Bodenreform in Deutschland

Bodenreform in Deutschland

Der Begriff Bodenreform bezeichnet allgemein eine Änderung der Eigentums- oder Nutzungsrechte an Grundstücken oder allgemein der Rechtsordnung in diesem Bereich, die meist eine gleichmäßigere und damit gerechtere Verteilung des Landbesitzes zum Ziel hat. Dieser Artikel behandelt die Geschichte und Akteure der Bodenreform in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Bodenreformideen

Adolf Damaschke, Die Bodenreform (1913)

In Deutschland gab es zu Ende des 19. Jahrhunderts eine Bodenreformbewegung, die sich auf den amerikanischen Bodenreformer Henry George stützte. 1888 wurde von Michael Flürscheim, dem Gründer und Direktor der Gaggenauer Eisenwerke, der Deutsche Bund für Bodenbesitzreform gegründet. Weitere einflussreiche Reformer waren Silvio Gesell und Adolf Damaschke.

Siehe auch: Bodenreformbewegung

Freiwirtschaftliche Bodenreform

Silvio Gesell, der Ideen zu einer Freiwirtschaftlichen Bodenreform entwickelte, bezog sich dabei auf die Landreform-Theorie von Henry George, welcher eine Eigentumssteuer für Land vorsah, welche in einer Höhe sein sollte, um die Grundrente angemessen zu neutralisieren. Gesell hielt dabei aber Freiland für die systemisch überlegene Lösung.

Durch eine Bodenreform sollte die Freiwirtschaft öffentliches Eigentum am Boden mit dessen privater Nutzung verbinden. Dazu forderte sie, allen Boden gegen volle Entschädigung seiner bisherigen Eigentümer in öffentliches Eigentum zu überführen, zum Beispiel in Eigentum der Gemeinden. Die bisherigen Eigentümer behalten dabei das Nutzungsrecht an ihren Grundstücken gegen Entrichtung einer regelmäßig wiederkehrenden Nutzungsabgabe an die öffentliche Hand. Boden in bis dahin öffentlichem Eigentum, der nicht ausdrücklich für öffentliche Zwecke gebraucht wird, soll an die Meistbietenden zur Nutzung vergeben werden.

Die Bodenreformideen Adolf Damaschkes

Die Bodenreformideen Adolf Damaschkes und sein Deutscher Bund für Bodenreform waren inspiriert durch den Nationalökonomen Adolph Wagner und wurden 1913 publiziert. Sie haben das politische Denken und Handeln seiner Zeitgenossen stark beeinflusst. Die Weimarer Nationalversammlung von 1919 beschloss folgenden Artikel in die Reichsverfassung einzubringen:

  • Artikel 155. [Bodenverteilung und Nutzung]
Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwacht, die Missbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern...Grundbesitz, dessen Erwerb zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung oder zur Hebung der Landwirtschaft nötig ist, kann enteignet werden. Die Fideikommisse sind aufzulösen. Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine Pflicht des Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapitalaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen. Alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte stehen unter der Aufsicht des Staates. Private Regale sind im Wege der Gesetzgebung auf den Staat zu überführen.

Damaschkes Bodenreformideen wurden auch Grundlage des deutschen Bodenreformgesetzes von 1920.

Bodenpolitik im Nationalsozialismus

Die Bodenpolitik in der Zeit des Nationalsozialismus war dann weitgehend von der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie geprägt. Das Reichserbhofgesetz wurde am 29. September 1933, zwei Tage vor dem Erntedankfest erlassen.

Durch das Gesetz wurden rund 35 Prozent der land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen im Deutschen Reich zu „Erbhöfen“ erklärt. Gesetzlich fixiert waren diese als „… der unveräußerliche und unbelastbare, unteilbar auf den Anerben übergehende land- und forstwirtschaftliche Besitz eines Bauern …“. Die Größe des Hofes musste mindestens 7,5 ha betragen und durfte 125 ha nicht überschreiten. Der Erbhofeigentümer wurde per Gesetz als Bauer, alle anderen als Landwirte bezeichnet.

Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone ab 1945

Umzug der Gemeinden Rockau, Cunnersdorf und Helfenberg bei Dresden zur Aufteilung des ehemaligen "Königlichen Rittergutes" Helfenberg am 11. September 1945
Briefmarke zur Bodenreform in der Provinz Sachsen 1945

In den Jahren 1945-1946 wurde in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eine Bodenreform durchgeführt, in deren Verlauf Großgrundbesitzer mit mehr als 100 ha Fläche und Besitzer, die als Kriegsverbrecher und aktive NSDAP-Mitglieder eingestuft waren, entschädigungslos enteignet wurden. Der enteignete Grundbesitz wurde zunächst dem jeweiligen lokalen Bodenfonds übertragen, der eine Neuverteilung vornahm. Eine erhebliche Zahl von Großgrundbesitzern wurden unabhängig von ihrem politischen Vorleben von der sowjetischen Militärverwaltung in Speziallagern, oft weitergenutzten KZs, interniert, ein Schicksal, wie es unter anderem auch Rüstungsarbeitern widerfuhr.

Hintergrund

Die ostelbischen Gebiete waren geprägt von einem hohen Anteil an landwirtschaftlicher Fläche im Besitz weniger (oft adliger) Familien, die als Junker bezeichnet wurden. 1882 gehörten in Brandenburg 36,3 % der Fläche zu Betrieben mit mehr als 100 Hektar[1]. Diese Besitzverhältnisse änderten sich bis 1945 nur unwesentlich.

Bodenreformdenkmal in der Uckermark: „Junkerland in Bauernhand“

Die enteigneten ostelbischen Großgrundbesitzer galten bereits in der Weimarer Republik als reaktionär und republikfeindlich. Dies wurde in ihrer Rolle im Osthilfeskandal 1931–1933 deutlich, in dessen Zusammenhang zwei deutsche Reichskanzler zurücktreten mussten. Dies waren Heinrich Brüning am 31. Mai 1932 und, nachdem er durch eine Intrige gegen den ab 1. Juni 1932 amtierenden von Papen am 3. Dezember 1932 Reichskanzler geworden war, von Schleicher selber am 28. Januar 1933. Es folgte die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, die Machtübernahme der NSDAP. Die Bodenreform in der SBZ bewirkte die Auflösung dieser gesellschaftlichen Gruppierung, deren Existenz als fortdauernde Gefahr für die Republik wahrgenommen wurde. Wenn auch milder in den persönlichen Auswirkungen für die Betroffenen, folgten auch die Alliierten in den westlichen Besatzungszonen einem ähnlichen Impuls.

Ziele

Die „Demokratische Bodenreform“ hatte nach Felbick [2] politische und soziale Ziele. Mit der Verteilung des Grundbesitzes sollte auch die ländliche Sozialstruktur grundlegend verändert werden. Daher wurden nach revolutionären statt rechtsstaatlichen Prinzipien die bisherigen Großgrundbesitzer vollständig enteignet und aus ihren Wohnorten vertrieben. Durch die Neuverteilung sollte vor allem landarmen oder landlosen Bauern, Kleinpächtern und Vertriebenen ein eigenes Auskommen gegeben sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessert werden, deren Lage in der Nachkriegszeit dramatisch war.

Durchführung

Vom 3. bis 11. September 1945 erließen die Provinz- und Landesverwaltungen der Sowjetischen Besatzungszone ähnlich lautende Verordnungen zur Durchführung der Bodenreform in der SBZ, zuerst in der Provinz Sachsen. Die Umsetzung der Landverteilung erstreckte sich bis in das Jahr 1948.

