Bonitierung

Bonitierung

Unter Bodenschätzung, auch Bonitierung, versteht man die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit die Schätzung des Wertes (Bodenbonität) landwirtschaftlicher Grundstücke (Ackerböden oder Grünlandböden). Dazu wird zunächst im Rahmen der Acker- bzw. Grünlandschätzung die Ertragsfähigkeit des Grundstücks beurteilt, die sich allein aus dem Boden und bei Grünland zusätzlich aus dem Klima ergibt. Danach erfolgen Zu- oder Abschläge, die die Geländeeigenschaft (z. B. Hangneigung) berücksichtigen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach archäologischen Forschungen reichen die Anfänge der Grundstücksvermessung und Bonitierung bis in die Zeiten der alten Kulturvölker des Orients zurück. Sowohl in Mesopotamien als auch im alten Ägypten gab es eine Urform des Katasters. Die Abgaben der Bauern waren bereits im alten Reich (um 3000 v.Chr.) nach Art und Güte ihrer Grundstücke bemessen. Daran sieht man die enge Verbindung von Besteuerung, Vermessung und Bodenschätzung.

Vor den 1930er-Jahren wurde streng nach den Flurstücken des Liegenschaftskatasters vorgegangen. Jede Parzelle (heute: Flurstück) wurde einzeln geschätzt. Das war ein Verfahren, welches bei seiner Einführung schon unwirtschaftlich und wissenschaftlich überaltert war.

Deutschland

In Deutschland wurde am 16. Oktober 1934 das Bodenschätzungsgesetz (Gesetz über die Schätzung des Kulturbodens) erlassen. Die Reichsregierung wollte damit einen Überblick erhalten, in welcher Weise und mit welchem Anteil die verschiedenen Böden in den einzelnen Betrieben, Gemarkungen, Gemeinden, Verwaltungsbezirken und im ganzen Reich vertreten sind. Durch dieses Bodenschätzungsgesetz wurde die Durchführung der Bodenschätzung für das gesamte Reichsgebiet angeordnet.

§ 1 Für den Zweck einer gerechten Verteilung der Steuern, einer planvollen Gestaltung der Bodennutzung und einer Verbesserung der Beleihungsunterlagen wird eine Bodenschätzung für die landwirtschaftlich genutzten Flächen des Reichsgebiets durchgeführt.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland keinerlei einheitliche Unterlagen über die Böden. Auslöser für eine reichseinheitliche Bodenschätzung war die Finanzverwaltung der Weimarer Republik, die die Finanzhoheit von den Gliedstaaten übernommen hatte. Man stand so vor der Aufgabe, für das ganze Reichsgebiet einheitliche Besteuerungsgrundlagen zu schaffen.

Das im Dritten Reich daraus resultierende Bodenschätzungsgesetz stellte einen Meilenstein der Bonitierung dar. Diese Art der Erfassung ist weltweit einmalig. Nach dem Anschluss Österreichs wurde dort die gleiche Regelung eingeführt.

1935 traten die Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz in Kraft. Die praktische Arbeit der Schätzer wurde grundlegend geändert. Es wurde fortan über die Eigentums- und Flurstücksgrenzen hinweg geschätzt. Die Flächen wurden aufgeteilt in

  • Klassenflächen
  • Klassenabschnitte
  • Sonderflächen

Es gibt kein Land, bei dem alle Flächen so genau erfasst sind, wie in Deutschland. Europaweit wird dieses System gerade aufgebaut.

