Die Frau des Weisen

Die Frau des Weisen

Die Frau des Weisen ist eine Novelle von Arthur Schnitzler, die, 1896 entstanden, ab dem 2. Januar 1897 in Fortsetzungen in der Zeitung Die Zeit in Wien erschien. Das kleine Werk gab den Titel für die erste Novelletten-Sammlung des Autors (S. Fischer, Berlin 1898).[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Im Sommer erholt sich der Ich-Erzähler von seiner Promotion, deren Abschluss einen Monat zurückliegt, in einem dänischen Seebad. Fräulein Jenny, die er im "heurigen Mai" noch so liebte, hat dann im Juni einen anderen geheiratet. Das ist halb so schlimm, denn Frau Friederike ist angekommen. Sieben lange Jahre hat der Ich-Erzähler Friederike nicht gesehen. Die Dame reist mit ihrem vierjährigen Söhnchen und will sich in vierzehn Tagen mit ihrem Mann in Kopenhagen treffen. Der Gatte ist der ehemalige Hauswirt des Ich-Erzählers. Wenn der Ich-Erzähler an das Ende seiner Gymnasialzeit, das sieben Jahre zurückliegt, denkt, dann macht er sich schon ein paar Gewissensbisse und fragt: Was hatte Friederike um seinetwillen von ihrem Gatten erdulden müssen. Vielleicht, so denkt er weiter, muss sie heute noch leiden.

Das war so gewesen: An dem Tage, als der Ich-Erzähler nach beendeter Gymnasialzeit die Heimreise antreten soll, kommt Friederike zu ihm auf das Zimmer und küsst ihn. Während des Kusses öffnet sich leise die Tür und Friederikens Mann steht da. Als der Ich-Erzähler aufschreien will, ist der Ehemann schon wieder fort; hat die Tür geschlossen. Als der Ich-Erzähler dann in seinen Heimatort zurückgekehrt war, hatte er angenommen, dass der Mann Friederike verziehen, dass sie bereut hatte. Der Ich-Erzähler liebt Friederike immer noch. Die Zuneigung wird erwidert. Nun muss er aus ihrem Munde erfahren, alles war ein klein wenig anders. Der Ehemann hatte sich so leise genähert, dass Friederike zwar sein Erscheinen gefürchtet, aber nicht wahrgenommen hatte. Es war ihr nur so gewesen, als ob jemand käme. Der Ich-Erzähler bekommt durch geschicktes Befragen heraus, der Ehemann hatte den Vorfall gegenüber Friederike später nie erwähnt. Nach dieser Enthüllung ist der Ich-Erzähler ernüchtert. Friederike erscheint ihm auf einmal wie eine Fremde. Er reist auf Nimmerwiedersehen ab.

Titel

Der Leser stellt sich die Frage: Warum "erstarrte etwas im Innern" des Ich-Erzählers, als er von Friederike erfährt, sie habe beim oben genannten Kuss ihren Gatten gar nicht bemerkt? Die Antwort läuft auf einen sieben Jahre verspätet hervorbrechenden Generationenkonflikt hinaus. Der Ich-Erzähler findet keine Worte für die Schläue seines ehemaligen Hauswirtes. Mit was für einem klugen Schachzug hat der - in den Augen des Ich-Erzählers - alte Mann seine Frau Friederike vereinnahmt! Der Ich-Erzähler kommt sich wie ein dummes Kind vor. Für den Ehemann erfindet er den bitteren Spottnamen "Weiser".

Rezeption

  • Hofmannsthal schreibt am 16. Januar 1897 an Schnitzler: "Ich war von der Führung des Schlusses überrascht wie von einer völlig unerwarteten und doch unendlich einfachen naheliegenden Lösung... Auch ist alles Äußerliche, das den Fortgang der Handlung unterstützt, wunderschön sparsam und durchsichtig."[2]
  • Der Ich-Erzähler wendet sich schließlich von Friederike ab, weil ihm eine nichts ahnende Frau, der sieben Jahre lang schweigend von ihrem Mann verziehen wurde, nicht ganz geheuer ist[3]. Zudem steht ihre Stärke, ihre Überlegenheit über den Mann, im Widerspruch zu seinem Rollenverständnis von Mann und Frau[4].
  • Friederikes Ehemann ist weise, weil er zu dem Vorfall schweigt und so seine Ehe rettet.[5]

Weblinks

Literatur

Quelle
  • Arthur Schnitzler: Die Frau des Weisen. S. 126 - 143 in Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl. Erzählungen 1892 - 1907. Mit einem Nachwort von Michael Scheffel. S. Fischer, Frankfurt am Main 1961 (Ausgabe 2004). 525 Seiten, ISBN 3-10-073552-8
Erstausgabe in Buchform
  • Die Frau des Weisen. Neben Blumen, Ein Abschied, Die Toten schweigen und Der Ehrentag, enthalten in: Arthur Schnitzler: Die Frau des Weisen. Novelletten. S. Fischer Verlag, Berlin 1898.
Sekundärliteratur
  • Michaela L. Perlmann: Arthur Schnitzler. Sammlung Metzler, Bd. 239. Stuttgart 1987. 195 Seiten, ISBN 3-476-10239-4
  • Giuseppe Farese: Arthur Schnitzler. Ein Leben in Wien. 1862 - 1931. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. C. H. Beck München 1999. 360 Seiten, ISBN 3-406-45292-2. Original: Arthur Schnitzler. Una vita a Vienna. 1862 - 1931. Mondadori Mailand 1997
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 555, 2. Spalte, 24. Z.v.u. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8

Einzelnachweise

  1. Quelle, S. 521, vierter Eintrag
  2. Farese, S. 79, 13. Z.v.u.
  3. Perlmann, S. 129, 17. Z.v.u.
  4. Perlmann, S. 129, 10. Z.v.u.
  5. Farese, S. 79, 22. Z.v.o.

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