Der schwarze Kater

Der schwarze Kater
Illustration von Aubrey Beardsley, 1894

Der schwarze Kater (The Black Cat) ist eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe. Erstmals erschien sie in der United States Saturday Post vom 19. August 1843. Sie handelt von einem Tötungsdelikt, dessen Täter durch seine eigene unabsichtliche Absicht überführt wird.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Ich-Erzähler stellt sich als Verbrecher vor, der am nächsten Tag hingerichtet werden soll. Er will schildern, wie es zu seinem Verbrechen kam. Er war verheiratet und Tierliebhaber. Bevorzugter Liebling unter seinen Schützlingen war der Kater Pluto, mit welchem ihn eine tiefe Freundschaft verband. Durch den Einfluss des Alkoholmissbrauchs verwandelte sich seine Tierliebe in Hass. Er begann, die Tiere zu misshandeln, ja, sogar seine Frau. An Pluto traute er sich zunächst nicht heran. Doch dann, so reflektiert er, überwältigte ihn der Geist der Perversität:

Die Philosophie hat sich noch nie mit diesem Dämon befasst. Doch so wahr meine Seele lebt, ich glaube, dass die Perversität einer der Grundtriebe des menschlichen Herzens ist, eine der unteilbaren Urfähigkeiten oder Gefühle, die dem Charakter des Menschen seine Richtungslinie geben. Wem wäre es nicht hundertmal begegnet, dass er sich bei einer niedrigen oder törichten Handlung überraschte, die er nur deshalb beging, weil er wusste, daß sie verboten war? Haben wir nicht beständig die Neigung, die Gesetze zu verletzen, bloß weil wir sie als solche anerkennen müssen?

Als er wieder einmal betrunken nach Hause kommt, vergreift sich der Erzähler auch an Pluto und sticht ihm ein Auge aus. Die Erinnerung an die scheußliche Tat ertränkt er wieder im Alkohol. Voller Verbitterung, weil ihn der Kater nun ängstlich meidet, macht er dem Ganzen ein Ende und erhängt das Tier an einem Baum. In der folgenden Nacht bricht ein Feuer im Haus aus, alle können sich retten. Bei der Begutachtung nach dem Brand findet der Erzähler ein Relief in Form des Katers in der Mauer. Jemand muss das Tier vom Baum geschnitten und durch das Fenster ins Haus geworfen haben, um den zu diesem Zeitpunkt noch schlafenden Erzähler zu wecken, und das tierische Alkali hat die Umrisse in den Kalk eingebrannt.

Monatelang wird der Erzähler nun in seinen Phantasien und Träumen von der Spukfigur des Katers verfolgt, beginnt aber schließlich das Tier zu vermissen und sucht nach einem Ersatz. In einer Schnaps-Spelunke wird er fündig, und der neue Kater, der auch nur einäugig ist und Pluto sehr ähnelt, wird der neue Liebling der Frau. Allerdings trägt er einen verschwommenen weißen Fleck auf der Brust, in dem der Erzähler – allerdings erst einige Zeit später – das Abbild eines Galgens zu erkennen meint, und das macht ihm Angst. Alpträume nötigen ihn dazu, das Tier zu meiden, doch dieses sucht seine Nähe umso mehr, je mehr er es hasst. Er lässt jedoch seine Wut zunächst an seiner Frau aus.

Eines Tages sucht er mit seiner Frau den Keller auf, der Kater kommt ihm zwischen die Füße. In sinnloser Wut schlägt er mit der Axt nach ihm. Doch die Frau fällt ihm in den Arm und rettet den Kater. Da wird der Erzähler noch wütender und erschlägt mit der Axt seine Frau. Panisch grübelnd, wie er die Leiche loswerden soll, beschließt er, sie in der Kellerwand einzumauern. Alles verläuft nach Plan und der Kater ist, Gott sei Dank, auch verschwunden. Als einige Tage später die Polizei vor der Tür steht, führt der Erzähler sie seelenruhig durch das Haus. Voll prahlender Selbstsicherheit klopft er mit einem Stock an die Stelle der Mauer, an der die Leiche verborgen ist. In diesem Moment ertönt ein leises Jammern aus der Mauer, das sich zu unsäglichem Geschrei steigert. Die geschockten Polizisten beginnen sofort, die Mauer aufzubrechen. Als die Leiche zum Vorschein kommt, sitzt – zum Entsetzen des Erzählers – der einäugige Kater auf ihrem Kopf. Der Erzähler hat ihn, ohne davon zu wissen, mit der Leiche eingemauert.

