Cardillac

Cardillac
Werkdaten
Titel: Cardillac
Form: Durchkomponiert
Originalsprache: Deutsch
Musik: Paul Hindemith
Libretto: Erstfassung:
Ferdinand Lion,
Neufassung:
Paul Hindemith nach Ferdinand Lion
Literarische Vorlage: Das Fräulein von Scuderi von E. T. A. Hoffmann
Uraufführung: Erstfassung:
9. November 1926. Neufassung:
20. Juni 1952
Ort der Uraufführung: Erstfassung: Sächsische Staatsoper Dresden, Neufassung: Stadttheater Zürich
Spieldauer: Erstfassung
ca. 1¾ Stunden, Neufassung:
ca. 2½ Stunden
Ort und Zeit der Handlung: Paris 1680
Personen
  • Cardillac, Goldschmied (Bariton)
  • Cardillacs Tochter (Sopran)
  • Der Offizier (Tenor)
  • Der Goldhändler (Bass)
  • Der Kavalier (Tenor)
  • Die Dame – in der Neufassung eine Sängerin (Sopran)
  • Der Führer der Prévôté (Bass)
  • Der König (stumme Rolle)
  • Kavaliere und Damen des Hofes, die Prévôté (stumme Rollen)
  • Volk (Chor)

Zusätzliche Figuren in der Neufassung:

  • Cardillacs Geselle (Tenor)
  • Der reiche Marquis (stumme Rolle)

In Lullys Oper „Phaëton“ im dritten Akt:

  • Theo, Tochter des Königs von Lydien (Sopran)
  • Klymene, eine Nymphe (Alt)
  • Phaeton, deren Sohn (Tenor)
  • Apollo, der Sonnengott (Bass)

Cardillac ist eine Oper in drei Akten (vier Bildern) von Paul Hindemith (Musik) und Ferdinand Lion (Libretto). Die Handlung basiert auf der Novelle Das Fräulein von Scuderi (1819/21) von E. T. A. Hoffmann. Das Werk erlebte seine Uraufführung am 9. November 1926 in der Dresdner Staatsoper (Semperoper). Die musikalische Leitung lag in den Händen von Fritz Busch, Regie führte Issay Dobrowen, die Bühnenbilder schuf Rafaello Busoni. Cardillac wurde von Robert Burg dargestellt, die Tochter von Claire Born.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Hindemith eine Umarbeitung im Sinne seiner gewandelten, „klassischeren“ Ästhetik vor. Er griff sowohl in seine Komposition als auch in Lions Text ein und erweiterte die Handlung auf vier Akte (fünf Bilder). Die Neufassung wurde erstmals am 20. Juni 1952 am Stadttheater Zürich aufgeführt (Dirigent: Victor Reinshagen, Regie: Hans Zimmermann, Bühnenbild: Max Röthlisberger).

Orchesterbesetzung

Fassung 1925/26

Auf der Bühne: 1 Oboe – 2 Hörner, 1 Trompete, 1 Posaune – 1 Violine, 2 Kontrabässe

Neufassung 1952/61
  • 2 Flöten (2. auch Piccolo),
  • 1 Oboe, 1 Englischhorn,
  • 1 Klarinette in Es,
  • 1 Bassklarinette,
  • 1 Tenorsaxophon,
  • 2 Fagotte,
  • 1 Kontrafagott –
  • 1 Horn,
  • 2 Trompeten,
  • 2 Posaunen,
  • 1 Tuba – Pauken, Schlagwerk (4 Spieler: Triangel, Kleiner Gong, Hängendes Becken, Beckenpaar, Tamtam, Tamburin, Rührtrommel, Kleine Trommel, Große Trommel, Glockenspiel) – Klavier – Streicher:
  • 6 Violinen,
  • 4 Bratschen,
  • 4 Violoncello,
  • 4 Kontrabässe)

Auf der Bühne:

  • 1 Flöte,
  • 1 Oboe,
  • 1 Fagott –
  • Harfe
  • Cembalo
  • 1 Violine,
  • 1 Bratsche,
  • 1 Violoncello,
  • 1 Kontrabass

Handlung

Die Oper spielt in Paris Anfang der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts.

