Broch (Turm)

Broch (Turm)

Ein Broch ist eine runde, eisenzeitliche turmartige Anlage, die ausschließlich in Schottland, und dort insbesondere in der Grafschaft Caithness, aber auch auf den vorgelagerten Inseln (Orkney, Shetland und den Hebriden) zu finden ist. Im südlichen Teil des Landes sind Brochs sehr selten. Insgesamt wurden bisher die Überreste von etwa 500 Brochs gefunden. Sie werden fälschlich auch als Pict's houses oder Pictish castles bezeichnet.

Broch Dun Carloway (Isle of Lewis)
Verbreitungskarte

Inhaltsverzeichnis

Herkunft, Verbreitung und Entstehung

Der Broch Dun Telve
Der Broch Dun Telve: Doppelwandige Mauer

Auf den britischen Inseln sind runde Gebäude vom Neolithikum (Grooved ware) bis ins Mittelalter belegt. Die meisten wurden aus Holz gebaut und verfielen mit der Zeit. In Nordschottland und den schottischen Inseln ist und war Bauholz selten, während Stein, oft schon in gebrauchsfähiger Form, in großen Mengen zur Verfügung stand.

Bevor die Brochentwicklung ihren Höhepunkt erreichte, gab es in Schottland roundhouses. Die ältesten sind nach derzeitigem Stand die Rundhäuser von Quanterness und Calf of Eday (nach Calder The Potter's Workshop genannt) auf den Orkney. Ihre Anfänge reichen bis auf 700 v. Chr. zurück. Für den Broch in der „klassischen Bauweise“ als Turm mit doppelwandigem Mauerwerk werden Orkney, Skye und die kleine Insel Tiree als Entwicklungszentren diskutiert. Der frühste, durch C14-Datierung gesicherte Baubeginn ist nach derzeitigem Kenntnisstand um 400 v. Chr. (Scatnes Broch, Shetland). Die längste, gleichfalls durch C14-Datierung gesicherte wohl ununterbrochene Nutzungsdauer, reicht bis ins späte 8. Jahrhundert, möglicherweise sogar ins 9. Jahrhundert n. Chr. (Howe, Stromness, Orkney). Der Großteil dieser Bauwerke entstand jedoch zwischen 200 v. Chr. und 200 n. Chr.

Bei dem als „älteren“ Broch diskutierten Broch von Bu (auch Bu oder Bu Broch), der auf 600 v. Chr. datiert ist, handelt es sich möglicherweise um einen Vertreter der „nicht klassischen“ Bauweise, also ein Bau ohne Doppelwandstrukturen in den aufgehenden Geschossen, der typologisch in die Gruppe der einfachen „roundhouses“ vergleichbar Quanterness und Calf of Eday fällt. Es gibt keinerlei Erkenntnisse über aufgehende Strukturen, Einsturzspuren wie etwa bei Howe wurden bei der Notgrabung nicht gefunden.

Bauweise

Die Architektur der Brochs ist komplex. Typisch sind fensterlose Türme aus Trockenmauerwerk, mit 10 bis 15 Meter Durchmesser und bis zu 15 m Höhe. Es gibt vereinzelt auch Brochs mit anderen Proportionen, wie den Broch von Gurness mit 20 m und, als größten bekannten, Edin's Hall mit etwa 30 m Durchmesser. Bei ihnen schließt man aus der Stärke der noch erhaltenen Mauern, dass sie 10 bis 15 m hoch gewesen sind. Die Besonderheit vieler Brochs ist die doppelwandige Mauer, die in ihrem Zwischenraum Treppen und Nischen enthält. Ebenerdig befindet sich der schmale, tunnelartige Eingang. Oft findet man in diesem Gang eine Wächterzelle. Das Erdgeschoss enthält oft mehrere radial angeordnete, T-förmige Kammern im Mauerwerk. Zwar sind oft keine Decken oder Plattformen erhalten, aber aus den noch vorhandenen Balkenauflagen, Mauerabsätzen und Treppen wird geschlossen (Broch von Tirefour), dass manche Brochs über einen bis zu zweistöckigen Innenausbau verfügten. In Rekonstruktionszeichnungen werden Brochs mit konischen Holzdächern dargestellt; wie auch immer geartete Dachkonstruktionen sind aber nicht erwiesen.

