Kastell Wallsee

Kastell Wallsee
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Kastell Wallsee
Alternativname a) Ad Iuvense
b) Loco Felicis
Limes Norischer Limes
Abschnitt Strecke 1 Noricum
Datierung (Belegung) 1.–5. Jahrhundert n. Chr.
Typ Auxiliar- und Flottenkastell
Einheit a) cohors I Aelia Brittonum
b) cohors V Breucorum
c) legio I Noricorum (liburnari)
Größe ca. 200 m × 160 m (3,1 ha)
Bauweise Steinkastell (mehrphasig)
Erhaltungszustand oberirdisch nicht sichtbar,
ein kleiner Teil der Fundamente des Restkastells im Hof des Kindergartens erhalten und konserviert (SO-Ecke)
Ort Wallsee
Geographische Lage 48° 10′ 0″ N, 14° 43′ 0″ O48.16666666666714.716666666667
Vorhergehend Legionslager Albing (westlich)
Anschließend Burgus Ybbs (östlich)
Limes3.png

Das Kastell Wallsee war ein Auxiliar bzw. Flottenkastell und Teil des Donaulimes in Österreich, Bundesland Niederösterreich, Bezirk Amstetten, Gemeindegebiet Wallsee-Sindelburg.

Das Kastell ist heute zur Gänze durch den Wallseer Ortskern überbaut, konnte jedoch archäologisch nachgewiesen werden. Geringe Reste eines spätantiken Kleinkastells (oder Burgus) in der SO-Ecke haben sich beim Kindergarten erhalten. Es war vom 1. bis ins 5. Jahrhundert kontinuierlich mit römischen Truppen belegt. Im 4. Jahrhundert wurden wahrscheinlich auch Patrouillenboote der Donauflotte hier stationiert.

Neben dem Kastell werden in diesem Artikel auch die benachbarten Wachtürme (Burgus) von Sommerau-Schweinberg und Au-Rotte Hof/Engelbachmühle behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Überreste des Kastells liegen auf einem fast rechteckigen Felsplateau, einem Ausläufer der Strengberge, die bei Wallsee bis an das Südufer der Donau heranreichen. Die Sandsteinfelsen fallen an der West- und Ostseite zunächst drei Meter, dann bis zu 45 Meter zu den darunterliegenden Donauauen steil ab. Nordwestlich lag in einem Nebenarm der Donau vermutlich die römische Hafenanlage, weiter östlich wahrscheinlich auch eine Furt, die eine Überquerung des Stromes ermöglichte.[1] Die erhöhte Lage bot einen guten Ausblick auf das nördlich der Donau liegende Machland. Außerdem bestand eine gute Sichtverbindung zu zwei nahen Wachtürmen, donauaufwärts zu dem von Au-Rotte Hof/Engelbachmühle und donauabwärts zu dem von Sommerau/Schweinberg.

Name

In der älteren Forschung wurde dieser Stützpunkt im Allgemeinen noch mit Adiuvense gleichgesetzt,[2] wo laut der Truppenliste des norischen Dux in der Notitia Dignitatum (ND)[3] auch Liburnarier der Donauflotte stationiert waren, was für so ein hoch gelegenes Kastell ungewöhnlich ist. Nach Rudolf Egger bedeutet Ad Iuvense „das auf dem Berg gelegene (-Joch)“. Diese Interpretation würde auch gut zur Lage des Kastells passen. Hanns Jörg Ubl nimmt hingegen an, dass mit dem Kastell in Wallsee in Wirklichkeit – das ebenfalls in der ND erwähnte – Loco Felicis[4] gemeint ist. Beide Annahmen sind jedoch umstritten und werden seit Jahren kontrovers diskutiert. Ad Iuvense wäre als Standort für ein Außenlager der legio I Noricorum etwas zu nahe an Lauriacum (Enns) gelegen. Loco Felicis, Lacufelix, oder auch Locus Felix („der glückliche Ort“), das zwischen Lentia (Linz) und Arelape (Pöchlarn) situiert war, wurde bereits seit 1875 in Betracht gezogen.

Grabungen 1966-2000
  • Nachdem 1966-1967 bei Kanalisationsarbeiten die Ostmauer des Kastells angeschnitten worden war, kamen bei der Verlegung einer Wasserleitung vor Haus Nr. 47 Teile der Nordmauer zutage.[5] Im selben Jahr wurde bei Kabelverlegungsarbeiten für die Straßenbeleuchtung das Vorhandensein einer zweiten, ca. 15 m vorgelagerten, schwächeren Mauer festgestellt.[6]
  • 1968 wurden bei Bauarbeiten neben der alten Volksschule wieder die Kastellmauer angeschnitten. Als drei Jahre später ein Umbau geplant wurde, führte das ÖAI eine Notgrabung durch. Zwei Sondierungsschnitte stellten in diesem Bereich drei Bauphasen der südöstlichen Kastellmauer fest, wobei die letzte in die ausgehende Spätantike gehört. Eine starke Brandschuttschicht deutet auf eine gewaltsame Zerstörung hin.[7]
  • 1969 wurde bei der Verlegung von Wasserrohren am Marktplatz vor Haus Nr. 43 eine Grube (Sohle 2,20 m tief, max. Breite 2,6 m) entdeckt, gefüllt mit Holzkohle und zahlreichen Schlackestücken (die sog. „Schwarze Grube“).[8] Im gleichen Jahr stieß man östlich von Haus Nr. 38 auf ein Hypokaustum (Heizanlage).
  • 1978 wurde bei der Grabung durch das BDA (H. Ubl) Befunde des frühen Holz-Erde-Kastells dokumentiert. Hannsjörg Ubl führte daraufhin in den folgenden Jahren mehrere Ausgrabungen durch. Dabei wurden die Reste der Principia im Bereich des Hauptplatzes (direkt neben dem Rathaus) freigelegt.
  • 1986 konnte in einer Flächengrabung im Zuge des Neubaues der Raiffeisenkasse Mauerstücke der Principia und eines antiken Wirtschaftsgebäudes ergraben werden. In deren Fundamenten fand sich eine mit einer Steinplatte abgedeckte und mit Lehm gefüllte Nische die noch die Reste eines Bauopfers aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. enthielt (mehrere Tongefäße, Sigillatenschüssel und ein Tierhorn).[9]
  • 1987–1989 wurde vor der Ostmauer in einem Suchschnitt ein Graben und ein Wall beobachtet. Die Entfernung vom Fuß der Kastellmauer zum Scheitel des Walles betrug ca. 12,7 m.[10]
  • 1999 wurden in der Parzelle Nr. 88 wurden von Elmar Tscholl Reste eines Praefurniums entdeckt. Das Erdreich des Aushubs wurde anschließend auf römerzeitliche Funde untersucht. Dabei konnten u.a. einige Münzen (konstantinisch) und 14 unbestimmte Ziegelstempel (C PR AV BR, CIAB) geborgen werden.[11]
  • 1996-2000 wurde eine Ortssanierung und bauliche Umgestaltung des Marktplatzes vorgenommen. Elmar Tscholl hatte die Möglichkeit die Aushubtätigkeiten zu beobachten, dabei zahlreiche Funde zu bergen und das BDA von den Befundaufnahmen zu verständigen. Im Bereich des Marktplatzes wurden u.a. zahlreiche gestempelte Ziegel und Streufunde geborgen. Im nördlichen Teil des Marktplatz konnten wieder Teile der Kastellmauer vom BDA dokumentiert werden.[12] Bei Arbeiten im südlichen Bereich des Marktplatzes wurde die Südmauer (Haus Nr. 34 und 54) und das Südtor des Kastells angeschnitten.[13] Zusätzlich konnte beim Haus Nr. 55 die Reste eines spätantiken Zwischenturmes lokalisiert werden.[14]

