Alix Hänsel

Alix Hänsel

Alix Hänsel, geborene Hochstetter (* 9. Mai 1951 in Bergisch-Gladbach) ist eine deutsche Prähistorische Archäologin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Alix Hänsel wuchs als jüngste Tochter des promovierten Juristen und Theologen Helmut Hochstetter und seiner Ehefrau Alix, geborene Fiedler in Bergisch Gladbach auf.[1] Sie stammt aus einer deutsch-österreichischen Pastorenfamilie, zu deren Vorfahren der Geologe, Geograph und Forschungsreisende Ferdinand von Hochstetter zählt.[2]

Von 1972 bis 1978 studierte Alix Hänsel an den Universitäten Bochum, Heidelberg, Kiel und Hamburg Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie, Ethnologie, Volkskunde, Geologie und Sozialwissenschaften. Mit einer Arbeit über die Hügelgräberbronzezeit in Niederbayern promovierte sie 1978 an der Universität Hamburg im Hauptfach Ur- und Frühgeschichte bei Vladimir Milojčić (verstorben) und Helmut Ziegert.

Ihre akademische Laufbahn begann sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Ausgrabungen im nordgriechischen Kastanas. Die von ihr am dortigen Siedlungshügel (Toumba) der Bronze- und Eisenzeit ab 1975 vorgenommenen Untersuchung erbrachten Aufschluss über die typologische Zusammensetzung der Keramik für eine der längsten Siedlungsstratigraphien Griechenlands. Sie arbeitete dabei insbesondere die Charakteristika der lokalen makedonischen Keramikproduktion vom Mittelhelladikum bis zum Frühhellenismus heraus.

Seit 1986 ist Hänsel am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte tätig, wo sie seit 2001 das Amt der Hauptkustodin und stellvertretenden Direktorin bekleidet. Den Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit in Berlin bildete von Beginn an die europäische Bronzezeit. Zusätzlich zu diesem umfangreichen Fachreferat betreut sie dort seit 2000 die Sammlung trojanischer Altertümer Heinrich Schliemanns und kommissarisch seit 2005 das Fachreferat für die prähistorischen Kulturen des Mittelmeerraumes.[3]

Am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte erarbeitete Hänsel ab 1987 gemeinsam mit der Vorderasiatischen Archäologin Eva Strommenger das wissenschaftliche und didaktische Konzept für eine Dauerausstellung zu den ältesten Hochkulturen Europas und Vorderasiens, die zwischen 1989 und 2001 im Langhans-Bau des Schlosses Charlottenburg gezeigt wurde.[4] In die durch Soffitten verfremdete kulissenartige Ausstellungsarchitektur von Ralf Schüler brachten Hänsel und Strommenger eine Folge archäologischer Fundensembles und Informationswände ein, welche die wichtigsten Ergebnisse und den neusten Stand der archäologischen Forschung zur frühesten Menschheitsgeschichte einem breiten Publikum anschaulich und verständlich werden ließ.

1997 entwickelte Alix Hänsel in Zusammenarbeit mit Bernhard Hänsel die Ausstellung Gaben an die Götter, die erstmals nach der Wiedervereinigung Deutschlands die bedeutendsten bronzezeitlichen Schatzfunde aus den vormals vier großen prähistorischen Museumssammlungen Berlins unter einem Gesamtkonzept vereinigte.[5] Nach ihrer Präsentation im Japanischen Palais in Dresden wurde sie, inhaltlich erweitert, unter dem Titel Bronzezeit - Frühe Formen kultureller Kommunikation ab 1999 als Teil der ständigen Ausstellung im Langhans-Bau des Schlosses Charlottenburg gezeigt.[6]

In Kooperation mit dem Klassischen Archäologen Dieter Hertel leitet Hänsel seit 2000 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die die wissenschaftliche Aufarbeitung und vollständige Neuvorlage der archäologischen Funde Heinrich Schliemanns aus Troja zum Ziel hat.

An der wissenschaftlichen Konzeption der Dauerausstellung zu den prähistorischen Kulturen Europas und Kleinasiens im 2009 wiedereröffneten Neuen Museum in Berlin war Alix Hänsel ebenfalls maßgeblich beteiligt. Insbesondere die Ausstellungsbereiche Schliemanns Troja im Flachkuppelsaal, Der Goldhut im Sternensaal und Bronzezeit im Westlichen Kunstkammersaal tragen ihre wissenschaftliche und didaktische Handschrift.

