Bulhary (Tschechien)

Bulhary (Tschechien)
Bulhary
Wappen von Bulhary
Bulhary (Tschechien) (Tschechien)
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Basisdaten
Staat: Tschechien
Region: Jihomoravský kraj
Bezirk: Břeclav
Fläche: 1517 ha
Geographische Lage: 48° 50′ N, 16° 45′ O48.83146666666716.748738888889170Koordinaten: 48° 49′ 53″ N, 16° 44′ 55″ O
Höhe: 170 m n.m.
Einwohner: 804 (1. Jan. 2011) [1]
Postleitzahl: 691 88
Kfz-Kennzeichen: B
Verkehr
Straße: Milovice - Lednice
Struktur
Status: Gemeinde
Ortsteile: 1
Verwaltung
Bürgermeister: Pavel Lebloch (Stand: 2008)
Adresse: Bulhary 76
691 88 Bulhary
Gemeindenummer: 584380
Website: www.bulhary.cz

Bulhary (deutsch Pulgram) ist eine Gemeinde im Jihomoravský kraj (Südmähren), Okres Břeclav in Tschechien. Sie liegt acht Kilometer östlich von Mikulov (Nikolsburg). Der Ort ist als ein Straßenangerdorf angelegt.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Das Dorf befindet sich am rechten Ufer der Thaya und ist im Westen an die Milovická pahorkatina, einem Ausläufer der Pollauer Berge, mit dem Heckenwald (373 m) heranreichend.

Die Nachbarortschaften sind im Norden Nové Mlýny (Neumühl) und Přítluky (Prittlach) und im Süden Nejdek (Neudek) und Lednice (Eisgrub).

Geschichte

Die Anlage des Ortes sowie die bis 1945 gesprochene Ui-Mundart (bairisch-österreichisch) mit ihren speziellen Bairischen Kennwörtern, weist auf eine Besiedlung durch bayrische deutsche Stämme hin, wie sie, um 1050, aber vor allem im 12/13. Jahrhundert erfolgte.[2] 1244 war die erste urkundliche Erwähnung, als es mit Neudek und Eisgrub von König Wenzel an Sifrit den Waisen verliehen wird. 1310 verkauft an Heinrich II. von Liechtenstein, 1414 sind im Urbar nur deutsche Bewohner verzeichnet. 1545 weilten Wiedertäufer[3] im Ort. Die Kirche wurde lutherisch geweiht. 1574 kaufte Adam von Dietrichstein das Dorf und führte den katholischen Glauben wieder ein. 1585 bis 1785 wurde Pulgram der Pfarre Voitelsbrunn zugewiesen. Im 30-jährigen Krieges wird der Ort (1619) von den Ständischen niedergebrannt. Im Jahre 1622 wurden die Wiedertäufer aus Südmähren ausgewiesen, worauf diese nach Siebenbürgen weiterzogen.[4] In den Urbaren von 1414, 1560 und 1629 finden sich wechselnde Schreibformen für Pulgram, wie „Bylgrem“, „Pulgrvm“ und „Pullgram“.

1672 wird eine einklassige Schule gebaut, mit dem Neubau 1882 wird sie dreiklassig und ab 1908 vierklassig. Zwei große Brände in den Jahren 1828 und 1833 vernichteten mehrere Gehöfe und Scheunen im Ort.[5] In dieser Zeit wurde der herrschaftliche Meierhof aufgelöst und das Land an Bauern verpachtet. [6] 1886 wurde eine neue Thayabrücke gebaut um die vorherige Holzbrücke zu ersetzen. Die Freiwillige Feuerwehr wurde im Jahre 1888 gegründet. 1911/12 erfolgt der Anbau eines Turnraumes. Die Bevölkerung lebte zum Großteil von der Forst-, Vieh- und Landwirtschaft, wobei der Weinbau eine besondere Rolle einnahm.[7] Die Reblausplage um 1900 vernichtete jedoch viele Weinstöcke und so verringerte sich die Anbaufläche bis 1945 kontinuierlich.[8] Im Ort selbst gab es, neben Kleinhandwerk, drei Ziegeleien, eine Milchsammelstelle, eine Raiffeisenkassa und ein Lagerhaus. Große Teile des Grundbesitzes waren bis in die Zwischenkriegszeit im Eigentum der Familie Dietrichstein.[9] Um die Jahrhundertwende wurden auf dem Ortsgebiet einige Urnengräber aus der Hallstattzeit gefunden.[10]

Matriken werden seit 1678 geführt. Onlinesuche über das Landesarchiv Brünn. [11] Grundbücher werden seit 1781 geführt.[12]

