Alter Bahnhof Landshut

Alter Bahnhof Landshut

Im Jahr 1857 wurde der erste Bahnhof, der Alte Bahnhof, in Landshut als Teil der Strecke München–Regensburg errichtet und 1858 eingeweiht. Der Betrieb endete 1880. Von seiner Existenz zeugt heute der seit 1973 denkmalgeschützte Kopfbau des ehemaligen Empfangsgebäudes.

Alter Bahnhof Landshut, Kopfbau des Empfangsgebäudes von Südwesten (Straßenzugang), 2011
Alter Bahnhof Landshut, Kopfbau des Empfangsgebäudes von Südosten (Gleise, Drehscheibe), 2011

Inhaltsverzeichnis

Bau und Inbetriebnahme

Im Jahr 1854 begannen die Vermessungsarbeiten auf dem zukünftigen Bahnhofsgelände, welches sich direkt vor den Toren der damaligen Stadt am nördlichen Ufer der Kleinen Isar befand. Dieses Gelände war durch Hochwasser gefährdet, so dass ab 1856 Entwässerungsgräben angelegt, Erdreich aufgeschüttet und planiert sowie die Pfettrach unterführt wurde. 1857 wurden die Backstein-Gebäude errichtet, unter Leitung von Maurermeister Simon Pausinger (Empfangsgebäude) und Baumeister Johann Baptist Bernlochner (Lokomotiv-Remise). Im April 1858 errichtete man abschließend die Fachwerk-Einsteighalle. Das gesamte Gelände war von einem Zaun umgeben. Auf der Baustelle arbeiteten bis zu 700 Menschen.

Der erste Zug fuhr am 6. September 1858 in den Bahnhof ein, ein Güterzug mit 20 Güterwagen voll Baumaterial und einem Personenwagen in der Mitte. Darin befand sich Paul Camille von Denis, der Direktor der Königlich-privilegirten Actiengesellschaft der Bayerischen Ostbahnen. Dieses Privatunternehmen war für Bau und Betrieb der Strecke verantwortlich.

Der fahrplanmäßige Bahnbetrieb startete – mutmaßlich wegen fehlender Personenwagen verspätet – am 3. November 1858, jedoch ohne Eröffnungsfeierlichkeit. Diese sollte nach Fertigstellung der Strecke zwischen Landshut und Regensburg stattfinden, ist aber nicht überliefert.

Bahnhof und Bahnbetrieb

Die Ausdehnung des Bahngeländes betrug ca. 450 m mal 150 m in ungefährer Nord-Süd-Ausrichtung, knapp sieben Hektar. Das Bahngelände lag in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster Seligenthal. Das Ein- und Ausfahrtstor befand sich auf der Nordseite des Geländes. Der Bahnhof gliederte sich in Personenbahnhof, Güterbahnhof und vollständiges Betriebswerk.

Modell des Alten Bahnhofs im Maßstab 1:87 - Ansicht von Südwesten
Modell des Alten Bahnhofs im Maßstab 1:87 - Ansicht von Südosten
Modell des Alten Bahnhofs im Maßstab 1:87 - Ansicht von Nordwesten
Lageplan von 1847 mit dem zukünftigen Bahngelände.
Maßstäblicher Plan des Bahngeländes, Stand ca. 1857. Gleise, Gebäude, Beschriftungen.

Personenbahnhof

Der Personenbahnhof umfasste das Empfangsgebäude, die Einsteighalle und den Abtritt sowie drei Gleise mit zwei Bahnsteigen und eine Drehscheibe. Im Kopfbau des aus Backstein errichteten, von Süd nach Nord ausgerichteten, Empfangsgebäudes befanden sich die Wohnung und das Büro des Verwalters sowie das Telegrafen-Büro. Im langgestreckten Anbau waren untergebracht: Kasse, Gepäck-Büro, Post-Büro, ein Raum für Bedienstete, Wartesaal 1. und 2. Klasse, Restaurant, Wartesaal 3. Klasse und Wartesaal Seiner Majestät des Königs. Tatsächlich besuchten zwei bayerische Könige die Stadt Landshut via Bahn: 1860 König a. D. Ludwig I. und 1869 König Ludwig II.

Der Anbau wurde auf der Westseite, quasi auf der Straßenseite, von einer Holz-Veranda ergänzt. Auf dieser Seite befand sich in einigem Abstand auch der separate Abtritt. Auf der Ostseite, der Schienenseite, schloss sich die Einsteighalle an, eine offene hohe Fachwerkkonstruktion. Sie überspannte drei Gleise. Das dem Empfangsgebäude zugewandte sowie das abgewandte Gleis besaßen einen Bahnsteig für Personen, Gepäck und Post. Das mittlere Gleis war Rangierfahrten vorbehalten.

Güterbahnhof

Bestandteile des Güterbahnhofs waren: Güterschuppen, Ladekräne, Wagendrehscheibe, Brückenwaage, Abtritt. Der Güterschuppen hatte sowohl auf der Gleisseite als auch auf der abgewandten Seite je eine Laderampe. Es schlossen sich drei Gleise an, die von einer Brücke mit drei Ladekränen überspannt wurden. Auf der anderen Seite der Gleise war als Zugang zu den Kränen eine breite Rampe aufgeschüttet. Am Ende der Gleise befand sich die handbetätigte Wagendrehscheibe. Diese führte zu der Brückenwaage und zu der Lokomotivdrehscheibe des Personenbahnhofs.