Insgesamt waren 45% der Gesamtfläche der SBZ bzw. 30% der landwirtschaftlichen Nutzfläche von der Bodenreform betroffen[2]. Enteignet wurden 7.160 landwirtschaftliche Betriebe von Großgrundbesitzern und 4.537 Betriebe von Personen, die als Kriegsverbrecher und (in den einschlägigen Verordnungen so bezeichnet) "Naziaktivisten" eingestuft wurden. Diese Einstufung unterlag keiner gerichtlichen Überprüfung. Auch staatlicher und kommunaler Landbesitz ging in die Landverteilung ein, 10  % der eingebrachten landwirtschaftlichen Nutzfläche. So wurden insgesamt 3,3 Millionen Hektar umverteilt, 35 % der Landwirtschaftlichen Nutzfläche. Diese wurden zu etwa zwei Dritteln an Landarbeiter, Umsiedler und Kleinbauern als persönliches, vererbbares, unveräußerliches Eigentum verteilt, wofür die Neubauern über mehrere Jahre gestreckt eine Jahresrente zu zahlen hatten. Ein Drittel des Bodenfonds wurde neu geschaffenen Landesgütern zugeteilt, aus denen mit Wirkung vom 1. Juli 1949 Volkseigene Güter (VEG) unter zentraler Leitung der Vereinigung Volkseigener Güter (VVG) in Berlin (Ost) gebildet wurden.

Kirchlicher Landbesitz sollte nicht unter die Bodenreform fallen, wurde verschiedentlich aber dennoch entzogen und an „Neubauern“ verteilt [3] Ebenfalls von der Umverteilung ausgenommen waren landwirtschaftliche Forschungseinrichtungen sowie Güter, die von Städten zur Versorgung ihrer Bevölkerung betrieben wurden.

Die früheren Eigentümer über 100 Hektar verloren nicht nur ihr Land, sondern auch sämtliches sonstiges Eigentum. Von Wohnhäusern und Geldvermögen bis hin zu Mobiliar und Kleidung wurde ihnen alles entzogen, vielfach kam es zu Plünderungen. Die Enteigneten wurden aus ihren Heimatkreisen ausgewiesen[4]. Diese politisch motivierten Kreisverweisungen der kommunistisch Zwangsenteigneten werden heute höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als schweres Verfolgungsunrecht anerkannt.[5] Die Landwirte mit bis zu 100 Hektar durften hingegen alles behalten und wurden zunächst keiner politischen Verfolgung ausgesetzt, bis auch sie sich ab 1952 der Zwangskollektivierung ihres Landeigentums durch die SED-Staatsführung beugen mussten oder sich einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) freiwillig anschlossen.

Die unzureichende durchschnittliche Betriebsgröße von weniger als 10 ha wird einerseits mit der mittelfristig beabsichtigten Kollektivierung erklärt. Andererseits hatte sie ihren Grund in dem Versuch, außer der ansässigen Unterschicht möglichst vielen Vertriebenen (Sie machten alsbald etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung der SBZ aus) den Aufbau einer neuen Existenz zu ermöglichen. Von 1945 bis zum Ende der Bodenreform 1948 wurden 43,3% aller Neubauernstellen und 34,9% des verteilten Bodens an 91.155 Vertriebene vergeben. Trotz der noch zurückgehaltenen Absicht, die Landwirtschaft später zu kollektivieren, beharrte die politische Führung 1946 bis 1948 auch da auf strikter Zerlegung der Gutswirtschaften in Kleinbetriebe, wo die Neubauern es vorgezogen hätten, gemeinsam zu wirtschaften, was beispielsweise die Nutzung übernommener Landmaschinen erleichtert hätte. Statt der erhofften Produktionssteigerung gingen die Erträge vielerorts zurück.