Forschungsgeschichte

Seit 1868/69 vermutete Friedrich von Kenner in der exponierten Lage des Ortes ein ideales Terrain für ein Limeskastell. Auch in der Sammlung des Schlosses in Wallsee befanden sich zu dieser Zeit schon zahlreiche römerzeitliche Fundstücke, die nach einer Brandkatastrophe im Jahre 1879 bei Aushubarbeiten ans Tageslicht kamen und vom Archivar des Herzogs von Coburg inventarisiert wurden.[15] Eduard Nowotny vermutete 1924 hier ebenfalls ein Kastell, als er an der Südostecke des Schulgebäudes eine 2 m abfallende Böschung als Reste eines Walles erkannte, der einst die Südostecke des Kastells gewesen sein musste. Auch die Nordostecke ist bei der St. Anna-Kapelle in einer bis zu sieben Meter hohen Geländestufe noch erkennbar.[16] Bestätigt wurden diese Annahmen aber erst in den 1960er-Jahren durch den Heimatforscher und Volksschuldirektor Elmar Tscholl, als ca. zwei Meter breite Fundamente der Kastellmauer, die im aufgehenden Mauerwerk noch bis zu 1,50 m stark waren, entdeckt wurden. Anhand der Beobachtungen Elmar Tscholls (vor allem Bodenstörungen und Risse in den Hausmauern) konnte das BDA seine Kenntnisse über Bauphasen und Befunde des Kastells noch wesentlich erweitern. Überall dort, wo die moderne Überbauung auf der Kastellmauer aufsaß, traten mit der Zeit auffällige Sprünge auf. Sie zeigten sich knapp über dem Bodenniveau als feine Haarrisse, die sich dann bis zum Dach hinaufzogen und dort am auffälligsten zu sehen waren. Mehrere Ausgrabungen des Österreichischen Archäologischen Institutes (ÖAI) (Herma Stiglitz) und des Österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA) (Gustav Moßler) am früheren Schulgebäude brachten später die Reste des südöstlichen Eckturms und seine spätantike Überbauung durch ein sog. Restkastell ans Tageslicht. Bei Bau- und Grabungsarbeiten ließ sich im Laufe der Zeit vor allem seine Ausdehnung aber auch einige bauliche Details des Kastells rekonstruieren.

Kastell

Militär-, Siedlungsbefunde und Gräberfelder unter dem heutigen Ortskern

Das mehrphasige Kastell (Holz-Erde-Kastell, Steinkastell I und Steinkastell II) lag etwas zurückgesetzt auf dem sich von Nord nach Süd erstreckenden Felssporn auf einem nahezu rechteckigen Plateau unter der heutigen Altstadt von Wallsee. Der Verlauf der

  • St. Anna-Gasse,
  • Alte Schulstraße,
  • Donauberg und
  • Postgasse

markiert heute grob das einstige Areal des Limeskastells. Im Norden schließt sich der Schlosspark dem Plateau an, wo auch vereinzelt römerzeitliche Keramikscherben gefunden wurden. Im Westen lag ein spätantikes Gräberfeld, am Donauufer militärisch und privat betriebene Ziegeleien und der an einem Seitenarm der Donau sich befindende Stapelplatz für die dort produzierten Ziegel. Im Süden des Kastells erstreckte sich ein Vicus bis zum heutigen Tiefenweg.

Die Kastellmauern umfassten eine etwas unregelmäßige, quadratische Grundfläche von rund 200 m × 160 Meter, das sind ungefähr 3,1 ha. In der Frühphase wurde zunächst ein Holz-Erde-Kastell errichtet, das erstmals durch die Ausgrabung von 1978 nachgewiesen werden konnte. Der im 2. Jahrhundert vorgenommene Umbau in Stein (Steinkastell I) zeigt sich besonders in der 1,5 m breiten Kastellmauer, die überwiegend aus Granitbruchsteinen ungeklärter Herkunft in Kalkmörtelbindung besteht. Die Fundamentgrube war bis zu 2,1 m dick, ein Meter tief ausgehoben und mit fest vermörtelten Bruchsteinen ausgefüllt. Darauf wurde das aufgehende Bruchsteinmauerwerk gesetzt, das sechs bis acht Meter hoch gewesen sein dürfte. Die Bruchsteine bestanden aus grün und rot gesprenkeltem Granit, der in Wallsee nicht vorkommt, der Mörtelkalk wurde offensichtlich aus Donauschotter gebrannt. Darauf weisen auch die Funde von zahlreichen quarzhältigen Geröllsteinen hin. Das Steinkastell I maß 175 m (Westmauer) × 195 m (Südmauer). Was für eine Funktion eine deutlich schmälere Mauer - die in unregelmäßigen Abständen vor der Südmauer/SO-Ecke/Ostmauer verläuft - hatte, ist bis dato nicht geklärt worden.

Näher untersucht wurden auch die weit auskragenden Ecktürme, die nördlichen und südlichen Toranlagen und dazwischenliegende Hufeisentürme, die wahrscheinlich in der Zeit Valentinians I. erbaut wurden (Steinkastell II). In der SO-Ecke entstand in der letzten Bauphase des Lagers ein Burgus oder Restkastell.

Vor der Mauer befand sich ein an der Krone 12,5 m breiter und ca. 2,6 m tiefer Spitzgraben. Heute markieren die alte Postgasse (westlich des Marktplatzes) und die alte Schulgasse (östlich davon), den Verlauf des einstigen Kastellgrabens. Das Haus Marktplatz Nr. 4 am Nordende des Platzes steht noch heute etwas tiefer als alle anderen Häuser, da es direkt in den römischen Festungsgraben gesetzt wurde.

