Carl Jacob Burckhardt

Carl Jacob Burckhardt
Carl J. Burckhardt

Carl Jacob Burckhardt (* 10. September 1891 in Basel; † 3. März 1974 in Vinzel, Kanton Waadt, Schweiz) war ein Schweizer Diplomat, Essayist und Historiker. Als sein literarisches Hauptwerk gilt die von 1935 bis 1967 veröffentlichte dreibändige Richelieu-Biographie. Im Jahr 1937 wurde er vom Völkerbund zum Hohen Kommissar für die Freie Stadt Danzig ernannt. Von 1944 bis 1948 fungierte er als Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Carl Jacob Burckhardt wurde 1891 als Sohn eines Juristen in Basel geboren und absolvierte das Gymnasium in seiner Heimatstadt und in Glarisegg. Anschliessend studierte er Geschichtswissenschaften an den Universitäten Basel, München, Göttingen sowie Zürich und schloss sein Studium 1918 mit der Promotion ab.

Von 1918 bis 1922 war er Gesandtschaftsattaché in Wien, wo er Hugo von Hofmannsthal kennenlernte und sich später mit ihm befreundete, wie aus dem Briefwechsel mit dem Dichter zu erfahren ist. 1926 habilitierte er sich an der Universität Zürich. Drei Jahre später wurde er hier zum Professor für Neuere Geschichte berufen. Von 1932 bis 1937 und von 1939 bis 1945 war er darüber hinaus auch in Genf als Professor für Geschichte am «Institut des Hautes Études Internationales» tätig. In seinem literarischen Schaffen befasste sich Burckhardt mit grossen Gestalten der europäischen Geschichte. 1935 erschien der erste Teil seines Hauptwerkes, der später dreiteiligen Biographie Richelieu. Einige Texte seines Werkes lassen die konservative politische Grundhaltung erkennen. So sieht er etwa im Essay Der Honnête Homme den Höhepunkt des französischen Absolutismus im 17. Jahrhundert als «das grosse französische Jahrhundert», in dem «die Erziehung des vornehmen Menschen» stattgefunden habe; im Essay Friedrich von Gentz bedauert er die endgültige «Opferung des von unabsehbarer Zukunft so reichen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation» durch die neue Ordnung der konservativen Mächte nach der Niederlage Napoleons.[1]

1923 war Burckhardt im Rahmen eines Besuches griechischer Kriegsgefangener in der Türkei erstmals für das IKRK aktiv, zehn Jahre später wurde er Mitglied des Komitees und besuchte in dieser Funktion 1935 und 1936 Konzentrationslager in Deutschland. Am 18. Februar 1937 ernannte ihn der Völkerbund zum Hohen Kommissar für den seit dem Versailler Vertrag unter Völkerbundaufsicht stehenden Freistaat Danzig. 1941 übernahm er den Vorsitz der im Juli des gleichen Jahres gegründeten Gemeinsamen Hilfskommission des IKRK und der Liga der Rotkreuz-Gesellschaften. Im Dezember des gleichen Jahres verhandelte er bei einem Besuch des britischen Ministeriums für wirtschaftliche Kriegsführung über Erleichterungen der Seeblockade zugunsten der Hilfe für Kriegsopfer und die Zivilbevölkerung. Er erhielt für das IKRK die Genehmigung zur Weiterleitung von Paketen an Kriegsgefangene.

Carl Jacob Burckhardt starb 1974 in Vinzel. Er war seit 1926 verheiratet mit Elisabeth de Reynold (1906–1989), Tochter von Gonzague de Reynold. Aus der Ehe entstammen zwei Töchter.

IKRK-Präsidentschaft

Am 4. Dezember 1944 wurde er, mit Wirkung vom 1. Januar 1945, einstimmig zum Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) gewählt und damit Nachfolger von Max Huber, der diese Funktion aus Altersgründen aufgab. Burckhardt blieb IKRK-Präsident bis 1948, als Paul Ruegger dieses Amt übernahm, und war darüber hinaus von 1945 bis 1949 Gesandter der Schweiz in Paris. Seine Doppelfunktion als IKRK-Präsident und Gesandter führte innerhalb des IKRK auf Anregung von Max Huber zur Neuschaffung der Ämter von zwei Vizepräsidenten sowie des Direktorats als ständiges Gremium unter Leitung des Generaldirektors, um auch bei Abwesenheit des Präsidenten eine kontinuierliche Arbeit des Komitees zu ermöglichen. 1950 wurde er Ehrenbürger der Stadt Lübeck, da er nach Ansicht der verantwortlichen Stellen durch die Einstufung der Stadt als «offene Stadt» wesentlich zur Rettung der historischen Lübecker Altstadt beigetragen hatte. 1957 wurde in Lübeck das Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium nach ihm benannt.