Seit 2009 obliegt Hänsel die wissenschaftliche Leitung für den deutschen Beitrag zum Ausstellungsvorhaben Bronzezeit - Europa ohne Grenzen. Dieses bei den 12. deutsch-russischen Regierungskonsultationen 2010 in Jekaterinenburg beschlossene binationale Kulturprojekt soll von Museen in Moskau, Sankt Petersburg und Berlin bis 2013 realisiert werden und auch kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter, sogenannte Beutekunst, zum Gegenstand haben.[7] Die diesbezüglichen Depotbestände russischer Museen sichtet, dokumentiert und bewertet Alix Hänsel seit 2010 mit einer Arbeitsgruppe aus Archäologen und Archivaren im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Alix Hänsel veröffentlichte Fachbücher zu Themen der europäischen Bronzezeit und zur Schliemann-Sammlung sowie mehrere archäologische Kinderbücher. Sie nahm an verschiedenen archäologischen Ausgrabungen in Griechenland, Serbien und Deutschland teil. Als Redakteurin der archäologischen Fachzeitschrift Acta Praehistorica et Archaeologica und der Berliner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte prägt sie seit 1988 bzw. 1999 das wissenschaftliche Profil beider Publikationsreihen maßgeblich mit. Seit 1999 ist sie Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und gehört seit demselben Jahr dem Vorstand der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte an. Alix Hänsel ist mit dem emeritierten Professor für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin Bernhard Hänsel verheiratet.

Schriften (Auswahl)

  • Die Hügelgräberbronzezeit in Niederbayern. Kallmünz 1980, ISBN 3-7847-5041-9. (Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte, Bd. A 41)
  • Kastanas. Ausgrabungen in einem Siedlungshügel der Bronze- und Eisenzeit Makedoniens 1975-1979. Die handgemachte Keramik, Schichten 19 bis 1. Berlin 1984, ISBN 3-88435-105-2 und ISBN 3-88435-106-0.
  • Kastanas. Ausgrabungen in einem Siedlungshügel der Bronze- und Eisenzeit Makedoniens 1975-1979. Die Kleinfunde. Berlin 1986, ISBN 3-89166-023-5.
  • mit Bernhard Hänsel: Gaben an die Götter. Schätze der Bronzezeit Europas. Bestandskataloge des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Bd. 4. Berlin 1997, ISBN 3-88609-201-1.
  • Die Funde der Bronzezeit aus Bayern. Bestandskataloge des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Bd. 5. Berlin 1997, ISBN 3-88609-415-4.
  • Die Sammlung Trojanischer Altertümer Heinrich Schliemanns im Museum für Vor- und Frühgeschichte. Köln 2003, ISBN 3-8321-7374-9.
  • Heinrich Schliemanns Sammlung Trojanischer Altertümer. Berlin 2004, ISBN 3-88609-493-6.
  • Ranulf und die Varusschlacht. Ein historischer Roman aus der Römerzeit. Hamm 2004, ISBN 3-9807434-7-0.
  • Der Radreiter. Eine Geschichte aus der Keltenzeit. Hamm 2006, ISBN 3-9810469-1-9.
  • mit Dieter Hertel und Matthias Wemhoff (als Hrsg.): Heinrich Schliemanns Sammlung Trojanischer Altertümer. Neuvorlage, Bd. 1. Forschungsgeschichte, keramische Funde der Schichten VII bis X, Nadeln , Gewichte und durchlochte Tongeräte. Berlin 2008, ISBN 978-3-88609-626-8. (Berliner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, Neue Folge 14)
  • Schliemann und Troja. Regensburg 2009, ISBN 978-3-7954-2270-7.

Literatur

  • Jan Filip: Enzyklopädisches Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas. Bd. 3. Stuttgart 1998, ISBN 80-86124-07-X, S. 134-135.
  • Horst Junker, Horst Wieder: Zur personellen Ausstattung des Museums für Vor- und Frühgeschichte seit 1829. Personalverzeichnisse – Kurzbiografien – Stellenübersicht. In: Das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Festschrift zum 175-jährigen Bestehen. 2004/2005, ISBN 3-88609-907-X (formal falsche ISBN), S. 542-543. (Kurzbiografie Alix Hänsel) (Acta Praehistorica et Archaeologica. 36/37)

Einzelnachweise

  1. Irmtraud Schumacher: Die Erde dreht sich und wir drehen uns mit ihr. Pfarrer Dr. Dr. Helmut Hochstetter 1909–2009. Ein Portrait. Bergisch-Gladbach 2009.
  2. Deutsches Geschlechterbuch Band 146 (Schwäbisches Geschlechterbuch Band 8), C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1968, ISSN 1438-7972, S. 371 u. 380.
  3. Biografische Materialien zur Person von Alix Hänsel. Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Archivsignatur SMB-PK/MVF, H-5c, MVF 2004/57.
  4. Eva Strommenger: Museum für Vor- und Frühgeschichte. Wiedereröffnung des Museums im Langhansbau des Schlosses Charlottenburg. Museumsjournal Nr. 4, 1989, S. 64–65.
  5. Wolfgang Lehmann: Apolls Schwäne im märkischen Moor? Bronzezeit-Opfer in ganz Europa. Der Tagesspiegel, 18. März 1997.
  6. Kulturtransfer in der Bronzezeit. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Oktober 1999.
  7. Deutsch-russische Bronzezeit-Ausstellung besiegelt. Freie Presse, 15. Juli 2010.

Weblinks


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