Vorfeldsicherungen

Die ausgezeichnete Lage des Kastells auf dem gegen die Donau vorgeschobenen Plateau begünstigten im besonderen Maße seine Verteidigung. Nur im Süden mussten größere Annäherungshindernisse geschaffen werden. Es waren dies ein Graben, der noch bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts am Verlauf des sogenannten Tiefenweges deutlich sichtbar war. Durch ihn führt heute die Landstraße 6097 nach Ardagger. Noch vor 40 Jahren war der „Tiefenweg“ so markant im Gelände eingeschnitten, dass man bei der Anfahrt aus dem Süden lange nur die Spitze des Sindelburger Kirchturmes und im Norden einen Hang mit Birnbäumen sehen konnte. Erst kurz vor Wallsee gelangt man nach Überqueren einer Geländestufe auf das heutige Niveau der Straße. 1986 wurde dieser Weg mit Schotter aus dem Donaukraftwerksbau zugeschüttet. Nur sein östlicher Teil ist heute noch erhalten, der Hausname „Tiefenwegner“ erinnert an ihn. Das zweite Sperrwerk war ein Erdwall. Er befindet sich an Stelle des heutigen Mitterweges, etwa in der Mitte zwischen Wallsee und dem Tiefenweg gelegen. Er zweigt kurz nach dem Gebäude der Feuerwehr nach Osten ab. Bei der Erschließung des Geländes als Bauland wurde die Reste des Walles planiert und das Terrain als Zufahrtsstraße zu den neuen Häusern asphaltiert.

Ostseite

Vor der Ostmauer wurden Reste einer Mauer, eines Grabens und eines Erdwalles festgestellt. Die Funktion der vorgelagerten um die SO-Ecke des Lagers führende, etwas schmäleren Mauer konnte bis dato nicht geklärt werden.

NO-Ecke

Modell des Kastells im Römermuseum

1994 wurde die St. Anna-Kapelle renoviert die in der NO-Ecke des Kastells steht. Bei der Kapelle wurde dabei ein Sprung in der Ostwand beobachtet. Elmar Tscholl stellte bei Kanalarbeiten im Jahre 1995 fest, dass die Kastellmauer auf die Mitte der Ostwand zuläuft und dadurch diesen Sprung verursachte. Aufgrund dieser Beobachtungen musste die ursprüngliche Rekonstruktion der Ostmauer etwas weiter nach Westen korrigiert werden.[17]

Nordmauer

1997 konnte anlässlich von Kanalisationsarbeiten die nördliche Lagermauer angeschnitten und von Mitarbeitern des Bundesdenkmalamtes dokumentiert werden. Über dem Fundament von 1,10 m Stärke verbreitet sich das Mauerwerk auf ca. 1,25 m. Davor lag ein Graben (vallum) und eine 2 m breite Schotterschicht (Straße). Der Verlauf der Nordmauer lag um 1 m südlicher als bisher vermutet.[18] Teile des Überganges von der Ostmauer in die Nordmauer und der Nordostturm sind durch Erosion abgerutscht.[19]

Südmauer

1998 konnten auch einige Reste der Südmauer entdeckt werden. Sie verliefen 1 m weiter nördlich, als bisher angenommen wurde. Nach Aufdeckung der Nordmauer im Jahre 1997 konnte die Nord-Süd-Ausdehnung des Kastells um 2 m präzisiert werden.[20]

Restkastell

Kindergarten Wallsee, der Standort des spätantiken Restkastells
Rekonstruktionsversuch des Restkastells

Ab dem späten 4. Jahrhundert wurden die Truppen in den Limeskastellen drastisch vermindert. Für die verbliebenen Soldaten (um die 50 Mann) erbaute man ab valentinianischer Zeit in einer Lagerecke ein Klein- oder Restkastell (Burgus). Die übrige Nutzfläche des Lagers wurde der Zivilbevölkerung als Siedlungsplatz überlassen. In einer vom BDA geleiteten Notgrabung gelang es, die genaue Lage des hiesigen spätantiken Restkastells festzustellen.

Das (nachvalentinianische[21]) Wallseer Restkastell hat sich nach Beobachtungen und der Grabung von 1987–1989 im Bereich der ehemaligen Volksschule (jetzt Kindergarten) befunden. Um ein freies Schussfeld zu erhalten, wurde vor Baubeginn im Umkreis von 40 bis 60 m zuerst jedes andere Bauwerk restlos entfernt und die Vegetation abgebrannt. Zusätzlich wurde innerhalb des Restkastells ein Brunnen gegraben (heute der Brunnen der alten Schule). Im Inneren wurden die Überreste einer Feuerstelle beobachtet, die noch Fragmente spätantiker Keramik (Kücheninventar) enthielt. Hier fand sich auch eine Sichel mit Horngriff, die eventuell auf eine Belegung des Restkastells mit Wehrbauern hinweist.[22] Die bis zu 2,1 m dicken Mauern bestanden aus Bruchstein und waren an der Innenseite mit einer Tuffsteinblende versehen. Eine antike Brandschicht, 20–30 cm dick, mit Überresten gallischer Terra Sigillata, antiken Dachziegeln, Münzen und mittelalterliche Funde sowie der Einbau eines Kellers im Mittelalter lassen auf eine sich bis in nachantike Zeit erstreckende Benutzung des Gebäudes schließen.

Auch eine als Spolie im spätantiken Mauerwerk vermauertes Bruchstück eines Weihealtars aus dem frühen 3. Jahrhundert wurde sichergestellt. Er bestand aus örtlichen Sandstein, maß 0,37 × 0,51 × 0,35 m und war von Ulpius Nativos, Dekurio der Ala I Thracum, dem Iupiter Dolichenus geweiht worden.[23] Außer den schon bekannten Ziegelstempeln tauchte auch erstmalig ein Exemplar der cohors V Breucorum auf.[24] Die 19 hier geborgenen Münzen können größtenteils der Spätantike zugeordnet werden (Valens, Valentinian I., Constantius II.).

