Bielatalbahn (Oberleitungsbus)

Bielatalbahn (Oberleitungsbus)
Bielatalbahn
Motorwagen Nr. 2
Motorwagen Nr. 2
Streckenlänge: 2,8 km
Höchstgeschwindigkeit: 12 km/h
Legende
200 m Fußweg zur Elbtalbahn
0,0 Königstein Viaduktplatz 136 m
0,7 Biela 130 m
2,0 Biela 155 m
2,1 Hütten 151 m
2,2 Biela 150 m
2,5 Papierfabrik 160 m
2,7 Biela 172 m
2,8 Kurbad Königsbrunn 170 m
Datei:BSicon ueLUECKE .svg
– geplante Verlängerung –
7,8 Reichstein 296 m
8,9 Neidberg 329 m
9,7 Brausenstein 348 m
11,3 Schweizermühle 365 m

Die Bielatalbahn – auch Bielathalbahn geschrieben – war ein Oberleitungsbus-Betrieb in Sachsen. Die Anlage wurde am 10. Juli 1901 eröffnet und schon im September 1904 wieder eingestellt. Sie war einer der ersten Obus-Betriebe weltweit. Die 2,8 Kilometer lange Strecke wurde damals noch als Gleislose Bahn bezeichnet – der vollständige Name lautete Gleislose Bielathal-Motorbahn mit elektrischer Oberleitung. Sie wurde von der Gesellschaft Bielathal-Motorbahn Königstein betrieben und erschloss das vordere Tal der Biela in der Sächsischen Schweiz. Die Route verband Königstein an der Elbe mit dem bis 1933 selbstständigen Ortsteil Hütten, die Endstation war beim Kurbad Königsbrunn.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Die fortschreitende Industrialisierung machte Ende des 19. Jahrhunderts die Entwicklung von alternativen und leistungsfähigeren Verkehrsmitteln notwendig, Dampftraktion und Pferdebahnen galten als nicht mehr zeitgemäß. Bereits 1881 wurde in Berlin die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Betrieb genommen, 1895 folgte mit der Lokalbahn Meckenbeuren–Tettnang die erste elektrifizierte Vollbahn Deutschlands.

Werbeaufnahme der Firma Siemens & Halske aus dem Eröffnungsjahr 1901, im Hintergrund die Papierfabrik

Alternativ dazu arbeitete insbesondere die Firma Siemens & Halske an der Realisierung von gleislosen Bahnen. Sie waren für Strecken vorgesehen, auf welchen Eisenbahn- oder Straßenbahnverbindungen aufgrund des geringen Transportaufkommens bei vergleichsweise hohen Investitionskosten nicht rentabel waren, wo aber dennoch leistungsfähigere Verkehrsmittel als Pferdekutschen, Pferdekarren oder Pferdeomnibusse benötigt wurden. Bereits 1882 stellte die Firma das Elektromote, den ersten Oberleitungsbus der Welt, vor. Doch erst die vom ehemaligen Siemens-Ingenieur Max Schiemann gegründete Gesellschaft für gleislose Bahnen Max Schiemann & Co. entwickelte das Obus-System Anfang des 20. Jahrhunderts zur Betriebsreife.

Nachdem eine zuerst beantragte Strecke in Dresden nicht genehmigt worden war, konnte Schiemann im Sommer 1901 im nahen Königstein die Bielatalbahn als Versuchs- und Pilotstrecke in Betrieb nehmen. Dort erwartete er einen regen Personen- und Güterverkehr. In Hütten bestand bereits damals die bedeutende Papierfabrik, die Feinpapierfabrik Hugo Hoesch – heute Papierfabrik Louisenthal. Das etwas außerhalb von Hütten gelegene Kurbad Königsbrunn, auch Kaltwasserheilanstalt Königsbrunn genannt und der weiter talaufwärts gelegene Kurort Schweizermühle waren um die Jahrhundertwende florierende Wasserheilanstalten. Der Ausgangspunkt der Bahn war mit der Elbtalbahn für Ausflügler aus Dresden rasch erreichbar. Die Abfahrtsstelle der gleislosen Bahn beim Viaduktplatz, dem heutigen Reißiger Platz, lag nur 200 Meter westlich vom Königsteiner Bahnhof entfernt.