Zweck

Die Bodenschätzung fließt ein in:

Die Bodenschätzung dient außer dem steuerlichen Aspekt noch anderen Zwecken wie:

  • Aufgaben der Agrarpolitik
    • Festsetzung landwirtschaftlicher Fördermittel
    • Landwirtschaftliche Versuchstätigkeiten
  • Planungsgrundlage für die Raumordnung
  • Wertermittlung von Grundstücken
  • Festsetzung von Entschädigung bei Gewitterschäden an Acker- und Grünlandflächen

Durchführung

In der Bodenschätzung unterscheidet man zwischen dem

  • Ackerschätzungsrahmen
  • Grünlandschätzungsrahmen

Ackerschätzungsrahmen

Als erstes wurde der im damaligen deutschen Reichsgebiet beste Ackerboden ermittelt - gelegen nahe der Ortschaft Eickendorf (bei Schönebeck) in der für fruchtbare Böden bekannten Magdeburger Börde. Dieser Boden (Schwarzerde) erhielt die maximale Bodenwertzahl 100. Durch ein Netz von Vergleichsstücken, die in allen Landesteilen angelegt wurden, orientieren sich alle anderen Schätzungen an diesem Wert. In Eickendorf befindet sich deshalb heute ein kleines Museum für Bodenschätzung [1].

Klassifizierung der Bodenart

Für die Schätzung der Wertigkeit der Ackerböden ist die Bodenart von hoher Bedeutung. Man unterscheidet daher im Ackerschätzungsrahmen:

  • S = Sand
  • Sl = anlehmiger Sand
  • lS = lehmiger Sand
  • SL = stark lehmiger Sand
  • sL = sandiger Lehm
  • L = Lehm
  • LT = schwerer Lehm
  • T = Ton
  • Mo = Moor

Klassifizierung der Entstehungsart

Die Bodengruppen werden weiter untergliedert in ihre möglichen Entstehungsarten, bewirkt durch die mechanischen Kräfte, die den Boden auf natürliche Weise verändern, nämlich Eis, Wind und Wasser:

  • Al = Alluvium (Schwemmlandboden)
  • Lö = Löss (pleistozäne, äolische Ablagerung; „Windboden“)
  • D = Diluvium (eiszeitlicher oder Tertiärboden)
  • V = Verwitterungsboden
  • Vg = gesteinshaltiger Verwitterungsboden
  • Dg = gesteinshaltiger Diluvialboden
  • Alg= gesteinshaltiger Alluvialboden

Klassifizierung der Zustandsstufe

Jede Bodenart besitzt ihrer Bodenentwicklung entsprechend eine unterschiedliche Zustandsstufe:

1 … allmählicher Übergang der humusreichen Krume zum Untergrund (höchste Güte) bis 7 … scharfe Grenze zwischen Krume und Untergrund (geringste Güte)

Ergebnis: Bodenklasse für Ackerland

Die drei bisher ermittelten Parameter (Bodenart, Zustandsstufe und Entstehungsart) ergeben die Bodenklasse. Sie stellt ein Maß für die allgemeine Bodenbeschaffenheit dar. Beispiel: L 4 V 63/58 (Lehm, Zustandsstufe 4, Verwitterungsboden, Bodenzahl 63, Ackerzahl 58)

Grünlandschätzungsrahmen

Auch beim Grünland wurde der landesweit beste Boden ermittelt. Dieser bekam den Wert 88. Das Ausgangsgestein ist für die Ertragsfähigkeit von Grünlandböden von geringer Bedeutung und wird daher beim Schätzungrahmen für das Grünland nicht berücksichtigt. Dagegen gehen durchschnittliche Lufttemperatur und die Wasserverfügbarkeit bzw. Bodenbelüftung in die Bewertung ein, da diese Faktoren die Ertragsfähigkeit von Grünland stark beeinflussen.

Klassifizierung der Bodenart

Für den Grünlandboden spielt die Bodenbeschaffenheit eine nicht ganz so wichtige Rolle wie bei der Ackerschätzung. Insofern unterscheidet man hier auch nur fünf Bodenartengruppen:

  • S = Sand
  • lS = lehmiger Sand
  • L = Lehm
  • T = Ton
  • Mo = Moor

Klassifizierung der Zustandsstufe

Die drei Bodenstufen der Grünlandschätzung sind :

I. Keine scharfe Abgrenzung der humusreichen oberen Bodenschichten
II. Krume, wenig humusreich
III. scharfe Abgrenzung der oberen Bodenschichten, wenig Humus.

