Burgenland-Kroaten

Burgenland-Kroaten

Die Bezeichnung Burgenland-Kroaten (kroat. Gradišćanski Hrvati [ˈɡradiʃtɕanski ˈhrʋaːti]) bezieht sich auf eine kroatische Minderheit, die im Gebiet der Grenze zwischen Österreich und Ungarn lebt. Nach der Volkszählung 2001 leben im Burgenland 16.283 Burgenlandkroaten, dies entspricht einen Anteil von 5,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Burgenlandkroaten sind ursprünglich Flüchtlinge, die während der Türkenkriege aus Kroatien, insbesondere aus der damaligen Militärgrenze, flohen und im Westen des damaligen Ungarn angesiedelt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Herkunftsgebiet der Burgenlandkroaten an der Militärgrenze

Ansiedlung der Kroaten

Im 16. Jahrhundert siedelten sich ca. 100.000 Kroaten im heutigen Burgenland an. Die Ansiedlung wurde im Falle von Stinatz 1577 erstmals urkundlich erwähnt. Es waren die Türkenfeldzüge gegen Wien, die gigantische Umsiedlungsaktionen von Kroaten nach sich zogen.

Denn um die verwüsteten Gegenden, Ländereien und aufgelassenen Dörfer nach dem Abzug der Türkenheere wieder mit neuem Leben zu erfüllen, brauchte man „neue Menschen“. Die Grafen Erdődy und Batthyány besaßen ausgedehnte Besitzungen sowohl in Kroatien, als auch in Westungarn. Sie holten die kroatische Bevölkerung aus den Grenzgebieten zum Osmanenreich in das heutige Burgenland. Nebenbei entstand durch diese Umsiedlungsaktion auch eine Minderheit in Kroatien, weil die aufgelassenen Höfe der Kroaten von der österreichischen Militärverwaltung mit den vor den Türken geflohenen Walachen besiedelt wurden. Neben den Kroaten wurden auch Siedler aus dem süddeutschen Raum und aus Ostungarn angesiedelt. Die dabei entstandene ethnische Struktur wirkt in diesem Raum noch heute nach.

Kleine Teile der Kroaten zogen noch weiter nördlich bis ins Marchfeld, wo sie sich niederließen. Einzelne Mitglieder der so genannten Marchfeld-Kroaten gab es noch bis in das 20. Jahrhundert. Heute erinnern nur mehr die kroatischen Familiennamen daran.

Magyarisierung

Zwischen den angesiedelten Kroaten in Westungarn und ihrem Muttervolk in der alten Heimat zerfielen nach und nach die Bindungen. Erst um die Ende des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte sich - durch die Mobilität gefördert - ein großes Interesse an kulturellen Kontakten. Vor allem kroatische Geistliche bemühten sich um die Erhaltung des völkischen Bewusstseins. Infolge der Magyarisierungspolitik galten jedoch in Ungarn zu enge Verbindungen zwischen den westungarischen Kroaten und ihrem Heimatland als Landesverrat und sie wurden als „Panslawisten“ beschimpft.

1910 verfügte die kroatische Volksgruppe in 110 Ortschaften über 60 römisch-katholische, rein kroatische Volksschulen und beinahe 150 Priester. Während aber die Schulgesetze bis 1907 die kroatische Sprache in allen Gegenständen vorsah, machten die Schulgesetze des Grafen Apponyi die ungarische Sprache in den Volksschulen zur verpflichtenden Unterrichtssprache.

Entstehung des Burgenlandes

Das Burgenland

1919 wurde mit dem Vertrag von Saint-Germain das Burgenland geschaffen. Es besteht aus den westlichen Teilen der Komitate Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Weil alle Komitate die Endsilbe „-burg“ hatten, kam es auch zum Namen des Landes: Burgenland. Das kroatische Siedlungsgebiet wurde dadurch geteilt, aber die meisten kroatischen Dörfer dieses Raumes mit ca. 50.000 Einwohnern kamen auf diese Weise zu Österreich. Der Staatsvertragstext enthielt auch Bestimmungen für den Minderheitenschutz wie beispielsweise Unterricht der eigenen Sprache in der Volksschule. Seine Umsetzung hing aber in der Praxis vom guten Willen der österreichischen Verwaltungsbehörden ab. Die Kroaten gründeten daraufhin den Kroatischen Kulturverein, waren in öffentlichen Ämtern stark vertreten und engagierten sich in politischen Parteien (z. B. in der Christlich-Sozialen Partei oder auch bei den Sozialdemokraten).

