Blässhuhn

Blässhuhn
Blässhuhn
Blässhuhn (Fulica atra)

Blässhuhn (Fulica atra)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Kranichvögel (Gruiformes)
Familie: Rallen (Rallidae)
Gattung: Blässhühner (Fulica)
Art: Blässhuhn
Wissenschaftlicher Name
Fulica atra
Linnaeus, 1758
Blässhuhn Fulica atra Richard B II.jpg

Das Blässhuhn (Fulica atra) ist eine Art aus der Familie der Rallen. Es wird auch Blässralle genannt und auch die alte Schreibweise mit „e“ (Blesshuhn, Blessralle) ist noch häufig anzutreffen. Regionale Namen sind Wasserhuhn, Rohrhuhn, Duckente, Belche, Blesse, Bölle, Böichn, Hurbel, Lietze, Zappe, Watertütje (Plattdeutsch) und Taucherli (Schweiz).

Es werden vier Unterarten unterschieden, die sich hauptsächlich in der Körpergröße unterscheiden. In Mitteleuropa kommt nur die Nominatform Fulica atra atra vor.[1]

Inhaltsverzeichnis

Erscheinungsbild

Zehen mit Schwimmlappen
Blässhuhn mit deutlich sichtbaren Schwimmlappen.

Das Blässhuhn verfügt über ein schwarzes Gefieder, das am Kopf etwas dunkler ist als am Rumpf; einen weißen, relativ spitzen Schnabel und einen weißen Schild auf der Stirn. Dieser Blesse verdankt der Vogel seinen Namen. Er erreicht eine Länge von rund 38 cm. Ferner hat das Blässhuhn rote Augen. Männliche Tiere, erkennbar am größeren Hornschild, erreichen ein Gewicht von bis zu 600 Gramm. Die Weibchen werden bis zu 800 Gramm schwer. Das Blässhuhn kann ca. 15 Sekunden tauchen.

Die tagaktiven Blässhühner sind gute Schwimmer und Taucher. An ihren kräftigen grünen (manchmal auch gelben und grauen) Beinen befinden sich drei Schwimmlappen an jeder Zehe (keine durchgehenden Schwimmhäute), mit denen sich der Vogel beim Tauchen gut abstoßen kann, um an tiefer wachsende Pflanzen u. a. heranzukommen. Das Tauchen wird jeweils durch einen charakteristischen Kopfsprung eingeleitet. Der Übergang zwischen Land- und Wasserbewegung erfolgt stetig und fließend. Die Tauchtiefe beträgt weniger als zwei Meter. Im Mittel sind Blässhühner weniger als zwanzig Sekunden unter Wasser.

An Land ähnelt die Bewegung des Vogels bis hin zum suchenden Picken teils dem Haushuhn, schnell laufende Blässhühner schlagen dabei mit den Flügeln. Schwimmend liegen sie relativ hoch im Wasser, beim langsamen Schwimmen erfolgt während der Schwimmbewegung ein Nicken, dies entfällt bei schnelleren Bewegungen. Auffliegende Blässhühner laufen zunächst auf der Wasseroberfläche oder festem Grund, können aber zur Not auch aus dem Stand starten und fliegen dann mit einer hohen Flügelschlagfrequenz. Im Flugbild überragen die Beine weit die Schwanzspitze, der Hals ist vorgestreckt.

Verbreitungsgebiet und Lebensraum

Das Blässhuhn ist weit verbreitet. Von Mitteleuropa, Osteuropa und Nordafrika bis nach Sibirien, Japan und Australien erstreckt sich das Verbreitungsgebiet. Das Blässhuhn gilt nicht als gefährdete Art.

Verbreitungsgebiet

Blässhühner sind Standvögel und Kurzstreckenzieher. Das Winterquartier reicht von Süd-Skandinavien über Mittel- und Westeuropa bis nach Nordafrika, Vorderasien. Die Zugneigung von Blässhühnern nimmt dabei grundsätzlich vom Nordosten bis in den Südwesten Europas ab, sie sind aber in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet potentielle Winterausharrer. So überwintern seit einigen Jahren Blässhühner in Litauen und Weissrussland auf permanent eisfrei bleibenden Brauchwasserbecken. Winterfluchtbewegungen bei ungünstiger Witterungslage lassen sich auch noch bei Brutvögeln im Süden Frankreichs feststellen.[2] Die südlichsten Nachweise überwinternder Blässhühner stammen aus dem Senegaldelta, Niger, Tschad, Sudan, Arabien sowie Vorder- und Hinterindien. In Mitteleuropa sind während den Zugzeiten zahlreiche Durchzügler zu beobachten. Überwinternde Blässhühner sammeln sich in sehr großen Konzentrationen auf flachgründigen Seen. Die ansonsten tagaktiven Blässhühner ziehen einzeln und vor allem während der Nacht, wobei sie helle einsilbige Flugrufe äußern.

