Azorian-Projekt

Azorian-Projekt

Im Azorian-Projekt (auch bekannt als Jennifer-Projekt) versuchte die Central Intelligence Agency (CIA) unter strikter Geheimhaltung, das gesunkene sowjetische U-Boot K-129 vom Meeresgrund zu bergen. Bereits kurz nach dem Untergang 1968 begann die CIA mit ersten Planungen, der Bergungsversuch fand 1974 statt.

Die K-129 sank im März 1968 aus unbekannter Ursache. Die sowjetische Marine startete eine massive Suche, nachdem die routinemäßigen Funkmeldungen des U-Bootes an das Hauptquartier der sowjetischen Flotte ausblieben, konnte das Boot jedoch nicht finden. Die Vereinigten Staaten hingegen konnten durch das Unterwasser-Lauschsystem SOSUS die Unglücksstelle lokalisieren. Daraufhin begann die CIA mit der Planung, wie das Wrack zu heben sei, um so nähere Informationen über die sowjetischen Nuklearkapazitäten zu erhalten. Als Tarnung sprang der Milliardär Howard Hughes ein, der vorgeblich zum unterseeischen Abbau von Erz ein Schiff, die Hughes Glomar Explorer, bauen ließ. Tatsächlich finanzierte die US-Regierung das Schiff, das das Wrack in 5000 Metern Tiefe mit einem Greifarm umschließen und an die Wasseroberfläche bringen sollte. 1974 setzte die Glomar Explorer Kurs auf die Unglücksstelle und schaffte es wie geplant, das Wrack zu greifen. Dieses zerbrach jedoch während des Anhebens, so dass nur ein Teil des Bugs geborgen werden konnte.

Bis dahin blieb die gesamte Operation vor der Öffentlichkeit verborgen, erst 1975 gab es erste Zeitungs- und Fernsehberichte. Im März 1975 deckte The New York Times in einem Bericht des Pulitzer-Preis-Trägers Seymour Hersh schließlich große Teile des Azorian-Projekts auf. Die CIA selbst gab 2010 erstmals umfangreiche Unterlagen über die Operation frei.

Inhaltsverzeichnis

Die letzte Fahrt der K-129

Ein Schwesterschiff der K-129, Golf-II-Klasse

Die K-129 war ein dieselelektrisch angetriebenes U-Boot mit ballistischen Raketen der Golf-II-Klasse, als solches maß sie rund 100 Meter, die Besatzung bestand aus rund 80 Mann. Die Hauptbewaffnung bestand aus drei ballistischen Raketen vom Typ SS-N-5 Serb mit jeweils einem nuklearen Sprengkopf mit einer Sprengkraft von bis zu rund einer Megatonne TNT-Äquivalent und einer Reichweite von bis zu 1500 Kilometern. Um die Batterien aufzuladen, die den Elektromotor antrieben, musste das U-Boot in regelmäßigen Abständen einen Dieselgenerator laufen lassen. Dabei musste es nah unter die Wasseroberfläche kommen, um über einen Schnorchel Frischluft für den Verbrennungsmotor ansaugen und die Abgase ablassen zu können (das Boot musste „schnorcheln“).

Aufgabe der K-129 und ihrer Schwesterschiffe war es im Rahmen der nuklearen Abschreckung, mit ihren Raketen im Pazifischen Ozean zu patrouillieren, dabei die amerikanische Westküste in Reichweite der Raketen zu halten.

K-129 wurde um 1960 in Dienst gestellt, ihre dritte und letzte Patrouillenfahrt begann sie um den 24. Februar 1968 von ihrem Heimathafen in Petropawlowsk-Kamtschatski aus. Ziel war eine Seeregion nordöstlich von Hawaii.[1] An Bord befanden sich 86 Mann. Während der Tauchfahrt Richtung Patrouillengebiet meldete sich die K-129 jeweils während des Schnorchelns noch einige Male routinemäßig bei ihrem Hauptquartier auf Kamtschatka. Ab März 1968 blieben die Meldungen jedoch aus. In den folgenden Wochen führte die sowjetische Marine eine großangelegte Suche entlang des vorgesehenen Kurses der K-129 durch, konnte das Boot jedoch nicht finden. Die United States Navy jedoch hatte sämtliche Ozeane mit festen Lauschstationen durchsetzt, diese bildeten das sogenannte Sound Surveillance System (SOSUS). Mehrere Stationen hatten am 8. März eine Unterwasserexplosion aufgezeichnet, die auf einen Punkt rund 1500 Meilen nordwestlich von Hawaii in der Gegend um 40° 0′ 0″ N, 180° 0′ 0″ O40180 trianguliert wurde. Der Meeresgrund befindet sich dort rund 5000 Meter unter der Wasseroberfläche. In Kombination mit dem Wissen über die Suche der sowjetischen Flotte schloss die US Navy, dass die Sowjetunion ein U-Boot verloren haben musste. Der Grund des Sinkens ist bis heute nicht öffentlich bekannt.