Erstfassung

Erster Akt

Erstes Bild: Freier Platz vor Cardillacs Haus. Eine Serie seltsamer Morde hat das Volk von Paris in Aufruhr versetzt. Allen Verbrechen ist gemeinsam, dass jedes der Opfer kurze Zeit vorher ein Schmuckstück bei dem angesehenen Goldschmied Cardillac gekauft hatte und dieses nun verschwunden ist. Ein Kavalier entdeckt in der Menge eine junge Dame, für die sofort sein Herz entbrennt. Um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, erzählt er ihr von dem berühmten Goldschmied, dessen Arbeiten selbst bei Hofe die größte Bewunderung fänden. Die Dame verspricht ihm eine Liebesnacht, wenn es ihm gelingen sollte, ihr Cardillacs schönstes Schmuckstück zu besorgen.

Zweites Bild: Schlafzimmer. Der Kavalier hat den Wunsch der Dame erfüllt. In höchster Erregung auf das versprochene Abenteuer folgt er ihr ins Schlafzimmer und nimmt die Angebetete zärtlich in seine Arme. Cardillac schafft es, im Dunkel der Nacht bei ihr einzusteigen. Bevor der Kavalier seinen Lohn empfangen kann, wird er von dem Goldschmied hinterrücks ermordet. Cardillac flieht unerkannt durchs Fenster.

Zweiter Akt

Drittes Bild: Cardillacs Laden und Werkstatt. Ein Goldhändler betritt den Laden und bewundert die ausgelegten Schmuckstücke. Obwohl er bereit wäre, für eines von ihnen eine hohe Summe auf den Tisch zu legen, verweigert ihm Cardillac den Kauf.

Die Tochter des Goldschmieds hat vergangene Nacht mit einem Offizier geschlafen, dem sie hoffnungslos verfallen ist. Seinetwegen will sie ihren Vater verlassen, hat aber Angst davor, es ihm zu sagen. Umso überraschter ist sie, als ihr Geliebter bei Cardillac um ihre Hand anhält und dieser keinerlei Einwände hegt. Anscheinend ist sie ihm weniger wert als seine geliebten Schmuckstücke. Doch als der Offizier sich anschickt, von Cardillac eine wertvolle Kette zu kaufen, zeigt er sich überhaupt nicht erfreut. Sein anfängliches Zögern gibt er schließlich auf und überlässt dem Offizier das gewünschte Schmuckstück. Kaum hat der Soldat den Laden verlassen, kann sich Cardillac nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren. Unablässig denkt er an die Kette. Eine geheime Macht zwingt ihn, sich eine Maske aufzusetzen und den Offizier zu suchen.

Dritter Akt

Viertes Bild: Straße mit angrenzendem Gasthaus. Mit dem Dolch in der Hand stürzt sich Cardillac auf den Offizier. Dieser aber kann ihn abwehren. Trotz der Maskierung bleibt dem Offizier nicht verborgen, wer der Angreifer in Wirklichkeit ist.

Der Goldhändler hat das Geschehen beobachtet und ruft die Polizei. Als diese Cardillac verhaften will, deutet der Soldat auf den Goldhändler und bezeichnet ihn als den wahren Täter. Jetzt wird der Goldhändler verhaftet und abgeführt. Das Volk lässt Cardillac hochleben und fordert ihn auf, mit ins Wirtshaus zu gehen.

Der Offizier enthüllt Cardillacs Tochter das Geheimnis ihres Vaters. Das Mädchen ist so entsetzt, dass es sich von seinem Vater lossagt. Keine Stunde länger möchte sie mit ihm unter einem Dach wohnen.

Cardillac ist des Zechens bald überdrüssig. Vom Wahn getrieben kehrt er auf die Straße zurück und brüllt, es sei der Falsche verhaftet worden. Vom Volk bedrängt, den wahren Täter zu offenbaren, bleibt Cardillac nichts anderes übrig, als sich selbst der Untaten zu bezichtigen. Zu seiner Entschuldigung behauptet er, die von ihm geschaffenen Kunstwerke seien Eigentum ihres Schöpfers und müssten zu ihm zurückkehren. Die wütende Menge erschlägt ihn.

Neufassung

Erster Akt

Erstes Bild: Freier Platz vor Cardillacs Haus. Eine Serie seltsamer Morde hat das Volk von Paris in Aufruhr versetzt. Allen Verbrechen ist gemeinsam, dass jedes der Opfer kurze Zeit vorher ein Schmuckstück bei dem angesehenen Goldschmied Cardillac gekauft hatte und dieses nun verschwunden ist. Die Primadonna der Pariser Oper kommt am aktuellen Tatort vorbei. Sie hat schon unzählige Erfolge feiern können und ist inzwischen der vielen Huldigungen überdrüssig. Ein junger Verehrer spricht sie an und erzählt ihr schwärmend von Cardillacs großer Kunst. Daraufhin äußert sie den Wunsch, ein Diadem aus dem Bestand des Goldschmieds für eine Rolle am Theater zu besitzen.

