Collegium Maius (Erfurt)

Collegium Maius (Erfurt)
Das Collegium Maius im April 2007

Das Collegium Maius war das Hauptgebäude der Alten Universität in Erfurt, die von 1392 bis 1816 bestand. Es befindet sich in der Michaelisstraße im Zentrum der Erfurter Altstadt, im sogenannten „Lateinischen Viertel“. Im Gebäude befanden sich das Rektorat und der Große Saal der Universität. Im Jahr 2011 zog das Landeskirchenamt der 2009 durch Fusion entstandenen Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland in das Collegium Maius ein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

zur Geschichte der Alten Universität siehe: Universität Erfurt#Geschichte

Das Collegium Maius wurde 1435 errichtet und vermutlich schon seit der Aufnahme des Lehrbetriebs 1392 von der Universität genutzt und ausgebaut. In unmittelbarer Nähe befanden sich unter anderem die Universitätskirche (Michaeliskirche) sowie zahlreiche Druckereien. Es war das Hauptgebäude und Herzstück der Universität.

Während des „Tollen Jahres“ von 1509/1510 wurde das Collegium Maius beschädigt. Auslöser war der vom Rat angesichts des anwachsenden Schuldenberges erklärte Bankrott des städtischen Finanzhaushaltes. Daraufhin kam es zu innerstädtischen Auseinandersetzungen. Als Studenten und Landsknechte beim Kirchweihfest im August 1510 aneinandergerieten, wurden im Zuge der Auseinandersetzungen sogar Kanonen auf das Collegium Maius gerichtet. Schließlich wurde das Collegium gestürmt, die Einrichtung demoliert und das Inventar geplündert.

Die Rekonstruktion erfolgte von 1511 bis 1515 im Stil der Gotik. Der spätgotische Nordgiebel stammt wohl noch aus der Zeit um 1490 und blieb erhalten. Erdgeschoss und ein markantes Kielbogenportal wurden 1511 bis 1513 errichtet. Umbauten erfolgten 1525. Das Obergeschoss mit dem repräsentativen Auditorium wurde zwischen 1547 und 1551 fertiggestellt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass zeitweise ein zweites Obergeschoss aus Fachwerk existierte. Bis zum Jahr 1681 hatte auch die Philosophische Fakultät im Gebäude ihren Sitz.

1816 wurde die Universität, die nur noch 20 Studenten hatte, durch die preußische Regierung geschlossen. Das Gebäude wurde einer anderen Nutzung zugeführt, der Festsaal blieb jedoch eine der repräsentativsten Veranstaltungsstätten Erfurts. Von 1820 bis 1877 wurde das benachbarte Philosophenhaus an der Studentengasse abgetragen. Zwischen 1844 und 1847 errichtete man auf der Rückseite des Collegium Maius ein Bibliotheksgebäude, das Boyneburgsche Palais, mit einem barocken Portal. Der die gesamte Geschossfläche einnehmende Festsaal des Collegium Maius wurde 1934 im Rahmen eines Umbaus des Komplexes zur Stadtbücherei neu gestaltet. Er diente bis 1944 als Lesesaal der Stadtbibliothek. Durch die vielfältige Nutzung des Festsaals bis zur Zerstörung des Collegiums 1945 lebte der Universitätsgedanke nach der Schließung der Universität weiter. Die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften und der Geschichtsverein sorgten für akademisches Leben. Viele Vorträge (z. B. vom Erfurter Kunstverein) und Veranstaltungen (z. B. der 19. Deutsche Historikertag 1937) ergänzten das Programm.

Beim Collegium Maius handelte es sich vor der Zerstörung um einen zweigeschossigen, siebenachsigen, nach dem Straßenverlauf etwas abgeknickten Bau aus Bruchsteinmauerwerk mit einem Krüppelwalmdach. Das Mittelportal mit Kielbogen und der Nordgiebel mit rechteckigen Maßwerkfenstern waren aufwendig gestaltet. Das Auditorium im Obergeschoss wies auf der Nordseite eine gotische und auf der Westseite teilweise eine Renaissance-Wandgliederung auf.