Verlauf des Azorian-Projekts

Vorbereitungen

Planungen

Die USA befanden sich nun im Vorteil: Sie kannten den Ort, an dem das Wrack des sowjetischen U-Bootes lag, während die Sowjetunion ihre Suche erfolglos beendet hatte. Im Verteidigungsministerium und bei der CIA begannen daraufhin Überlegungen, ob es möglich wäre, Teile des Wracks zu heben, um so einen Einblick in den Stand der sowjetischen Marine- und Waffentechnologie zu erhalten.[1] Die erst kurz zuvor zu einem Spionage-U-Boot umgerüstete USS Halibut (SSGN-587), ausgerüstet mit Kameras und Unterwasser-Scheinwerfern, die an Kabeln in die Tiefe herabgelassen werden konnten, wurde zum Ort des Unglücks geschickt.[2] Tatsächlich konnte die Halibut das Wrack lokalisieren und soll bis zu 22.000 Fotos gemacht haben. Diese Fotos wurden bisher nicht veröffentlicht.

Der stellvertretende Verteidigungsminister David Packard kontaktierte daraufhin den Director of Central Intelligence, Richard Helms, und beauftragte die CIA mit der Bildung einer Arbeitsgruppe, die einen Plan zur Bergung des Wracks entwickeln sollte. In der CIA wurden John Foster, Director of Defense Research and Engineering, und Carl Duckett, Deputy Director for Science and Technology, als Koordinatoren eingesetzt. Die operative Leitung der Operation lag bei John Parangosky.

Diese Arbeitsgruppe erarbeitete drei Möglichkeiten, wie das Wrack zu heben sei. Es wurde überlegt, schwere Seilwinden zu benutzen, die das Wrack direkt anheben können. In einem zweiten Szenario sollten schwimmfähige Materialien mit Ballast auf den Meeresgrund gebracht und dort am Wrack befestigt werden. Nachdem der Ballast ausgeklinkt worden wäre, wäre das Wrack wesentlich leichter zu heben. Drittens überlegten die Geheimdienstler, etwa durch Elektrolyse leichte Gase im Wrack zu erzeugen, und so den Auftrieb zu vergrößern. 1970 entschied die CIA sich für den direkten Ansatz, bei dem das Wrack ohne weitere Auftriebserzeugung von einem Schiff an der Wasseroberfläche angehoben werden sollte. Als Tarnung sollte verbreitet werden, dass das Schiff nach Erzen suchen und diese vom Meeresgrund abbauen wolle. Ein Executive Committee (ExCom) mit hochrangigen Mitgliedern aus Regierung, Militär und Geheimdiensten genehmigte Ende 1970, mit der Umsetzung dieser Option zu beginnen. Die Mitglieder schätzten die Erfolgschancen der Operation auf 90 %.[1]

Politische Diskussion

1971 stand das Azorian-Projekt kurz vor dem Abbruch, als die geplanten Kosten in immer neue Höhen schnellten und verstärkt Unsicherheit aufkam, ob das Konzept funktionieren könne. Zwischen dem ursprünglichen Vorschlag 1970 und August 1971 waren die Kosten um 50 % angestiegen; wie viel Geld veranschlagt wurde, ist nicht bekannt. Medienberichten zufolge sollen die Gesamtkosten 1974 bei rund 500[2] bis 550[3] Millionen Dollar gelegen haben. Letztlich wurde der Bau des Schiffes aber noch 1971 freigegeben, da der potentielle Informationsgewinn als das Kostenrisiko überwiegend angesehen wurde.

