Ameneh Bahrami

Ameneh Bahrami

Ameneh Bahrami (auch: Ameneh Bahraminava, persisch ‏آمنه بهرامی نوا‎; * 1978 in Teheran, Iran[1]) ist eine iranische Frau und Opfer eines Säureattentats, durch das sie entstellt wurde und das zu ihrer vollständigen Erblindung führte. International bekannt wurde sie durch ihr Beharren darauf, den Täter zu blenden. Im Juli 2011 verzichtete sie auf die Blendung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ameneh Bahrami ist gelernte Elektrotechnikerin und arbeitete für ein Unternehmen der Medizintechnik-Branche.[2] Zugleich studierte sie an der Universität Teheran. 2003 wies sie den Heiratsantrag eines vier Jahre jüngeren, damals 19-jährigen Kommilitonen zurück. Dieser begann daraufhin, sie zu stalken, und schüttete ihr 2004 Schwefelsäure ins Gesicht.[2] Die Verätzungen zerstörten ein Auge sofort, das andere nach und nach,[3] sodass sie schließlich erblindete. Auch im übrigen Gesicht wurde sie entstellt. Außerdem kam es zu inneren Verletzungen. „Weil sich die Ärzte im Krankenhaus nicht trauten, nach dem Anschlag ihr Kopftuch abzunehmen, blieben die Verletzungen oberhalb der Stirn lange unentdeckt. Die Säure konnte sich immer tiefer in ihre Haut einbrennen.“[4] Bahrami unterzog sich in Spanien siebzehn Operationen; die iranische Regierung unterstützte sie dabei finanziell.[5]

Der Täter, Madschid Mowahedi, wurde angeklagt und zu 12 Jahren Haft sowie einer Ausgleichszahlung in Höhe von 130.000 Euro verurteilt, 130.000 Euro deswegen, weil einem Mann 260.000 Euro zugestanden hätten, eine Frau nach islamisch-iranischem Recht aber nur die Hälfte eines Mannes wert sei.[6] Er zeigte keine Reue.[7]

Bahrami bestand darauf, ihm ebenfalls durch Säure das Augenlicht zu nehmen. Da das iranische Recht von der Scharia geprägt ist, gibt ihr das Prinzip der Wiedervergeltung (Qisas) das Recht dazu, obwohl ein solcher Akt von vielen Iranern als barbarisch betrachtet wird.[2] Der Richter betonte:

„Nach iranischem Recht und laut dem Heiligen Buch des Koran ist eine Frau halb so viel wert wie ein Mann. Folglich zählen zwei Augen einer Frau so viel wie ein Auge eines Mannes. Und so erhält Frau Bahrami das Recht, ein Auge des Täters zu blenden. Um auch sein zweites Auge blenden zu können, würde die Zahlung von zwanzig Millionen Toman fällig.“[7][8][3][4][9][10][11]

Auf Intervention Bahramis wurde ihr schließlich erlaubt, auch das zweite Auge des Täters mit Säure zu zerstören. „Ihre Gesichts- und Handverletzungen wurden gegen sein zweites Auge aufgerechnet.“[4] Sein übriges Gesicht soll dabei unversehrt bleiben.[12] Bahrami geht es nach eigenen Angaben nicht um Rache, sondern um Prävention: Anderen Frauen solle dieses Schicksal in Zukunft erspart bleiben.[12] Die Blendung des Täters sollte am 14. Mai 2011 stattfinden. Bahrami, da ja selber erblindet, hätte ihm mit einer Pipette durch ihren jüngsten Bruder Säure in die Augen träufeln sollen, während der Mann dabei betäubt sein sollte.[13] Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International missbilligte die Vergeltung Bahramis und forderte die iranischen Behörden dazu auf, die „inhumane und grausame“ Bestrafung des Mannes zu unterbinden.[14] Ohne Angabe von Gründen verschob die iranische Justiz vorerst die geplante Blendung.[15] Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani habe an alle Beteiligten ein Fax geschickt, dass die Vollstreckung ausgesetzt wird.[16]

Im Juli 2011 verzichtete Bahrami kurz vor der Vollstreckung, als ihr jüngster Bruder im Operationssaal schon die die Säurepipette in die Hand genommen hatte, ganz auf die Blendung. Bahrami teilte mit, sie habe dem Täter verziehen, die Sache aber bis auf die Spitze getrieben, damit die Warnung an alle Männer deutlich werde, die Ähnliches mit Frauen vorhätten, wie es ihr passiert sei.

„Ich habe dies aus diversen Gründen getan: wegen Gott, für mein Land und für mich selbst.“ Außerdem habe ihre Familie diese Rache nicht gewollt.
„Ich habe sieben Jahre dafür gekämpft, dass diese Auge-um-Auge-Bestrafung ausgeführt wird, aber ich fühle mich jetzt befreit, dass es nicht geschehen ist.“

Sie verlangt vom Täter eine finanzielle Entschädigung mit Blutgeld.[17] Gegen die ihr gebotenen nur 130.000 € will sie vor Gericht vorgehen und die volle Höhe, die einem Mann zustände, erstreiten, weil im Koran stehe: die Frau sei die andere Hälfte des Mannes, weswegen eine Frau vor dem Gesetz einem Mann gleichgestellt sein müsste.

Werk

  • Auge um Auge. Ein Verehrer schüttete mir Säure ins Gesicht. Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand, mvg Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86882-155-0 (mit Michael Gösele, Jutta Himmelreich)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ameneh Bahrami – biografische Angaben beim Verlag Droemer Knaur
  2. a b c Thomas Erdbrink: Woman Blinded by Spurned Man Invokes Islamic Retribution, The Washington Post, 14. Dezember 2008 (englisch)
  3. a b Camilla Koziol: Säure-Attacke: Übt Ameneh Bahrami bald Rache?, Frauenzimmer/Leben & Genuss, November 2010
  4. a b c Eva Sudholt: Eine gequälte Frau kämpft für ihre Rache, Welt Online, 5. Oktober 2010
  5. Robert Tait: Eye for an eye: Iranian man sentenced to be blinded for acid attack, The Guardian, 28. November 2008 (englisch)
  6. Dieter Bednarz: Rache eines Säureopfers. "Ich soll verzeihen, aber ich will nicht" (Interview mit Bahrami), Spiegel Online, 13. Mai 2011
  7. a b Ich werde ihm das Augenlicht nehmen, Bild.de, 7. Oktober 2010
  8. Bin ich denn kein Mensch? in: Spiegel Online vom 4. Oktober 2010
  9. Jana Neugebauer: Säureopfer darf Täter verätzen, BZ, 6. März 2009
  10. Auge um Auge in: sueddeutsche.de vom 6. März 2009
  11. Eine gequälte Frau kämpft für ihre Rache in: Welt Online vom 5. Oktober 2010
  12. a b Leo Wieland: Auge um Auge, F.A.Z., 5. März 2009
  13. Auge um Auge: Iranerin will Peiniger blenden, ZDF heute.de, 13. Mai 2011
  14. Racheakt: Amnesty International missbilligt Vergeltung durch Bahrami bei abendblatt.de, 13 Mai 2011 (aufgerufen am 14. Mai 2011).
  15. vgl. Iran stoppt geplante Blendung vorerst bei heute.de, 14. Mai 2011 (aufgerufen am 14. Mai 2011).
  16. focus.de vom 14. Mai 2011 Iranerin wütend über verschobene Vergeltungsaktion
  17. Säureopfer verzichtet auf Racheakt in: Spiegel Online vom 31. Juli 2011

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