Blässhühner bevorzugen flache Teiche, Seen, Baggerlöcher, Kiesgruben, Tümpel,. Feuchtgebiete und langsam fließende Gewässer mit vielen Wasserpflanzen und einem Schilfgürtel (Marsch, Sumpf, Auwald, Verlandung) als Brutareal. Blässhühner ernähren sich von Pflanzenteilen (Wasserpflanzen und Algen tauchend, Gräser an Land etc.) und Kleintieren (Insekten, Muscheln etc.), die Nahrungssuche findet sowohl im Wasser als auch im Ufer- und Marschbereich, seltener an Land statt.

Ernährung

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Blässhühner sind Allesfresser, deren Nahrungszusammensetzung stark saisonal und regional variiert. Frische und faulende Pflanzenteile spielen eine erhebliche Rolle. Sie fressen außerdem Abfälle und Entenfutter, kleine Mollusken wie beispielsweise Wandermuscheln und Schnecken sowie Insekten und deren Larven. Auch kleine Fischchen werden gefressen. Während des Sommers fressen Blässhühner auch Schilf, das einen hohen Gehalt an Rohproteinen und Kohlenhydraten aufweist. Bei reiner Ernährung von Blättern und Trieben von Schilf benötigen Blässhühner täglich knapp ihr Körpergewicht. Bei sehr hoher Dichte an Blässhühnern kann es zu einer Übernutzung des Schilfgürtels kommen.[3]

Untersuchungen zur Winternahrung von Blässhühnern in der Schweiz haben gezeigt, dass während des Winterhalbjahres bevorzugt Gras, Grünalgen sowie Wasserpflanzen wie Tausendblatt, Laichkräuter, Wasserpest und Flutender Wasserhahnenfuß eine Rolle spielen. Blässhühner auf der Havel in Berlin leben während des Winterhalbjahres überwiegend von Gras, Brotresten, Falllaub, Algen und an einigen Stellen überwiegend von Mollusken.[3] Auch kleinste Nahrungspartikel werden dabei mit seitlich gelegtem Kopf und Schnabel aufgelesen.

Im Pflanzengürtel der Verlandungszone finden Blässhühner ihre Nahrung durch Abreißen und Abzwicken von Halmen und Blättern sowohl über als auch knapp unter der Wasseroberfläche. Gras und ähnliches suchen sie auf ufernahen Äckern und Wiesen. Sie tauchen und gründeln außerdem unter Wasser. Sie schmarotzen Nahrung besonders häufig bei Schwänen, aber auch bei Artgenossen und Enten. Zu den Vogelarten, die ihnen Nahrung stehlen, zählen Gründelenten, Möwen und Krähen.[3]

Fortpflanzung

Brütendes Blässhuhn
Gelege
Küken
Jungvögel

Ihre Geschlechtsreife erreichen Blässhühner in der Regel bereits während des ersten Lebensjahres, allerdings brüten sie erst im zweiten Kalenderjahr. Sie sind monogame Vögel und vereinzelt ist ein längerer Paarzusammenhalt zu beobachten.

Der Nestbau erfolgt Anfang bis Mitte April, (mitunter eine zweite Brutzeit im Juni/Juli), im Schilf, gern auch auf totem, sich an der Wasseroberfläche befindlichen Geäst und ähnlichen Strukturen. Es werden 4 bis 12 Eier gelegt, die über 21 bis 23 Tage bebrütet werden. Die Küken sind Nestflüchter, die vor allem in den ersten Lebenstagen noch regelmäßig zum Schlafen und Ausruhen auf das Nest zurückkehren, später jedoch mit den Eltern durch das gesamte Revier ziehen. Die Küken sind zunächst schwärzlich bedunt mit längeren gelben Dunen vor allem im Kopf und Halsbereich, zeigen einen überwiegend nackten rötlichem Kopf, und verfärben mit dem Gefiederwachstum in ein gräuliches Jugendkleid mit weißlicher Brust und hellem Gesicht. Während der gesamten Aufzuchtzeit von 40- 60 Tagen geben sie fortwährend ein klagend klingendes Bettelfiepen von sich, das gut und weit zu hören ist. Der Kopfschild wird ab Beginn der Befiederung langsam entwickelt und ist wie der Schnabel zunächst grau eingefärbt, welches allmählich zum bekannten Weiß wird. Das bekannte schwarze Alterskleid wird noch im Schlupfjahr angelegt.