1971 verließ Packard, eine treibende Kraft der Operation, das Verteidigungsministerium, im ExCom wurde er von dem designierten stellvertretenden Verteidigungsminister und ab 1972 als Vizeaußenminister amtierenden Kenneth Rush ersetzt. Dieser stand der Operation weit kritischer gegenüber als sein Vorgänger. Befeuert wurde diese Einschätzung durch Stellungnahmen vom Chief of Naval Operations, Elmo R. Zumwalt, Dr. Hall aus dem Verteidigungsministerium und dem Direktor der Defense Intelligence Agency, Vizeadmiral Vincent P. De Poix. Diese schätzten den geheimdienstlichen Wert des Wracks als weit niedriger ein als dem ExCom zuvor dargelegt. Admiral Thomas H. Moorer, Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff, schloss sich dem an.

Daraufhin setzte Rush ein Gremium ein, das neutral eine Wertung über Wert und fiskalische wie operative Risiken der Operation abgeben sollte. Nach einer grundsätzlich positiven Einschätzung entschied Präsident Richard Nixon, das Azorian-Projekt fortzuführen. [1]

Hughes Glomar Explorer

Hughes Glomar Explorer

Um die Geheimhaltung des Azorian-Projekts zu wahren, war die CIA an Howard Hughes herangetreten, dessen Firma Global Marine, Inc. bereits Schiffe zum Abbau unterseeischer Ressourcen betrieb. Die CIA bat Hughes, als Eigner der geplanten Plattform für die Bergung von K-129 aufzutreten. Hughes willigte ein.

Im April 1971 gab Global Marine bekannt, ein Schiff namens Hughes Glomar Explorer bauen zu wollen, um Manganknollen vom Meeresgrund zu sammeln. Bauwerft für das Schiff wurde Sun Shipbuilding & Drydock in Chester, Pennsylvania. Hauptmerkmal war eine Ladebucht im Schiffsboden, aus der ein rund 50 Meter langer Greifarm zum Meeresgrund hinuntergelassen werden konnte. Er wurde von Gestängen in Position gehalten, die über einen rund 80 Meter hohen Förderturm eingefädelt werden mussten. An Bord befanden sich 600 rund neun Meter lange Teile des Gestänges. Die beiden neben dem Förderturm stehenden Gittertürme hielten den Greifarm unter dem Schiff fest. Die Seilwinden waren dafür ausgelegt, die rund 7000 Tonnen des Gewichts von K-129, den Gestängen und dem Greifarm zu heben. Über fünf Strahlruder konnte ein Computer das gesamte Schiff exakt über auf dem Meeresgrund ausgesetzten Sonartranspondern halten.[4] Allein die Glomar Explorer soll nach Schätzungen 350 Millionen Dollar gekostet haben.[3] Die Besatzung bestand aus rund 170 Mann.

Am 9. November 1972 lief das Schiff vom Stapel, nach Erprobungsfahrten verließ die Glomar Explorer die Werft im April 1973. In der zivilen Werft war die Klaue zur U-Boot-Bergung noch nicht eingerüstet worden. Der Greifarm in seiner Größe hätte unmöglich für die Bergung von Manganknollen verwendet werden können, und hätte so die Tarnung gefährdet. Nach weiteren Tests vor den Bermudas begann im August die Fahrt in den Pazifik. An Bord befanden sich 96 Mann, davon gehörten 47 zur regulären Crew, die auch für die spätere Operation vorgesehen war. Die restlichen 49 waren Angestellte von Global Marine und waren nur für die Überführung an Bord. Die Glomar Explorer durchquerte die Magellanstraße und erreichte den Pazifik, wo sie in einem 60-Knoten-Sturm Wellen bis zu acht Metern ausreiten musste. Zur Versorgung ankerte die Glomar Explorer am 12. September in Valparaíso, Chile. So lag das Schiff während des Putsches in Chile dort im Hafen, konnte aber am 13. September bereits wieder ablegen. Am 30. September erreichte es Long Beach, Kalifornien.

Dort wurde das Equipment installiert, das speziell für die U-Boot-Bergung benötigt wurde, darunter für Dekontaminierung sowie für Aufbereitung und Trocknung von Papier, etwa Handbücher und Codebögen. Die Ausrüstung der Glomar Explorer wurde Ende 1973 unterbrochen durch einen Streik der Marine Engineers' Beneficial Association, wodurch Testfahrten mit den neuen Geräten auf Ende Januar 1974 verschoben werden mussten. Das gefährdete den gesamten Zeitplan, da die Hughes Glomar Explorer bis Juni auslaufen musste, um das „ruhige“ Wetterfenster von Juli bis September abzupassen. Im Januar konnten die Testfahrten jedoch fortgesetzt werden. In den folgenden Wochen nahm die Glomar Explorer dann auch den Greifarm auf. Für dieses Manöver wurde ein extra konstruierter tauchfähiger Leichter verwendet, die Hughes Mining Barge. Diese wurde mit dem Greifarm an Bord abgetaucht, die Glomar Explorer manövrierte über sie, senkte die beiden Gittermasten ab und zog den Greifarm durch das geöffnete Dach des Leichters in die Ladeluke.

