Alfred Lörcher

Alfred Lörcher

Alfred Lörcher (* 30. Juli 1875 in Stuttgart; † 26. März 1962 ebenda) war Bildhauer und ab 1919 Professor an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule sowie ab 1938 an der dortigen Akademie der bildenden Künste, an der er bis Kriegsende tätig war.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Alfred Lörcher war das einzige Kind von Carl (1849–1917) und Mathilde (1847–1898) Lörcher. Er besuchte nach zweijähriger Lehre in der Erzgießerei von Paul Stotz seit 1894 die Karlsruher Kunstgewerbeschule, wo er die Maler Hans Purrmann und Albert Weisgerber kennenlernte. 1897/98 arbeitete er in der Kunstgewerblichen Werkstätte W. Wächter in Kaiserslautern. 1898 bezog er die Münchener Kunstakademie und wurde Schüler von Wilhelm von Rümann. Hier beeinflusste ihn die plastische Konzeption Adolf von Hildebrand. Antike und Frührenaissance waren für ihn maßgeblich, während Rodin und dessen Auflösung der plastischen Form von ihm abgelehnt wurde. 1902 kehrte er als freier Bildhauer nach Stuttgart zurück und führte Aufträge für Grabmäler, Porträts, später auch für Siegel und Medaillen aus. 1905 reiste er für ein Jahr durch Italien, wo er vor allem die archaische und etruskische Plastik, aber auch die Reliefs von Andrea Pisano am Florentiner Baptisterium studierte. 1908 übersiedelte er nach Berlin und stellte noch im selben Jahr seine Porträtbüste einer Römerin in der Sezessionsausstellung aus. 1914 gewann er mit seiner im Vorjahr entstandenen Klinker-Skulptur Liegende (Museum Ludwig in Köln) auf der internationalen Kunst-Ausstellung in Stuttgart den 1. Preis. Im ersten Weltkrieg (1914–1918) diente er als freiwilliger Sanitäter. Nach Kriegsende wurde er von Bernhard Pankok an die Staatliche Kunstgewerbeschule (spätere Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart) in Stuttgart berufen, um eine Bildhauerklasse aufzubauen und zu leiten (bis 1938, dann Lehrauftrag). Von 1941 bis 1951 lebte er zurückgezogen in Billensbach im Bottwartal, danach wieder in Stuttgart.

Stil

Wachsende Anerkennung über Süddeutschland hinaus fand Lörcher nicht nur mit den geschlossenen, kubisch vereinfachten, sinnenden Frauengestalten der Jahre 1910–1933, die ihm den Beinamen eines „Schwäbischen Maillol“ eintrugen, obwohl sie sich wesentlich von Maillols sinnlich-schwellender Faktur unterschieden, sondern auch mit den vielfigurigen Reliefs seines Spätwerks seit 1946, in denen er zeitgenössische Themen wie z. B. Streikgespräch (1957/58) oder Fernseher (1959/60) gestaltete. Waren es früher die in sich ruhenden Einzelgestalten, vor allem Sitzfiguren, auf die Winckelmanns Begriffe von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ zutreffen, so entwickelte sich das Nachkriegswerk antithetisch dazu: statt stereometrischer Rundform und geglätteter Oberfläche dominieren nun die deutlich modellierten Figuren, die sich zu bewegten Gruppen oder geordneten Reihungen formieren und in spannungsvoller Choreographie den Raum, der durch die Sockelplatte oder den Reliefgrund suggeriert wird, durchmessen. Damit hat Lörcher im Rahmen der deutschen Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts einen entschiedenen Alleingang vollzogen und, namentlich auf dem Gebiet der Kleinplastik und Reliefkunst, auch im europäischen Kontext, einen hohen Rang erreicht.

Auszeichnungen

Werke

  • Weitere Werke im Nachlass, Privatbestand: Porträtbüste, Selbstbildnis, 1907
  • Schlafende Liegende, 1913/14 (Privatslg. Stuttgart)
  • Staatsgalerie Stuttgart: Schreitendes Mädchen, 1923/24
  • Springende Reiter, 1953
  • Revolutionszug, 1957 (Kunsthalle Recklinghausen)
  • Kleine Reiterinnengruppe, 1960
  • Konferenz am rechtwinkeligen Tisch, 1959
  • Sich anlehnende Frau, 1926/27 (Privatslg., Lindau)
  • Panik II, 1959/60 (Privatslg. Stuttgart)
  • Panik III, 1960 (Niedersächsische Landesgal. Hannover)
  • Menetekel, 1957 (Kunsthalle Mannheim)