Am 9. Februar 1945 wurde das Collegium Maius bei einem Sprengbombenabwurf der US Air Force[1] bis auf die Erdgeschossmauern zerstört. Das Portal ragte noch aus den Trümmern heraus. Die Ruine wurde vollständig beräumt und gesichert, zahlreiche Architekturteile aber geborgen und auf dem Petersberg erhalten.[2]

1983 wurde im Rahmen des Lutherjahres (Luther hatte an der Universität Erfurt studiert) das markante spätgotische Portal wiederaufgebaut. In der Wendezeit 1989 galt das Collegium Maius als Symbol für geistig-kulturellen Aufbruch. Angeregt durch die 1987 gegründete Universitätsgesellschaft Erfurt, die das symbolträchtige Gebäude wieder errichten wollte, wurde die Universität 1994 neugegründet. Viele Bürger beteiligen sich ehrenamtlich und mit Spenden am Projekt des Wiederaufbaus des Collegium Maius. 1998 begann der Wiederaufbau des Gebäudes, 1999 wurde der Rohbau fertiggestellt. Er wurde später verputzt und rosa angestrichen. Das hohe Satteldach mit Türmchen darauf hat früher nicht so bestanden.

Da sich die Universität nicht mit der Stadt Erfurt über finanzielle und rechtliche Details einigen konnte, verkaufte die Stadt Erfurt das Collegium Maius 2008 an die Thüringer Landeskirche, die im Zuge der Fusion zum 1. Januar 2009 in der Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) aufging. Geplant wurde die Nutzung des Komplexes als Verwaltungssitz der EKM. Die Universitätsgesellschaft wurde nicht mehr am Prozess des Wiederaufbaus und den Bauplanungen beteiligt. Die EKM plante Einbauten in den historischen Festsaal im Obergeschoss, um dort Beratungsräume zu gewinnen. Große Aufregung resultierte aus der Behauptung der EKM, es gebe ohnehin keine Beweise für die Existenz eines großen Festsaales. Zahlreiche Proteste, offene Briefe und öffentliche Diskussion waren die Folge.

Daraufhin einigte man sich auf einen Kompromiss: Durch eine teilweise flexible und teilweise transparente Form der Einbauten ist der auf etwa 60% der Geschossfläche reduzierte Festsaal in seiner Gänze vorstellbar. Er kann auch für größere Veranstaltungen mit bis zu 250 Plätzen genutzt werden. Die Gestaltung des Nordgiebels und der Innenausbau erfolgten bis 2011. Am 24. Juni 2011 zog das Landeskirchenamt der EKM in das Collegium Maius ein.

Das Collegium Maius ist deshalb so bedeutend, weil nur wenige mitteleuropäische Universitäten ein „Großes Kolleg“/Hauptgebäude aus dem späten Mittelalter aufweisen können. Als lebendiger universitärer Symbolort, in dem u.a. von der EKM und der Universitätsgesellschaft gemeinsam die COLLEGIUM MAIUS ABENDE veranstaltet werden, ist es auch ein zentraler Erinnerungsort der Lutherstadt Erfurt.

Literatur

  • Erich Kleineidam: Geschichte der Wissenschaft im mittelalterlichen Erfurt. In: Geschichte Thüringens (2). Hohes und spätes Mittelalter. herausgegeben von Hans Patze und Walter Schlesinger, Köln 1973.
  • Almuth Märker: Geschichte der Universität Erfurt 1392–1816. Weimar 1993.
  • Jürgen Miethke: Universitätsgründung an der Wende zum 15. Jahrhundert: Heidelberg im Zeitalter des Schismas und des Konziliarismus. In: Die Geschichte der Universität Heidelberg (Studium generale der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg. Vorträge im WS 1985/1986). Heidelberg 1986, S. 9–33.
  • Steffen Raßloff: Das Collegium maius – Renaissance eines herausragenden Kulturdenkmals. In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 43 (2009), S. 22 f.
  • Steffen Raßloff: Collegium maius in Erfurt wird eingeweiht. In: Thüringer Allgemeine vom 16. Juni 2011. (online)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Bd. 4, Glaux-Verlag Jena 2005. ISBN 3-931743-89-6
  2. Rudolf Zießler in Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Hrsg. Götz Eckardt. Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 2, S. 484-485
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