ATBM

ATBM
Amerikanische Sprint-Raketen werden auf Meck Island auf den Marschall-Inseln getestet.

Anti-Ballistic Missile-Systeme (ABM-Systeme) dienen der Abwehr ballistischer Raketen durch spezielle Flugabwehrraketen. Sie wurden zuerst von der Sowjetunion und den USA strategisch zur Abwehr gegen Interkontinentalraketen aufgebaut, dann aber auch vertraglich begrenzt. Inzwischen verfügen eine Reihe weiterer Staaten über taktische Raketen-Abwehrsysteme.

Andere Entwicklungen zur Abwehr ballistischer Raketen, etwa bodengestützte Laser: Siehe Energiewaffe sowie Weltraumwaffe.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Während des Kalten Krieges existierten ABM-Systeme sowohl in der Sowjetunion als auch in den Vereinigten Staaten. Diese waren zum Schutz der Hauptstadt bzw. der Minuteman-Raketensilos konzipiert.

Vereinigte Staaten

Das Nike X-System bestand aus zwei Raketen, Radaranlagen und den dazugehörigen Kontrollsystemen. Die ursprüngliche Nike Zeus-Rakete (später Spartan genannt) wurde für größere Reichweiten modifiziert und mit einem größeren 5 Megatonnen-Neutronengefechtskopf bestückt, um feindliche Sprengköpfe außerhalb der Atmosphäre zu zerstören. Eine zweite Kurzstreckenrakete mit hoher Beschleunigung, Sprint genannt, sollte Atomsprengköpfe zerstören, die der Spartan-Rakete entgangen waren. Die Sprint-Rakete beschleunigte dazu sehr schnell (13000 km/h in 4 Sekunden mit 100 g) und war mit einem kleineren 1-3 kt starken Neutronengefechtskopf W66 ausgerüstet, um das Ziel in der Atmosphäre zu zerstören.

Die neue Spartan-Rakete veränderte die Stationierungspläne. Ursprünglich sollten verstreute Nike-Systeme die amerikanischen Städte als "last-ditch defense" beschützen, die Spartan-Rakete hingegen erlaubte es, Ziele in hunderten von Kilometern Entfernung zu zerstören. Also wurde das Konzept zu einem "Schutzschild" für die gesamten Vereinigte Staaten umgemünzt, das als Sentinel bezeichnet wurde. Als die Kosten explodierten, wurde das Programm verkleinert, von nun an stand der Schutz der Startsilos für Interkontinentalraketen im Mittelpunkt. Dieses Safeguard genannte System sollte sowjetische Atomangriffe auf die Startsilos abwehren, um den Vereinigten Staaten als Teil der mutual assured destruction-Strategie die Möglichkeit eines Gegenschlages zu garantieren.

Sowjetunion

Grafik der Radaranlagen des sowjetischen A-135 ABM Systems in Petschora (Ural)

Die Sowjetunion schützte ab 1963 die Hauptstadt Moskau als politisches und wirtschaftliches Zentrum Russlands mit dem A-35 ABM-System (DIA-Code: ABM-1 NATO-Codename: SAM-1). Es war in der Lage Ziele außerhalb der Atmosphäre zu zerstören, eine "last ditch"-Komponente wie die Sprint-Rakete beim amerikanischen Safeguard-System war nicht vorhanden. Das ABM-System verwendete den Raketentyp SH-01 Galosh mit Nukleargefechtskopf und wurde an vier Stellen rund um Moskau gebaut. Ursprünglich sollten wie beim US-amerikanischen Sentinel-Programm mehrere Städte geschützt werden, dies wurde aber mit dem ABM-Vertrag 1972 verboten.

Ab 1965 wurde im Raum Murmansk das mobile ABM-System S-225 ABM-System (DIA-Code ABM-3 - NATO-Codename SAM-3) indienstgestellt, um mit der Kurzstreckenrakete SH-08 „Gazelle“ über den Nordpol anfliegende US-amerikanische Interkontinentalraketen abzufangen.

Anfang der 1970er Jahre wurde an einem Nachfolgesystem der A-35 gearbeitet und 1978 wurde das A-135 ABM-System (DIA-Code: ABM-4 - NATO-Codename SAM-4) eingesetzt. Die Rakete des Typs SH-11 Gorgon sollte Ziele außerhalb der Atmosphäre zerstören.

Die Sowjetunion beließ das ABM-System S-225 (ABM-3) trotz des Verbots durch den ABM-Vertrag von 1972 noch bis 1978 einsatzbereit, danach folgte die A-135. Ab 1986 wurden zusätzlich ABM-1B und ab 1990 das ABM-X-System aufgebaut.

ABM-Vertrag

Verschiedene technische, wirtschaftliche und politische Gründe führten zum ABM-Vertrag 1972, welcher die Stationierung von strategischen ABM-Systemen einschränkte, nicht jedoch von taktischen wie MIM-104 Patriot oder S-400 Triumf. Unter dem ABM-Vertrag und seiner Überarbeitung im Jahre 1974 war es jedem Land erlaubt, ein ABM-System mit 100 Abfangraketen zu besitzen, um ein einzelnes Ziel zu beschützen. Die Sowjetunion und später Russland schützten damit Moskau, die USA schützten damit ihre Interkontinentalraketen in der Grand Forks Air Force Base in North Dakota. Das System wurde aber vorzeitig stillgelegt.