Klassifizierung des Klimas

Die durchschnittliche Jahrestemperatur ist unter anderem maßgebend für einen gesunden Wuchs der Gräser. Man unterscheidet hier vier Klimastufen, bezogen auf die durchschnittliche Jahrestemperatur:

a = 8°C und darüber (günstige Klimastufe)
b = 7°C bis 7,9°C (mittlere Klimastufe)
c = 5,7°C bis 6,9°C (ungünstige Klimastufe)
d = 5,6°C und darunter (besonders ungünstige Klimastufe)

Klassifizierung der Wasserverhältnisse

Ein gesunder Grünwuchs benötigt viel Wasser, daher ist dessen Verfügbarkeit ein wichtiges Gütekriterium bei Grünland.

Man unterscheidet:

  1. frische, gesunde Lage mit gutem Süßgräserbestand
  2. Zwischenstufe
  3. feuchte Lage, aber noch keine stauende Nässe; weniger gute Gräser mit nur geringem Anteil an schlechten Sauergräsern. Weiter keine trockene Lage
  4. Zwischenstufe
  5. schlechteste Stufe. Sie umfasst
    • nasse bis sumpfige Lagen mit überwiegend Sauergräsern und
    • sehr trockene, dürre Lagen (Südhänge) mit weniger guten, harten Gräsern

Ergebnis: Bodenklasse für Grünland

Mit der Festlegung der Bodenbeschaffenheit durch die obigen vier Parameter sind wiederum Klassen gebildet worden, zum Beispiel: lS II b 2 46/44 (Lehmiger Sand, Bodenstufe II, Klimastufe b, Wasserverhältnisse 2, Grünlandgrundzahl 46, Grünlandzahl 44)

Feststellung der Ertragsfähigkeit des Bodens

Durch die mittels Acker- und den Grünlandschätzungsrahmen ermittelten Klassen kann jeweils die allgemeine Bodenbeschaffenheit quantifiziert werden. Diese Klassen resultieren durch Umrechnung in einer Wertzahlenspanne, die den Prozentsatz des möglichen maximalen Ertrages angibt: „Bei obiger Bodenbeschaffenheit bringt dieser Boden also im Vergleich zum Wert 100 (bzw. 88) soundsoviel weniger Ertrag.“

Die Schätzungsrahmen geben dann bspw. folgendes vor:

L 5 D → 50 - 57
L II b 3 → 41 - 49

Für die ermittelten Werte können individuelle Auf- oder Abschläge definiert werden. So kann ein Acker- oder Grünlandschlag aufgrund seiner Geländeausformung (z.B. Hanglage oder Senken mit Stauwasser) schlecht zu bewirtschaften sein, was den Gesamtertrag mindern kann. Insofern wird weiter unterschieden:

  1. L 5 D 57/55 → Ackerzahl
  2. L II b 3 - 49/45 → Grünlandzahl

Schätzungsergebnisse

Ergebnisse sind:

  • das Klassenzeichen (kennzeichnen Bodenbeschaffenheit)
  • die Wertzahlen (kennzeichnen Ertragsfähigkeit)

Die Ergebnisse der Bodenschätzung werden in Schätzungs(ur)karten erfasst. Diese sind Grundlage für die Übernahme der Bodenschätzung in das Liegenschaftskataster, hier in das Liegenschaftsbuch. Das Liegenschaftsbuch weist zu jedem geschätzten Flurstück die Schätzungsergebnisse einschließlich Acker- bzw. Grünlandzahl und Ertragsmesszahl nach.

Ertragsmesszahl

Diese wird folgendermaßen bestimmt:

Fläche in Ar (100 m²), für die die Ackerzahl gilt, × Ackerzahl = EMZ

Über die Ertragsmesszahl wird die Grundsteuer pro Flächeneinheit erhoben. Man beachte aber, dass es sich bei der EMZ nur um eine Vergleichszahl und nicht um einen reellen Wert handelt.

Beispiel:

Flächeninhalt: 2000 m²
Ackerzahl: 32
→ EMZ: 640

Das heißt also, 2000 m² Ackerboden der Wertigkeit 32 ergeben demnach einen genau so großen Ertrag wie 640 m² der Wertigkeit 100.

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