Asylpolitik der EU

Asylpolitik der EU

Die Asylpolitik in der EU besteht in dem Versuch, eine einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union zu verwirklichen.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Unter Asyl (das Wort stammt vom griech. σῦλος sylos ‚beraubt‘ mit α privativum, das heißt dann ‚unberaubt‘ → ‚sicher‘ ) versteht man das vorübergehende Gewähren von Schutz, sowie existenzieller Grundsicherung für politisch Verfolgte. Nach europäischem Recht wird Asyl des Weiteren auch Personen gewährt, die auf Grund von Bürgerkriegen oder einer anderen Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit (subsidiärer Schutz) vorerst nicht in ihr Heimatland zurückkehren können.

Geschichte der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik

Die Wurzeln der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik stammen aus der Zeit der Römischen Verträge von 1957, auch wenn die Entwicklung anfangs nicht vorgesehen war. Der Prozess der Entwicklung eines europäischen Binnenmarktes lief einher mit der ansatzweisen Vereinheitlichung der Asylpolitik. Dabei wurden besonders große Fortschritte in den 1980er Jahren durch eine immer enger werdende polizeiliche Zusammenarbeit und letztlich durch das Schengener Abkommen von 1985 sowie durch die Europäische Akte von 1986 erzielt, da die Sicherheitsrisiken, die durch die Öffnung des Binnenmarktes entstanden, nur durch eine einheitlichere Politik kompensiert werden konnten. Der Maastrichter Vertrag 1992 wird als großer Fortschritt in Bezug auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik gehandelt, da diese hier erstmals als „Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse“ gehandelt werden. Da Entscheidungen in diesem Themenfeld einstimmig getroffen werden mussten, blieb die Entscheidungshoheit aber weiterhin bei den Mitgliedsstaaten. Diese mussten sie aber 1997 im Zuge des Amsterdamer Vertrages an die EU abtreten, da die Flüchtlings- und Asylpolitik von der dritten, intergouvernemental ausgerichteten, in die supranationale erste Säule transferiert wurden. Kritisch ist jedoch zu vermerken, dass durch die „stay in/opt out“-Regelung Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gegeben wurde, die Änderungen nur teilweise (Irland, Großbritannien) oder überhaupt nicht (Dänemark) umzusetzen. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts bemühen sich die Mitgliedsstaaten noch intensiver um eine Vergemeinschaftung der Asylpolitik, weshalb im Haager Programm 2004 ein zweistufiger Plan entworfen wurde, diese EU-weit zu harmonisieren.

In der ersten Phase, die seit 2006 als abgeschlossen gilt, wurde mit Hilfe von vier Rechtsinstrumenten die Grundlage für eine Vereinheitlichung geschaffen:

  • Die Dublin-Verordnung, nach der ein Asylsuchender in dem Mitgliedsstaat, den er zuerst betreten hat, seinen Asylantrag stellen muss.
  • Die Aufnahmebedingungen-Richtlinie, die Mindeststandards in Aufnahme und Versorgung der Asylbewerber vorgeben soll.
  • Die Qualifikationsrichtlinie soll dafür sorgen, dass auch Flüchtlingen (subsidiärer) Schutz geboten wird, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention kein Anrecht auf Asyl hätten, aber auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention dennoch nicht in ihr Land zurückgeschickt werden können (s. o. „subsidiärer Schutz“).
  • Die Asylverfahrensrichtlinie stellt Mindestnormen für Asylsuchende auf, beispielsweise eine Verfahrensgarantie.

Die zweite Phase sieht als Schwerpunkt besonders eine Lastenteilung innerhalb der EU, sowie eine engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten vor, um Push-Faktoren einzudämmen.

Das Ziel eines EU-weiten Asylsystems

Nach der Festlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer gemeinsamen EU-Aslypolitik im Amsterdamer Vertrag von 1999 beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs das Tampere. Dieses sollte die bisherige Asyl- und Flüchtlingspolitik durch ein kollektives Asylsystem und durch eine vergemeinschaftete Migrationspolitik untermauern und infolge dessen die EU zu einem "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" entwickeln. Dem liegt zu Grunde, dass der Gedanke eines einheitlichen Schutzraums, in dem alle Flüchtlinge gleich behandelt werden und jeder Mitgliedsstaat das gleiche Schutzniveau erfüllt, zu verwirklichen. Konkret bedeutet das, dass jeder Mitgliedsstaat nach Abschluss der ersten Phase des Programms rechtliche Mindeststandards, besonders alle Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention und das Prinzip der Nichtzurückweisung, verankert hat. Mit dem Beschluss des „Haager Programms" 2004 wurden diese Richtlinien weitgehend bekräftigt. Jedoch war der Einfluss der Anschläge vom 11. September 2001 unverkennbar, wie man an den Sicherheitserwägungen in Bezug auf illegale Einwanderer und den Schutz der Außengrenzen der EU sieht. Im Haager Programm wird aber auch die Signifikanz der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention unterstrichen. In der zweiten Phase – nach Bewertung der Rechtsakte der 1. Phase – des Haager Programms sollen die Schutzstandards EU-weit erhöht werden. Außerdem soll ein sogenannter Lastenausgleich eingeführt werden. Das Strategiepapier der EU-Kommission vom 17. Juni 2008 verstärkt noch einmal den gesamteuropäischen Ansatz einer gemeinsamen Asyl- und Flüchtlingspolitik. Es verdeutlicht den Willen, den Flüchtlingen ein faires Verfahren in jedem Mitgliedsstaat der EU zu garantieren. Dies soll eine unverhältnismäßige Verteilung in den EU-Ländern und Sekundärbewegungen verhindern. Bis 2012 soll ein genormtes Asylverfahren und ein einheitlicher Rechtsstatus für Flüchtlinge sowie für Begünstigte des subsidiären Schutzes realisiert werden.