Das Brutpaar verteidigt das nähere Revier/Umfeld der Küken bzw. des Nestes während der Brut- und Aufzuchtphase, allzu aufdringliche Enten etwa werden durch Anschwimmen oder flügelschlagend auf dem Wasser laufend verjagt, im nächsten Moment allerdings wieder toleriert. Drohende Blässhühner strecken ihren Hals, neigen den Stirnschild nach vorne oder richten sich durch Wassertreten auf. Bei kämpferischen Auseinandersetzungen richten sich Blässhühner auf und treten mit den Füßen. Bei Erregung geben Blässhühner schrill zeternde, lang andauernde oder luftlos scheinende kurze Explosivlaute von sich, die wie "köw köw" oder "pix" klingen.

Das Überwintern erfolgt in Gruppen zusammen mit anderen Wasservögeln auf eisfreien Wasserflächen.

Mortalitätsursachen

Zu natürlichen Ursachen, die einen Bestandsrückgang zur Folge haben, gehören Gelegeverluste durch starke Wasserstandsschwankungen, hohe Mortalitätsraten in extrem kalten Wintern und Massensterben durch Botulismus und Wurmbefall. Pestizidbelastungen und der Tod in Stellnetzen und Bisamrattenfallen zählen ebenfalls zu wesentlichen Todesursachen.[3]

Von den Jungvögeln sterben im 1. Lebensjahr zwischen 75 und 87 Prozent, von den zweijährigen Vögeln erleben 48 bis 72 Prozent nicht das nächste Lebensjahr. Der älteste Ringvogel, der bislang gefunden wurde, ist ein in Dänemark aufgefundener Vogel, der 20 Jahre und sieben Monate alt wurde.[4]

Bestand

Der europäische Gesamtbestand wird auf 1,3 bis 2,3 Millionen Brutpaare geschätzt. Zu den europäischen Ländern mit jeweils mehr als 100.000 Brutpaaren gehören Russland, Polen, Deutschland, Niederlande, Ungarn, Rumänien und Frankreich. In Mitteleuropa ist das Blässhuhn weit verbreitet. Es kommt von Tieflagen bis in Höhenlagen von 1.400 Meter vor. Der mitteleuropäische Bestand wird auf 410.000 bis 750.000 Brutpaare geschätzt.[1]

Grundsätzlich haben die europäischen Bestände von Blässhühnern in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Die Art hat dabei von einer Eutrophierung von Gewässern, der Einwanderung der Dreikantmuschel Dreissena polymorpha, einer Verringerung des Jagddrucks in Mitteleuropa, der Schaffung neuer künstlicher Gewässer und der Zunahme von Winterfütterung profitiert. Parallel nutzt die Art auch zunehmend Gewässer in Städten und war in der Lage, auf Grund günstiger klimatischer Bedingungen das Areal in Nordeuropa deutlich auszuweiten.[2] Diesem Trend steht eine regionale Abnahme gegenüber, die zum Teil sehr drastisch ist. In Baden-Württemberg sind die Bestände so stark zurückgegangen, dass die Art in der Roten Liste aufgenommen wurde. In Brandenburg kam es lokal zu Rückgängen der Brutbestände um mehr als fünfzig Prozent. In Ungarn, Tschechien und gebietsweise auch der Slowakei und Polen gab es seit den 1970er-Jahren zum Teil erhebliche Bestandseinbußen durch Lebensraumverluste. In Russland spielt beim Bestandsrückgang neben dem Lebensraumverlust auch eine intensive Bejagung eine Rolle.[2]

Belege

Literatur

  • Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 2: Passeriformes – Sperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-648-0

Weblinks

Einzelbelege

  1. a b Bauer et al., S. 409
  2. a b c Bauer et al., S. 410
  3. a b c d Bauer et al., S. 411
  4. Bauer et al., S. 412

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Synonyme:

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