Einige Brochs wurden auf den Ruinen älterer Gebäude errichtet. Bei der Auswahl des Bauplatzes wurden häufig militärisch günstige Orte, wie Hügel oder Halbinseln bevorzugt. Zusätzlich wurden sie vielfach mit Mauern und Gräben umgeben. Man findet Brochs aber auch in Lagen, bei denen militärische Gesichtspunkte eine eher zweitrangige Bedeutung hatten. Aktuelle Ausgrabungen zeigten, dass zumindest einige dieser Anlagen über eine eigene Wasserversorgung und Abwasserleitungen verfügten.

Wächterzelle

Dun Carloway mit Zugang zur Wächterzelle

Die Wächterzelle ist eine intramurale, in den in Schottland verbreiteten Brochs gelegene Zelle. Die Zelle ist in aller Regel vom Durchgang aus zugänglich. Die Durchgänge der Brochs haben Längen zwischen 3,5 und 5,5 m und sind eng und niedrig. Der tunnelartige Durchgang führt von außen in den Innenraum.

Wächterzellen (engl. Guard-cell) erhielten ihren Namen, weil frühe Archäologen die Zellen im Gang für den Raum eines Türstehers ansahen. Wächterzellen haben verschiedene Größen, Formen und Lagen. Die meisten liegen rechts im Gang (Dun Telwe), es gibt aber auch linksseitige (Dun Troddan). Gelegentlich fehlen sie völlig (z.B. Broch von Bu oder bei vielen der 110 Brochs der Shetlandinseln wie dem Mousa Broch). Viele der Gänge sind außen schmal und erweitern sich in der Mitte der Mauer symmetrisch und stufenförmig um einige Dezimeter. Diese Stufe wird als der Anschlag für eine Verschlussvorrichtung (Tür) angesehen. Der oftmals schmale Zugang zur Wächterzelle liegt stets auf der Innenseite, also hinter der (geschlossenen) Tür. Obwohl Brochs eisenzeitlich sind, konnten keine eisernen Beschläge, die ansonsten für Türen typisch sind, gefunden werden. Dùn Mòr (Tiree) hat eine runde Wächterzelle und ein, auch bei Borroughston auf Shapinsay gefundenes, langes Balken- oder Riegelloch für die nicht mehr vorhandene Verschlussvorrichtung. Im Broch von Mousa befindet sich im Gang eine schmale Schlitzzelle, gerade so breit und tief, dass eine Verschlussvorrichtung eingeschoben werden konnte.

Die kleine Wächterzelle im Broch von Crosskirk, dem bisher ältesten untersuchten Broch, war sowohl vom Gang, als auch von einer größeren Zelle in der Mauer aus zugänglich. Sie hat auch eine Reihe von Stufen, die zu einer Treppe gehören. Diese multifunktionale Zelle vereint alle drei der klassischen Brochelemente, die ansonsten getrennt auftreten.

Verteilung

In Schottland verbinden sich die Eigennamen der Brochs oft mit der Bezeichnung „Dun“, während auf Orkney, der Begriff „Knowe“ relativ häufig verwendet wird. Die meisten der mehr als 50 Brochs auf den Orkney-Inseln liegen direkt an der Meeresküste.