Kritik

Die Asyl- und Flüchtlingspolitik steht oft seitens zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und Institutionen in der Kritik, da sich nicht der Schutz von, sondern der Schutz vor Flüchtlingen im Fokus der Entwicklung befinde.

So hat sich der Hohe Flüchtlingskommisar der Vereinten Nationen mehrfach besorgt über den Umgang europäischer Staaten mit Flüchtlingen und Migranten geäußert und Konferenzen zu diesem Thema angeregt.[1] [2] [3] Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl forderte gemeinsam mit anderen Organisationen (Amnesty international, AWO, Caritas und weiteren) im Juli 2009 eine „grundlegende Wende der EU-Flüchtlingspolitik“.[4] Amnesty international berichtete mehrfach in seiner Zeitschrift „Amnesty Journal“ über die Situation von Flüchtlingen im Mittelmeerraum.[5] Human Rights Watch schließlich veröffentlichte im September 2009 einen Bericht über den Umgang mit Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten in Libyen.[6]

Kritisiert wird unter anderem die Politik einzelner Mitgliedstaaten, mittels Verträgen zu Drittstaaten die Zahl der ankommenden Flüchtlinge zu senken. Diese würden oftmals schon auf See abgefangen und somit ein Antrag auf Asyl unmöglich gemacht. So sank die Zahl der Asylanträge von 1992 bis 2007 um 460.000 auf 220.000. Grund für dieses Verfahren sei die Flüchtlingssituation vor allem in südlichen Mitgliedsstaaten wie Italien, Spanien und Griechenland, von der sich besonders letzteres überfordert fühle. Das Problem der geographischen Lage - ein Großteil der Asylsuchenden unternimmt die Reise über das Mittelmeer - werde durch die Dublin-Verordnung weiter verstärkt, da Flüchtlinge, die beispielsweise zuerst in Spanien um Asyl bäten oder direkt in einen anderen EU-Staat weiterreisten, rechtlich legitimiert wieder in den als ersten betretenen Mitgliedsstaat abgeschoben werden dürften. Welche Probleme die Zahl der Flüchtlinge aufwerfe, zeige das Beispiel Griechenland. Die Art, in der mit Flüchtlingen umgegangen werde, sowie die Bedingungen in denen sie leben müssten, seien laut Europäischem Gerichtshof „unmenschlich und erniedrigend“. Des Weiteren seien die Chancen auf Annahme des Asylantrags gegenüber anderen EU-Staaten ungleich geringer, oftmals käme es auf Grund der Überlastung zu keinen fairen Prozessen.

Abschiebungen im Zuge der Dublin-Verordnung nach Griechenland werden daher vorübergehend ausgesetzt, eine Ausdehnung der Lastenteilung auf mehr Mitgliedsstaaten wird gefordert.

Die bisherige Harmonisierung der Asylpolitik, der Versuch eine ähnliche Rechtssituation, sowie Behandlung und Versorgung EU weit zu schaffen, sei somit gescheitert.

Einzelnachweise

  1. UNHCR urges meeting on irregular migration in Mediterranean (Hintergrundnotiz des UNHCR vom 20. Mai 2009).
  2. Sea arrivals: UNHCR calls for access to protection (Hintergrundnotiz des UNHCR vom 9. Januar 2009).
  3. UNHCR urges EU and FRONTEX to ensure access to asylum procedures, amid sharp drop in arrivals via the Mediterranean (Hintergrundnotiz des UNHCR vom 10. Dezember 2010).
  4. „Grundlegende Wende in der EU-Flüchtlingspolitik gefordert“, PM vom 3. Juli 2009.
  5. jüngst z.B. Wolfgang Grenz: Wegsehen hilft nicht. Amnesty Journal, Heft 06/07, 2011, ISSN 1433-4356, S. 30-31 (Online-Ausgabe).
  6. Bill Frelick: Pushed back, pushed around : Italy’s Forced Return of Boat Migrants and Asylum Seekers, Libya’s Mistreatment of Migrants and Asylum Seekers. Human Rights Watch, New York 2009, ISBN 1-56432-537-7 (Webseite, PDF-Datei; 1,83 MB).

Quellen


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