Abendlob

Abendlob

Die Vesper (lat. vespera „Abend“) ist das liturgische Abendgebet der Kirche.

Jüdischer Tradition entsprechend, sieben bzw. drei Mal am Tag zu beten, entwickelte die frühe Kirche im Zuge ihrer Abspaltung vom Judentum die Vorstufe des heutigen Stundengebets, das im Urchristentum noch gemeindegottesdienstlichen Charakter hatte. Als Abendgebet kam dabei der Vesper eine zentrale Rolle zu. Die jüdische Tradition, die Psalmen des Alten Testaments zu beten, führten die Christen fort. Dabei wurden für die Vesper insbesondere Psalmen mit abendlichen Motiven gewählt. Weitere Bestandteile der Vesper waren und sind bis heute christliche Hymnen und das Vaterunser.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Stundengebets hatte das Aufkommen des christlichen Mönchtums ab dem 3. Jahrhundert. Für Mönche machte das Stundengebet einen wesentlichen Teil ihres Tages aus, sodass die einzelnen Gebetszeiten entsprechend lang waren. Üblich für Mönche war es, täglich alle 150 Psalmen zu beten, so dass neben den klassischen Psalmen mit abendlichen Motiven zur Vesper noch weitere gebetet wurden, um das tägliche Gebetspensum zu erfüllen.

Im östlichen Christentum behielt das Stundengebet stets seine zentrale Rolle im Gemeindeleben. Der Vesper als Abendgebet kam eine besondere Stellung zu. Im westlichen Christentum hingegen wurde der Umfang des täglichen Stundengebets in Gemeinde- und Klosterleben angeglichen, so dass im Frühmittelalter dieses Pensum im Grunde nur noch von Ordensleuten und Klerikern bewältigt werden konnte. In der westlichen Kirche und nach der Reformation in der katholischen Kirche behielt das Stundengebet bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil seine Stellung als Standesgebet der Ordensleute und Kleriker, zum einen wegen seines Umfangs und zum anderen wegen des verpflichtenden Vollzugs auf Latein. Trotzdem wurde gerade die Vesper als Abendgebet zumindest an Festtagen auch in der Gemeinde vollzogen.

Inhaltsverzeichnis

Katholische Kirche

Die Vesper ist Teil des liturgischen Stundengebets und bildet zusammen mit den Laudes, dem Morgengebet, dessen Angelpunkt. Die Vesper besteht in der heutigen liturgischen Ordnung aus Eröffnung, Hymnus, zwei Psalmen und einem neutestamentlichen Canticum, Schriftlesung, Responsorium, Magnificat, Fürbitten, Vater unser, Tagesgebet und Segen. Ist die Vesper die letzte Hore des Tages, die in Gemeinschaft gebetet wird, wird häufig eine Marianische Antiphon angefügt. Früher waren fünf Psalmen vorgesehen. Musikalische Vertonungen folgen in der Regel dem alten Ordo, so dass eine komplette Vespervertonung meist fünf verschiedene Psalmen aufweist.

Das tägliche Beten der Vesper ist für Priester, Diakone, Ordensleute und Personen des gottgeweihten Lebens wegen ihres Weiheversprechens verpflichtend. Laien wird es empfohlen, daher wird die Vesper in vielen katholischen Pfarreien sonntags und an Hochfesten als feierlicher Gottesdienst vollzogen.

Anglikanische Kirche

Mit dem Modell des Daily Evening Prayer im Book of Common Prayer knüpfte die anglikanische Kirche im 16. Jahrhundert wieder an die Tradition des abendlichen Gemeindegebets an. Sie ist gegenwärtig wohl die einzige Kirche, der es gelang, das tägliche Abendgebet in den Gemeinden lebendig zu halten. Zum altkirchlichen Erbe gehört der tägliche Hymnus „O Gracious Light“ (Phos hilaron). Im heutigen Lektionar (1979) sind die Psalmen in einem Sieben-Wochen-Zyklus geordnet. Dieses Abendgebet nennt man Evening Service, Evening Prayer oder auch Evensong.

