Alpenheilglöckchen

Alpenheilglöckchen
Alpenheilglöckchen
Alpenheilglöckchen

Alpenheilglöckchen

Systematik
Ordnung: Heidekrautartige (Ericales)
Familie: Primelgewächse (Primulaceae)
Unterfamilie: Primuloideae
Gattung: Primeln (Primula)
Untergattung: Auganthus
Art: Alpenheilglöckchen
Wissenschaftlicher Name
Primula matthioli
(L.) V.A.Richt.

Das Alpenheilglöckchen (Primula matthioli), auch Heilglöckel genannt, ist eine Pflanzenart in der Gattung Primula innerhalb der Familie der Primelgewächse (Primulaceae). Es besiedelt die obermontane bis subalpine Höhenstufe. Der Gattungsname Primula entspricht der Verkleinerungsform des lateinischen prima, was die Erste bedeutet und auf die frühe Blütezeit vieler Arten verweist. Das Artepitheton ehrt den italienischen Arzt und Botaniker Pietro Andrea Mattioli (1501–1577). Der Trivialname „Heilglöckel“ nimmt auf die nach Honig duftenden Blätter Bezug, denen früher eine Heilwirkung bei Wunden und Nervosität zugeschrieben wurde.[1]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Erscheinungsbild

Das Alpenheilglöckchen wächst als ausdauernde, krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe von 20 bis 40 Zentimeter erreicht. Da die Erneuerungsknospen sich in unmittelbarer Nähe der Erdoberfläche befinden und neben der Grundrosette keine weiteren Stängelblätter vorhanden sind, wird das Alpenheilglöckchen hinsichtlich seiner Lebensform zu den Rosettenhemikryptophyten gezählt.[2][3] Als Speicherorgan dient ein Rhizom, das mit zahlreichen faserigen Wurzeln besetzt ist. Typisch für das Alpenheilglöckchen ist die mehrzellige, zottige und drüsige Behaarung an Stängel und Laubblättern.[4]

Blätter

Blatt- und Blütenansichtansicht des Alpen-Heilglöckchens

Die drei bis vier lang gestielten Laubblätter sind in einer grundständigen Rosette angeordnet. Die Länge des rostfarbenen und fein behaarten Blattstiels entspricht in etwa der zwei- bis dreifachen Laubblattlänge. Die Blattspreite wird etwa 3,5 bis 8 Zentimeter lang, die Breite schwankt zwischen 4 und 8 Zentimetern. Im Umriss zeigt sie eine annähernd rundliche Form, der Grund ist herzförmig gestaltet. Die Blattspreite ist radiär in 7 bis 13 unregelmäßig spitz gezähnte Lappenabschnitte wenig tief geteilt.[4][2] Am Blattrand und auf den unteren Blattnerven findet sich eine zottige und drüsige Behaarung.[5] Stängelblätter werden nicht ausgebildet.

Blütenstand und Blüte

An der Spitze des etwa 35 Zentimeter langen, fein behaarten Blütenstandsschaftes entwickelt sich ein vielblütiger doldiger Blütenstand. In ihm sind etwa 5 bis 12 (20) ungleich lang gestielte, nickende Blüten zusammengefasst.[6] Die drüsig behaarten, lanzettlichen Hüllblätter sind gewöhnlich an der Spitze gezähnt und kürzer als die Dolde.[7] Die Blütenstiele sind drüsig behaart.

Die radiärsymmetrische Einzelblüte ist fünfzählig und besitzt eine doppelte Blütenhülle. Das Längenverhältnis Kelch zu Krone entspricht in etwa 1:1,5 bis 1:2. Der grüne, oft auch violett getönte, bleibende Kelch wird etwa 4,5 bis 5 Millimeter lang und weist eine drüsige Behaarung auf. Er besitzt eine glockige Form und ist bis über die Hälfte in fünf lanzettliche, zugespitzte Kelchzähne geteilt. Die glocken- bis trichterförmige Krone ist hell- bis karminrot gefärbt. Sie wird etwa 8 bis 12 Millimeter lang und ist etwa bis zu ihrer Mitte geteilt. Ihre kurze, ausgebreitete Kronröhre geht über den offenen Schlund in fünf ganzrandige Kronzipfel über.[7] Die eirunden bis länglichen Kronzipfel sind abgerundet bis stumpf und an ihrer Spitze etwas zurückgebogen.[5] Die Innenseite der Kronröhre ist grünlich-gelb gefärbt. Auch der Saum besitzt auf seiner Innenseite bis fast an die Kronzipfel eine grünlich-gelbe Tönung.[5] Fünf Staubblätter sind am Ende der kurzen Kronröhre in gegenständiger Stellung zu den den Kronzipfeln inseriert.[5][7] Die sehr kurzen, grünen Staubfäden sind am Grund verdickt und ringförmig durch eine Membran miteinander verwachsen.[2] Sie tragen längliche, zugespitzte, bleichgelbe, bis zu 3,5 Millimeter lange Staubbeutel, diese sind auf dem Rücken und an der Spitze violett gefärbt.[5] Der kugelige, oberständige Fruchtknoten mit zentraler Plazenta geht in einen bis zu 1 Zentimeter langen, fädlichen, nach oben purpurroten Griffel über.[5] Dieser überragt die Krone. Die kopfige Narbe ist grün.[5] Die Blütezeit erstreckt sich von Mai bis August.