Bauausführung und Technik

Bielatalbahn mit Turmwagen

Das Bielatal war bereits seit 1833 durch eine Talstraße erschlossen (die heutige Staatsstraße S 171), so dass das O-Bus-System hier leicht eingerichtet werden konnte. Die Oberleitung hing in sechs Metern Höhe an stählernen Oberleitungsmasten mit Bogenauslegern. Im Bereich der bebauten Streckenabschnitte kamen alternativ Oberleitungsrosetten zur Anwendung, das heißt, der Fahrdraht wurde direkt an den Gebäuden verankert bzw. abgespannt. Die Energiezufuhr für den Betrieb der Bahn erfolgte aus einem von der Biela gespeisten Wasserkraftwerk in Königstein. Zunächst wurde die Linie nur bis zur Papierfabrik Hütten betrieben, erst später wurde sie bis zum Kurbad Königsbrunn verlängert.[1]

Beim System Schiemann erfolgte die Stromabnahme erstmals durch Stromabnehmerstangen (wie heute weltweit bei O-Bussen üblich) und nicht mehr durch ein Kontaktwägelchen wie noch beim Elektromote (dem weltweit ersten Oberleitungsbus überhaupt) bzw. wie bei den konkurrierenden Systemen Lombard-Guérin und Stoll. Im Gegensatz zu heutigen Obus-Strecken war die Linie jedoch nur einspurig angelegt, begegneten sich zwei Fahrzeuge, musste eines von ihnen die Stromabnehmerstangen abziehen.

Eine Besonderheit der Bielatalbahn-Fahrzeuge waren die unpaarig ausgeführten Stromabnehmerstangen, sie waren unterschiedlich lang und hintereinander, nicht nebeneinander, angeordnet. Dies war notwendig, um die Fahrzeuge ohne fremde Hilfe wenden zu können. Mit zwei unterschiedlich langen Stangen löste man dieses Problem, dadurch konnte im Bereich der stellenweise recht engen Bielatalstraße auf aufwendige Wendeschleifen oder Wendedreiecke verzichtet werden.

Fahrzeuge und Betrieb

Der kleinere Wagen Nr. 3, hier beim Kufenbetrieb im Winter

Auf der Bielatalbahn wurde neben dem Personenverkehr auch Güterverkehr für die Papierfabrik durchgeführt (mit Güter-Obussen) und Post befördert. Es standen drei Triebwagen zur Verfügung, darunter zwei größere mit je 24 Sitz- und Stehplätzen (Nr. 1 und 2) sowie ein etwas kleinerer (Nr. 3). Ferner existierten verschiedene ein- und zweiachsige Anhänger für den Güter- bzw. Posttransport. Eine Besonderheit war der Kufen-Betrieb im Winter (nur Anhänger).

Die Bahn bediente die Strecke zwölfmal täglich, der Fahrpreis betrug 20 Pfennig.[2] Bei einer Höchstgeschwindigkeit von zwölf Kilometern in der Stunde betrug die Fahrtzeit etwa 25 Minuten, beim Gütertransport verkehrte die Bahn mit circa 8 bis 10 km/h. Die Abfahrtszeiten in Königstein waren auf den Fahrplan der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen abgestimmt.

Anlass zur wiederholten Kritik gaben die zehn Zentimeter breiten, eisenbereiften Holzspeichenräder. Sie erzeugten erhebliche Geräusche und wurden für die Beschädigung der Bielatalstraße verantwortlich gemacht. Insbesondere die schweren Gütertransporte sorgten diesbezüglich für Probleme. „War die Straße gut, so machte sie der schwere Omnibus allmählich zu einer schlechten, war die Straße entzwei, so ging allmählich auch der Omnibus entzwei“, kommentierte ein entnervter Anwohner damals die technische Neuerung.[1] Auch wirkte sich der mangelhafte Straßenbelag negativ auf den ruhigen Lauf der Stromabnehmer aus.