Während der Mangel der Neubauern an Geräten und Vieh schon 1946/47 deutlich gemildert werden konnte, musste mehr als die Hälfte der Existenzgründer mehrere Jahre ohne eigene Hofgebäude auskommen, was Abhängigkeit von Altbauern und lange Wege zu den Feldern bedeutete. 1945 war ein Bedarf an jeweils etwa 100.000 neuen Wohnhäusern, Scheunen und Ställen berechnet worden, aber erst im Herbst 1947 wurde mit einem größeren Bauprogramm begonnen, das in den Folgemonaten einen großen Teil der Baukapazität der Zone beschäftigte. Zur Behebung des katastrophalen Mangels an Baumaterial wurden aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 209 Herrenhäuser und andere Gutsgebäude abgerissen, was einerseits weniger Material erbrachte als erhofft, andererseits die Wohnsituation der Vertriebenen unter den Neubauern noch verschlechterte, da sie großenteils in Herrenhäusern einquartiert waren. Die Zerstörung äußerer Zeichen der Gutsherrschaft war ein der SED willkommener Nebeneffekt. Heute publizierte Kritik an den Abrissen geht in unterschiedliche Richtungen: Wo zur Schonung der oft auch von den Dörflern hoch geschätzten Herrenhäuser Wirtschaftsgebäude abgerissen wurden, was dem Wortlaut „Gutsgebäude“ des SMAD-Befehls eher entsprach, wurden diese schon damals von Betroffenen beklagt, weil dringend gebrauchte Betriebsgebäude zerstört wurden, bevor Ersatz gesichert war. Wo Gutshäuser abgerissen wurden, um die Wirtschaftsgebäude zu schonen, wird die Zerstörung von Kulturgütern beklagt. Auch wird beklagt, dass für oft nicht vollendete Baumaßnahmen für eine nach dem Willen der politischen Führung nur vorübergehenden Besitzstruktur die meiste Baukapazität der SBZ zu einer Zeit gebunden wurde, in der durch die Kriegszerstörungen immenser Baubedarf für Städte, Industrie und Verkehr bestand.

Politische Positionen

Die Gegnerschaft zu Nationalsozialismus und Militarismus war Konsens der vier durch die SMAD zugelassenen Parteien. Die wirtschaftliche Macht der Großgrundbesitzer sollte gebrochen und Kriegsverbrecher bestraft werden. Daher setzte die politische Kampagne für eine Bodenreform bereits Anfang August 1945 ein, wobei die Deutsche Volkszeitung der KPD vehement für die Enteignung von „Junkern“ zugunsten der Bauern eintrat.

Bereits 1934 forderte die damals in Deutschland verbotene SPD in ihrem Prager Manifest:

"Die Zerschlagung des alten politischen Apparates muß gesichert werden gegen seine bisherigen gesellschaftlichen Träger. Das erfordert: Sofortige entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes, Ueberführung der Forsten in Reichseigentum und Reichsverwaltung, Verwendung des Ackerlandes zur Schaffung lebensfähiger Bauern-Siedlungen und genossenschaftlicher Betriebe von Landarbeitern mit ausreichender Förderung durch Staatsmittel."[6]

In der sowjetischen Besatzungszone bot sich der SPD die Möglichkeit für die Umsetzung einer Bodenreform. So hielten die SPD-Vertreter in der Beratung des Provinzblockausschusses der Parteien in der Provinz Sachsen am 1. September 1945

“... eine zeitgemäße Bodenreform zur Ausrottung des Nazismus auf dem Lande und zur Beseitigung der Vorherrschaft des Großgrundbesitzes als stärkste wirtschaftliche Stütze des Militarismus für notwendig.“ [7]

Auf dieser Linie begründete auch Otto Grotewohl, der Vorsitzende des Zentralausschusses der SPD, am 14. September 1945 vor Funktionären die Bodenreform politisch:

"Die Politische Seite der Bodenreform ist die Beseitigung des verderblichen Einflusses der Junker auf die Geschicke Deutschlands. Durch Jahrhunderte war der Großgrundbesitz der Träger der Reaktion." [8]

Die Absicht einer Enteignung des Großgrundbesitzes war in der SPD sehr populär. Allerdings war in der SPD die Vorstellung vorherrschend, dass das Land verstaatlicht und in Genossenschaften überführt werden sollte.[8] Dagegen vertrat die KPD die Schaffung kleinbäuerlicher Strukturen. Bei der CDU bestanden grundsätzliche Bedenken zur Enteignung. Die LDP beabsichtigte die Grenze der zu enteignenden Flächen heraufzusetzen.

