Abelsche Lie-Algebra

Abelsche Lie-Algebra


Lie-Algebra

berührt die Spezialgebiete

ist Spezialfall von

Beispiele sind

Eine Lie-Algebra, benannt nach Sophus Lie, ist eine algebraische Struktur, die hauptsächlich zum Studium geometrischer Objekte wie Lie-Gruppen und differenzierbare Mannigfaltigkeiten eingesetzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Eine Lie-Algebra ist ein Vektorraum \mathfrak g über einem Körper K zusammen mit einer Verknüpfung [\cdot,\cdot]:\mathfrak g\times \mathfrak g\longrightarrow \mathfrak g,\quad (x,y)\longmapsto [x,y], welche Lie-Klammer genannt wird und den folgenden Bedingungen genügt:

  • Sie ist bilinear, das heißt linear in beiden Argumenten. Es gilt somit [ax + by,z] = a[x,z] + b[y,z] und [z,ax + by] = a[z,x] + b[z,y] für alle a, b\in K und alle x, y, z \in \mathfrak g.
  • Sie genügt der Jacobi-Identität. Die Jacobi-Identität lautet: [x,[y,z]] + [y,[z,x]] + [z,[x,y]] = 0 gilt für alle x,y,z\in \mathfrak g.
  • Es gilt [x,x] = 0 für alle x\in \mathfrak g.

Die erste und dritte Eigenschaft implizieren zusammengenommen die Antisymmetrie [x,y] = − [y,x] für alle x, y \in \mathfrak g.

Wenn der Körper K nicht Charakteristik 2 hat, so kann man aus der Antisymmetrie alleine wieder die dritte Eigenschaft herleiten (man wähle y = x).

Lie-Klammern sind im Allgemeinen nicht assoziativ: [[x,y],z] muss nicht gleich [x,[y,z]] sein.

Anstelle eines Körpers und eines Vektorraums lässt sich eine Lie-Algebra allgemeiner für einen kommutativen unitären Ring definieren.

Beispiele

Aus der Algebra

[x,y] = x\cdot y - y\cdot x
wählt. Umgekehrt kann man zeigen, dass sich jede Lie-Algebra als eingebettet in eine assoziative Algebra mit einem Kommutator auffassen lässt, die so genannte universelle einhüllende Algebra.
  • Die allgemeine lineare Lie-Algebra \mathfrak{gl}(V) für einen K-Vektorraum V ist die Lie-Algebra der Endomorphismen von V mit dem Kommutator
[A,B] = ABBA
als Lie-Klammer. Ist speziell V = Kn, so schreibt man \mathfrak{gl}_n(K) statt \mathfrak{gl}(V).
  • Ein Ideal in \mathfrak{gl}(V) wird von den Endomorphismen mit Spur 0 gebildet. Es heißt „spezielle lineare Lie-Algebra“ und wird mit \mathfrak{sl}(V) bzw. \mathfrak{sl}_n(K) bezeichnet.
  • Der Vektorraum \mathbb{R}^3 bildet eine Lie-Algebra, wenn man die Lie-Klammer als das Kreuzprodukt definiert.
  • Als konkretes Beispiel betrachten wir die Lie-Gruppe {\rm SL}(n, \mathbb{R}) aller (n\times n)-Matrizen mit reellen Elementen und Determinante 1. Der Tangentialraum der Einheitsmatrix kann mit dem Raum aller reellen (n \times n)-Matrizen mit Spur 0 identifiziert werden, und die Matrizen-Multiplikation der Lie-Gruppe liefert über den Kommutator die Lie-Klammer der Lie-Algebra.

Aus der Physik

In der Physik sind die Liegruppen SO(n) bzw. SU(n) wichtig, das sind die Drehungen des reellen bzw. komplexen Raumes in n Dimensionen. Wie schon gesagt, erinnert nicht nur die Bezeichnungsweise für das Lieprodukt an das Kreuzprodukt von Vektoren im Dreidimensionalen, sondern die Gruppeneigenschaft bedeutet hier konkret, dass z. B. das Produkt zweier Drehungen um je eine Achse als Drehung um eine dritte Achse darstellbar sein muss, so dass man auf die Exponentialfunktion geführt wird. In der Tat lassen sich die Gruppen SU(n) in der Form SU(n)=\left \{\,\exp i\,\sum\limits_{\alpha=1}^{n^2-1} A_\alpha\,\hat G_\alpha\,\right \} mit komplexen Zahlen Aα darstellen, wobei die selbstadjungierten Operatoren \hat G_\alpha den Elementen der Lie-Algebra entsprechen. Insgesamt erhält man so unitäre Operatoren in einem sog. Hilbert-Raum. Näheres siehe Quantenmechanik, Eichtheorien und Quantenchromodynamik.