Nachdem die Testfahrten erfolgreich verliefen, genehmigte Nixon am 7. Juni die Operation, allerdings durfte die Bergung des U-Bootes erst nach seiner Rückkehr von Abrüstungsgesprächen mit der Sowjetunion in Moskau am 3. Juli beginnen.[1] An Bord befanden sich rund 170 Mann, die von der CIA engagiert worden waren. Rund 40 davon waren etwa von Ölbohrplattformen rekrutiert worden, um das Bohrgestänge zu bedienen.[5]

Durchführung der Operation

Am 20. Juni 1974 lief die Glomar Explorer aus Long Beach aus und erreichte am 4. Juli nach einer Reise von 5570 km (3008 Seemeilen) die Stelle des Untergangs der K-129. Hoher Wellengang durch Taifun Gilda verzögerte die Bergung, außerdem lag am 13. und 14. Juli das britische Handelsschiff Bel Hudson nahe der Glomar Explorer. Bei einem Seemann der Bel Hudson wurde Verdacht auf Herzinfarkt diagnostiziert; da die Glomar Explorer ein gut ausgestattetes Lazarett besaß, übernahm und behandelte sie den Seemann. Während dieser an Bord war, mussten sämtliche Bergungsaktivitäten eingestellt werden. Am 15. Juli brachte Tropensturm Harriet wieder schlechteres Wetter. Ab dem 18. Juli wurde die Bergeoperation durch die sowjetische Marine beobachtet, zuerst durch die Chazhma, die für die Beobachtung und Auswertung von Raketentests ausgerüstet war. Da sie einen Helikopter mitführte, blockierte die Besatzung der Glomar Explorer alle Freiflächen mit Kisten, um eine Landung zu verhindern. Nachdem die Chazhma rund zehn Stunden in einer Entfernung von einer bis zwei Meilen verbrachte hatte, startete der Bordhelikopter mehrere Überflüge und machte Fotos der Glomar Explorer. Daraufhin fragte die Chazhma über Funk nach der Mission der Glomar Explorer. Zur Antwort bekam sie die Information, dass diese Versuche zum Abbau von Erzen vom Meeresgrund durchführe; das sowjetische Schiff verließ dann die Gegend Richtung Kamtschatka.

Am 20. Juli, in ruhigerem Wasser und unbeobachtet, begann die Crew schließlich, den Greifarm abzusenken. Zwei Tage später bezog der sowjetische Hochseeschlepper SB-10 Position nahe der Glomar Explorer und fuhr im weiteren Verlauf in nur wenigen hundert Metern Abstand neben der Glomar Explorer auf und ab. Am 26. Juli hatte der Greifarm erstmals Sonarkontakt zum Meeresgrund. Das Absenken musste jedoch auf Grund technischer Probleme mit dem Mechanismus, der die Gestänge im Bohrturm aneinander reihte, immer wieder unterbrochen werden.

Am 1. August wurde schließlich der Greifarm um das Wrack von K-129 geschlossen, das Anheben konnte beginnen. Über unverschlüsselten Funk teilte die Glomar Explorer daraufhin mit, dass der Greifarm zur Bergung der Manganknollen beschädigt worden sei, zur Überprüfung sollte die Marinebasis auf den Midwayinseln angelaufen werden. So wollte die CIA erklären, warum das zivile Schiff eine Marinebasis anläuft. Jedoch gab es Probleme mit dem Anheben der Last, die Hydraulikpumpen versagten teilweise. Während des Aufstieges brach dann ein Teil des Greifarms ab, und mit ihm glitt ein Großteil des Wracks ebenfalls wieder auf den Meeresgrund.[6] Was die Glomar Explorer geborgen hat, wurde bisher nicht offiziell bekanntgegeben. Medienberichten zufolge wurden der Bug des Bootes unter anderem mit zwei Torpedos mit nuklearem Sprengkopf, nicht aber die Atomraketen geborgen.[2] Außerdem wurden die Leichen von sechs sowjetischen Seeleuten geborgen. Diese wurden im September 1974 in einer Seebestattung beigesetzt.