Aufgrund seiner Forderung einer Entschädigung der Enteigneten wurde der Vorsitzende der CDU in der SBZ Andreas Hermes von der SMAD zum Rücktritt gezwungen. Eine Vielzahl von Gegnern der Bodenreform wurde verhaftet. Der Vizepräsident der thüringischen Regierung Max Kolter (CDU) starb in sowjetischer Haft, in die er wegen des Widerstandes gegen die Bodenreform gekommen war.

Kollektivierung

Die Wirtschaftskraft der neuen Höfe blieb begrenzt. Ein Teil der Neubauern kapitulierte nach kurzer Zeit vor den wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften wurden 1952 gegründet. In großem Maße fand – unter erheblichem staatlichen Druck vor allem gegenüber den wirtschaftlich erfolgreichen Mittel- und Großbauern die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR allerdings erst 1960 statt. Nach dem sowjetischen Vorbild der Kolchosen hatten die Bauern ihr Land in die neu gegründeten LPGs als Produktivvermögen einzubringen. Ende 1960 verfügten die LPGs über 85% der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Formal blieben die Genossenschaftsmitglieder jedoch Eigentümer an ihren Ländereien.

Siehe auch: Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe

Umgang mit der Bodenreform von 1945/48 nach 1990

Nach der politischen Umwälzung in der DDR wurden zunehmend Forderungen nach Auskopplung privater Ländereien aus den LPG-Nutzungen laut. Später wurde dies teilweise auch vollzogen wodurch große Flächen jahrelang brach lagen, bzw. noch brach liegen. Im sog. Modrow-Gesetz vom 16. März 1990 (Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform) wurde das bisher eingeschränkte "Arbeitseigentum" der Bodenreformnehmer in bürgerliches Eigentum überführt.

Die Beibehaltung der Bodenreformergebnisse war Bedingung für die Wiedererlangung der vollen Souveränität Deutschlands in den sogenannten 2+4-Verträgen. Dies ist durch mehrere Schriftsätze belegt, die in Gerichtsurteilen berücksichtigt wurden, mit denen Restitutionsbegehren ehemaliger Grundbesitzer bzw. ihrer Erben zurückgewiesen wurden. Einer der ersten dieser Belege ist das Aide-memoire vom 28. April 1990: „Nichts im Vertragsentwurf zwischen der BRD und der DDR darf dazu berechtigen, die Gesetzlichkeit der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die Vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder jede in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliegt keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane.“ Eine korrekte deutsche Übersetzung beziehungsweise Interpretation dieses sowjetischen Aide-memoires wird in den Medien heute immer wieder kritisch hinterfragt oder gar öffentlich angezweifelt.[9][10] Das Aide memoire - als die alles entscheidende sowjetische Vorbedingung zum Restitutionsverbot seitens der Alteigentümer - ist darum nach dem Stand der heutigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse als zumindest "umstritten" anzusehen; insbesondere gerade auch deshalb fragwürdig, weil die russische Originalfassung jedweder öffentlichen Verifizierung entzogen wird. Verfechter einer Restitution zitieren nicht zuletzt auch deshalb gerne Äußerungen Gorbatschows, in denen dieser nach der Vereinigung und seiner Abdankung die dokumentierten Vorbedingungen abstritt.[11] Der Fernsehsender 3sat gab zum Thema ‚Bodenreform und Wiedervereinigung‘ eine Dokumentation in Auftrag, die am 15. September 2004 unter dem Titel "Enteignet für die Einheit?" erstmals öffentlich im Fernsehen ausgestrahlt und bereits mehrfach wiederholt wurde. [12] [13] Einer öffentlichen Petition an den 16. Deutschen Bundestag zur rein moralischen Rehabilitation (hier: Wiederherstellung der Ehre und Reputation) aller NS-unbelasteten (und im Zuge der stalinistischen Durchsetzung der Bodenreform zwangsenteigneten) politischen Verfolgungsopfer wurde mit Beschluss vom 26. Juni 2008 nicht entsprochen.[14] Die diesem Bundestagsbeschluss zugrunde liegenden beiden Stellungnahmen seitens des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) stellten auf die Bestimmungen der Bodenreform ab. Die mit der Bodenreform verbundene Diskriminierung der Enteignenten wird von Restitution anstrebender Propaganda gezielt mit Kriminalisierung verwechselt. [15] Die im Zuge der kommunistischen Durchsetzung der SBZ/DDR-Bodenreform einhergehenden Kreisverweisungen, Deportationen, Internierungen, Ermordungen der Landeigentümer wurden am 10. Dezember 2009 juristisch als schwere und unrechtsstaatliche politische Verfolgungen höchstricherlich durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt.[5]

