Astrachan (Pelz)

Astrachan (Pelz)
Astrachan-Jackett mit Zobelbesatz. Von Fr. März, Leipzig (1908).

Astrachan, ein Begriff aus der Pelzbranche, ist im deutschsprachigen Raum eine andere Bezeichnung für den →Persianer, das Fell des →Karakulschafes (französisch und spanisch ebenfalls neben karakul auch astrakan bzw. astracano) und für das Fell einer sogenannten Halbpersianer-Rasse. Daneben besteht noch der Begriff Astrachan-Kid für Felle chinesischer Zickel.[1]

Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnete Astrachan zuletzt, jedoch selten gebraucht, häufig den Persianer. Dieser Artikel behandelt die Astrachan genannten Halbpersianer und die Astrachan-Kid genannten Zickelfelle.

Inhaltsverzeichnis

Astrachan (Merluschka-Lamm)

Felle aus Kreuzungen von Karakulschafen (Fettschwanzschafe) mit einheimischen Schafrassen sind im Charakter mehr oder weniger dem Persianer ähnlich. In der Kirgisensteppe, vom Ural bis zur Mongolei und in China wird das Merluschka-Schaf gehalten. Die Locke ist recht offen, etwas grob, gekräuselt, teils aber schön gemustert. Die Farbe ist teils Weiß, Schwarz oder gescheckt.

Astrachan-Zuschnitt für Muffe und Kragen (1895)
Fellverteilung für eine Astrachanjacke (1895)

Meyers Konservationslexikon von 1894 bis 1896 schreibt dazu:

Astrachan, Baranken, Baranjen, die nach der russischen Stadt Astrachan benannten lockigen, kleinen, schwarzbraunen Lämmerfelle. Nach dem Kopfe zu sind die Locken großflammiger, nach dem Schwanzende hin schlichter oder glatter. Man erhält sie aus dem südlichen Rußland, der Tatarei und Persien. Die im Handel vorkommenden tiefschwarzen Astrachan sind stets gefärbt, jedoch zum Nachteil der Haut, die dadurch mürbe wird. Unter dem Namen Astrachan kommen auch Nachahmungen durch plüschartige Gewebe im Handel vor, bei denen die gelockte, glänzende Oberfläche der echten Ware oft täuschend nachgeahmt ist. Man erkennt diese Nachahmungen jedoch sehr leicht an der allzu gleichartigen Beschaffenheit der Locken und dem am Grunde sichtbaren Gewebe.[2]

Die Rohfelle der Merluschka-Schafe (Kreuzungen mit tatarischen Schafen) junger Lämmer sind in Deutschland als Treibel (Dreibel) im Handel, die gefärbten Felle[3] als Astrachan. In Frankreich nannte man diese Felle „caracul“ und den Persianer „astrakan“. Neuerdings dort werden die Persianer als „karakul“ bezeichnet. Wohl wegen des erwähnten, früher durch das Färben zum Nachteil veränderten Leders wurden die Felle nach 1900 fast nur noch in den damals in der Lammveredlung führenden Pelzfärbereien in Leipzig gefärbt.[3]

Über die Problematik, Astrachan zu färben, schreibt 1895 ein Kürschnerfachbuch, dass die Felle sonst halbgebeizt in den Handel kamen. Die russische Beize griff das ohnehin sehr zarte Leder jedoch derart an, dass man die Russen veranlasste, die Ware ungebeizt abzugeben. Die Felle wurden dann erst in Deutschland gebeizt, was das Leder wenig mürbe machte. Zusätzlich wurde bemerkt, dass es wünschenswert sei, wenn dieses Fellwerk seiner häufigen Schnatten wegen (d. h. Narbenbrüche - das sind Aufbrüche des Oberleders auf der Haarseite) mit Sumach oder ähnlichem Gerbstoff behandelt würde, das den Narben nicht so anstrengt und das Leder im Ganzen kräftiger macht. Der verschiedenen Nuancen wegen, die das Fell im naturellen Zustand hat, und die höchst selten ein wirkliches Schwarz erreichen, werden die Astrachan schwarz gefärbt, wie alle ähnlichen Gattungen des Schiras, Breitschwanz, Caracul, Bocharen (ähnlich Astrachan, härtere und kräftigere Locke. Begriff inzwischen ungebräuchlich.[4]) etc.