Um den 9. August war der Rest des Wracks im Rumpf des Bootes in Sicherheit gebracht, kurz nachdem der sowjetische Schlepper SB-10, der in den Tagen zuvor auf wenige Meter an die Glomar Explorer herangefahren war, das Gebiet verlassen hatte. Bei einer ersten Untersuchung stellte die Mannschaft der Glomar Explorer fest, dass das Wrack mit Plutoniumhydroxid verseucht war. Dieses stammte aus der Detonation einer der Treibladungen von einem oder beiden nuklearen Torpedos an Bord der K-129, wodurch die Sprengköpfe beschädigt worden waren. Die Glomar Explorer begann wie geplant die Fahrt nach Midway, änderte aber am 11. August den Kurs gen Hawaii. Dort kam sie am 16. August an. Was mit den geborgenen Wrackteilen der K-129 geschah, ist nicht öffentlich bekannt. Geplant war, diese an die Hughes Mining Barge abzugeben.

Später im selben Jahr fertigte die USS Seawolf (SSN-575) weitere Fotos vom Unglücksort an. Auf diesen wurde ersichtlich, dass das Wrack auseinandergebrochen war, die Trümmer lagen in großem Umkreis zerstreut. Ein neuerlicher Bergungsversuch mit dem Greifarm der Glomar Explorer kam somit nicht in Frage.

Juristische Bewertung

Die K-129 ist seevölkerrechtlich gesehen auf hoher See gesunken; dieses Gebiet unterliegt keiner Souveränität. Die zwei relevanten Punkte bezüglich der Rechtmäßigkeit des Azorian-Projekts sind daher der besondere Schutz von Kriegsschiffen vor Bergung durch einen fremden Staat und das Konzept der Aufgabe des Wracks durch den Staat, unter dessen Flagge das Wrack gefahren ist.[7]

Kriegsschiffe sind auf hoher See rechtlich vollkommen und ohne Ausnahme vor dem Zugriff durch Fremdstaaten geschützt. Es kann dem entgegengesetzt auch argumentiert werden, dass die K-129 als Wrack kein Kriegsschiff mehr sein kann, und daher auch keinen besonderen Schutz genießt. Möglicherweise war es aber trotzdem weiterhin im Eigentum der Sowjetunion, so dass das Wrack trotzdem unter gesetzlichem Schutz stand. Diese Sicht haben die Vereinigen Staaten unter anderem bei der USS Panay (PR-5) und einem in Port-of-Spain gesunkenen Frachter vertreten. Im letzten Fall vertrat die US-Regierung die Ansicht, dass das Recht an Fracht oder Rumpf eines unter US-Flagge gesunkenen Schiffes bei den Vereinigten Staaten liegt, so lange dieses nicht transferiert oder aufgegeben wurde.[8] Demnach unterliegt ein von der öffentlichen Hand besessenes Schiff besonderem Schutz, auch ohne dass auf den Status als Kriegsschiff zurückgegriffen werden muss.

Entsprechend wichtig ist die Frage, ob die Sowjetunion ihr Recht an dem Wrack nachhaltig aufgegeben hatte. Auf den ersten Blick kann dies zutreffen, da die Sowjetunion den Standort des Wracks nicht kannte und zum Zeitpunkt der Bergung seit mehr als sechs Jahren nicht danach gesucht hatte. In diesem Fall würde das Eigentum an dem Wrack auf den übergehen, der die Bergung des aufgegebenen Objekts durchführt. Allerdings ist die generelle Position der US-Regierung wie auch der Sowjetunion, dass Eigentum an einem staatlichen Objekt nur explizit aufgegeben werden kann, nicht jedoch, wie in diesem Fall, etwa durch Unterlassen der Suche nach dem Wrack. Dies gilt in jedem Fall, so lange erkennbar ist, dass das Wrack einem fremden Staat gehört hat.