Soweit die kommunistisch verfolgten, ihres Heimatkreises verwiesenen und zwangsenteigneten Bodenreformopfer noch rechtzeitig in den Westen Deutschlands flüchten konnten, wurden sie dort als politische Flüchtlinge anerkannt, erhielten den Flüchtlingsausweis C und bekamen von der Bundesrepublik nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) auf Antrag Entschädigungen für die durch Zwangsenteignung von Liegenschaften und anderem Betriebsvermögen entstandenen Vermögensschäden. Allerdings erfolgten diese Entschädigungen gemäß Präambel zum LAG unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Gewährung und Annahme von Leistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Rückgabe des von den politischen Flüchtlingen und Zwangsvertriebenen zurückgelassenen Vermögens bedeutete. Bundesregierungen vor 1990 hatten wohl den Opfern kommunistischer Enteignung die Rückgabe ihrer Vermögenswerte im Falle der Wiedervereinigung versprochen. [16] Durch das Ende der DDR erwuchs in der Regel kein Anspruch auf neuerliche Entschädigung. Zuletzt scheiterte Ernst August Prinz von Hannover mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Restitutionsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht am 1. September 2006 [17]

Siehe auch:

Bodenreform in den westlichen Besatzungszonen ab 1949

Vor Kriegsende gab es regelrechte Pläne zur Zerstückelung Deutschlands und zur Umwandlung in einen reinen Agrarstaat (Morgenthau-Plan), die aber nicht umgesetzt wurden. Das Reichserbhofgesetz wurde 1947 vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. Für die britische Besatzungszone wurde stattdessen die Höfeordnung erlassen. Auch in der französischen Besatzungszone gab es Bestrebungen zu einer Bodenreform. [18] Die Durchführung einer einheitlichen Bodenreform in den westlichen Besatzungszonen wurde letztlich im Gesetz Nummer 32 der alliierten hohen Kommission im Jahre 1949 festgelegt. Darauf folgend wurde z. B. in Nordrhein-Westfalen am 16. Mai 1949 ein Gesetz zur Durchführung der Bodenreform beschlossen. Das Gesetz bestimmte, dass ein Großgrundbesitzer (mehr als 100 Hektar) von seinen land-, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Ländereien nur 100 Hektar behalten dürfe und den übrigen Teil – gegen eine Entschädigung in Form von Schuldverschreibungen oder Tilgungshypotheken des Staates abzugeben habe. Diese wurden auf einen Zinssatz von 3,5 % festgelegt (bei Sparkonten waren damals 3% üblich), welcher zumeist wesentlich niedriger war als die tatsächliche vorherige ökonomische Verzinsung der landwirtschaftlichen Flächen. Die bisherigen Besitzer hatten also neben geringerem Aufwand auch geringere Einnahmen zu erwarten.

