Rudolf Aschenauer

Rudolf Aschenauer
Rudolf Aschenauer (rechts) im Einsatzgruppen-Prozess (1947/48)

Rudolf Aschenauer (* 1913; † 28. Januar 1983 in Nürnberg[1]) war ein deutscher Jurist. Er erlangte als Strafverteidiger in Kriegsverbrecherprozessen und NS-Prozessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs Bekanntheit. Aschenauer vertrat hunderte von angeklagten Kriegsverbrechern, darunter Otto Ohlendorf im Einsatzgruppen-Prozess, Walther Funk während dessen Haft in Spandau und Wilhelm Boger im Auschwitzprozess. Aschenauer war als Publizist, Organisator und Vorsitzender der „Stillen Hilfe“ für viele Jahre im rechtsextremen Spektrum aktiv.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rudolf Aschenauer war vor dem Zweiten Weltkrieg ein „junger und ehrgeiziger Anwalt“ in München, der als strenggläubiger Katholik galt. Er war außerdem Mitglied der NSDAP.[3] Aschenauer arbeitete von 1939 bis 1945 für das Propagandaamt München, dem er als „zuverlässiger, einsatzbereiter und verwendungsfähiger Nationalsozialist“ galt, der „jederzeit rückhaltlos für Bewegung und Staat eintritt“. Dennoch wurde er problemlos entnazifiziert.[4] Der Nürnberger Rechtsanwalt wurde im Herbst 1945 als einer der ersten Verteidiger zu den Nürnberger Prozessen zugelassen.[1] 1946 trat er als Verteidiger im Malmedy-Prozess auf. 1947/48 war Aschenauer Verteidiger von Otto Ohlendorf im Einsatzgruppen-Prozess,[5] des bekanntesten Angeklagten aus dem Prozess. Bis zur Hinrichtung von Ohlendorf 1951 versuchte Aschenauer eine Revision des Urteils oder eine Begnadigung zu erreichen.

Zwischen 1948 und 1953 setzte sich Aschenauer als einer von mehreren Anwälten für den 1946 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilten Walther Funk ein. Dazu hatte ihn Funks Ehefrau Louise beauftragt, ein Mandat von Funk selbst besaß Aschenauer nicht, da entsprechende Briefe von Funk an Aschenauers Kanzlei von der sowjetischen Direktion des Kriegsverbrechergefängnisses Spandau zurückgehalten wurden.[6]

1949 kontaktierte Aschenauer (vermutlich mit der Hilfe von Deutsch-Amerikanern aus Wisconsin) den damals in den USA auf nationaler Ebene noch weithin unbekannten Senator Joseph McCarthy, und behauptete, dass die Verurteilung im Malmedy-Prozess nur mit Hilfe von durch Folter erpressten Geständnissen zustande gekommen war. McCarthy brachte diese Anschuldigungen in einer Anhörung des US-Senats im Mai 1949 vor. Aschenauer wiederum benutzte diese Anhörung als Beleg für Veröffentlichungen in der deutschen Presse, welche die Rechtmäßigkeit aller Urteile gegen Kriegsverbrecher in Frage stellte.[7]

Aschenauer promovierte 1949 in Jura an der Universität Erlangen mit einer Dissertation zum Thema der Rechtsprechung der amerikanischen Militärgerichtshöfe in Nürnberg.[8]

Auf die Initiative von Aschenauer wurde 1949 das „Komitee für kirchliche Gefangenenhilfe“ gegründet. Die Gründungsversammlung fand am 26. November 1949 im Erzbischöflichen Ordinariat in München statt. An der Versammlung nahmen neben Aschenauer der Weihbischof Neuhäusler, Domkapitular Thalhammer und weitere hohe Kirchenfunktionäre teil. Die Büroleitung übernahm der ehemalige RSHA-Mitarbeiter Heinrich Malz.[9] Aschenauer war Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft“, München, die ebenfalls Pressearbeit und Unterstützung für angeklagte und verurteilte Kriegsverbrecher betrieb. Von 1950 bis 1953 veröffentlichte er die Zeitschrift Die Andere Seite,[10] deren Herausgeber die Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft war.[11] Weiter nahm Aschenauer ab 1949 an den vierteljährlichen Tagungen des Heidelberger Juristenkreises teil, der die Revision der Urteile aus den alliierten Kriegsverbrecher- und NS-Prozessen koordinierte.[12] 1951 war Aschenauer Mitglied des Gründungsvorstandes des Vereins „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“, einem weiteren Verein mit diesem Ziel. Aschenauer trat als Anwalt und als Vertrauensmann der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) auf.

1958 verteidigte Aschenauer den Hauptangeklagten Werner Hersmann beim Ulmer Einsatzgruppen-Prozess.[13] 1960 war er Verteidiger von Max Simon, der im sogenannten Ansbacher Prozess wegen der Morde an Brettheimer Bürgern, die kurz vor Kriegsende die HJ entwaffnet hatten, angeklagt war.[14] Aschenauer erreichte in erster Instanz einen Freispruch, da die Kriegsgerichtsurteile formal korrekt gewesen seien, dieses Urteil wurde später vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

1964 war Aschenauer Verteidiger von Karl Wolff vor dem Landgericht München II, welcher der Beihilfe an der Ermordung von 300.000 Juden angeklagt war.[15] 1965 verteidigte er den Hauptangeklagten Wilhelm Boger im Auschwitzprozess. Aschenauer trat 1968 zusammen mit dem Anwalt Sauer als Verteidiger von Wilhelm Rosenbaum auf, der wegen gemeinschaftlichen Mordes an jüdischen Frauen, Kindern und Männern in 169 Fällen in der SD-Schule in Bad Rabka angeklagt war.[16]

1977 war Aschenauer Vorsitzender der „rechtslastige[n]“ Gesellschaft für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und veröffentlichte in der rechtsextremistischen Zeitschrift „Nation und Europa“.[17] Aschenauers veröffentlichte Bücher erschienen entweder im Selbstverlag oder in der rechtsextremistisch geprägten Verlagsgesellschaft Berg bzw. im Damm-Verlag, München, der auch J. G. Burg, den Holocaust-Leugner Rassinier sowie den verurteilten Kriegsverbrecher Rendulic verlegte.

