Eisenbahnunfall von Aitrang

Eisenbahnunfall von Aitrang

Das Zugunglück von Aitrang war eine Entgleisung eines Trans-Europ-Express-Zuges mit darauf folgendem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Nahverkehrszug. Am Abend des 9. Februar 1971 entgleiste der TEE 56 Bavaria München–Zürich bei Aitrang. Ein kurz darauf auf dem Gegengleis verkehrender Nahverkehrszug konnte nicht mehr rechtzeitig angehalten werden und fuhr in die Trümmer. 28 Menschen starben an den Folgen des Unfalls, 42 Personen wurden schwer verletzt. Der Unfall war das größte Zugunglück der TEE-Geschichte.

Ereignisse

Am Unfalltag fuhr ein Triebzug des schweizerisch-niederländischen Typs RAm bzw. DE mit der Nummer 501 als TEE 56 Bavaria München–Zürich mit 53 Fahrgästen an Bord. Hinzu kamen der Lokführer, der Maschinist sowie der deutsche Zugbegleiter und das Personal im Speisewagen. Um 18:44 Uhr wurde der Bahnhof Aitrang erreicht, dem eine enge S-Kurve folgt. Diese durfte nur mit 80 km/h durchfahren werden. Wie die Ermittlungen ergaben, war der Zug an dieser Stelle mit 128 km/h unterwegs. Der voranführende Steuerwagen entgleiste bei km 34,344 mit den folgenden Wagen, der dritte stellte sich quer, der Motorwagen kam auf dem Gegengleis zu liegen.

Der Fahrdienstleiter im Bahnhof Aitrang bemerkte die Entgleisung zunächst nicht, nahm aber nach einer ihm unerklärlichen Besetztmeldung des Gegengleises sofort die Einfahrt für den Personentriebzug Pto 2531 zurück, der aus einer Garnitur eines Schienenbusses vom Typ VT 98 bestand. Dessen Lokführer konnte den Zug noch auf unter 40 km/h abbremsen, aber den Aufprall auf den Dieseltriebkopf des TEE-Zuges nicht mehr verhindern.

28 Tote einschließlich der beiden Lokführer, 26 davon im TEE, und 42 Schwerverletzte waren die Folge der Entgleisung und des Zusammenstoßes. Unter den Toten befand sich der Schauspieler und Regisseur Leonard Steckel. Die hohe Zahl der Opfer erklärt sich auch daraus, dass die Fenster des TEE-Triebzuges nicht aus Verbundglas waren. Ferner war das Mobiliar des Speisewagens nicht fest mit dem Fußboden verankert und Spiegel waren aus normalem Glas.

Warum der Lokführer des TEE-Zuges zu schnell fuhr, konnte nicht ermittelt werden. Der Fahrdienstleiter in Aitrang bemerkte am Maschinenwagen bei der Vorbeifahrt Funken von den anschlagenden Bremsklötzen. Eine Bremseinleitung erfolgte also, aber zu spät; dies ist auch durch Anlaufspuren auf den Radsätzen des Maschinenwagens belegt. Vermutlich waren ein Steuerungsteil oder die Bremsen defekt. Bereits vor dem Unfall hatte es Probleme an anderen Schweizer RAm-Garnituren gegeben: vom Führerbremsventil des Steuerwagens, Bauart Oerlikon, konnte keine Bremsung ausgelöst werden, und die Züge mussten auf offener Strecke einen Halt einlegen. Auch verfasste Prof. Dr. Hans Thoma einen Bericht, wonach gefrorenes Schwitzwasser in der Bremsleitung zum Ausfall der Bremsanlage geführt haben könnte (Techn. Rundschau Nr. 24, Bern, 1971)

Jedoch wurde Kritik an den Sicherheitsstandards des Zuges laut, dem die deutsche Sifa mit Zeitsteuerung gegen unbeabsichtigtes Festhalten der Bedienungseinrichtung fehlte.

Nach dem Unglück

Der Steuerkopf und die Sitzwagen wurden an Ort und Stelle zerlegt, der Dieselkopf kam zunächst nach Zürich und wurde danach in den Niederlanden verschrottet.

Der Zugverkehr blieb auf diesem Streckenabschnitt der Allgäubahn eine Woche lang unterbrochen. Danach wurde der Betrieb des TEE „Bavaria“ wieder aufgenommen, wobei der Triebzug durch einen lokbespannten Wagenzug ersetzt wurde. Dieser bestand aus jeweils einem deutschen TEE- Wagen des Typs Avmz 111 (Abteilwagen) und einem Großraumwagen vom Typ Apmz 121, als Speisewagenersatz wurde ein Barwagen des Typs ARDmz 106 verwendet. Eine Gasturbinenlok der Baureihe 210 kam auf dem Abschnitt München–Lindau zum Einsatz, zwischen Lindau und Zürich wurde eine SBB Re 4/4 I verwendet, die ebenso in TEE-Farben gespritzt wurden.

Nach schweren Zugunglücken kam es häufig vor, dass der Name oder die Nummer des verunglückten Zuges nicht weiter verwendet wurde. Beim Bavaria war dies nicht der Fall, der Name wurde auch nach dem Ende des TEE-Verkehrs für die nachfolgenden D- und EC-Züge übernommen und blieb bis 2002 im Gebrauch.

Quellen

Hans Joachim Ritzau: Kriterien der Schiene, Verlag Zeit u. Eisenbahn, Landsberg-Pürgen 1978, ISBN 3-921304-19-9

47.8210710.53521

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