Frucht und Samen

Nach Bestäubung und Befruchtung entwickelt sich der Fruchtknoten zu einer eiförmigen Kapselfrucht. Diese öffnet sich bis zur Mitte mit fünf Klappen und enthält zahlreiche Samen.[7] Sie ist länger als der Kelch.

Ökologie

Blütenökologie

Blütenstand des Alpenheilglöckchens

Bei der zwittrigen Blüte des Alpenheilglöckchens reifen die weiblichen Geschlechtsorgane – Griffel und Narbe – vor den männlichen Fortpflanzungsorganen, den Staubbeuteln. Dieser Mechanismus, Proterogynie genannt, fördert Fremdbestäubung im Vergleich zur Selbstbestäubung. Eine mögliche zeitliche Überlappung des weiblichen und männlichen Blütenstadiums ist in der Diskussion und noch nicht geklärt.[3]

Die Blüten des Alpenheilglöckchens sind blütenbiologisch Glockenblumen mit klebrigem Pollen.[3] Sie werden von Insekten bestäubt. Als typische Bestäuber fungieren Bienen und Schwebfliegen. Als Belohnung wird Nektar teilweise verdeckt angeboten.[3]

Das Alpenheilglöckchen gilt als selbstinkompatibel.[3] Die Syngamie wird verhindert, indem die Pollenkeimung auf der Narbenoberseite blockiert wird, wenn ein Allel des Pollenkorns mit einem der bestäubten Pflanze übereinstimmt.[3]

Ausbreitungsökologie

Das Alpenheilglöckchen vermehrt sich durch Samen. Über sein Rhizom ist ihm auch die vegetative Vermehrung, eine Form der Autochorie im weiten Sinne, möglich.[3][8]

Verbreitung und Standort

Fockenstein, Neuhüttenalm, vom Hirschberg gesehen

Das Alpenheilglöckchen ist in Mitteleuropa in Österreich, Tschechien, Deutschland, Polen und der Schweiz beheimatet. In Osteuropa sind Bestände aus Weissrussland, dem europäischen Teil der Russischen Föderation und der Ukraine belegt. In Südosteuropa ist es in Bosnien und Herzegovina, Bulgarien, Kroatien, Italien, Rumänien, Serbien und Slowenien einheimisch. In Südwesteuropa ist es in Frankreich vertreten. In Deutschland kommt das Alpenheilglöckchen ausschließlich mit seltenen Beständen in Süd-Bayern vor und zwar im Allgäu und am Fockenstein.[9] In Österreich ist das Alpenheilglöckchen bis auf das Burgenland und Wien in allen Bundesländern zerstreut vertreten.[2] Es besiedelt die Alpen, die Karpaten, den Ural und die asiatischen Gebirge[10] bis Ostasien.[11]

Als Standorte bevorzugt das Alpenheilglöckchen feuchte Grünerlengebüsche, nährstoffreiche, subalpine Hochstaudenfluren, schattige Schluchten und Quellfluren auf eher kalkreichen Böden der obermontanen bis subalpinen Höhenstufe.[2]

Systematik

Neue molekularphylogenetische Untersuchungen ergaben, dass die Gattung Cortusa keine eigenständige Einheit bildet, sondern în die Untergattung Auganthus der Gattung Primula gestellt werden muss.[12] Das Alpen-Heilglöckchen trägt dann den wissenschaftlichen Namen Primula matthioli (L.) V.A.Richt.