Lutherische Kirche

Die lutherische Kirche hat die Vesper als Abendgebet beibehalten und weiterentwickelt. So wird sie bis ins Zeitalter von Rationalismus und Aufklärung durchgängig gehalten. Insgesamt werden fünf unterschiedliche Ausprägungen der Vesper gefeiert:

  1. Vesper mit Predigt, reicher liturgischer Ausgestaltung unter Verwendung der lateinischen Sprache
  2. Vesper mit Predigt in schlichter Form, aber in Latein
  3. Vesper bestehend aus Wortverkündigung und Gesang
  4. Vesper von der Kanzel mit Katechese
  5. Erweiterte Vesper durch eine Gebetsstunde am Sonntagabend

Seit den 1920er Jahren bildeten sich Kreise wie die Berneuchener Bewegung, die Michaels- oder Ansverusbruderschaft, die sich zu täglichen Gebetszeiten verpflichteten und Formen eines evangelischen Tagzeitengebets, meist durch Entwicklung einer deutschen Gregorianik, erprobten.

Mit der Agende II wurde 1960 in den evangelisch-lutherischen Kirchen eine Ordnung für die Vesper als Gemeindegottesdienst angeboten; dieses Werk wurde bei der Agendenreform bislang nicht neu herausgegeben und hat wohl insgesamt wenig Wirkung gehabt. Die Thüringische Landeskirche gab 1959 das sog. Evangelische Brevier heraus (5. Auflage 2001 unter dem Titel "Biblisches Brevier"). Es enthält neben Morgengebet (Mette) und Tagesgebet (Laudes) eine Ordnung für die Vesper, die im wesentlichen der oben aufgeführten katholischen Ordnung gleicht, aber an zwei Punkten eigene Wege geht: a) anstelle des Responsoriums tritt die Erklärung des Credo aus Luthers Kleinem Katechismus; b) anstelle des ganzen Vaterunsers wird jedem Wochentag eine Vaterunser-Bitte zugeordnet, verbunden mit der entsprechenden Strophe aus Luthers Vaterunser-Lied. Damit nimmt dieses Modell alte Traditionen evangelischer Wochentagsgottesdienste, die dem Unterricht im Katechismus dienten, auf und verbindet sie mit der Struktur des Stundengebets.

Byzantinischer Ritus

Die Vesper in den Kirchen des Byzantinischen Ritus (vor allem die orthodoxen Kirchen) wird vor allem vor den großen Festen festlich mit der ganzen Gemeinde gefeiert, in den Klöstern wird sie täglich zelebriert. Unterschieden wird zwischen Großer und Kleiner Vesper. Die Große Vesper besteht aus: Eröffnung und Einleitungsgebeten, Psalm 104 mit den Leuchtengebeten, Großer Litanei, Kathisma, Kleine Litanei, Weihrauchopfer mit Psalm 141, Einzug, Hymnus "Freundliches Licht" (Phos hilaron), Prokimenon, Lesung, Inständige Litanei, Kataxioson, Bittlitanei, (evtl. Litija), Aposticha, Lobgesang des Simeon, Trishagion, Vater unser, Troparia, (evtl. Artoklasia), Psalm 34, Segen und Entlassung. Die Kleine Vesper wird weniger festlich gefeiert, bestimmte Gebete entfallen.

Koptischer Ritus

Der Koptische Ritus, die ihrerseits wieder auf die äthiopische Kirche ausstrahlte, ist überaus stark durch das Mönchtum geprägt, was sich durch das umfangreiche Psalmen-Pensum im "Agpeya", dem koptischen Stundenbuch, niederschlägt: zur Vesper Ps. 51; 117.118.120-129.

Die Vesper in der Musikgeschichte

Die Psalmen und Hymnen des Vespergebetes haben viele Komponisten inspiriert, darunter Claudio Monteverdi (Marienvesper oder Vespro della Beata Vergine), Antonio Vivaldi, Wolfgang Amadeus Mozart, Anton Bruckner und Sergei Rachmaninoff.

Literatur

Paul Graff: Die Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands, Band 1. Bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. Nachdruck der zweiten vermehrten und verbesserten Auflage von 1937, Waltrop 1994, S. 208-212.

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