Schriften

  • Zu meinen Arbeiten, in: Deutsche Kunst und Dekoration 53, 1923, S. 146–154
  • Arbeit Lörchers über seine plastischen Arbeiten, in: Die Kunst 27, 1926, S. 68–72
  • Der Grabstein, 1927

Literatur

  • Karin von Maur: Lörcher, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 55 (Onlinefassung).
  • W. Gischler, Alfred Lörcher, in: Deutsche Kunst und Dekoration 44, 1920, S. 264–267
  • H. Hildebrandt, ebenda 69, 1931, S. 43–48
  • J. Baum, Alfred Lörcher, in: Die Kunst 21, 1920, S. 268–278
  • P. O. Heim, Der Bildhauer Alfred Lörcher, 1935
  • Ausstellungskategorie, Alfred Lörcher, Staatsgalerie Stuttgart, 1950
  • E. Petermann, Alfred Lörcher zu seinem 80. Geburtstag, gewidmet von seinen Freunden, 1955
  • Ausstellungskategorie Alfred Lörcher, Württembergischer Kunstverein Stuttgart, 1960
  • M. Grüterich, Alfred Lörcher, Skulptur-Relief-Zeichnungen, 1976 (W-Verz)
  • Ausstellungskategorie Alfred Lörcher, Staatsgalerie Stuttgart, 1978
  • Internationales Biographisches Archiv 22, 1962

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lörcher — ist der Name von Alfred Lörcher (1875–1962), deutscher Bildhauer Carl Christoph Lörcher (1884–1966), deutscher Architekt Christa Lörcher, geborene Treumann (* 1941), deutsche Politikerin (SPD) Diese Seite ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • Lörcher — Lọ̈rcher,   Alfred, Bildhauer, * Stuttgart 30. 7. 1875, ✝ ebenda 26. 3. 1962; schuf Porträtbüsten und besonders Aktfiguren, bei denen er sich stilistisch v. a. an A. von Hildebrand und A. Maillol orientierte. Seit den 50er Jahren entstanden auch… …   Universal-Lexikon

  • Stuttgarter Sezession — Die Stuttgarter Sezession (auch Secession geschrieben) war eine deutsche Künstlergruppe von Malern und Bildhauern, die sich im Frühjahr 1923 vom Künstlerbund Stuttgart, wegen dessen veralteten Führungsstils und seiner konservativen Kunstpolitik,… …   Deutsch Wikipedia

  • Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart — Gründung 1761 Trägerschaft staatlich Ort St …   Deutsch Wikipedia

  • Akademie der Bildenden Künste Stuttgart — Vorlage:Infobox Hochschule/Mitarbeiter fehltVorlage:Infobox Hochschule/Professoren fehlt Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Gründung 1761 …   Deutsch Wikipedia

  • Kunstakademie Stuttgart — Vorlage:Infobox Hochschule/Mitarbeiter fehltVorlage:Infobox Hochschule/Professoren fehlt Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Gründung 1761 …   Deutsch Wikipedia

  • Stuttgarter Kunstschule — Vorlage:Infobox Hochschule/Mitarbeiter fehltVorlage:Infobox Hochschule/Professoren fehlt Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Gründung 1761 …   Deutsch Wikipedia

  • Hellmuth Uhrig — Helmuth Uhrig (* 10. Dezember 1906 in Heidenheim an der Brenz; † 8. April 1979 in Arnoldshain), in diversen Veröffentlichungen auch als Hellmuth Uhrig, war Bildhauer, Maler, Glasmaler, Mosaikkünstler und Kunstbeauftragter in der Evangelischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Helmuth Uhrig — (* 10. Dezember 1906 in Heidenheim an der Brenz; † 8. April 1979 in Arnoldshain), in diversen Veröffentlichungen auch als Hellmuth Uhrig, war Bildhauer, Maler, Glasmaler, Mosaikkünstler und Kunstbeauftragter in der Evangelischen Landeskirche… …   Deutsch Wikipedia

  • Steisslinger — Fritz Steisslinger (* 2. August 1891 in Göppingen; † 16. März 1957 in Tübingen) war ein deutscher Künstler des Expressiven Realismus. Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung und Erster Weltkrieg 2 Familienleben, Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”