Einer der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg, 1914–1918, war die Tschechoslowakei, die jene deutschsprachigen Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens für sich beanspruchte, die seit Ende 1918 als Deutschösterreich galten. Der Vertrag von St. Germain[13] sprach die strittigen Territorien gegen den Willen der dortigen deutschen Bevölkerung der Tschechoslowakei zu. Damit fiel auch Pulgram, deren Bewohner 1910 zu 94,5 % Deutschsüdmährer waren, an den neuen Staat. 1925 wurde die Schule wieder dreiklassig, da eine neue zweiklassige Volksschule für die tschechischen Kinder gebaut wird. Die Elektrifizierung erfolgte ab 1929. Maßnahmen folgten wie die Bodenreform und die Sprachenverordnung. Dadurch kam es durch Siedler und neu besetzte Beamtenposten zu einem vermehrten Zuzug von Personen tschechischer Nationalität.[14] Diese Maßnahmen verschärften die Spannungen zwischen der deutschen und tschechischen Bevölkerung. In Folge des Münchner Abkommens wurde Pulgram am 1. Oktober 1938 ein Teil des deutschen Reichsgaus Niederdonau.

Beim Rückzug der Wehrmacht im April 1945 wurde die Thayabrücke gesprengt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in welchen 83 Pulgramer fielen, kam die Gemeinde am 8.Mai 1945 wieder zur Tschechoslowakei zurück. Durch militante Tschechen wurden die auf dem Kriegerdenkmal des Ersten Weltkrieges befindlichen Bilder der Gefallenen entfernt und das an der Spitze des Obelisken befindliche Kreuz, durch einen roten Stern ersetzt. Alle, bis auf 40 Personen, flohen vor den einsetzenden Nachkriegsexzessen oder wurden bereits vor der Umsetzung des Potsdamer Kommuniqués(Protokoll) [15] am 30.Mai 1945 in einer "wilden Vertreibung" über die Grenze nach Österreich vertrieben, wobei vier Männer und eine Frau zu Tode kamen.[16] [17] Im August 1945 bestimmen die drei Hauptalliierten des Zweiten Weltkrieges im Potsdamer Kommuniqués die Nachkriegsordnung. Darin akzeptieren sie die summarische Vertreibungen Deutscher ohne jede Prüfung individueller Schuld, verlangen lediglich „einen geordneten Transfer der deutschen Bevölkerungsteile" aus der Tschechoslowakei. Laut Bericht von Francis E. Walter an das US-Repräsentantenhaus erfolgten diese Transporte zu keiner Zeit in „ordnungsgemäßer und humaner“ Weise. [18] Aufgrund des Beneš-Dekretes 108 vom 25.Oktober 1945 wurde das Vermögen der deutschen Bürger aus Pulgram konfisziert und unter staatliche Verwaltung gestellt. Seitens der Tschechischen Republik erfolgte keine Abgeltung für das eingezogene Vermögen. Die restlichen 40 deutschen Einwohner wurden zwischen dem 15. März 1946 und dem 17. September 1946, offiziell nach Deutschland zwangsausgesiedelt[19] [20].

Wappen und Siegel

Das älteste bekannte Siegel des Ortes stammte aus dem 16. Jahrhundert. Es zeigt eine Umschrift in deren Mitte sich ein Renaissanceschild befindet. Auf dem Schild ist eine beblätterte Weintraube zwischen einem Pflugeisen und einem Rebmesser über einem Fisch abgebildet. Nach dem Kriegen im 17. Jahrhundert kam dieses Siegel in Vergessenheit.

Ab dem Jahre 1764 wird ein neues Siegel verwendet. Es zeigt die Großbuchstaben 'BV' unter dem sich ein, von fünf Lilien umgebenes, Halbrundschild mit zwei gekreuzten Fischen befindet. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich die das Aussehen des Siegels mehrmals, wobei das Halbrundschild mit den zwei gekreuzten Fischen unverändert beibehalten wurde. Während der Zwischenkriegszeit war die Umschrift des Siegels zweisprachig. [21]

Bevölkerungsentwicklung

Volkszählung Häuser Einwohner insgesamt Volkszugehörigkeit der Einwohner
Jahr Deutsche Tschechen andere
1793 101 529      
1836 127 728      
1869 148 906      
1880 164 1044 1016 7 19
1890 189 1008 947 49 12
1900 208 1097 979 108 10
1910 233 1109 1049 50 10
1921 247 1124 979 117 28
1930 288 1144 940 183 21
1939   997      
Quelle: 1793, 1836, 1850 aus: Südmähren von A-Z, Frodl, Blaschka
Sonstige: Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960, sv.9. 1984

