Ammonios (Lehrer Plutarchs)

Ammonios (Lehrer Plutarchs)

Ammonios (griechisch  Ἀμμώνιος, lateinisch Marcus Annius Ammonius; * um 5 n. Chr.; † um 85 n. Chr. in Athen) war ein antiker Philosoph. Er war Platoniker und lebte in der Epoche des Mittelplatonismus. Bekannt ist er durch die Rolle, die er in Werken seines berühmten Schülers Plutarch spielt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ammonios stammte aus Ägypten.[1] Möglicherweise erhielt er schon dort, in Alexandria, seine Ausbildung in platonischer Philosophie.[2] Er übersiedelte nach Athen, wo er als Philosophielehrer tätig war, aber nicht – wie man früher glaubte – als Leiter (Scholarch) der Platonischen Akademie. Seit dem Untergang der „Jüngeren Akademie“ und der von Antiochos von Askalon begründeten „Alten Akademie“ im 1. Jahrhundert v. Chr. gab es in Athen keine Akademie als Institution mehr, sondern nur noch einzelne Platoniker, die ihren Schülern Unterricht erteilten. Allerdings wurde der Begriff „Akademie“ weiterhin gegenwartsbezogen verwendet, wenn vom Studium platonischer Lehren die Rede war.[3]

Wohl im Jahr 67, während Kaiser Neros Aufenthalt in Griechenland, lernte Ammonios den römischen Senator Marcus Annius Afrinus kennen, der in diesem Jahr Suffektkonsul war. Afrinus, ein Wohltäter Athens, verschaffte ihm das römische Bürgerrecht. Daher nahm Ammonios den Vornamen und Familiennamen seines Gönners an.

Als Athener erfreute sich Ammonios bei seinen Mitbürgern hohen Ansehens; dreimal übte er das Amt des Strategen der Hopliten aus, eines der bedeutendsten Ämter der Stadt.[4]

Ammonios war verheiratet und hatte einen Sohn Thrasyllos und möglicherweise einen weiteren Sohn Ammonios. Thrasyllos erlangte schon zu Lebzeiten seines Vaters das sehr angesehene Amt eines Herolds des Areopags.[5]

Die Hypothese, dass Plutarchs Lehrer Ammonios mit dem Schriftsteller Ammonios von Lamptrai zu identifizieren sei, wird in der neueren Forschung nicht mehr vertreten.

Lehrtätigkeit

Von Werken des Ammonios ist nichts bekannt. Alle überlieferten Angaben zu seiner Lehrtätigkeit, die sich offenbar ausschließlich in Athen abspielte, stammen von seinem Schüler Plutarch, der ihn sehr verehrte. Plutarch erwähnt ihn öfters in seinen Schriften. Er lässt ihn in einigen seiner Dialoge („Über das E in Delphi“, „Über die erloschenen Orakel“, mehrere „Tischgespräche“[6]) als Gesprächsteilnehmer auftreten. In „Über das E in Delphi“ ist Ammonios die Hauptperson des Dialogs, in „Über die erloschenen Orakel“ spielt er eine geringere Rolle. In den „Tischgesprächen“ überträgt ihm Plutarch die Darlegung von Auffassungen, die er selbst teilt. Außerdem verfasste Plutarch auch eine Schrift „Ammonios oder Über die Unverträglichkeit von Freude mit Schlechtigkeit“, die nicht erhalten geblieben ist. Offenbar handelte es sich um einen Dialog, in dem Ammonios eine zentrale Rolle spielte.

Aus Plutarchs Angaben ist ersichtlich, dass sein Lehrer von pythagoreischem Gedankengut beeinflusst war. Plutarch wurde von Ammonios in die Mathematik, für die er sich als Jüngling begeisterte, und in die religiöse Dimension des Platonismus eingeführt.

Besonders aufschlussreich ist Plutarchs Dialog „Über das E in Delphi“. Dort vertritt Ammonios neupythagoreische Lehren, darunter die Gleichsetzung des „Einen“, der höchsten Gottheit, mit Apollon, wobei der Name des Gottes in diesem Sinne etymologisch gedeutet wird; Apollon ist der oder das „Nichtviele“ (von a „nicht“, dem alpha privativum, und pollá „vieles“).[7] Ammonios scheidet scharf zwischen der Welt des Werdens und Vergehens und der keiner Veränderung unterworfenen Welt des Unvergänglichen, Zeitlosen, die nach seiner Überzeugung der menschlichen Vernunft unzugänglich ist. Apollon ist „rein“, das heißt einheitlich, nicht zusammengesetzt. In gewisser Weise ist er in der Welt der vergänglichen Dinge anwesend und bewirkt dadurch deren Zusammenhalt, da sie von sich aus zur Selbstauflösung neigt. Die unablässigen Wandlungen der irdischen Verhältnisse fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit der höchsten Gottheit, sondern in die eines untergeordneten Gottes oder Dämons, eines Demiurgen, der Pluton genannt wird. Pluton, in der griechischen Mythologie der Herrscher der Unterwelt, erscheint in Ammonios’ und Plutarchs Weltbild als Herr der Erde und der Naturvorgänge. Im Gegensatz zu Apollon, dem „Nichtvielen“, ist ihm die Vielfalt zugeordnet (sein Name bedeutet „der Reiche“), und Plutarch lässt Ammonios darauf hinweisen, dass Pluton „finster“ und – wie ein Vers aus Homers Ilias besagt – von allen Göttern den Sterblichen am meisten verhasst sei. Demnach sind die Menschen einer ihnen feindlichen Macht unterstellt.[8]

Literatur

  • Bernadette Puech: Ammonios (M. Annius). In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 1, Éditions du CNRS, Paris 1989, ISBN 2-222-04042-6, S. 164–165
  • John Dillon: The Middle Platonists. Duckworth, London 1977, ISBN 0-7156-1091-0, S. 189–192
  • Pier Luigi Donini: Plutarco, Ammonio e l’Academia. In: Frederick E. Brenk und Italo Gallo: Miscellanea Plutarchea. Ferrara 1986, S. 97–110
  • Christopher P. Jones: The Teacher of Plutarch. In: Harvard Studies in Classical Philology Bd. 71, 1967, S. 205–213
  • John Whittaker: Ammonius on the Delphic E. In: The Classical Quarterly, New Series Bd. 19, 1969, S. 185–192

Anmerkungen

  1. Eunapios, Vitae sophistarum 2,1,3.
  2. Dillon (1977) S. 184, 190; Glucker (1978) S. 133.
  3. Donini (1986) S. 99ff.
  4. Plutarch, „Tischgespräche“ 8,3,1.
  5. Zu den Familienverhältnissen siehe Jones (1967) S. 207f., 210 (genealogische Tafel), 211 und John S. Traill: Greek Inscriptions from the Athenian Agora. In: Hesperia 47, 1978, S. 269–331, hier: 300f.
  6. Plutarch, „Tischgespräche“ 3,1; 3,2; 8,3; 9,1; 9,2; 9,5; 9,14; 9,15.
  7. Siehe zu dieser Etymologie Whittaker (1969) S. 187.
  8. Plutarch, „Über das E in Delphi“, Moralia 392a–394c; siehe dazu Dillon (1977) S. 191.

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