Wenn also das Wrack nicht als aufgegeben angesehen werden konnte, dann konnte die Bergung durch die Glomar Explorer nicht rechtmäßig geschehen; das geborgene Wrack wäre also nicht im Eigentum der Vereinigten Staaten. Als weiteren Hinweis für die Illegitimität der Operation sieht Alfred P. Rubin im American Journal of International Law, dass die USA ihre Absicht tarnten. Wären sie der Ansicht gewesen, die Bergung sei rechtmäßig möglich, wäre das Wrack mit Beginn der Bergung in ihr Eigentum übergegangen, so dass eine Tarnung – zumindest rechtlich betrachtet – unnötig gewesen wäre.[7][9]

Veröffentlichung

Aufdeckung der Operation

Die gesamte Vorbereitung des Azorian-Projekts blieb der Öffentlichkeit verborgen. Bereits während des Baus gab Hughes den vorgeblichen Zweck des Schiffes bekannt, und tatsächlich berichteten amerikanische Zeitungen im Laufe der Jahre mehrmals über das „Erz-Abbau-Schiff“ Glomar Explorer.[5][10] The Honolulu Advertiser brachte am 16. August 1974, als es mit dem Wrack vor Hawaii ankam, eine Titelstory über das Schiff und seinen unterseeischen Erzabbau.[1] Bereits im Herbst 1973 jedoch hatte Seymour Hersh von der New York Times vage vom Azorian-Projekt erfahren. CIA-Direktor William Egan Colby bat die Redaktion und Hersh selbst schnell, die Nachforschungen und mögliche Veröffentlichungen aus Gründen der nationalen Sicherheit zu beenden. Nach einer Redaktionskonferenz wurde entschieden, keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Hersh konzentrierte sich stattdessen auf die Watergate-Affäre.

Im Juni 1974 wurde jedoch in ein Lagerhaus von Hughes in Los Angeles, Kalifornien eingebrochen, dabei auch Dokumente über das Azorian-Projekt entwendet. Durch die folgenden Ermittlungen wurde die Los Angeles Times aufmerksam. Am 7. Februar 1975 titelte sie „U.S. Reported after Russ Sub“, in denen erste Fakten, teilweise aber auch Fehler wie die Verlagerung der Operation in den Atlantik, gedruckt wurden. Zwar griff die CIA auch hier ein, und die Redaktion versicherte, die Geschichte in noch nicht gedruckten Editionen auf Seite 18 zu schieben, aber zu verhindern war die Publikation nicht mehr. Trotzdem gelang es Colby in den nächsten Wochen, weitere Veröffentlichungen zu unterdrücken. Am 18. März ging schließlich Jack Anderson mit der Geschichte vom Azorian-Projekt landesweit ins Radio und Fernsehen, einen Tag später titelte Hersh in der New York Times „C.I.A. Salvage Ship Brought Up Part of Soviet Sub Lost in 1968, Failed to Raise Atom Missiles“. In diesem Artikel legte die Times neben der Bergung auch ausführlich die Umstände ihrer Recherche und Selbstzensur dar.[11]

Von Seiten der Sowjetunion ist keine Reaktion auf die Veröffentlichungen bekannt.

Folgende Veröffentlichungen

1975 stellte die Journalistin Harriet Ann Phillippi den Antrag, von der CIA alle Akten über die Versuche, Medienberichte zurückzuhalten, ausgehändigt zu bekommen. Diese Anfrage stützte sie auf den Freedom of Information Act (FOIA). Die CIA antwortete ihr, die Existenz solcher Akten könne weder bestätigt noch dementiert werden, und gab entsprechend nichts frei. Dagegen klagte Phillippi, verlor jedoch erstinstanzlich. Vor dem United States Court of Appeals in Washington D.C. konnte sie zwar erreichen, dass die Verhandlung zurück an den District Court ging (Phillippi v. Central Intelligence Agency, 546 F.2d 1009, 1013 (D.C. Cir. 1976))[12]; das Gericht konzedierte der CIA jedoch, dass es rechtlich möglich sei, die Existenz einer Information weder zu bestätigen noch zu dementieren. Diese Form der Antwort auf eine FOIA-Anfrage wird daher in den USA als „Glomar response“ („Glomar-Antwort“) oder „Glomarization“ bezeichnet.[13]

In den auf die Enthüllung der Operation folgenden Jahren erschienen mehrere Bücher. Teilweise beriefen sich die Autoren dabei auf Berichte von Augenzeugen, die mit der Weitergabe ihres Wissens gegen Geheimhaltungsabkommen mit der CIA verstießen. Erste Publikationen erschienen noch 1976, aber erst in den 1990er Jahren, nach Ende des Kalten Krieges, wurden immer mehr Informationen enthüllt. So veröffentlichten Journalisten der New York Times 1998 das Buch Blind Man’s Bluff, in dem die Operation recht akkurat beschrieben wird.