In den Durchführungsverordnungen dieses Gesetzes war eine Unterscheidung zwischen deutschen und ausländischen Staatsbürgern, die in Deutschland land- und forstwirtschaftliche Flächen besaßen, festgelegt worden. So mussten zwar auch ausländische Staatsbürger Ländereien abgeben, sie durften diese jedoch innerhalb eines Jahres frei verkaufen und waren nicht gezwungen, dieses Land gegen geringverzinste (und somit meist unter Marktwert) staatliche Schuldverschreibungen abzugeben. Um insbesondere deutsche Adelige mit doppelter Staatsangehörigkeit den für Deutsche geltenden Härten des Bodenreformgesetzes zu unterwerfen, wurde des Weiteren von der alliierten Hohen Kommission festgelegt, dass diese unabhängig von ihrer zweiten Staatsangehörigkeit wie Deutsche zu behandeln seien (in Gesetz Nr. 32 der Alliierten Hohen Kommission).

Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden die Bodenreform-Pläne aber weitgehend ad acta gelegt, da diese aufgrund der Erfahrungen in der SBZ auf eine ablehnende Haltung der Bevölkerung trafen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Meyers 1888, Stichwort: „Grundeigentum (Statistisches)“
  2. a b Dieter Felbick: Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945-1949. auf books.google.at
  3. Tim Möhlenbrock, Kirche und Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) 1945–1949, Frankfurt (M.) 1997, ISBN 3-631-32149-X
  4. Rudi Fischer: 800 Jahre Calvörde – Eine Chronik bis 1991
  5. a b Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, Pressemitteilung Nr. 88/2009 vom 10. Dezember 2009, Moralische Rehabilitierung nach einer Kreisverweisung im Zusammenhang mit der Bodenreform der DDR
  6. Prager Manifest, Grundsatzprogramm der Exilleitung der SPD von 1934
  7. Arnd Bauerkämper (Hg): Junkerland in Bauernhand?, 1996, S.94 online
  8. a b Arnd Bauerkämper (Hg): Junkerland in Bauernhand?, 1996, S.40 online
  9. I) Bodenreform und Einigungsvertrag: Die Folgen
  10. II) Bodenreform und Einigungsvertrag: Die Standpunkte
  11. Gorbatschow: "Es gab keine Bedingung für die deutsche Einheit" Vortrag im Berliner ICC am 1. März 1998.
  12. "Enteignet für die Einheit?" 3sat Fernsehdokumentation, Erstausstrahlung am 15. September 2004.
  13. "Enteignet für die Einheit?" 3sat Programmhinweis.
  14. vergl. Begründung (siehe Link unter: "Stand des Verfahrens") zur seitens des 16. Deutschen Bundestages angenommenen Beschlussempfehlung zur öffentlichen Petition
  15. Öffentliche Stellungnahme der Vorsitzenden des Petitionsausschusses im 16. Deutschen Bundestag Kersten Naumann (Die Linke) vom 2. September 2008 in abgeordnetenwatch.
  16. Öffentliche Stellungnahme des Schweriner Landtagsabgeordneten Dr. Henning von Storch (CDU) vom 14. August 2006 in abgeordnetenwatch.
  17. BVerwG 8 B 121.05
  18. Karin Graf: Die Bodenreform in Württemberg-Hohenzollern nach dem zweiten Weltkrieg. Tectum Verlag, 2003, ISBN 3828885683

Literatur

  • Klaus Schmidt (Hrsg.): Landwirtschaft in der DDR - VEG, LPG und Kooperationen; wie sie wurden, was sie waren, was aus ihnen geworden ist, Agrimedia GmbH & Co. KG, Clenze 2009
  • Landeszentrale für politische Bildung Thüringen: Bodenreform 1945-1952. Blätter zur Landeskunde, Erfurt 2001.
  • Daniela Dahn: Wir bleiben hier oder Wem gehört der Osten. Reinbek 1994, ISBN 3-499-13423-3
  • Hans Modrow [u.a.]: Junkerland in Bauernhand ; die deutsche Bodenreform und ihre Folgen, Berlin, 2005, ISBN 3-360-01066-3
  • Johannes Rogalla von Bieberstein: Die Junker als Feinde des Volkes, in : Deutsches Adelsblatt Nr. 9/1994, S. 198-201.

Weblinks


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