Glatte Vektorfelder

Die glatten Vektorfelder auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit bilden eine unendlich-dimensionale Lie-Algebra. Die Vektorfelder operieren als Lie-Ableitung auf dem Ring der glatten Funktionen. Seien X,Y zwei glatte Vektorfelder und f eine glatte Funktion. Wir definieren die Lie-Klammer durch

\ [X, Y]f := (XY - YX)f.

Lie-Algebra einer Lie-Gruppe

Der Vektorraum der linksinvarianten Vektorfelder auf einer Lie-Gruppe ist unter dieser Kommutatoroperation abgeschlossen und bildet eine endlich-dimensionale Lie-Algebra.

Glatte Funktionen mit der Poisson-Klammer

Die glatten Funktionen auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit bilden mit der Poisson-Klammer eine Lie-Algebra. Vergleiche Poisson-Mannigfaltigkeit.

Homomorphismen

Seien \mathfrak g und \mathfrak h zwei Lie-Algebren. Eine lineare Abbildung \varphi:\mathfrak g\longrightarrow \mathfrak h heißt Lie-Algebra-Homomorphismus, wenn [\varphi(x),\varphi(y)]=\varphi([x,y]) für alle x,y\in \mathfrak g gilt.

In der Kategorie der Lie-Algebren sind die Lie-Algebren die Objekte und die Lie-Algebra-Homomorphismen die Pfeile.

Unteralgebra

Eine Unteralgebra einer Lie-Algebra \mathfrak g ist ein Untervektorraum \mathfrak h\subseteq \mathfrak g, der abgeschlossen unter der Lie-Klammer ist. Das heißt, für alle x,y\in \mathfrak h gilt [x,y]\in \mathfrak h. Eine Unteralgebra ist selbst eine Lie-Algebra.

Ideal

Eine Unteralgebra \mathfrak i\subseteq \mathfrak g heißt Ideal, wenn [x,y]\in \mathfrak i für alle x\in \mathfrak g und y\in \mathfrak i gilt.

Die Ideale sind genau die Kerne der Lie-Algebra-Homomorphismen.

Auf dem Quotientenraum \mathfrak g/\mathfrak i wird durch [x+\mathfrak i,y+\mathfrak i]:=[x,y]+\mathfrak i eine Lie-Algebra definiert, die Quotienten-Algebra. Dabei waren x,y\in \mathfrak g.

Satz von Ado

Der Satz von Ado (nach dem russischen Mathematiker Igor Dmitrijewitsch Ado) besagt, dass jede endlichdimensionale komplexe Lie-Algebra isomorph zu einer Unteralgebra der \mathfrak{gl}_n(\mathbb C) für ein genügend großes n ist. Das heißt, man kann jede endlichdimensionale komplexe Lie-Algebra als eine Lie-Algebra von Matrizen darstellen.

Typen von Lie-Algebren

Abelsche Lie-Algebra

Eine Lie-Algebra ist abelsch, wenn die Lie-Klammer identisch Null ist.

Jeder Vektorraum bildet eine abelsche Lie-Algebra, wenn man jede Lie-Klammer als Null definiert.

Nilpotente Lie-Algebra

Sei \mathfrak g eine Lie-Algebra. Wir definieren die absteigende Zentralreihe durch:


\mathcal C^0\mathfrak g=\mathfrak g,\;\;\;
\mathcal C^1\mathfrak g=[\mathfrak g,\mathfrak g],\;\;\;
\mathcal C^2\mathfrak g=[\mathfrak g,\mathcal C^1\mathfrak g], allgemein \mathcal C^{n+1}\mathfrak g=[\mathfrak g,\mathcal C^n\mathfrak g].

Die absteigende Zentralreihe wird gelegentlich auch \mathfrak g^{n} o.ä. geschrieben.

Eine Lie-Algebra heißt nilpotent, wenn ihre absteigende Zentralreihe schließlich Null wird, d.h. \mathcal C^N\mathfrak g=\{0\} für einen Index N.