Einstellung

Anhängerbetrieb
Motorwagen mit Bogenmast

Die Beförderungszahlen der Bielatalbahn blieben weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Im Personenverkehr war sie nur während der Saison ausgelastet, außerhalb der Saison waren kaum Reisende in die Kaltwasserheilanstalt zu transportieren. Und auch der Umfang des Gütertransports zur Papierfabrik blieb weit hinter den Erwartungen zurück.[1] So musste die Bahn nach nur drei Betriebsjahren Schiemann zufolge „…aus Gründen dauernder Unwirtschaftlichkeit und mangels Güterverkehr, bei spärlichem Personen-Saisonverkehr wieder beseitigt…“ werden.[3]

Ursprüngliche Planungen einer 8,5 Kilometer langen Streckenverlängerung über Reichstein, Neidberg und Brausenstein bis Schweizermühle (heute alle Teil der Gemeinde Rosenthal-Bielatal) kamen nicht mehr zur Ausführung.

Abgesehen von der Problematik des unzureichenden Straßenbelags war die Bahn technisch betrachtet erfolgreich. Das System Schiemann hatte seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt. Nach Beendigung des Probebetriebes wurden die Anlagen der Teststrecke nach Wurzen verlegt, wo sie am 7. April 1905 wieder in Betrieb genommen wurden (Industriebahn Wurzen, 1929 eingestellt). Auch in zahlreichen anderen Städten entstanden Obus-Anlagen nach dem System Schiemann.

Die Personenbeförderung im Bielatal wurde nach 1904 von einer privaten Omnibus-Linie des sächsischen Unternehmers Emil Nacke übernommen, diese verkehrte bereits durchgehend bis Schweizermühle.

Populärer Irrtum

Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht war die Bielatalbahn weder der erste O-Bus weltweit noch der erste O-Bus Deutschlands. Beides trifft auf die 1882 eröffnete Elektromote-Versuchsstrecke in Halensee bei Berlin zu. Ferner war sie auch nicht der erste O-Bus im regelmäßigen Linienbetrieb mit Fahrgästen. Denn bereits ab dem 15. April 1900 verband anlässlich der Weltausstellung in Saint-Mandé bei Paris eine Obus-Linie die Métro-Station Porte de Vincennes mit dem Ausstellungsgelände.

In Deutschland war der erste O-Bus im regelmäßigen Linienbetrieb mit Fahrgästen die am 22. März 1901 eröffnete Gleislose Bahn Eberswalde. Jedoch war die Bielatalbahn der erste Obus-Betrieb Sachsens, insbesondere gelang es Schiemann, seine erste Strecke noch vor der 1903 eröffneten Dresdner Haide-Bahn des konkurrierenden Unternehmers Carl Stoll in Betrieb zu nehmen. Außerdem war die Bielatalbahn der weltweit erste Obus-Betrieb, bei welchem die bis heute üblichen Stromabnehmerstangen verwendet wurden.

Gegenwart

Beim heutigen Kreisverkehr (damals Viaduktplatz, heute Reißiger Platz) lag einst der Ausgangspunkt der Bielatalbahn

Einzelne Wandrosetten an den Gebäuden entlang der Strecke erinnern noch an die Bielatalbahn, zum Beispiel in Königstein am Haus Bielatalstraße 2.[4] Im Miniaturpark Kleine Sächsische Schweiz wurde sie als Modellanlage nachgebildet.

Die Strecke der Bielatalbahn wird heute von den OVPS-Regionalbuslinien 242 (Königstein–Rosenthal), 244 a (Königstein–Cunnersdorf) und 246 (Königstein–Pirna-Copitz) bedient, im Bereich der ehemaligen Obus-Strecke liegen folgende vier Haltestellen:

Gleislose Bahn Heutige Bushaltestelle Bemerkung
Königstein Viaduktplatz Königstein Reißiger Platz/Bahnhof
x Königstein Bielatalstraße Haltestelle neu eingerichtet
Hütten Königstein Abzweig Nikolsdorf
Kurbad Königsbrunn Königstein Bad nicht Linie 246

Siehe auch

Literatur

  • Frank Dittmann: Die gleislose Bielatalbahn. in: Sächsische Heimatblätter, Heft 3/1991, S. 177–180
  • Rudolf Hajny: Erster Oberleitungsbus rumpelte durch das Bielatal. Sächsische Zeitung (Ausgabe Pirna) vom 11. Juli 2001

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Sächsische Zeitung vom 11. Juli 2001
  2. Website des Miniaturparks Die Kleine Sächsische Schweiz
  3. zitiert in DITTMANN 1991, S. 177
  4. Rund um Königstein auf www.die-infoseiten.de, Seite 8

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