Die in der einschlägigen Literatur oft geäußerte Ansicht, dass in der Spätantike aufgrund des langsamen Versiegens der Zuwendungen aus Rom wohl auch für Baumaßnahmen nur mehr wenige Mittel zur Verfügung standen und diese sparsam und ärmlich errichtet wurden. Dies trifft für das Restkastell von Wallsee offensichtlich nicht zu. Wie die erwähnten Grabungen zeigten, war die Kleinfestung von seinen Erbauern durchaus sachkundig und qualitativ hochwertig ausgeführt worden. Dies zeigten einige Details wie z.B. die mächtigen, ausgezeichneten gearbeiteten Steinquader in der NW-Ecke, die auch für heutige Verhältnisse fortschrittliche Verblendung mit Kalktuff im Innenbereich, die Reste eines Simses und die Qualität des Mörtels. Das Wallseer Restkastell muss in seiner Glanzzeit zweifelsohne auf den Betrachter einen wuchtigen und imposanten Eindruck gemacht haben.[25]

Türme

Bereits bei der Grabung von 1971 wurde beim Haus Nr. 67 die NW-Ecke des Kastells vermutet,[26] 1975 wurden dann auf Parzelle Nr. 5 römerzeitliche Fundamente entdeckt, die als Eckturm interpretiert wurden.[27] Etwas östlich davon wurde 1992 auf Parzelle Nr. 56, bereits etwas außerhalb der Kastellmauern, beim Abriss eines Stallgebäudes ein an die Nordmauer gesetzter spätantiker Verstärkungsturm bei einer Notgrabung des BDA freigelegt. Seine westliche Mauerfront kragte etwa 5,8 m vor die Kastellmauer und war im aufgehenden Mauerwerk noch bis ca. 2 m erhalten, ihre Breite betrug rund 120 cm. Das Mauerwerk war außerordentlich hart und solide gebaut. In einem Sondierungsloch fand sich noch Dachziegelversturz (tegulae). Vermutlich wurde der spätantike Turm nachträglich an den Verstärkungsturm zwischen Nordtor und dem Eckturm an der NW-Ecke angebaut. Ob das Zwischenstück (Breite 1 m) eine Pforte oder der Ausriß einer vorangegangenen Mauer ist unklar, wahrscheinlich gehörte sie aber zur Kastellmauer. Leider konnte dieser Befund nicht für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[28] 1998 kam bei Kanalgrabungen im Haus Nr. 57 eine ca. 5 m lange, in westöstlicher Richtung verlaufende Mauer zum Vorschein. Sie bestand wie die übrigen Mauerreste der Umwehrung aus graugrün gesprenkelten Granitsteinen die mit Heißkalkmörtel verbunden waren. Vermutlich war sie Teil des südwestlichen Eckturmes.[29]

Innenbebauung

Rathaus Wallsee

Gebäudereste am Marktplatz wurden als die Principia des Lagers erkannt, an die sich im Osten ein Gebäude mit Hypokaustenheizung und Praefurnium anschließt. Bei der Asphaltierung des Marktplatzes wurden 1967 auch Kanalisationsarbeiten durchgeführt. Dabei wurden westlich der Häuser Nr. 38 bis 40 1,85 m breite Fundamentmauern angeschnitten, die nach N-S orientiert waren; vor dem Rathaus kam eine weitere 2,5 m breite Mauer in W-O verlaufende zutage. Die Beobachtungen wurden von Elmar Tscholl dokumentiert und aufgrund der zentralen Lage als die Principia des Lagers interpretiert.[30] Das Gebäude bestand aus einem größeren Raum, einem kleineren Raum mit Apsis (vermutlich das Fahnenheiligtum) und zwei Kammern, die wohl als Schreibstuben dienten. Der Verlauf ihrer bisher ergrabenen Mauern ist im Umfeld des Rathauses mit grünen Farbstrichen auf dem Boden markiert.

Der übrige Raum des Lagerareals war mit meist aus Holz oder Lehm erbauten Kasernen- oder Wirtschaftsgebäuden bebaut. Vieles vom Kastellmauerwerk wurde in den nachrömischen Perioden als billiges Baumaterial, zuerst für die Sunilburg, dann für die Festung Niederwallsee, der Vorgängerin des jetzigen Schlosses (Kernbau mit bis zu 5 m dicken Grundmauern), wiederverwendet. Auch in den ältesten Häusern von Wallsee kommen bei Umbauten und Abbruch immer wieder Zeugnisse aus römischer Zeit zutage.

Lagerstraßen

Das Lagerareal wurde von zwei Lagerhauptstraßen (Via Principalis und Via Decumana) in vier Viertel aufgeteilt. Eine dieser Achsenstraßen ist in Wallsee heute noch anhand der in nord-südlicher Richtung über den Marktplatz verlaufenden Landesstraße erkennbar.

Die andere dazu im rechten Winkel führende Straße ist nicht mehr so gut sichtbar. Sie führte Richtung Westen und ist bald nur durch einen schmalen, ca. 1,2 m breiter Durchgang zwischen dem Haus Marktplatz Nr. 20 und Marktplatz Nr. 21 weiter zu verfolgen. Nach Überschreiten des ehemaligen Grabens in der alten Postgasse läuft sie als schmaler Weg steil über den Hang weiter nach Westen. 1970 wurde beim Bau des dortigen Haus Nr. 106 eine antike Straßengabelung festgestellt. Die Lagerausfallsstraße bog hier gegen Süden wohl zum etwas weiter donauaufwärts liegenden Burgus von Sommerau ab. Der zweite nach Westen führende Ast endete an einem spätantiken Gräberfeld (heute Haus Nr. 105, Tscholl). Ihr östlicher Teil ist hingegen nicht so leicht zu erkennen. Er führt zwischen Hauptplatz Nr. 10) und Hauptplatz Nr. 11 zuerst durch den Hof eines Gasthauses, dann wieder als sehr schmaler Durchgang zwischen Kleingärten hindurch und mündet in die Schulgasse (ehemals der östliche Teil des Lagergrabens). Ihre weitere Fortsetzung nach Osten ist im Gelände nicht mehr sichtbar.

Garnison

Ziegelstempel der Cohors I Aelia Britonnum (RM Wallsee)

Stempel aus der Frühzeit des Kastells tragen die Namen der Legio II Italica die damals noch im Legionslager in Albing stationiert war, und der Legio X Gemina Pia Fidelis. Ihre Ziegel sind bis in die Spätantike in Wallsee nachzuweisen, als der Dux Ursicinus als Oberbefehlshaber der norischen Provinzarmee (exercitus Norici) amtierte. Sie kamen wohl als Baumaterial in das Kastell.