Sehenswürdigkeiten

  • Kirche St. Aegidius erbaut 1580, abgetragen 1781 und neu aufgebaut im Jahre 1783. Haupt- und Seitenaltar von Martin Schmidt (Kremser Schmidt).
  • Friedhof außerhalb des Ortes
  • Pfarrhof (1785)
  • Statue Hl. Johannes der Täufer
  • Schule (1672)

Sagen aus dem Ort

  • Der verwunschene Jäger[22]

Quellen

  • Wilhelm Szegeda: Heimatkundliches Lesebuch des Schulbezirks Nikolsburg, 1935, approbierter Lehrbehelf, Lehrerverein Pohrlitz Verlag, Pulgram S.55f
  • Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 220, 223, 406, 409, 411-412, 414, 417, 421-425, 427-428, 431, 553, 573, 577 (Pulgram). 
  • Gerald Frodl, Walfried Blaschka: Kreis Nikolsburg von A–Z, 2006, Pulgram Seite 179

Literatur

  • Franz Josef Schwoy: Topographie vom Markgrafthum Mähren. 1793, Pulgram Seite 314
  • Johann Zabel: Kirchlicher Handweiser für Südmähren. 1941, Generalvikariat Nikolsburg. Pulgram Seite 37
  • Ilse Tielsch-Felzmann: Südmährische Sagen. 1969, München, Verlag Heimatwerk
  • Wenzel Max: Thayaland, Volkslieder und Tänze aus Südmähren, 1984, Geislingen/Steige
  • Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren. 1990, Pulgram Seite 32
  • Alfred Vogel: In Pulgram daheim. 1991, Selbstverlag, gefördert von der Niederösterreichischen Landesregierung
  • Felix Ermacora: Die sudetendeutschen Fragen. Rechtsgutachten. Langen Müller Verlag, 1992. ISBN3-7844-2412-0

Weblinks

Belege

  1. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2011 (XLS, 1,3 MB)
  2. Leopold Kleindienst:Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens, 1989, S. 9
  3. Gregor Wolny: Die Wiedertäufer in Mähren, Wien 1850
  4. Bernd Längin:Die Hutterer,1986, S.237
  5. Gregor Wolny:Die Markgrafschaft Mähren: Bd. Brünner Kreis,1837, S.213
  6. Gregor Wolny:Die Markgrafschaft Mähren: Bd. Brünner Kreis,1837, S.199
  7. Walfried Blaschka,Gerald Frodl:Der Kreis Nikolsburg von A bis Z, 2006, S.179
  8. Hans Zuckriegl:Ich träum' von einem Weinstock, Kapitel 7, S.262
  9. Walfried Blaschka,Gerald Frodl:Der Kreis Nikolsburg von A bis Z, 2006, S.180
  10. Wilfried Fiedler, Hans Freising:Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte Mährens, 1980, S.24
  11. Acta Publica Registrierungspflichtige Online-Recherche in den historischen Matriken des Mährischen Landesarchivs Brünn (cz,dt). Abgerufen am 29 März 2011.
  12. Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden, 1992, Pulgram Seite 192
  13. Felix Ermacora: Der unbewältigte Friede: St. Germain und die Folgen; 1919 -1989 , Amalthea Verlag, Wien, München, 1989, ISBN 3-85002-279-X
  14. Wolfgang Brügel: Tschechen und Deutsche 1918 – 1938, München 1967
  15. Charles L. Mee: Die Potsdamer Konferenz 1945. Die Teilung der Beute. Wilhelm Heyne Verlag, München 1979. ISBN 3-453-48060-0.
  16. Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band III. Maurer, Geislingen/Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, Pulgram S. 220, 223, 406, 409, 411-412, 414,417,421-425, 427-428, 431, 553, 573, 577.
  17. Walfried Blaschka, Gerald Frodl: Der Kreis Nikolsburg von A-Z, Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige, 2006, S.216
  18. Walter, Francis E. (1950): Expellees and Refugees of German ethnic Origin. Report of a Special Subcommittee of the Committee on the Judiciary, House of Representatives, HR 2nd Session, Report No. 1841, Washington, March 24, 1950.
  19. Emilia Hrabovec: Vertreibung und Abschub. Deutsche in Mähren 1945 – 1947, Frankfurt am Main/ Bern/ New York/ Wien (=Wiener Osteuropastudien. Schriftenreihe des österreichischen Ost-und Südosteuropa Instituts), 1995 und 1996
  20. Archiv Mikulov: Odsun Němců – transport odeslaný dne 20. kvĕtna (1946)
  21. Mährisches Landesarchiv: Gödelsche Sammlung, S.125
  22. Oberleitner/Matzura: Südmährische Sagen, 1921, S.101f

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