Blockstrom

Blockstrom
Blockgletscher am Bettmerhorn

Als Blockgletscher werden Bodeneiskörper verschiedener Größe bezeichnet, deren Eis großteils von Felsblöcken und Schutt bedeckt ist und sich im aktiven Stadium langsam talwärts bewegen. Sie kommen in vielen Hochgebirgsregionen der Erde vor, sind aber äußerlich oft kaum von Schutthalden zu unterscheiden. Im Gegensatz zu diesen zeigen sie infolge des Eisgehalts ein kontinuierliches Fließen.

Inhaltsverzeichnis

Blockgletschertypen

Je nach Aktivitätsgrad unterscheidet man drei Blockgletschertypen:

  • Aktive Blockgletscher bewegen sich typischerweise mit 0,10 bis 1 m/Jahr.
  • Inaktive Blockgletscher bewegen sich nicht mehr, enthalten aber immer noch gefrorenes Material. Man spricht von klimatischer Inaktivierung, wenn sich der Blockgletscher in Nicht-Permafrostgebiete bewegt hat oder wenn das Eis beispielsweise durch eine Klimaerwärmung ausgeschmolzen ist. Dynamische Inaktivität tritt auf, wenn der Blockgletscher sich zu weit von seinem Schutthang entfernt hat, so dass er von seiner Schutt- und Eiszufuhr abgeschnitten ist.
  • Fossile Blockgletscher sind eisfrei, da das Eis durch einen längeren Aufenthalt in Nicht-Permafrostgebieten ausgeschmolzen ist. Mit dem Schmelzwasser wurden die feinkörnigen Schluff- und Tonfraktionen ausgeschwemmt, die mit dem Eis zusammen den Eiszement bildeten, der mit für das Fließen/Gleiten des Blockgletschers verantwortlich ist. Ein fossiler Blockgletscher kann dadurch auch bei Absenkung der Permafrostgrenze, der Permafrostdepression (PFD) nicht mehr aktiv werden.

Neuerdings werden in der Literatur anhand der geologischen Eigenschaften des Materials eines Blockgletschers zwei Typen unterschieden (Ikeda & Matsuoka 2006):

  • Kieselige Blockgletscher (Pebbly Rock Glacier): Sie bestehen aus in der Regel 15-20 cm großem Schuttmaterial und sind mit weniger als 200 Metern Länge zumeist kürzer als felsige Blockgletscher. Sie werden genährt von einer zumeist weniger als 50 Meter hohen Felswand aus weniger resistentem Gestein.
  • Felsige Blockgletscher (Bouldery Rock Glacier): Sie bestehen aus größerem Schuttmaterial, das sie aus einer höheren, zumeist über 100 Meter hohen Felswand aus resistenterem Gestein beziehen. Sie sind regelmäßig über 200m lang und bilden im Unterschied zu den kieseligen Blockgletschern eine steile Frontalstirn und eine wülstige Oberfläche aus.

Aufbau und Fließen von Blockgletschern

Meist handelt es sich um eine Mischung von Schutt und Eis im Verhältnis von etwa 1:2, die hang- bzw. talabwärts fließt - allerdings langsamer als ein normaler Gletscher. Dabei bilden sich die für aktive Blockgletscher charakteristische Frontalstirn und oberflächliche Wülste.

Inaktive Blockgletscher weisen eine generell flachere Frontalstirn sowie einen weicheren Übergang zwischen Stirn und Oberseite auf. Durch die fehlende Bewegung kann sich Vegetation bis zur Größe von Sträuchern und sogar kleineren Bäumen auf ihnen niederlassen. Reliktformen sind wegen des in diesem Status vollständig ausgeschmolzenen Eises durch irreguläre Strukturen sowie durch eine kollabierte Oberseite geprägt.

Unabhängig vom Aktivitätsgrad gibt es verschiedene Formen von Blockgletschern. Es gibt zungenförmige (Länge>Breite), lobenförmige (Länge<Breite) sowie komplexe Formen. Letztere liegen vor beim Zusammenfluss mehrerer Blockgletscher zu einer einzigen Zunge, beim Aufspalten eines Blockgletschers in mehrere Zungen, bei Gesteinsmaterial aus unterschiedlichen Zeiten sowie bei verschiedenen Gesteinsquellen.

Viele Blockgletscher haben ein beachtliches Alter, weil die dicht liegenden Felsblöcke als Isolierung wirken und das Eis vor dem Abschmelzen schützen. „Verborgene“ Blockgletscher verraten sich oft erst bei näherer Untersuchung durch ihre Bewegung.

Die genaue Dynamik von alpinen Blockgletschern wurde erstmals in den 1970er Jahren näher erforscht. Die zugehörigen Untersuchungen initiierte Professor Adrian Scheidegger, der bis etwa 1995 Ordinarius für Geophysik an der TU Wien war.

Untersuchung

Blockgletscher am Hangerer im Ötztal, Österreich

Blockgletscher haben typische Längen von etwa 100 bis 2000 Meter. Eigentlich sind sie nicht Gegenstand der Glaziologie oder Hydrologie, sondern der Hydrogeologie und der Geomorphologie. Im Gegensatz zu üblichen Gletschern bilden sie sich im Untergrund, während letztere durch die Ansammlung von Schnee auf der Oberfläche entstehen.