Veröffentlichungen

Als Autor

  • Krieg ohne Grenzen – der Partisanenkampf gegen Deutschland 1939–1945 . Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See 1982, ISBN 3-8061-1017-4.
  • Die Auslandsdeutschen – 100 Jahre Volkstumsarbeit, Leistung und Schicksal. Türmer-Verlag, Berg/Starnberger See 1981. ISBN 3-87829-065-9.
  • Der Fall Reder – ein Plädoyer für Recht und Wahrheit. Vowinckel-Verlag, Berg am See 1978. ISBN 3-921625-13-0. (Eine Schrift über den Fall des in Italien verurteilten SS-Sturmbannführers Walter Reder, der allerdings nicht von Aschenauer verteidigt wurde, sondern vom italienischen Anwalt Dr. Schiró und dessen deutschem Kollegen Claus-Joachim von Heydebreck.)
  • Um Wahrheit und Gerechtigkeit im Fall Herbert Kappler. Damm-Verlag, München 1969. (Über den von Aschenauer vertretenen Herbert Kappler.)
  • Der Fall Herbert Kappler – Ein Plädoyer für Recht, Wahrheit und Verstehen. Damm-Verlag, München 1968
  • Der Fall Schörner – Eine Klarstellung. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, München 1962. (Über den Fall von Ferdinand Schörner.)
  • Landsberg – ein dokumentarischer Bericht von deutscher Seite. Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft, München 1951. (Über die Justizvollzugsanstalt Landsberg, in der die Häftlinge aus den NS-Prozessen einsaßen.)
  • Um Recht und Wahrheit im Malmedy-Fall – Eine Stellungnahme zum Bericht eines Untersuchungsausschusses des amerikanischen Senats in Sachen Malmedy-Prozess. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, Nürnberg 1950.
  • Zur Frage einer Revision der Kriegsverbrecher-Prozesse. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, Nürnberg 1949.

Als Herausgeber

Literatur

  • Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1.
  • Norbert Frei: Vergangenheitspolitik: die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. Beck, München 1996, ISBN 3-406-41310-2.
  • Oliver Schröm und Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden: das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ch. Links Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-266-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Rudolf Aschenauer. In: Der Spiegel. Nr. 6, 1983, S. 212 (7. Februar 1983, online). Das Todesdatum Aschenauers wird dort als Vorletzte[r] Freitag angegeben, der Freitag vor dem Erscheinungsdatum dieser Ausgabe war der 4. Februar, der vorletzte Freitag also der 28. Januar 1983.
  2. Martin A. Lee nennt Aschenauer in The Beast Reawakens, Taylor & Francis, 1999, ISBN 0-415-92546-0, einen attorney with close ties to Remer's SRP and the postwar Nazi underground (S. 70), pro-Nazi attorney (S. 83) und Germany's big-wheel ultranationalist attorney (S. 88). Sinngemäße Übersetzung: Anwalt mit engen Beziehungen zu Remers SRP und zur Altnazi-Untergrundbewegung, Pro-Nazi Anwalt, Deutschlands einflussreicher, nationalistischer Anwalt.
  3. Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial. Cambridge University Press, Cambridge 2009, S. 271.
  4. Oliver Schröm und Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden: das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ch. Links, Berlin 2002, S. 79–80.
  5. Records of the United States Nuremberg War Crimes Trials, Vol. 4, US Government Printing Office, District of Columbia 1950, S. 11.
  6. Norman J. W. Goda: Tales from Spandau: Nazi criminals and the Cold War. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-86720-7, S. 65–66.
  7. Richard Halworth Rovere: Senator Joe McCarthy. University of California Press, Berkeley 1996, ISBN 0-520-20472-7, S. 112. (Reprint der Originalausgabe erschienen bei Harcourt, Brace, Jovanovich, New York 1959.)
  8. Um die Problematik des richterlichen Nachprüfungsrechtes und der richterlichen strafrechtlichen Haftung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung an den amerikanischen Militärgerichtshöfen in Nürnberg. 1949. (Dissertation.) Erlangen, Jur. F., Diss. v. 15. Nov. 1949
  9. Ernst Klee: [1]. In: Die ZEIT, Nr. 9/1992 vom 21. Februar 1992.
  10. Martin A. Lee: The Beast Reawakens. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-92546-0, S. 88.
  11. Eintrag zu Die Andere Seite: ZDB-ID 704952-3.
  12. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Beck, München 1996, S. 163–167.
  13. Ulmer Geschichte(n): 'Der Ulmer Prozess'
  14. Simon-Verteidiger plädiert auf Freispruch. In: „Hamburger Abendblatt“, Nr. 215 vom 16. Juli 1960, S. 1.
  15. Heute Plädoyer im Wolff-Prozess, dpa-Meldung. In: „Hamburger Abendblatt“, Nr. 215 vom 15. September 1964, S. 1.
  16. Schlußwort im Hamburger Schwurgericht. In: Hamburger Abendblatt, Nr. 185 vom 10. August 1968, S. 5.
  17. Läuft bestens. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1977, S. 60 (10. Oktober 1977, online).

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