Das Basionym Cortusa matthioli wurde 1753 von Carl von Linné erstveröffentlicht.[13] Die Kombination Primula matthioli ist ebenfalls älteren Datums und wurde 1894 von Vincenz Aladár Richter aufgestellt.[14]

Das Alpenheilglöckchen gliedert sich in seinem weiten, auf die Hochgebirge beschränkten Areal in mehrere Unterarten. In The Plant List[15] werden unter Cortusa folgende Unterarten gelistet:

  • Cortusa matthioli subsp. altaica (Losinsk.) Korobkov
  • Cortusa matthioli subsp. matthioli
  • Cortusa matthioli subsp. pekinensis (V.A.Richt.) Kitag.[11][14]
  • Cortusa matthioli subsp. sibirica (Andrz. ex Besser) Nyár.
  • Cortusa matthioli subsp. turkestanica (Losinsk.) Iranshahr & Wendelbo

Des Weiteren werden in Tropicos[16] folgende zusätzliche Unterarten aufgeführt:

  • Cortusa matthioli subsp. hazarica Y.J. Nasir
  • Cortusa matthioli subsp. iranica Iranshahr & Wendelbo

Nutzung

Das Alpenheilglöckchen wird gerne als Zierpflanze im schattigen Steingarten oder als Unterpflanzung von Bäumen verwendet.[17]

Quellen

  • Stefan Eggenberg, Adrian Möhl: Flora Vegetativa: Ein Bestimmungsbuch für Pflanzen der Schweiz im blütenlosen Zustand, Haupt, Bern, Stuttgart, Wien, 2007, ISBN 978-3-258-07472-6
  • Wolfgang Adler, Karl Oswald; Manfred A. Fischer (Hrsg.): Exkursionsflora von Österreich. Ulmer, Stuttgart und Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6. 
  • Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen. Mosaik, München 1985, ISBN 3-570-01349-9. 

Einzelreferenzen

  1. Manuel Werner: Welche Alpenblume ist das?, Franckh-Kosmos, Stuttgart, 2011, ISBN 978-3-440-12576-2, Seite 14
  2. a b c d e Wolfgang Adler, Karl Oswald; Manfred A. Fischer (Hrsg.): Exkursionsflora von Österreich. Ulmer, Stuttgart und Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6, S. 256–257. 
  3. a b c d e f g Steckbrief – funktionelle Merkmale der Art bei Biolflor
  4. a b Stefan Eggenberg, Adrian Moehl: Flora Vegetativa. S. 394
  5. a b c d e f g Johann Christoph Röhling, Franz Carl Mertens, Wilhelm Daniel Joseph Koch: Deutschlands Flora. Zweiter Band, Wilmans, Frankfurt am Main, 1826, Seite 119–121 (online).
  6. Steckbrief zur Art bei FloraWeb
  7. a b c d Hippolyte Coste: Flore descriptive et illustrée de la France, de la Corse et des Contrées limitrophes. Vol. 2, Librairie des Sciences et des Arts, Paris, 1903 (Nachdruck 1937). S. 531 (online bei Tela Botanica) (französ.)
  8. Werner Rothmaler (Begr.), Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 2. Gefäßpflanzen: Grundband. 18., bearb. Aufl., Spektrum, Heidelberg u. a., 2002, ISBN 3-8274-1359-1, Seite 36
  9. Werner Rothmaler (Begr.), Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 2. Gefäßpflanzen: Grundband. 18., bearb. Aufl., Spektrum, Heidelberg u. a., 2002, ISBN 3-8274-1359-1, Seite 258
  10. Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen. Mosaik, München 1985, ISBN 3-570-01349-9, S. 184. 
  11. a b Qiming Hu, Sylvia Kelso: Cortusa. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven (Hrsg.): Flora of China Volume 15: Myrsinaceae through Loganiaceae. Science Press u.a., Beijing u.a. 1996, ISBN 0-915279-37-1, S. 79–80.  (online).
  12. Hai-Fei Yan, Chong-Hua He, Ching-I Peng, Chi-Ming Hu & Gang Hao: Circumscription of Primula subgenus Auganthus (Primulaceae) based on chloroplast DNA sequences, In: Journal of Systematics and Evolution, Band 48, Nummer 2, 2010, S. 123–132. DOI:10.1111/j.1759-6831.2010.00068.x
  13. Carl von Linné: Species Plantarum 1, 1753, S. 144 (online).
  14. a b (Vincenz) Aladár Richter: A Párisi És Kew-i Herbarium Cortusáiról, Valamint A Cortusa Pékinensis. A. Richt. pro var. In: Természetrajzi Füzetek kiadja a Magyar nemzeti Muzeum Band 17, 1894, S. 130–136, (Umkombination auf S. 134).
  15. The Plant List. A working list for all plant species, abgerufen am 31. Mai 2011
  16. Tropicos
  17. Das Alpenheilglöckchen im Garten

Weblinks

 Commons: Alpenheilglöckchen – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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