Auxiliarkohorten

Die im Lagerbereich aufgefundenen Ziegelstempel verweisen jedoch hauptsächlich auf die Anwesenheit von Kohorten der Hilfstruppen (Auxilia). Insbesondere konnten die cohors V Breucorum (5. Kohorte der Breucer) und aufgrund zahlreicher CIAB-Stempel auch eine britannische Kohorte, wahrscheinlich die cohors I Aelia Brittonum millaria (1. Aelische Kohorte der Britannier, 1000 Mann stark), als Besatzungstruppen identifiziert werden. Dem Namen nach stammte die Kohorte offensichtlich aus Britannien, wo sie unter den Kaisern Hadrian oder Antoninus Pius angeworben wurde. Nach den Vermutungen von Franz Kainz gelangte die Truppe zur Zeit Mark Aurels an die Donau und war möglicherweise später auch im Kastell Favianis stationiert.[31] Nach Einschätzung von Albrecht Aign ging sie im Zuge der diokletianisch-konstantinischen Heeresreform in der neu aufgestellten legio I Noricorum auf.[32] Für Josef Aschbach verblieb sie noch bis in die Zeit Valentinian I. als eigenständige Truppe an der norischen Donau.

Nach ihrer (hypothetischen) Stationierung im Kastell Zwentendorf sind die weiteren Aufenthaltsorte der cohors V Breucorum in Noricum nicht mehr eruierbar. Nach Ansicht J. E. Bogars verblieb die Truppe bis ins 3., oder möglicherweise sogar über das 4. Jahrhundert hinaus, in dieser Provinz. Dies vor allem deswegen da sich diverse Ziegelstempel und ein vermutlich von Passau nach Weihmörting verbrachter Weihealtar[33] eine Verlegung der Einheit (neben Wallsee) nach Schlögen oder vielleicht auch Passau (Boiodurum) vermuten lassen.

Spätantike

In der Spätantike waren laut der Liste des norischen Dux in der ND in Lacufelicis berittene Bogenschützen (equites Sagittari) und eine Abteilung Marinesoldaten (die 4. Kohorte) der legio I Noricorum unter dem Befehl eines Präfekten in Adiuvense stationiert (Praefectus legionis primae Noricorum militum liburnariorum cohortis quintae partis superioris).[34] Sie überwachten von hier aus mit ihren Patrouillenbooten den oberen Abschnitt (pars superior) der norischen Donaugrenze.

Verkehrswege

Facsimile einer Grabinschrift des Aurelius Docimus Römermuseum Wallsee-Sindelburg

Wichtigster Verkehrs- und Handelsweg war die Donau, die bequem von Schiffen und Flößen zum Waren- und Truppentransport verwendet werden konnte. Kastell und Wachtürme (burgi) in diesem Gebiet waren wie z.B. der Burgus in der Engelbachmühle (bei Strengberg) und der 1990 entdeckte Burgus in Sommerau (Sindelburg) durch ausgebaute viae (Wege) miteinander verbunden. Von den Limeskastellen führten Allwetterstraßen weiter ins Landesinnere, wo etwa auf der Trasse der heutigen Autobahn A1 (im Bereich von Wallsee) eine große ost-westliche Heerstraße (via iuxta Danuvium) verlief. Sie war in erster Linie für die Versorgung und den Truppentransport in Kriegszeiten vorgesehen.

Von Wallsee führte eine Straße mit zwei nebeneinanderliegenden, in den Sandsteinfelsen gehauenen, ca. 1,2 m breiten Geleisen zwischen dem Haus Nr. 68 und Nr. 72 zur Donau hin zu einer Ziegelei nördlich des Hauses Ufer Nr. 34.

Eine andere Geleisestraße führte in südöstlicher Richtung vom Südosteck des Kastells (Kindergarten) am Haus Nr. 75 vorbei. Sie verlief westlich am „Krautäcker“ vorbei und schnitt den Tiefenweg an seinem östlichen Ende. Sie dürfte weiter am Ostabhang des Hummelwaldes zum 2,5 km entfernten Burgus von Sommerau geführt haben (siehe weiter unten).

Eine weitere Straße führte vom Südende des heutigen Marktplatzes (ehemalige porta Decumana/Südtor) zum einstigen Tempelbezirk bei der heutigen Pfarrkirche von Sindelburg. Entlang dieser Straße befand sich auch das Gräberfeld (Stelen) für die Soldaten und die Zivilbevölkerung. Viele der heute im Römermuseum befindlichen Grabsteine stammen von dort. Die meisten wurden in nachrömischer Zeit als billiges Baumaterial für die Pfarrkirche, das Schloss, die Schule oder Wohnhäuser wiederverwendet.

Vicus

Das Lagerdorf (Vicus) erstreckte sich südlich des Kastells bis etwa zur Straße nach Ardagger. Hier wohnten Handwerker, Händler und die Familien der Soldaten und Veteranen. Einige von ihnen hatten es offensichtlich zu einem gewissen Wohlstand gebracht, da sie sich gut ausgestattete Steinhäuser mit Wandverputz, Böden aus Ziegelrhombenpflaster und Hypokaustheizungen leisten konnten. In den Grabungsplänen wurden nur die Fundplätze von Häusern eingetragen, die Steinfundamente besaßen. Die meisten Häuser des Wallseer vicus bestanden aber wohl hauptsächlich aus Holz oder Lehm, ihre Reste konnten erst durch behutsame archäologische Grabungen aufgedeckt werden. Es wurden auch beheizbare und teilunterkellerte Wohn- oder Wirtschaftsgebäude nachgewiesen, an Handwerksbetrieben konnten Töpfereien und Schmiedewerkstätten identifiziert werden. Nach wie vor nicht geklärt ist die Position jenes Gräberfeldes, aus dem die im Wallseer Schloss verwahrten Grabdenkmäler stammen.

Gewerbebetriebe

Im Jahre 1978 gelang die spektakulärste Entdeckung des Zivilvicus. Bei Aushubarbeiten für das Haus Wallsee Nr. 83 kam ein Keller mit Gewerbekeramik zum Vorschein. Die Form der Gefäße ließ den Schluss zu, dass in antiker Zeit hier ein milchverarbeitender Betrieb existiert haben musste. Hier fanden sich auch die Reste riesiger Aufrahmschüsseln von fast 1 m Durchmesser, mit denen Topfen und Käse erzeugt wurde. Ihr Besitzer war offensichtlich sehr vermögend, dass er sich neben einer Hypokaustenheizung drei verschiedene Arten von Terrazzoböden, Wandmalereien und eine sehr schön gearbeitete Marmorstatue, die eine Gottheit darstellte, leisten konnte. Auch an anderer Stelle wurde eine weitere Riesenschüssel gefunden (Haus Nr. 150).

Ein anderes Betriebsgebäude, in dem Ausgangsmaterial für die Herstellung von Terrazzo-Estrich, Ziegelsplitt, hergestellt wurde, fand sich beim Baugrubenaushub des Hauses Nr. 96 in der Josefsiedlung. Unter dem Humus lagen u.a. große Mengen feinst gesiebten Ziegelsplittes.