Deutung

Die Erzählung lässt sich lesen als Schauergeschichte, in der die grausigen Effekte sich wohlberechnet steigern. Von Anfang an weiß der Leser, der Erzähler ist eines mit der Todesstrafe geahndeten Verbrechens, also wahrscheinlich eines Mordes schuldig. Aber zunächst einmal verstümmelt er „nur“ einen geliebten Kater und hängt ihn dann auf, nur um ihn nach dem Brand des Hauses als Schemen auf der Wand wieder zu entdecken. Aber da ihn zu diesem Tier eine Hassliebe erfüllte, sorgt er sofort für Ersatz, der verstümmelte Kater ersteht in einem anderen, ebenso verstümmelten wieder auf, der sich von seinem Vorgänger nur durch einen undeutlichen weißen Fleck auf der Brust unterscheidet, in dem der Erzähler den Galgen entdeckt haben will, an dem er Tags darauf hängen soll. Dann, durch die Anhänglichkeit des Nachfolgekaters in Wut versetzt, will der Erzähler diesen töten, seine Frau verhindert es, seine Wut steigert sich und richtet sich gegen sie. Den stärksten Effekt hebt Poe sich für den Schluss auf: Den auf der Leiche der Frau sitzenden schreienden zweiten Kater.

Die Erzählung lässt sich aber auch lesen als Versuch, die von Poe als „Perversheit“ bezeichnete Neigung, das Böse um seiner selbst willen zu tun, darzustellen. Der Erzähler weiß, dass Tiere schuldlos sind, ja, er liebt sie gerade deshalb, und trotzdem muss er dem „Imp of the Perverse“ (Titel einer weiteren Kurzgeschichte Poes) nachgeben und sie quälen, verstümmeln, ja, töten, bis er im heraufbeschworenen Affekt schließlich die ebenfalls geliebte Frau erschlägt. Diese Gespaltenheit drückte Paulus in den Sätzen aus: Ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so gebe ich zu, dass das Gesetz gut ist. So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. (Röm. 7,15-16) Die Philosophie setzt sich übrigens (eine Bildungslücke von Poe) mit dieser Gespaltenheit unter dem Begriff der Akrasia seit über 2000 Jahren auseinander.

Drittens lässt sich die Erzählung lesen als das psychische Drama eines Mannes, der als Zweijähriger die leibliche, als Zwanzigjähriger die geliebte Ziehmutter verlor, sich von beiden verlassen und verraten, aber auch mitschuldig an ihrem Tode fühlt, und neben dem, während er die Erzählung schreibt, die geliebte Frau an Tuberkulose dahinsiecht, und ihm gelingt es nicht, genügend Geld zu verdienen, um ihre medizinische Versorgung zu verbessern, ja, um nicht unter der Kälte zu leiden, lässt Virginia die große Katze Catterina auf ihrer Brust schlafen, die sich in Poes Erzählung in den schwarzen Pluto, den Herrn des Totenreichs verwandelt, in das durch sein, Poes, Verschulden auch Virginia bald hinabsteigen muss.

Und viertens lässt sich die Erzählung lesen als Beschreibung der Karriere eines Alkoholkranken, die im Ausmaß ihrer Krankheitseinsicht umso erstaunlicher ist, als Poe selbst dem „Teufel Alkohol“ verfallen war. Die verschiedenen Stufen von der Veränderung der Persönlichkeit über den Kontrollverlust und die Zerstörung des eigenen Heims, die Gewalttätigkeit und die Reue danach, zum paranoiden Säuferwahn und Gewaltexzess sind gewissenhaft fast im Stil einer medizinischen Anamnese aufgezeichnet.

Übersetzungen ins Deutsche

  • 1883 durch J. Möllenhoff
  • 1901 durch Hedda Eulenberg
  • 1922 durch J. v. der Golz
  • 1923 durch Wilhelm Cremer
  • 1966 durch Hans Wollschläger
  • 1971 durch D. Klose
  • 1984 durch G. Greffrath und G. Tronjeck

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Verfilmungen

Die Erzählung wurde mehrfach verfilmt:

Weblinks

Englische Fassungen der Kurzgeschichte:

Deutsche Fassungen:

Weiterführende Links:

Edgar Allen Poe

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