Die Blockgletscher haben das Interesse der Wissenschaft erst relativ spät erregt, im Wesentlichen aus vier Gründen:

  • Sie sind Klimaindikatoren. Die untersten Vorkommen aktiver Blockgletscher entsprechen der Untergrenze des Permafrosts im Hochgebirge, die etwa bei der -1°C-Isotherme liegt. Daher sind sie Indikatoren der heutigen Temperaturverhältnisse. Doch gibt es auch „fossile“ Blockgletscher, die (fast) kein Eis mehr enthalten. Sie sind Anzeiger für tiefere Lagen des Permafrostes und daher von klimatisch kälteren Phasen, wie sie nach der Eiszeit immer wieder vorkommen (siehe die „Kleine Eiszeit“ in Europa um 1850).
  • Sie können die hochalpinen Böden stabilisieren. Als Erscheinungen des Dauerfrostbodens ersetzen sie in Trockengebieten die Wirkung der Vegetation – die es zum Beispiel bei Santiago de Chile nur bis 3000 Metern Höhe gibt. In den Anden sind die Blockgletscher oft die einzigen Faktoren, die den Schutthängen zu gewisser Festigkeit verhelfen. Ohne Permafrost würde ein schnelleres Abgleiten und es könnten verheerende Prozesse wie Muren und großflächige Rutschungen auftreten und zahlreiche hochgelegene Siedlungen bedrohen.

Literatur

  • D. Barsch: Studien und Messungen an Blockgletschern in Macun, Unterengadin. In: Zeitschrift für Geomorphologie. Supplementband 8. 1969. S. 11-13.
  • D. Barsch: Ein Permafrostprofil aus Graubünden, Schweizer Alpen. In: Zeitschrift für Geomorphologie. Neue Folge. 21. 1977. S. 79-86.
  • D. Barsch: Blockgletscher-Studien, Zusammenfassung und offene Probleme. In: Poser, H & Schunke, E. (Hrsg.): Mesoformen des Reliefs im heutigen Periglazialraum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1983. S. 133-150.
  • D. Barsch, W. Zwick: Die Bewegungen des Blockgletschers Macun I von 1965 - 1988 (Unterengadin, Graubünden, Schweiz). In: Zeitschrift für Geomorphologie. Neue Folge. Bd. 35. 1991. S. 1-14.
  • D. Barsch: Die Beziehung der Schneegrenze und der Untergrenze der aktiven Blockgletscher. In: Jentsch, C. & Liedtke, H.: Höhengrenzen in Hochgebirgen. Arbeiten aus dem geographischen Institut der Universität des Saarlandes 29. 1992. S. 119-133.
  • D. Barsch: Rockglaciers. Springer, Berlin, 1996. 331pp.
  • D. Barsch: Aktive Blockgletscher. Bewegung und Prozessverständnis. In: Jahrbuch der geographischen Gesellschaft Bern. Bd. 59. 1996. S. 263-270.
  • S. R. Jr. Capps: Rock Glaciers in Alaska. J. Geol., 18. 1910. S. 359-375.
  • G. Chesi, S. Geissler, K. Krainer, W. Mostler und T. Weinhold: 5 Jahre Bewegungsmessungen am aktiven Blockgletscher Inneres Reichenkar (westliche Stubaier Alpen) mit der GPS-Methode. In: Chesi, G. & Weinhold, T. (Hrsg.): 12. Internationale Geodätische Woche Obergurgl 2003. Heidelberg: Wichmann. S. 201-205.
  • B. Damm: Gletscher-, Landschafts- und Klimaentwicklung in der Rieserfernergruppe (Tirol) seit dem Spätglazial. Göttinger Geographische Abhandlungen. Heft 104. Göttingen: Goltze. 1996.
  • B. Damm, M. Langer: Rock glacier Surface Kinematics over a 50- years Period - Examples from the South Tyrolean Alps (Italy). Geophysical Research Abstracts 8: 02585. 2006.
  • W. Haeberli: Klimarekonstruktionen mit Gletscher-Permafrost-Beziehungen. Materialien zur Physiogeographie 4. 1982. S. 9-17.
  • H. Hausmann, K. Krainer, E. Brückl, W. Mostler. 2007. Internal Structure and Ice Content of Reichenkar Rock Glacier (Stubai Alps, Austria) Assessed by Geophysical Investigations. Permafrost and Periglacial Processes 18: 351-367. DOI: 10.1002/ppp.60.
  • P. Höllermann: Blockgletscherstudien in europäischen und nordamerikanischen Gebirgen. In: Poser, H & Schunke, E. (Hrsg.): Mesoformen des Reliefs im heutigen Periglazialraum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1983. S. 116-119.
  • P. Höllermann: Probleme der Blockgletscherforschung. Referat der Diskussionsbeiträge. In: Poser, H & Schunke, E. (Hrsg.): Mesoformen des Reliefs im heutigen Periglazialraum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1983. S. 151-159.
  • Atsushi Ikeda, Norikazu Matsuoka: Pebbly versus bouldery rock glaciers: Morphology, structure and processes. in: Geomorphology 73, 2006. S. 279–296.
  • W. Klaer: Die Blockgletscherfrage, ein terminologisches Problem? In: Poser, H & Schunke, E. (Hrsg.): Mesoformen des Reliefs im heutigen Periglazialraum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1983. S. 120-132.
  • M. Kuhle: Glazialgeomorphologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1991. S. 81-84.
  • F. Wilhelm: Schnee- und Gletscherkunde. Berlin, New York: De Gruyter. 1975. S. 153-156.
  • O. R. Weise: Das Periglazial. Geomorphologie und Klima in gletscherfreien, kalten Regionen. Berlin, Stuttgart: Borntraeger. 1983.

Weblinks


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