Funktion und Nutzung

Aufgrund der wehrhaften Erscheinung der Brochs wurden sie früher als Fluchtburgen oder Sitz eines keltischen Anführers gedeutet. Inzwischen geht die Forschung davon aus, dass es sich um Wohnsitze der landbesitzenden Bevölkerung handelt. Indes stellt sich die Situation auf den Inseln South Juist und Lewis etwas anders dar. Hier gibt es wenige, aber größere Brochs, die sicher nicht der gesamten Bevölkerung als Wohnstätte gedient haben können. Es wird angenommen, dass Brochs als Monumentalbauten auch aus Prestigegründen von wohlhabenden oder sozial höhergestellten Familien errichtet wurden. Während manche Brochs bereits im zweiten Jahrhundert wieder aufgegeben wurden, kann eine Nachfolgenutzung durch Pikten nicht ausgeschlossen werden. Eine zumindest kurzfristige Nutzung durch die nachfolgenden Wikinger ist für einen Broch mit Sicherheit belegt: Mousayjar Borg, Mousa Broch, Shetland.

Einige Brochs (Broch von Midhowe, Gurness, Jarlshof, Clickhimin u. a.) waren umgeben von weiteren Siedlungsbauten, die teils recht schnell nachfolgend, wenn nicht gar zeitgleich entstanden, teils deutlich jüngeren Datums sind.

Beispiele

Broch of Gurness - Blick nach Westen über den Eyhallow Sound. Im Vordergrund (heute grasbedeckt) Reste der doppelten Umwallung; rechts vom eigentlichen Broch und teilweise davor: Reste der umgebenden Nachfolgebebauung. Zustand 1988.
Mousa Broch

Der Broch von Gurness bei Evie entstand zwischen 200 und 100 v. Chr., wahrscheinlich auf den Resten einer älteren Siedlung. 1930 entdeckte man hier eine in den anstehenden Fels gehauene, dann ausgekleidete Kammer, zu der eine steinerne Treppe hinabführte und in der sich Quellwasser sammelte. Inzwischen kennt man schottlandweit mehr als 30 vergleichbare Anlagen, die offensichtlich die Wasserversorgung sicherten.

Auch in Jarlshof befindet sich ein Broch inmitten einer teilweise wesentlich älteren Siedlung. Um den Broch herum finden sich hier bronzezeitliche Häuser, darunter eines, das offensichtlich von einem irischen Bronzeschmied genutzt worden war, ferner Wheelhouses, normannische Langhäuser und eine mittelalterliche Farm bestehend aus zwei parallelen Langbauten. Die gesamte Anlage wurde letztmalig 1605 wesentlich verändert, als Patrick Stewart, Earl of Orkney, den von seinem Vater Robert angelegten Herrensitz erweiterte, wobei der Broch teilweise überbaut wurde. Dies Herrenhaus, der eigentliche, so von Sir Walter Scott so benannte „Jarlshof“ war ab etwa 1675 wieder eine Ruine.

Am besten erhalten ist der Broch of Mousa auf der kleinen Insel Mousa, östlich von Mainland (Shetlandinsel). Ursprünglich war er etwa 15 m hoch bei einem Durchmesser von 15,2 m. Mit den in zwei Niveaus vorkragenden Steinringen auf der Innenseite des Bauwerks[1] (rote Linien) gilt Mousa zudem als Beispiel für sehr wahrscheinliche, hölzerne Innenausbauten („Galerien“), deren Tragbalken für Fußboden-/Dachelemente auf diesen Kragsteinen auflagen. Gleichzeitig lässt sich die spiralförmig in die Höhe führende Treppe (gelbe Linien) zwischen den beiden im Trockensteinbau ausgeführten Schalen der Brochwände in der tragenden Innenwand, nicht aber in der im Schnitt stärker ausgeführten Außenwand verfolgen (siehe Foto der Außenansicht).

Andere relativ gut erhaltene Exemplare sind Dun Telve und Dun Troddan in Inverness-shire sowie der Broch Dun Carloway auf Lewis.

Moderne Brochs

Der auf der Hebrideninsel Lewis arbeitende Architekt Stuart Bagshaw entwarf in den letzten Jahren Häuser, die ihr Vorbild in den eisenzeitlichen Rundbauten suchen. Die Brochs of Coigach ahmen verfallene, von Gras überwachsene Brochs nach. Auf der Hebrideninsel Harris baut er ein 14 Meter hohes Broch.