Zweites Bild: Schlafzimmer im Haus der Sängerin. Der Kavalier hat den Wunsch der Primadonna erfüllt und bei Cardillac den gewünschten Kopfschmuck erworben. Nachdem er ihn seiner Angebeteten überreicht hat, lädt sie ihn in ihr Schlafzimmer ein. Cardillac gelingt es, im Dunkel der Nacht unerkannt bei ihr einzudringen und den Kavalier zu erstechen. Fassungslos steht die Sängerin vor der Leiche. Sie muss feststellen, dass ihr Geschenk fehlt.

Zweiter Akt

Drittes Bild: Cardillacs Laden und Werkstatt. Der Geselle bittet Cardillac um die Hand seiner Tochter, was der Meister jedoch brüsk ablehnt. Kurz danach betritt der Polizeioffizier den Laden. Er verdächtigt Cardillacs Gesellen, die geheimnisvollen Morde begangen zu haben. Deshalb erklärt er ihn für verhaftet und führt ihn ab.

Die Primadonna will in der Abendvorstellung unbedingt ein echtes Diadem tragen. In dem reichen Marquis hat sie einen neuen Verehrer gefunden, der sie in Cardillacs Laden begleitet. Als sie sich dort umschaut, entdeckt sie das Schmuckstück, das ihr der Kavalier gestern geschenkt hatte. Weil sie so versessen darauf ist, lässt sie es sich ein zweites Mal kaufen.

Dritter Akt

Viertes Bild: Theaterbühne, von der Seite aus gesehen. In der Académie Royale wird Jean-Baptiste Lullys Oper „Phaëton“ gegeben. Cardillacs Geselle ist es gelungen, aus der Haft zu entfliehen. Von Cardillacs Tochter hat er erfahren, dass die Sängerin inzwischen die Besitzerin der wertvollen Krone geworden ist. Weil er seinen Meister schon seit Wochen verdächtigt, in die geheimnisvollen Morde verwickelt zu sein, ist es ihm ein Anliegen, die Künstlerin zu warnen. Er dringt zur Bühne vor und bedeutet ihr, auf der Hut zu sein.

Nachdem der letzte Vorhang gefallen ist, räumen Bühnenarbeiter die Kulissen auf. Hinter einem Versatzstück kommt Cardillac zum Vorschein. Als die Primadonna das Schmuckstück ablegt, fällt ihr Blick auf den Goldschmied. Beide starren sich wie gebannt in die Augen. Plötzlich huscht der Polizeioffizier auf die Bühne. Er hatte den ganzen Vorfall von einem sicheren Versteck aus beobachtet. Er schnappt sich die Krone und eilt davon. Cardillac kann es nicht fassen, dass das Diadem schon wieder den Besitzer gewechselt hat. Vom Wahn getrieben macht er sich auf die Suche nach dem Dieb.

Vierter Akt

Fünftes Bild: Platz vor dem Theater. Mit dem Dolch in der Hand will sich Cardillac auf den Polizeioffizier stürzen. Sein Geselle wirft sich wagemutig dazwischen, entwendet ihm das Mordwerkzeug und dem Offizier das Diadem. Das herbeieilende Volk will den Gesellen lynchen, weil er das Corpus Delicti in Händen hält. Cardillac gerät in Zorn und outet sich selbst als Täter. Daraufhin wird er von der aufgebrachten Menge erschlagen.

Kritik 1926

Hindemith wird am Tag nach der Uraufführung von der Presse „zerrissen“: Eine kakophone GesamthaltungDie Musik hat mit der Romantik des Stoffes, mit der Gefühlswärme und so weiter, so gut wie nichts zu tun. Die Dresdner Nachrichten schrieben: Die Dresdner Staatsoper hat sich des Werkes mit jeder Hingabe angenommen, die sie alle ihren Neuheiten zu widmen pflegt. ... Dobrowens Regie mühte sich, den Bruch, der zwischen hoffmanesken Text und der nüchtern unromantischen Musik besteht, nach Möglichkeit zu vertuschen.

Quellen

Die Informationen stammen aus dem Archiv der Dresdner Semperoper sowie „Knaurs Opernführer“ von Westerman/Schumann (1969) und Taschenlexikon „Oper – Operette – Ballett“ von Dr. Hertha Bauer, Humboldt Taschenbuch Nr. 27 (1954)

Weblinks


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