Andere Veröffentlichungen können eher dem Bereich der Verschwörungstheorien zugeordnet werden; so etwa die Behauptung, K-129 sei beim Versuch, ihre Atomraketen auf Hawaii abzuschießen, explodiert. Tatsächlich war die Inselgruppe weit außerhalb der Reichweite der Waffen. Einige Autoren widersprechen außerdem der offiziellen Lesart und behaupten, das Wrack sei vollständig geborgen worden.

Veröffentlichungen der US-Behörden

2003 gab die CIA über eine Anfrage im Rahmen des Freedom of Information Act ein rund 14-minütiges Video frei, das die Seebestattung der im Wrack gefundenen sechs Leichen vom 4. September 1974 zeigt. Drei Seeleute konnten namentlich identifiziert werden, drei weitere wurden anonym beigesetzt. Nach einem unter der amerikanischen National- sowie der sowjetischen Seekriegsflagge auf Englisch und Russisch gehaltenen Gottesdienst wurden die Körper über Bord der Glomar Explorer gegeben und im Pazifik bestattet. Das Video wurde der russischen Regierung 1992 übergeben.[14]

Ebenfalls über den FOIA gelangten im Februar 2010 erstmals ausführliche Dokumente an die Öffentlichkeit. Auf Antrag des National Security Archive gab die CIA einen 1985 veröffentlichten, 50-seitigen Artikel aus ihrem internen Magazin Studies in Intelligence frei. Dieser ist jedoch noch immer stark zensiert, rund ein Drittel des Inhalts ist geschwärzt worden; auch der Name des Autors blieb geheim. Unter den nicht freigegebenen Inhalten sind sämtliche Erwähnungen der Kosten des Projekts sowie alles bezüglich der gehobenen Teile der K-129. Dafür wurde der offizielle Name der Operation mit „Azorian-Projekt“ angegeben. Bisherige Veröffentlichungen gingen vom Namen „Jennifer-Projekt“ aus. „Jennifer“ war allerdings nur der Name eines internen Sicherheitssystems, das für die Operation eingeführt wurde.[1]

Literatur

  • Anon.: Project Azorian: The Story of the Hughes Glomar Explorer. In: Studies in Intelligence, Langley, VA, Herbst 1985
  • Olaf Kanter: Projekt Jennifer. In: mare. Heft 36 (2003), S. 62–67

Weblinks

 Commons: Azorian-Projekt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Anon: Project Azorian: The Story of the Hughes Glomar Explorer. In Studies in Intelligence, 1985
  2. a b c The New York Times: Navy Has Long Had Secret Subs For Deep-Sea Spying, Experts Say 7. Februar 1995 (engl.)
  3. a b Norman Polmar: Naval Institute Guide to the Ships and Aircraft of the U.S. Fleet. US Naval Institute Press, Annapolis 2005, ISBN 978-1-59114-685-8. S. 251
  4. Schaubild der Glomar Explorer auf white.at (engl.)
  5. a b Time Magazine: The Great Submarine Snatch. 31. März 1975. (engl.)
  6. Abschrift Closing session of 16th plenum of the U.S.-Russia joint commission on prisoners of war/missing in action, November 1999 (engl.)
  7. a b Frederic A. Eustis: The Glomar Explorer Incident: Implications for the Law of Salvage. In: Virginia Journal of International Law 16 (Herbst 1975)
  8. Eustis 1975, S. 5
  9. Alfred P. Rubin: Sunken Soviet Submarines and Central Intelligence; Laws of Property and the Agency. In: The American Journal of International Law, Vol. 69, No. 4. Oktober 1975
  10. Los Angeles Times, 25. Juli 1973: Hughes' Secret Deep-Sea Ship Sets Sail for Atlantic Trials
  11. Kathryn S. Olmsted: Challenging the Secret Government: The Post-Watergate Investigations of the CIA and FBI. University of North Carolina Press, Wilmington, NC 1996. ISBN 0807845620 S. 67 - 79
  12. Urteilsbegründung auf justia.com (engl.)
  13. FOIA Counselor: Questions & Answers (engl.)
  14. Video der Bestattung, video.google.com (engl.)
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