Zur Verarbeitung schreibt das gleiche Fachbuch, dass Astrachan dem Kürschner keine großen Schwierigkeiten bereite. Der Mode um 1900 entsprechend, machte man daraus ohnehin meist Kleinteile wie Muffe und Kragen. Allerdings waren die im Aussehen ähnlichen aber teureren Persianerjacken gerade aufgekommen, für die Astrachan ein günstiger Ersatzartikel war. Für die größeren Teile erfolgt deshalb auch noch einmal der Hinweis, allzu mürbe Felle mit schwarzem, weichen Stoff dicht zu übernähen, man erspart sich damit späteren Verdruß und notwendige Flickerei.[5]

1833 kostete eine gute Astrachanware auf der Leipziger Ostermesse 60 Mark, im Vergleich dazu ein russisches Katzenfell 25 bis 35 Mark.[6]

Rohe Treibel sortiert man im Rauchwarenhandel in:[1]

  • Golovka (Köpfe) = beste Ware, feste Locke
  • Partionnaja (Partieware) = gemischt, aber brauchbar
  • Schposchnaja (Mützenware) = meist kleinlockig
  • Baganisty = rauch, große Locke, glänzend
  • Kliamisty = flache, glänzende Locke
  • Goliak = flach, ohne Musterung
  • Saksak = gelockte Felle von etwa sechs Monate alten Tieren, die meist zu Mützen der dortigen Einwohner verarbeitet werden
Kidfelle

Kid-Astrachan (Astrachan-Kid)

Kid-Astrachan ist im Rauchwarenhandel die Bezeichnung für eine Art Zickelfelle aus dem nördlichen China. Die Felle haben eine moiréartige Zeichnung und sind meist schwärzlich, grau, gelblich oder weiß. Die Frühgeburt dieser Ziege wird Kid-Galjak genannt.

Chinesisches Fellkreuz, hier aus Fehstücken (ca. 1905)

Die Felle werden in der Regel in China zu Tafeln (Kidskin-Plates) in der Größe 30 x 65 inches zusammengesetzt. Auch die Abfälle, wie Ohren, Stirnen, Köpfe und Klauen) werden so verarbeitet. Dies geschieht entweder in Heimarbeit oder in Fabriken. Solch eine Platte kann häufig aus hunderten kleinster Stückchen bestehen.

Gefärbte Tafeln werden als Tapanschang-Tafeln, Chinesische Astrachan-Tafeln (Kid-Astrachan), wenn sie stärker gelockt sind als „Western black kid-plates“ bezeichnet.

Bis etwa 1925 handelte man die Felle überwiegend noch nicht in Tafeln, sondern setzte sie zu Kreuzen (Kidkreuze) zusammen. Diese wurden zum großen Teil in China selbst weiter verarbeitet, wo sich mit einfachen Mittel daraus die typische chinesische Kleidungsform herstellen ließ. Im Wesentlichen musste nur noch das Halsloch geöffnet und die Seiten- und Unterarmnähte geschlossen werden.[1]

Alle in der Pelzbranche verwendeten Zickel- und Lammfellarten werden zu Bekleidung aller Art verwendet, vornehmlich zu Großteilen wie Jacken und Mänteln, auch zu Mützen, aber auch zu Wohnaccessoires wie Felldecken oder Sitzbezügen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Christian Franke/Johanna Kroll: Jury Fränkel’s Rauchwaren-Handbuch 1988/89, 10. überarbeitete und ergänzte Neuauflage, Rifra-Verlag Murrhardt, S. 261, 267, 297, 298
  2. Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896, Band 2, Stichwort Astrachan
  3. a b Emil Brass: Aus dem Reiche der Pelze, 1911, Verlag der „Neuen Pelzwaren-Zeitung und Kürschner-Zeitung“, Berlin, S. 684
  4. Alexander Tuma: Pelzlexikon Bd. A-Fachkunde, Verlag Alexander Tuma, Wien 1949, Stichwort Bocharen
  5. Heinrich Hanicke: Handbuch für Kürschner, Verlag von Alexander Duncker, Leipzig, 1895, S. 12-13
  6. H. Werner: Die Kürschnerkunst, Verlag Bernh. Friedr. Voigt, Leipzig 1914, S. 25

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