Damit änderte sich jedoch die Situation für die westungarischen Kroaten grundlegend. Waren sie bisher gemeinsam mit der deutschsprachigen Bevölkerung eine Minderheit in Ungarn gewesen, so drehte sich der Spieß für die Kroaten um. Vor der Volksabstimmung 1921 im Burgenland gab es bei den Kroaten zwei Stimmungslagen. Die ortsgebundenen Bauern waren strikt gegen einen Anschluss an Österreich. Die Händler und Nebenerwerbslandwirte hingegen waren schon längst mit dem österreichischen Absatzmarkt verflochten und sahen daher ihre Interessen durch einen Anschluss an Österreich besser gewahrt.

Für die kroatischsprachigen oder gemischtsprachigen Schulen hatten die Gemeinden zur Gänze aufzukommen. Dies konnten sich die größtenteils kleinen und ebenso armen Gemeinden nicht mehr leisten, weshalb mehr und mehr dieser kirchlichen Gemeindeschulen von der Landesschulbehörde übernommen wurden. So wurden weniger kroatischsprachige Lehrer gewählt, und nachdem Deutsch als Pflichtfach zu 5 Wochenstunden in jeder Klasse vorgeschrieben wurde, trat der Kroatischunterricht zusätzlich in den Hintergrund. Ein weiteres Hindernis für den Kroatischunterricht waren die kroatischen Assimilanten, die die Verwendung der Mehrheitssprache als Mittel zu besserem beruflichen Fortkommen sahen. Sozialdemokratisch regierte Gemeinden übertrugen ihre konfessionellen Schulen immer mehr der staatlichen Verwaltung. Der Kampf um die Sprache wurde nun auf der Ebene der Lehrerposten ausgetragen.

Zeit des Nationalsozialismus

Nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland teilte sich die kroatische Minderheit wiederum in 2 Gruppen. Der eine Teil, der schon lieber bei Ungarn geblieben wäre, nahm gerade jetzt wieder eine österreichisch-nationale Haltung ein, während der andere Teil, keine 20 Jahre später, seine Hoffnungen auf einen weiteren Anschluss an das Großdeutsche Reich setzte. Zunächst versprach ein Bekenntnis zum Deutschtum bessere Aufstiegschancen, doch trotzdem begannen Maßnahmen gegen die kroatische Minderheit (wie auch gegen alle anderen Minderheiten in Österreich).

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges bemühte sich die kroatische Minderheit mit einer betont österreichischen Haltung, ihre Volksgruppe politisch und kulturell wieder zu beleben. Denn der politische, wirtschaftliche und sprachliche Assimilierungsdruck lebte auch nach der Naziherrschaft weiter. Einen Beitrag zu einem neuen Volksgruppenbewusstsein leistete Lorenz Karall, ein Kroate aus Großwarasdorf, der 1946 zum ersten Landeshauptmann des Burgenlandes nach dem 2. Weltkrieg gewählt wurde. Es entstanden damals zahlreiche Kontroversen zwischen dem Kroatischen Kulturverein und dem sozialdemokratisch dominierte Präsidium der Bürgermeister und Vizebürgermeister der Gemeinden im Burgenland, weil es oft aus rein parteipolitischen Gründen zu kroatischfeindlichen Beschlüssen in der Schulfrage kam. So sahen die meisten Kroaten ihre Interessen in der ÖVP mit Karall an der Spitze am besten gewahrt.

Die Ausrufung der unabhängigen Republik Kroatien gab den Kroaten neues Selbstbewusstsein und der vermehrte Zuspruch zum zweisprachigen Unterricht gab Anlass zur Hoffnung, dass die Kroaten nicht zu einer aussterbenden Minderheit gehören.

Bevölkerung

Verbreitung

Das österreichische Bundesland Burgenland umfasst einen Großteil des kroatischen Siedlungsgebietes, das von den Kroaten Gradišće [ɡradiːʃtʃɛ] genannt wird. Die kleineren kroatischen Minderheiten in Westungarn, der südwestlichen Slowakei und dem südlichen Tschechien werden oft ebenfalls als Burgenlandkroaten bezeichnet. Auch sie verwenden die burgendlandkroatische Schriftsprache und sind historisch und kulturell eng mit den Kroaten in Österreich verbunden. Die Gesamtzahl der Sprecher in allen drei Ländern sowie in der Migration wird von Vertretern der Burgenlandkroaten auf ca. 55.000 Personen geschätzt1[1].