Satz von Engel

Sei \mathfrak g eine endlichdimensionale komplexe Lie-Algebra, dann sind die beiden folgenden Aussagen äquivalent:

  1. Die Lie-Algebra \mathfrak g ist nilpotent
  2. Für jedes  x \in \mathfrak g ist {\rm ad}(x):\mathfrak g\longrightarrow \mathfrak g,\ y\longmapsto [x,y] eine nilpotente lineare Abbildung.

Auflösbare Lie-Algebra

Sei \mathfrak g eine Lie-Algebra. Wir definieren die abgeleitete (oder derivierte) Reihe durch:


\mathcal D^0\mathfrak g=\mathfrak g,\;\;\; \mathcal D\mathfrak g=[\mathfrak g,\mathfrak g],
\;\;\; \mathcal D^2\mathfrak g=[\mathcal D\mathfrak g,\mathcal D\mathfrak g], allgemein \mathcal D^{n+1}\mathfrak g=[\mathcal D^n\mathfrak g,\mathcal D^n\mathfrak g] .

Die abgeleitete Reihe wird gelegentlich auch \mathfrak g^{(n)} o.ä. geschrieben.

Eine Lie-Algebra heißt auflösbar, wenn ihre abgeleitete Reihe schließlich Null wird, d.h. \mathcal D^N\mathfrak g=\{0\} für große N.

Eine maximale auflösbare Unteralgebra heißt Borel-Unteralgebra.

Einfache Lie-Algebra

Eine Lie-Algebra heißt einfach, wenn sie kein nicht-triviales Ideal hat und nicht abelsch ist.

Bei den Lie-Algebren wird Einfachheit abweichend verwendet. Dies kann zu Verwirrungen führen. Wenn man eine Lie-Algebra als algebraische Struktur auffasst, so ist die Forderung, dass sie nicht abelsch sein darf, unnatürlich.

Halbeinfache Lie-Algebra

Eine Lie-Algebra \mathfrak g heißt halbeinfach, wenn sie die direkte Summe von einfachen Lie-Algebren ist.

Für eine endlichdimensionale Lie-Algebra g sind die folgenden Aussagen äquivalent:

  1. \mathfrak g ist halbeinfach.
  2. Das Radikal von \mathfrak g verschwindet.
  3. Die Killing-Form: \ k(u, v) = {\rm tr}({\rm ad}(u)\circ {\rm ad}(v)) ist nicht entartet (tr bezeichnet die Spur von Endomorphismen).

Satz von Weyl

Sei \mathfrak g eine halbeinfache, endlichdimensionale, komplexe Lie-Algebra, dann ist jede endlichdimensionale Darstellung von \mathfrak g vollständig reduzibel.

Klassifikation

Halbeinfache komplexe Lie-Algebren können anhand ihrer Wurzelsysteme klassifiziert werden; diese Klassifikation wurde 1900 von Élie Cartan abgeschlossen.

Reelle Lie-Algebren

Eine Auswahl reeller Lie-Algebren

  1. 1-dimensionale:
    1. \mathbb{R}
  2. 2-dimensionale:
    1. \mathbb{R}^2
    2. [a,b] = a
  3. 3-dimensionale:
    1. \mathbb{R}^3
    2. Heisenberg-Algebra
    3. \mathfrak{su}(2) \cong \mathfrak{so}(3,\mathbb{R})
    4. \mathfrak{sl}(2,\mathbb{R})
  4. 4-dimensionale:
    1. Basis {U,X,Y,Z} mit [U,X] = Y,[U,Y] = Z,[X,Y] = 0, Z im Zentrum, ist nilpotent mit Nilindex 3. Diese heißt Filiform-Lie-Algebra.
  5. 5-dimensionale:
  6. 6-dimensionale:
    1. \mathfrak{sl}(2,\mathbb{C})  \cong \mathfrak{so}(3,1)

Literatur

  • Igor Frenkel, James Lepowsky, Arne Meurman: Vertex Operator Algebras and the Monster, Academic Press, New York (1989) ISBN 0-12-267065-5
  • Anthony W. Knapp: Lie Groups Beyond an Introduction, Birkhäuser (2002) ISBN 0-8176-4259-5
  • Jean-Pierre Serre: Complex Semisimple Lie Algebras, Springer, Berlin, 2001. ISBN 3-5406-7827-1

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