinien durch die ganze Bahn fort. Hier wie auf Zirkeln und Volten soll die Biegung dabei immer der Krümmung der Linie entsprechen, auf der geritten wird, weshalb auf einer Volte mit 10 Metern Durchmesser mehr Biegung verlangt wird als auf dem Zirkel mit 20 Metern. Eine effektive Lektion ist ferner die Außenstellung und -biegung auf denselben Bahnfiguren.

In Seitengängen wird ebenfalls eine Längsbiegung verlangt, obwohl sich das Pferd auf einer geraden Linie bewegt. „Ausgangslektion für alle sich anschließenden Seitengänge“ ist das Schulterherein.[6] Hierbei erfolgt aber die Längsbiegung vor allem in der Brustwirbelsäule, während der Hals gerade bleibt.

Um eine solche Biegung zu erreichen, wird der innere Schenkel zusammen mit dem Stellung gebenden inneren Zügel eingesetzt, wobei der äußere Schenkel sowie der äußere Zügel zunächst verwahrend wirken, das Pferd also nach außen begrenzen. Besonders bei Travers, Renvers und Traversale kommt den äußeren Hilfen aber auch vorwärts-seitwärts treibende Funktion zu.[7] Während man Stellung auch ohne Biegung reiten kann (z. B. Schenkelweichen), ist das Biegen des Pferdes ohne eine gleichzeitige Stellung im Genick aus anatomischen Gründen nicht möglich.

Einige Autoren weisen darauf hin, dass eine gleichmäßige Längsbiegung dem Pferd anatomisch nicht möglich ist, da die Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule nur wenige Zentimeter betrage [8]. Das Gefühl des Reiters, eine solche Biegung beim Pferd erreicht zu haben, beruht ihnen zufolge auf der Beweglichkeit des Pferdes in der Schulter bzw. im Hals, was nach ihrer Auffassung auch die Bedeutung des Schulterherein für die Ausbildung des Pferdes noch einmal unterstreicht.

Lektionen mit Biegearbeit in der Dressur

Literatur

  • Richtlinien für Reiten und Fahren. Bd. 1: Grundausbildung für Reiter und Pferd. Hg.v.d. Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FNverlag) Warendorf, 26. Aufl. 1994, ISBN 3-88542-262-x
  • Richtlinien für Reiten und Fahren. Bd. 2: Ausbildung für Fortgeschrittene. Hg.v.d. Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FNverlag) Warendorf, 12. Aufl. 1997, ISBN 3-88542-283-2
  • Jean d'Orgeix, DRESSER C'EST SIMPLE, Paris 2007 (Édition Belin), ISBN 978-2-7011-4594-5
  • Waldemar Seunig, Von der Koppel bis zur Kapriole. Die Ausbildung des Reitpferdes. Mit einem Nachwort von Bertold Schirg. 2. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1943, Hildesheim usw. 2001 (Documenta Hippologica), ISBN 3-487-08348-5
  • Robert Stodulka, Medizinische Reitlehre. Trainingsbedingte Probleme verstehen, vermeiden, beheben, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8304-4167-0

Einzelnachweise

  1. Richtlinien. Bd. 1, S. 107
  2. Seunig, S. 129
  3. Seunig, S. 128
  4. Seunig, S. 128
  5. S. 128
  6. Richtlinien. Bd.2, S. 46.
  7. Richtlninen. Bd. 2, S. 55, 59.
  8. Stodulka, S. 133: „Betrachtet man den Thorax aus biomechanisch anatomischer Sicht, fällt auf, dass in den ersten acht Costae verae [echten Rippen], die mit dem Sternum [Brustbein] verbunden sind, keine seitliche Bewegung möglich ist. Nicht viel mehr Seitenbiegung ist von den knorpelig verbundenen Atemrippen zu erwarten“. - In gleichem Sinne Jean d'Orgeix, S. 34: „Heute wissen wir sicher, dass die Wirbelsäule vom Widerrist bis zum letzten Lendenwirbel praktisch unbeweglich ist und sich außer in minimalem Umfang weder seitlich noch längs biegen lässt.“ Aujourd'hui «nous savons de facon indiscutable que la colonne vertébrale, du garrot à la dernière lombaire est pratiquement rigide et ne peut s'incurver ni latéralement ni longitudinalement que de facon absolument infime.»

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Biegung — steht für: Biegung (Linguistik), ein anderer Ausdruck für Flexion Biegung (Mechanik), eine mechanische Veränderung der Bauteilgeometrie Biegung (Reiten), eine gymnastizierende Übung für das Reitpferd Siehe auch: Biegen (Fertigungstechnik)… …   Deutsch Wikipedia

  • Tempo (Reiten) — In der Reitkunst bedeutet Tempo ein Gangmaß innerhalb einer der drei Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp. Dabei differenziert der Begriff nicht etwa unterschiedliche Geschwindigkeiten, sondern den Grad der Versammlung und die dadurch bedingte …   Deutsch Wikipedia

  • Stellung (Reiten) — Als Stellung bezeichnet man die Biegung des Pferdes im Genick. Stellung findet nur hier statt, das ist das Gelenk zwischen Kopf und Hals, und wirklich nur hier – während Biegung über die gesamte Wirbelsäule, vom ersten Halswirbel (Atlas) bis zum… …   Deutsch Wikipedia

  • Schenkelweichen (Reiten) — Stellung und Trittmuster beim Schenkelweichen Schenkelweichen (engl. leg yielding, frz. cession à la jambe) gehört zu den lösenden und geraderichtenden Lektionen und sensibilisiert das Pferd für die seitwärts treibenden Hilfen. Es ist eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Knute — Eine 1,20 m lange Signalpeitsche Eine Peitsche, auch Knute oder Geißel, ist ein Schlaggerät aus einem sehr schmalen Lederriemen oder Strick an einem mehr oder weniger langen Stiel. Den Griff einer Peitsche nennt man Knauf, der Strick oder Riemen… …   Deutsch Wikipedia

  • Traversale — Biegung und Bewegungsmuster bei der Traversale Kreuzen der Beine bei der Traversale …   Deutsch Wikipedia

  • Pferd [1] — Pferd, 1) (Equus), einzige Gattung aus der Familie der einhufigen Thiere; oben u. unten sechs Vorderzähne, 24 Backenzähne mit viereckiger Krone u. Schmelzplättchen; bei dem Hengst sind noch (bei der Stute sehr selten) oben u. unten zwei… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Geraderichtung — Ausbildungsskala der FN Takt Losgelassenheit Anlehnung Schwung Geraderichtung Versammlung Durchlässigkeit Geraderichten im Pferdesport bedeutet, dass das Pferd hufschlagdeckend [1] geht, al …   Deutsch Wikipedia

  • Kandare — Dressurkandare Unterlegtrense …   Deutsch Wikipedia

  • Seitengang — Schulterherein, aus dieser Perspektive allerdings nicht gut erkennbar Unter einem Seitengang versteht man bestimmte erlernte Vorwärts Seitwärts Bewegungen eines Pferdes. Seitengänge können in allen Gangarten und allen Bahnfiguren geritten werden …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”