Der Vertrag wurde am 13. Juni 2002 von den Vereinigten Staaten von Amerika aufgekündigt, die Kündigung trat nach der vorgeschriebenen Frist von 6 Monaten in Kraft, um die von Bill Clinton ins Leben gerufene "Abwehr gegen eine begrenzte Anzahl ballistischer Raketen" aufzubauen, was vorher durch eben diesen Vertrag noch verboten war.

Der ABM-Vertrag wurde nur zwischen den USA und Russland geschlossen, andere Atommächte wie Indien oder die Volksrepublik China wären davon nicht betroffen.

Aktuelle Entwicklungen

LEAP (lightweight exo-atmospheric projectile) Flugkörper der amerikanischen SM-3

USA

Hauptartikel: National Missile Defense

Nach dem Rücktritt aus dem ABM-Vertrag beginnen die USA damit, ihre ABM-Fähigkeiten landesweit auszubauen. Dies soll durch schiffsgestützte (SM-3), mobile landgestützte (THAAD/Patriot) und landgestützte (GBI) Raketen mit kinetischen Gefechtsköpfen realisiert werden. In allen Fällen werden die anfliegenden ballistischen Raketen im Weltall zerstört. Das mobile MEADS-System dient dabei als "last-ditch"-System um durchbrechende Raketen zur Not in der Atmosphäre zu zerstören. Weitere Methoden wie weltraumgestützte Abwehr (NFIRE) oder das Abfangen der Rakete in der Startphase (Boeing AL-1) befindet sich noch in der Testphase.

Startende israelische Arrow-Rakete

Russland

Hauptartikel: A-135 ABM-System

Das russische A-135 ABM-System zum Schutz von Moskau und seiner Agglomeration ist weiterhin im Einsatz. Inzwischen sollen die atomaren Gefechtsköpfe der Raketen gegen konventionelle ausgetauscht worden sein. Da das System in den 1980er-Jahren installiert wurde, entspricht es vermutlich dem Stand der Technik dieser Jahre. Über Modernisierungen oder andere Details wurde in der Öffentlichkeit nichts bekannt. Ursprünglich verwendete das System zwei Lenkwaffentypen: Die Exo-Atmosphärischen Abfanglenkwaffen 51T6 (NATO: Gorgon), sowie die Endo-Atmosphärischen Abfanglenkwaffen 53T6 (NATO: Gazelle). Die 51T6 Langstreckenlenkwaffen wurden im Jahr 2003 ausgemustert.

Auf der taktischen Ebene stehen die Systeme S-300P und S-400 im Einsatz. Für mechanisierte Formationen steht das System S-300V zur Verfügung. Mit diesen Systemen lassen sich ballistische kurz- und mittelstrecken Raketen bekämpfen.

Israel

Hauptartikel: Arrow-Rakete

Mit finanzieller Unterstützung der Vereinigten Staaten entwickelten die Israelis das Arrow Raketenabwehrsystem. Es ist durch seine Mobilität mit dem PATRIOT System vergleichbar, kann aber nur ballistische Raketen angreifen. Es besitzt einen konventionellen Gefechtskopf. Nachdem Langstreckenradare (Green Pine) die anfliegende ballistische Rakete geortet haben, wird eine 2-stufige Arrow-Rakete auf das Ziel abgefeuert. Die Rakete zerstört die angreifende Rakete in ca. 50 km Höhe, also innerhalb der Atmosphäre.

Indien

Indien arbeitet aktiv daran, seine ABM-Fähigkeiten auszubauen. Zu diesem Zweck wurden zum Beispiel israelische Radaranlagen (Green Pine) erworben. Das indische ABM-System beinhaltet zwei Raketen. Ein Exoatmospheric interceptor system (PAD), um Ziele außerhalb der Atmosphäre zu zerstören, und ein Endo Atmpospheric missile system (AAD), das Ziele innerhalb der Atmosphäre zerstört. Das Exoatmospheric interceptor system (PAD) ist eine zweistufige Abfangrakete, mit Flüssig- und Festtreibstoffstufe. Die Reichweite der Rakete (nicht die maximale Höhe) beträgt 80 km, die Reichweite des Ortungsradars 600 km. Die AAD haben eine Reichweite von 25km und werden durch ein phased array radar ins Ziel gelenkt.

Im November 2006 testete Indien erfolgreich sein Exoatmospheric interceptor system (PAD). Es zerstörte eine ballistische Prithvi II-Rakete außerhalb der Atmosphäre mit Hit-to-Kill Technologie. Damit ist Indien nach den USA erst das zweite Land der Welt, das über diese Technologie zur Abwehr ballistischer Raketen verfügt.

Weblinks


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