Bevölkerungsentwicklung in Österreich

Etwa 25-30.000 Menschen im Burgenland bekennen sich heute noch als Kroaten, wobei eine große Anzahl von Kroaten in Wien und den anderen Bundesländern wohnhaft ist. Aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen zog ein bedeutender Teil der Burgenlandkroaten nach Wien, wo sie mittlerweile kulturell und ethnisch gut organisiert sind.

Burgenlandkroaten sind in sechs von sieben burgenländischen Bezirken beheimatet, stellen aber in keinem der Bezirke die Mehrheitsbevölkerung. Die größte Zahl kroatischsprechender Burgenländer lebt in den Bezirken Eisenstadt-Umgebung und Oberpullendorf.[2] In der Gemeinde Schachendorf beispielsweise beträgt die Anzahl der Burgenland-Kroaten an der Gesamtbevölkerung 73%, als deutschsprachig bezeichnen sich 20%.

Kultur

Sprache

Die Burgenlandkroaten verwenden eine eigene Standardvariante der kroatischen Sprache.

Mehr dazu siehe: Burgenlandkroatisch.

Traditionen

Die äußerst traditionsbewussten Burgenlandkroaten organisieren sich in Vereinen und veranstalten gerne folkloristische Feste mit Volkstänzen und der Musik der Tamburizza. Auch das Brauchtum ist typisch Kroatisch und hat sich nur wenig mit den Bräuchen der deutsch- oder ungarischsprachigen Burgenländer vermischt.

Aktuelle Probleme

Die kroatische Volksgruppe beklagt einen Mangel an kroatischsprachigen Kindergärten und Mittelschulen sowie die Nicht-Durchsetzung des Kroatischen als Verwaltungssprache. Außerdem kritisieren die Minderheiten die Volkszählungen der vergangenen Jahrzehnte als untaugliche Mittel zur Feststellung der Größe einer Minderheit. Sie seien jeweils eine Methode zur statistischen „Entnationalisierung“ gewesen. Es entstehe bereits bei der Erhebung eine Irreführung, die sich in der Auswertung dann noch verstärke. Laut diesen Volkszählungen ist jedenfalls die kroatische Volksgruppe im Verschwinden begriffen.

Indessen erfreuen sich die Kroatischsendungen des ORF einer wesentlich höheren Hörerquote, als Kroaten statistisch vorhanden sind, und auch Zählungen der katholischen Kirche ergeben ein anderes Bild.

Vielen Burgenländern der kroatischen Volksgruppe ist eine Zugehörigkeit zu dieser heute nicht mehr erstrebenswert. Die Ausdünnung von Kultur und der gesprochenen Sprache hat bei ihnen eine weitgehende Identifikation mit der deutschsprachigen Mehrheit bewirkt, wodurch die Betroffenen selbst sich nicht mehr als Burgenlandkroaten sehen und dies auch in Volkszählungen und Umfragen artikulieren. Das kroatischsprachige Angebot in den Schulen wird darum nicht mehr so angenommen wie erhofft. Was für die Zukunft eine weitere Assimilierung der Burgenlandkroaten erwarten lässt[3], obwohl die Vertreter der Volksgruppe Gegenmaßnahmen ankündigen.[4]

Diese Entwicklung hat zu einer Polarisation der Einstellung der Betroffenen geführt. Die Bewahrer einer eigenständigen burgenländisch-kroatischen Kultur werden von den eher deutschsprachigen Kroaten als konservativ und überheblich kritisiert. Die Bewahrer argumentieren damit, dass aus dem Verlust der kroatischen Identität für die gesamte Region und deren Kultur großer Schaden entstünde.

Persönlichkeiten

Bekannte Burgenlandkroaten sind:

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. http://www.hrvatskicentar.at/
  2. Minorities in Europe, Croatian in Austria
  3. http://derstandard.at/?id=3041485
  4. Immer weniger Schüler sprechen Kroatisch

Literatur

  • Inzko 1988: V.I., Die systematische Germanisierung. Leben lassen ist nicht genug. Minderheiten in Österreich (hg. v. R. Henke). Wien, 80ff.
  • Lage und Perspektiven der Volksgruppen in Österreich, Wien 1989; Österreichische Rektorenkonferenz (Hrsg.)
  • Klemens Ludwig: Ethnische Minderheiten in Europa. Ein Lexikon. München: Beck, 1995, 235 S.
  • BREU Josef, Die Kroatensiedlung im Burgenland und den anschließenden Gebieten; Wien 1970
  • Wilhelm-Stempin, Nikolaus: Das Siedlungsgebiet der Burgenlandkroaten: in Österreich, Ungarn, Mähren und der Slowakei. Norderstedt: BoD 2008

Weblinks


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