Im Nordwesten des Kastells befand sich eine große Ziegelbrennerei mit Stapelplatz der sowohl von einem privaten Produzenten, Petronius, als auch von der Armee genutzt wurde (Grundstück Ufer Nr. 34). In den Brennöfen wurden hauptsächlich Tegulae (Dachziegel) hergestellt, da nur ziegelgedeckte Gebäude wirksamen Schutz gegen feindliche Brandgeschosse boten. Für die Militärbauten wurden daher große, dicke Ziegelplatten produziert (sog. Later: 45 × 33 × 5 cm oder Semilater: 22 × 33 × 5 cm). Sie wurden - den Funden nach zu schließen - in Wallsee nur für Böden in militärischen Gebäuden, zur Abdeckung der Kastellmauerkrone und in der Ziegelei selbst verwendet. Kleine quadratische Plattenziegel (18 × 18 × 3 cm) wurden als Gewölbeziegel verbaut. Eine Spezialität waren die - durch eine mit Glimmer versetzte Lehmmischung hergestellten - Heizröhrenziegel (Tubuli), die für Rauchabzugskanäle in Hypokaustenheizungen dienten.

Keramik

Römischer Teller, RM Wallsee

Im Bereich der Zivilsiedlung wurde auch ein Keramikbrennofen gefunden, der beweist, dass auch Töpfer hier ihre Ware produzierten. Die vermögenden Bewohner verwendeten teures, rotglasiertes Geschirr, die sog. Terra-Sigillata, das im 1. Jahrhundert aus Oberitalien (Arezzo), im 2. Jahrhundert aus Süd-, Mittel- und Ostgallien (Frankreich) und ab den 3. Jahrhundert hauptsächlich aus dem Rheingebiet (Rheinzabern, Tabernae) nach Wallsee importiert wurde. Ab dem 4. Jahrhundert ist keine Sigillata mehr in Wallsee nachzuweisen. Stattdessen wurde nun verstärkt pannonische Ware verwendet, die bräunlich und grünlich glasiert war. Reste dieser Keramik werden immer wieder bei Aushubarbeiten gefunden.

Die Sammlung im Römermuseum zeigt alle bisher gefundenen Sigillata-Gefäßtypen in restauriertem Zustand. Hauptsächlich verwendete man für den täglichen Gebrauch aber eine billige, derbe, grau und gelblich gebrannte Ware, wie sie in örtlichen Töpfereien erzeugt wurden. Sie stammten hauptsächlich aus Werkstätten in Enns-Lorch, St. Pölten oder Wels. Aus dem Fragment einer 1989 gefundenen Amphore ging auch hervor, dass nach Wallsee sogar Olivenöl aus Spanien importiert wurde. Diese Gebrauchskeramik kommt in Wallsee in großen Mengen vor, insbesondere dort, wo auch Überreste von Häusern oder ganzen Siedlungen zu finden waren, wie z.B. auch in einem 10 m langen Abfallgraben auf der Parzelle Nr. 150.

Kult und Religion

Dolichenus-Altar, RM Wallsee
Tegula mit der eingeritzten Darstellung eines Fischkopfes

Zur Römerzeit befand sich mit ziemlicher Sicherheit außerhalb des Wallseer Kastells auch ein Heiligtum oder Tempelbezirk. Man weiß jedoch nicht, welche Gottheit dort verehrt wurde. In Städten und Militärlagern wurde üblicherweise die Göttertrias Jupiter, Juno und Minerva verehrt. Am norischen Limes breiteten sich aber in der Spätantike auch orientalische Kulte aus. Seit der Auffindung eines Dolichenusaltars im Restkastell weiß man, dass diese Gottheit auch von der Garnison verehrt wurde. Ein weiterer populärer Kult unter den Kastellbesatzungen war der des Mithras. Dieser ursprünglich aus Persien stammende Lichtgott wurde vorzugsweise in natürlichen oder künstlichen Höhlen (Mithräum) verehrt. Auf der Parzelle 79/2 befindet sich eine flache Höhle in einem Sandsteinfelsen. Noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts begaben sich die älteren Frauen des Ortes jedes Jahr im Monat Mai dorthin, um zu einer dort aufgestellten Marienstatue zu beten. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass dieser christliche Verehrungsplatz ursprünglich ein Mithrasheiligtum beherbergt haben könnte.[35] Ob zwei 1989 geborgene Säulenfundamentsteine aus Wallseer Sandstein zu einem Grabmal oder vielleicht zu einem Tempel am Standort der heutigen Pfarrkirche von Sindelburg gehört haben, konnte bis dato nicht geklärt werden.

Der Fund eines römerzeitlichen Dachziegels aus dem Lagerdorf mit der Einritzung eines Fisches könnte ein Hinweis darauf sein, dass im Umfeld des Kastells schon sehr früh auch Anhänger des Christentums gelebt haben. Das Fischsymbol als ihr Erkennungszeichen ist für das 1. Jahrhundert n. Chr. archäologisch nachgewiesen. Der Ziegler hatte mit seinem Finger zwei nach links schwimmende Fische eingeritzt. In tieferen Linien sind sogar noch die Spuren seiner Fingernägel erkennbar. Von den beiden dargestellten Fischen ist einer nur halb und vom anderen nur die Bauchflossen erhalten geblieben. Der Fisch hat einen spitzen Kopf der durch die Andeutung eines Kiemendeckels etwas vom Rumpf abgesetzt ist. Der Fischkörper ist mit Schuppen bedeckt. Den Flossen nach zu urteilen, schwimmen beide in dieselbe Richtung.[36] Nach offizieller Anerkennung des Christentums wurde vermutlich anstelle des vorchristlichen Heiligtums bei der heutigen Pfarrkirche von Sindelburg eine christliche Taufkapelle errichtet. Das Patrozinium „Hl. Johannes der Täufer“ ist ein weiteres starkes Indiz für diese Annahme.

Datierung und Funktion

Das Keramikspektrum (nur teilweise publiziert), reicht vom späten 1. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhundert und spricht für eine lange Belegung des Kastellplatzes (90–488 n. Chr.) Wann genau das frühe Kastell errichtet worden ist, lässt sich jedoch heute noch nicht mit Sicherheit sagen.[37]

Die mittlere Donau – vor dem 1. Jahrhundert ein Teil des keltischen Königreiches Noricum – wurde um 15 v. Chr. zuerst römisches Protektorat und schließlich unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) zur Provinz und blieb über 500 Jahre im Verband des römischen Reiches. Die in der Antike in viele Seitenarme aufgegliederte Donau (Danuvius) bildete den wichtigsten west-östlichen Handelsweg an seiner Nordgrenze. Seit 1966 wurde von Fachleuten die Frage diskutiert, warum das Kastell gerade hier errichtet worden ist, zumal schon knapp 10 km südöstlich eine weitere römische Militärstation, das stark befestigte Mauer an der Url, existierte.