Bahnbetriebswerk

Zum Betriebswerk gehörten nachweislich eine Lokomotiv-Remise, eine Wagenremise mit handbetriebener Schiebebühne sowie eine Bekohlung, ein Fachwerk-Wasserturm und ein Abtritt. Es ist davon auszugehen, dass auch Wasserkräne sowie Schlackengruben existierten. Im Gebäude der Lokomotiv-Remise befanden sich fünf Stellplätze, eine Werkstätte, Büro, Magazin, (Lok-)Führerzimmer und eine Dampfpumpe. Diese diente vermutlich dem Befüllen des Wasserbehälters. Somit waren die vollständige Versorgung und Wartung sowie Übernachten der Lokomotiven möglich. Die Wagenremise beherbergte sechs Stellplätze mit Platz für 12 Wagen.

Fahrplan 1860

Nach Eröffnung der Strecke Obertraubling–Geiselhöring–Straubing–Passau.

Abfahrt Ziel
05:21 Regensburg/Passau Güterzug
05:36 München Güterzug
08:42 München Personenzug
09:30 Regensburg/Passau Personenzug
14:41 Regensburg Güterzug
15:28 München Personenzug
17:25 München Güterzug
18:22 Regensburg Personenzug
Ankunft Herkunft
08:32 Regensburg Personenzug
09:20 München Personenzug
12:43 Regensburg/Passau Güterzung
14:10 München Güterzug
15:18 Regensburg/Passau Personenzug
18:12 München Personenzug
21:09 München Güterzug
21:38 Regensburg/Passau Güterzug

Arbeitsweise des Kopfbahnhofs

Aufgrund seiner Lage wurde der Alte Bahnhof als Kopfbahnhof ausgeführt. Die Lokomotiven, welche die Personenzüge in die Einsteighalle gezogen hatten, wurden auf der im Süden anschließenden Drehscheibe von Hand gewendet und fuhren auf dem mittleren Gleis durch die Halle hindurch bis hinter die Weichen. Schließlich setzten sie zurück an den Zug, um ihn dann vorwärts weiter ziehen zu können. Möglich ist jedoch auch, dass die Lokomotive gewechselt wurde, denn der Fahrplan sah für diesen Vorgang nur zehn Minuten vor.

Auf die gleiche Art und Weise wurden auch die Güterzug-Lokomotiven gewendet.

Bedeutung für Stadt und Umland

Der Anschluss an das Eisenbahnnetz hatte vielfältige Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und das gesellschaftliche Leben. Mit der Eisenbahn konnten nun Industriegüter transportiert werden, sowohl Stück- als auch Schüttgüter, die mit Pferdekarren schwer oder gar nicht zu bewältigen waren. Neben Kohle, Stahl, Gusseisen, Holz und anderen Baumaterialien wurde Vieh und Bier transportiert, wie Abbildungen früher Güterwagen zeigen. Neu war auch der Post-Transport per Eisenbahn, und die Telegrafenleitung entlang der Bahnstrecke ermöglichte die schnelle Nachrichtenübermittlung. Aber auch als Truppentransporter wurde die Bahn bereits 1859 eingesetzt, während des Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieges.

Für Vereine, Gesellschaften und das Bürgertum erschlossen sich derweil neue Ausflugsmöglichkeiten, wobei auch das Bahnhofsrestaurant ein beliebtes Ziel war.

Betriebsende

Schon in den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zeichnete sich ab, dass der Landshuter Kopfbahnhof dem stetig zunehmenden Schienenverkehr nicht dauerhaft gewachsen war. Hinzu kam das erwartete Verkehrsaufkommen durch zusätzlich geplante Strecken nach Landau a. d. Isar sowie nach Neumarkt-St. Veit und deren Verlängerungen. Daher wurde in den Jahren 1876 bis 1880 ein erheblich größerer Durchgangsbahnhof mit großem Ringlokschuppen am heutigen Standort errichtet, buchstäblich auf der grünen Wiese. Die Baustelle des Neuen Bahnhofs wurde zunächst zwecks Materialtransport mit Schienen an den Alten Bahnhof angeschlossen. Der erste fahrplanmäßige Zug fuhr im neuen Bahnhof am 11. Mai 1880 ein. Im Anschluss wurde der Alte Bahnhof zurückgebaut. Heute zeugt nur noch das Empfangsgebäude von seiner Existenz. Es beherbergt seit 1881 das Königlich-bayerische Straßen- und Flußbauamt, heute Staatliches Bauamt Landshut. Während der Lokschuppen und das Bahngelände mindestens bis 1895 nachzuweisen sind, findet sich vom Trassenverlauf heute keine Spuren mehr.

Literatur

  • Herzog, Theo: Landshut im IX. Jahrhundert, Residenzverlag, Landshut 2. Auflage 1994

Sonstige Quellen

Weblinks

Modell des Alten Bahnhofs im Maßstab 1:87 (H0) - Darstellung von Modell und Vorbild, Thorsten Hambusch, Landshut

48.54282712.15148

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