Literatur

  • Ian Armit: Towers in the North: The Brochs of Scotland. Stroud: Tempus 2003.
  • Ian Armit, Broch Building in Northern Scotland: The Context of Innovation. World Archaeology 21/3 (Architectural Innovation) 1990, 435-445.
  • John W. Hedges: Bu, Gurness and the Brochs of Orkney (3 Bände) Oxford: B.A.R., 1987, BAR British series 165.
  • L. & J. Lang: The Picts and the Scots. Sutton Publishing Ltd., 1994.
  • Euan W. Mackie: The roundhouses, brochs and wheelhouses of Atlantic Scotland c. 700 BC – AD 500: architecture and material culture. Part 1: the Orkney and Shetland Isles. Oxford: BAR (Brit Ser 342) 2002.
  • G. Ritchie, Brochs of Scotland. Princes Risborough, Shire Archaeology 1988, ISBN 0747803897

Quellen

  1. Innenansicht eines Brochs mit Markierungen

Weblinks

 Commons: Brochs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Broch — bezeichnet: Broch (Turm), bronzezeitlicher bzw. eisenzeitlicher Turmbau in Schottland Broch ist der Familienname folgender Personen: Brigitte Broch (* 1943), deutsche Szenenbildnerin Henri Broch (* 1950), französischer Professor für theoretische… …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Mousa — Der Broch von Mousa An der Westküste der Insel Mousa (Moorinsel), die man von Sandwick aus erreicht, steht am Mousa Sound der Broch von Mousa der am besten erhaltene Broch überhaupt. Er wurde vor der Zeitenwende errichtet und hat noch eine Höhe… …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Gurness — Broch of Gurness Blick nach Westen. Der Broch of Gurness (auch: Broch o’ Gurness) ist ein eisenzeitlicher Turmbau, um den sich eine Siedlung entwickelte. Die Anlage wurde im 2. oder 1. vorchristlichen Jahrhundert errichtet und wurde in piktischer …   Deutsch Wikipedia

  • Broch (Befestigung) — Broch Dun Carloway (Isle of Lewis) Ein Broch ist eine runde, eisenzeitliche turmartige Anlage, die ausschließlich in Schottland, und dort insbesondere in der Grafschaft Caithness, aber auch auf den vorgelagerten Inseln (Orkney, Shetlands und… …   Deutsch Wikipedia

  • Broch (Festung) — Broch Dun Carloway (Isle of Lewis) Ein Broch ist eine runde, eisenzeitliche turmartige Anlage, die ausschließlich in Schottland, und dort insbesondere in der Grafschaft Caithness, aber auch auf den vorgelagerten Inseln (Orkney, Shetlands und… …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Burroughston — Der Broch von Burroughston liegt etwa 1,5 km südlich des Ness of Ork, der nördlichen Spitze von Shapinsay, einer Insel der Orkney. Von der Hillock Road, einer schmalen Nebenstraße, führt nördlich von Edmonstone ein Weg nach Osten in Richtung der… …   Deutsch Wikipedia

  • Turm (Bauwerk) — Turm als Selbstzweck, ein Folly …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Windwick — 58.769166666667 2.9394444444444 Koordinaten: 58° 46′ 9″ N, 2° 56′ 22″ W …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Crosskirk — Crosskirk Broch Memorial Cairn Der Broch von Crosskirk liegt unweit der schottischen Nordküste in der Grafschaft Caithness. In der 2. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. entstanden Brochs mit komplizierteren Formen, durch die sie vor allem an Höhe …   Deutsch Wikipedia

  • Broch von Burgar — Die Reste des Broch von Burgar sind, abgesehen von einem ungefähr 15 m langen und 2,7 m hohen Bereich der nördlichen Außenwand, abgetragen. Der Broch liegt in der Gemeinde Evie and Rendall auf Mainland, der Hauptinsel der Orkney in Schottland.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”