Hauptausschlaggebend für die Errichtung einer weiteren Militärstationen war sicher das herausgehobene Terrain. In dieser Region entwässern sich auch an ihrem Südufer gleich mehrere Bäche in die Donau. Es sind dies die Große- und die Kleine Ysper, der Sarmingbach sowie der Gießenbach. Sie durchqueren jeweils größere Talschluchten, die wie Ausfallspforten aus dem Bergland zur Donau hin geöffnet sind. Genau gegenüber befand sich die ursprüngliche Mündung der Naarn die zusammen mit dem Aistbach aus dem Mühlviertel dem Nordufer der Donau zufließt. Von Grein bis Mauthausen öffnet sich zudem eine kleine Ebene, die vom Hügelland des unteren Mühlviertels umgeben wird. Gerade ihr könnte eine gewisse strategische Bedeutung als Sammelplatz zugekommen sein. Bei Wallsee biegt sich auch der etwas erhöhte Rand des Südufers gegen Süden ein und lässt wiederum Raum für eine kleine Ebene zwischen sich und dem Strom. Erst bei Ardagger rückt er wieder nahe an die Donau heran, sodass Ardagger und Wallsee jeweils an den Endpunkten dieses natürlichen Bogens liegen.[38]

Ausgrabungen im oberösterreichischen Mitterkirchen (Machland Nord), genau gegenüber von Wallsee, förderten weiters ein großes hallstattzeitliches Gräberfeld zutage. Man nimmt an, dass hier über eine lange Zeit ein großer Barbarenstamm sein Siedlungszentrum hatte. Mit dem Kastell sollte wohl auch die römische Stärke und Militärorganisation demonstriert werden. Überdies diente es später auch als östlicher Flankenschutz für die neuen Legionslager in Albing und Lauriacum (Enns-Lorch). Weiters ließen sich von diesem Stützpunkt auch der Schiffsverkehr auf der Donau und alle Aktivitäten am Nordufer gut beobachten. In der Spätantike war Wallsee vermutlich auch Flottenstützpunkt.

Außenposten

Burgus Sommerau

Die Turmstelle liegt auf einen nach Nord, West und Süd steil abfallenden Geländesporn über der Donau, dieser wird an der Ostseite von Gräben vom Hinterland getrennt. Durch Lesfunde römischer Ziegel zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde man auf die römische Vergangenheit dieser Örtlichkeit aufmerksam. In antiken Quellen wird er nicht erwähnt, erst die Summerauer Burg, die den Burgus später vereinnamte, wird in mittelalterlichen Quellen genannt. Aufgrund diese Umstände veranlasste 1992 das BDA (Hannsjörg Ubl) eine Sondierung des in Frage kommenden Areals. Antike Bausubstanz ließ sich jedoch nicht mehr feststellen. Insgesamt wurden drei Sondierungsschnitte durchgeführt. Der erste am Gipfel des Burghügels ergab, dass dieser künstlich aufgeschüttet worden sein musste. Die Lage des Burgus wurde daher weiter südöstlich angenommen.[39] Die exponierte Lage und Ziegelstempel der Legio II Italica, des Grenzgenerals (Dux) Ursicinus und der Auxiliares Lauriacenses[39] verweisen auf eine militärisch genutzte Anlage, vermutlich ein spätantiker Signal- oder Wachtturm. Die Reste des Wachturmes gingen zur Gänze in der mittelalterlichen Burg auf, die heute aber ebenfalls vollkommen verschwunden ist. Wahrscheinlich wurde er zeitgleich mit dem Burgus von Au-Rotte Hof errichtet.[40] Die Anlage gehörte zum spätantiken Grenzsicherungssystem von Ufernoricum.

Burgus Au-Rotte Hof

Die Turmstelle gehört zum Gemeindegebiet von Strengberg im Ortsteil Au-Rotte Hof/Thürnbach. Der spätantike Burgus liegt bei der sog. Engelbachmühle über dem Auland der Donau auf einem herausgehobenen Ausläufer der Strengberge zwischen dem Legionslager Lauriacum und dem Kastell Wallsee. Er wird im Norden durch den Engelbach begrenzt und fällt im Osten und Westen gegen das Donauufer ab. Im Süden ist noch deutlich ein Graben erkennbar. Für St. Pantaleon und Strengberg liegen schon seit dem 19. Jahrhundert einschlägige Fundberichte vor (Keramik und Ziegelbruch der legio II Italica, Dux Ursicinus). Nach Mitteilung von K. Kramler wurden bei der Schottergewinnung "...zwei turmartige runde Mauerwerke mit Gewalt zerstört". [41] Später wurde die Örtlichkeit auch immer wieder von Raubgräbern durchwühlt und der Geländesporn zunehmend zur Gewinnung von Erdreich abgebaggert. Eine 1979 durch das BDA veranlasste Notgrabung (Hannsjörg Ubl) konnte trotz allem noch die Reste eines spätantiken Burgus feststellen, der aus Stein errichtet war und im Laufe der Zeit wohl dem Steinraub zum Opfer fiel. Der quadratische Bau maß 9 × 9 m und hatte vermutlich ein Ziegeldach. Die Ziegelstempel lassen auf eine Errichtung des Burgus zur Zeit Valentinians (Zeitrahmen 350–400) durch Angehörige der Legio II Italica (im Auftrag des Dux Ursicinus) die in Lauriacum stationiert waren, schließen.[42] Der Turm gehörte zur valentinianischen Grenzsicherungskette Ufernoricums, in den bekannten antiken Quellen wird er nicht genannt.

Hinweise

Das Kastell ist heute komplett durch den Ortskern überbaut. Ein Teil der Kastellmauer wurde beim Kindergarten konserviert. Der Verlauf einiger Bereiche der Kastellmauer ist am (Markt-)Hauptplatz auf dem Straßenbelag mit aufgemalten grünen Linien gekennzeichnet. Am Gelände des Kindergartens ist auch ein Rest der spätantiken Kastellmauer zu besichtigen. Die Besichtigung der Kastellmauer ist nach Vorsprache im Gemeindeamt möglich. Sämtliche Funde sind im 1997 eröffneten Römermuseum im sog. „Salzhaus“, untergebracht. Wallsee liegt direkt am Donau-Radweg, der auch um den Burgfried führt. Die Örtlichkeit des Sommerauer Burgus kann von der Landstraße Wallsee-Ardagger über eine Stichstraße nach Schweinberg erreicht werden. Zum Burgus von Au-Rotte Hof gelangt man über die B1 und eine westlich von Strengberg Richtung Norden abzweigenden Stichstraße.