Kontroverse um sein Wirken

In seinem 1960 erschienenen Rechenschaftsbericht Meine Danziger Mission 1937–1939 beschrieb Burckhardt sein Wirken in der Freien Stadt. Obwohl es schon zu jener Zeit kritische Stimmen zur Zuverlässigkeit von Burckhardts Darstellung seiner eigenen Taten und Leistungen gab, so etwa von Hans Mayer oder Golo Mann, blieb sein Ruf in der Schweizer und IKRK-Diplomatie bis Anfang der 1990er Jahre unangetastet. 1991 erschien dann eine vom Schweizer Diplomaten Paul Stauffer verfasste Biographie, die ausgehend von Quellenstudien unter anderem in Warschau und genauen Textvergleichen am selbst geschaffenen Bild Burckhardts erhebliche Zweifel aufwarf. Mindestens drei Darstellungen Burckhardts sind nach Meinung von Stauffer als unglaubwürdig anzusehen:

  • Der «allermerkwürdigste Ausspruch» Hitlers über dessen Strategie und künftige Kriegsziele, den dieser ihm gegenüber bei seinem Besuch auf dem Berghof (Obersalzberg) am 11. August 1939 gemacht haben soll; ein Ausspruch, der später in vielen zeitgeschichtlichen Werken als Quelle zitiert wurde:
    «Alles, was ich unternehme, ist gegen Russland gerichtet; wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen, und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden. Ich brauche die Ukraine, damit man uns nicht wieder wie im letzten Kriege aushungern kann.»
  • Die Authentizität seines 1956 veröffentlichten Briefwechsels mit Hugo von Hofmannsthal, der umfangmässig stark Burckhardt-lastig ist.
  • Die Datierung eines Schreibens, angeblich aus dem Jahre 1938, an die spätere Publizistin Marion Dönhoff, welches deren Widerstandstätigkeit beglaubigte:
    «Die opferbereite, kühne Stellung, die Sie einnehmen, den Widerstand, der von Ihren Freunden ausgeht, bewundere ich.»
    (siehe dazu auch Stauffer-Dönhoff-Kontroverse)

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke (Auswahl)

  • Richelieu. Drei Teile. 1935–1967
  • Gestalten und Mächte. 1941
  • Reden und Aufzeichnungen. 1952
  • Meine Danziger Mission 1937–1939. 1960
  • Gesammelte Werke. Sechs Bände. 1971
  • Memorabilien. 1977
  • Briefe 1908–1974. 1986
  • Begegnungen. 1958

Literatur

  • Marion Gräfin Dönhoff: Ein Zeuge des alten Europa. Zum Tode von Carl Jakob Burckhardt. Die Zeit, Ausgabe vom 8. März 1974
  • Peter Guttkuhn: Carl Jacob Burckhardt zum Gedächtnis. 1891 bis 1974. In: Vaterstädtische Blätter. Lübeck 1974, S. 20
  • André Durand: History of the International Committee of the Red Cross. Volume II: From Sarajevo to Hiroshima. Henry Dunant Institute, Genf 1984, ISBN 2-88-044009-2
  • Paul Stauffer: Carl J. Burckhardt. Zwischen Hofmannsthal und Hitler; Facetten einer außergewöhnlichen Existenz. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1991, ISBN 3-85-823339-0
  • Paul Stauffer: «Sechs furchtbare Jahre ...»: auf den Spuren Carl J. Burckhardts durch den Zweiten Weltkrieg. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1998, ISBN 3-85-823743-4
  • Rainer Blasius: Die wahre Erfindung ist so wahr wie der Traum. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 2. Juni 1999
  • Gunther Nickel (Hrsg./ Komment.) und Claudia Mertz-Rychner (Hrsg./ Komment.): Carl Zuckmayer – Carl Jacob Burckhardt: Briefwechsel. In: Zuckmayer-Jahrbuch. Band 3. Röhrig Universitätsverlag GmbH, St. Ingbert 2000, S. 11–243, ISBN 3-86-110237-4

Weblinks

Einzelnachweis

  1. Carl J. Burckhardt: Gestalten und Mächte, Manesse 1961

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