Denkmalschutz

Die Anlagen sind Bodendenkmäler im Sinne des Denkmalschutzgesetzes.[43] Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden ohne Genehmigung des Bundesdenkmalamtes stellen eine strafbare Handlung dar. Zufällige Funde archäologischer Objekte (Keramik, Metall, Knochen etc.), sowie alle in den Boden eingreifenden Maßnahmen sind dem Bundesdenkmalamt (Abteilung für Bodendenkmale) zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Herwig Friesinger, Fritz Krinzinger (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich, Führer zu den archäologischen Denkmälern, Verlag der ÖAW, Wien 1997, S. 195–202.
  • Elmar Tscholl: Archäologische Mosaiksteine aus Wallsee. Beobachtungen, Feststellungen, Fundbergungen und Grabungen im Bereich des Donau-Auxiliarkastells. Teil B: Neue Funde aus dem Kastellbereich Wallsee, 1979-1999. In: Hannsjörg Ubl zum 65. Geburtstag. Wien 2002, S. 113ff. (Römisches Österreich, Band 23/24).
  • Elmar Tscholl: Ein Römisches Limeskastell in Wallsee. 10 Jahre Beobachtungen zum Limeskastell von Wallsee (1966-1976). In: Römisches Österreich, 5/6, Band 1977/78, S. 109ff.
  • Elmar Tscholl: Ausgrabungen im römischen Wallsee (Kastell und Vicus). In: Jahrbuch des Oberösterr. Museumsvereines, Band 134/1, Linz 1989, S. 63–66..
  • Elmar Tscholl: Das spätantike Restkastell von Wallsee. In: Jahrbuch des Oberösterr. Museumsvereines, Band 135, Linz 1990, S. 35–55,
  • Elmar Tscholl: Das Limeskastell Adiuvense, Aktualisierte 2. Auflage, 2001.
  • Elmar Tscholl: Archäologische Mosaiksteine aus Wallsee, Beobachtungen, Feststellungen, Fundbergungen und Grabungen im Bereich des Donaulimes-Auxiliarkastells Teil B. Neue Funde aus dem Kastellbereich Wallsee, 1979-1999, in Römisches Österreich (Ekkehard Weber, Peter Scherrer, Gunter Fitz, Hrsg.), Jahrgang 23/24, 2000-2001, S 113 - 203, Selbstverlag der Österr. Gesellschaft f. Archäologie, Wien 2002,
  • Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1986, ISBN 3-7001-0783-8 (Der römische Limes in Österreich, 33), S. 184-196.
  • Manfred Kandler, Hermann Vetters (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich. Ein Führer. Wien 1989, S. 140–141,
  • Sándor Soproni: Nachvalentinianische Festungen am Donaulimes. In: Studien zu den Militärgrenzen Roms III, Stuttgart 1986, S. 405.
  • Heimo Czerny: Römisches Wallsee. Vor 25 Jahren entdeckte ein Laienarchäologe das letzte Limeskastell in Österreich. In: NÖ Kulturberichte/Geschichte, Juli/August 1991, S. 20–21,
  • Hannsjörg Ubl: Der österr. Abschnitt des Donaulimes. Ein Forschungsbericht (1970-1979). In: William Hanson und Lawrence Keppie (Hrsg.): Roman Frontier Studies Nr. 12 (Papers presented to the 12th internat. Congress of Roman Frontier Studies. Oxford 1980, S. 587.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tscholl 1978, S. 113.
  2. Kurt Genser: 1986, S. 191.
  3. Occ. 34,40.
  4. occ. 34,33.
  5. Fundberichte aus Österreich: Band 9, 1966–1970, S. 81.
  6. Kurt Genser: 1986, S.187
  7. Fundberichte aus Österreich: Band 10, 1971, S. 87, Elmar Tscholl: 1978, S. 146.
  8. Elmar Tscholl: 1978, S. 165.
  9. Elmar Tscholl: 1989, S. 64.
  10. Elmar Tscholl: 1990, Fundberichte aus Österreich: Band 27, 1988, S. 316.
  11. Tscholl 1978, S. 168.
  12. Fundberichte aus Österreich: Band 36, 1997, S. 31, Elmar Tscholl: 2002, S. 134f.
  13. Elmar Tscholl: 2002, S. 141.
  14. Elmar Tscholl: 2002, S.139 (Funde S. 161).
  15. Elmar Tscholl: 2002, S. 200.
  16. Eduard Nowotny: 1925, S. 112.
  17. Elmar Tscholl: 2002, S. 136.
  18. Fundberichte aus Österreich: Band 37, 1998, S. 41.
  19. Kurt Genser: 1986, S. 194.
  20. Fundberichte aus Österreich: Band 37, 1998, S. 40.
  21. Sandor Soproni: 1986, S  409/15.
  22. E. Tscholl: 1990, S. 38.
  23. Inschrift (5 zeilig): I(ovi) O(ptimo) M(aximo) DOL(icheno) ULP(ius) NATIVOS DEC(urio) AL(ae) I T(hracum).
  24. Elmar Tscholl: 1990, S. 44.
  25. Elmar Tscholl: 1990, S. 41.
  26. Fundberichte aus Österreich: Band 10, 1971, S. 87.
  27. Elmar Tscholl: 1978, S. 146.
  28. Fundberichte aus Österreich: Band 10, 1971, S. 87, Elmar Tscholl: 2002, S. 136.
  29. Elmar Tscholl: 2002, S. 138
  30. Elmar Tscholl: 1978, S. 151.
  31. Vgl. auch hierzu Willem Zwikker: Studien zur Markussäule, Allard Pierson Stichting, Universiteit van Amsterdam 1941, Diss., S. 110.
  32. A. Aign, in: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst u. Volkskund, Nr. 6, 1965, S. 21.
  33. CIL 3, 5613
  34. ND occ. XXXIIII/XXXX
  35. Ellmar Tscholl, 2001.
  36. Elmar Tscholl, Römisches Österr. Nr.5/6, 1977/78, S. 216
  37. Erwin M. Ruprechtsberger: 1980, S. 22, Hanns-Jörg Ubl 1980, S. 590 Kurt Genser, 1986, S. 195.
  38. Kurt Genser: 1986, S. 196.
  39. a b Elmar Tscholl: 2002, S. 193.
  40. Hannsjörg Ubl in: Friesinger – Krinzinger, 2002², S. 201.
  41. Kurt Genser: 1986, S. 181
  42. Hannsjörg Ubl, 1980.
  43. [1] auf der Seite des Bundesdenkmalamtes.

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