Evangeliums-Christen

Evangeliums-Christen
Bethaus der Evangeliumschristen-Baptisten in Weinsberg
Bethaus der Evangeliumschristen-Baptisten in Wilhelmshaven
Bethaus der Freien Evangeliums-Christen Gemeinde e.V. in Ramstein

Die Evangeliums-Christen oder auch Evangeliumschristen sind eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem russischen Stundismus entstandene evangelische Freikirche. In sowjetischer Zeit vereinigten sich viele Evangeliums-Christen, Baptisten, Mennoniten und Pfingstgemeinden auf staatlichen Druck zu den Evangeliumschristen-Baptisten. Die Pfingstgemeinden, die sich nicht registrieren und vereinigen wollten, nannten sich Freie Evangeliums-Christen Gemeinden oder Gemeinden des Evangelischen Glaubens. In Deutschland finden sich heute Gemeinden von Freien Evangeliums-Christen wie auch von Evangeliumschristen-Baptisten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits im 19. Jahrhundert bildeten sich in der Ukraine und in Russland unter pietistischen Einflüssen erste einheimische protestantische Gemeinden, die in ihrer Gesamtheit als Stundisten bezeichnet wurden. Auch deutsche Prediger wie der lutherische Theologe Eduard Wüst oder der Begründer des deutschen Baptismus Johann Gerhard Oncken waren in die Entstehung des Stundimus involviert. Im April 1884 trafen sich in Sankt Petersburg schließlich Vertreter mehrerer protestantischer Gruppierungen, um eine Zusammenarbeit zu diskutieren, was jedoch aufgrund von differierenden Positionen zu Taufe und Abendmahl scheiterte. Einen Monat später wurde in der mennonitischen Siedlung Molotschna in der Ukraine der baptistische Bund der Gemeinden gläubig getaufter Christen gegründet. Ein mennonitischer Gemeindebund war bereits 1883 gegründet worden. Die beiden Bünde hatten bis 1926 (Mennoniten) und 1935 (Baptisten) Bestand.

Die Arbeit evangelischer Gruppen im zaristischen Russland fand Ende des 19. Jahrhunderts meist am Rande der Illegalität statt. Erst mit dem als Reaktion auf die Revolution von 1905 von Zar Nikolaus II. eingeführten Russischen Toleranzedikt wurde eine offenere Arbeit möglich. Auf Initiative des russischen Ingenieurs Iwan Prochanow wurde im Dezember 1909 in Sankt Petersburg schließlich der Bund der Evangeliums-Christen gegründet. Prochanow, der bereits während seiner Flucht ins europäische Ausland 1895 Kontakte zu deutschen Baptisten und Mennoniten knüpfen und sich theologisch weiterbilden konnte, wurde Vorsitzender des neu gegründeten Bundes. Der Bund war in seinen ersten Jahren stark evangelistisch geprägt. Auf dem zweiten Kongress 1911 wurden die von Prochanow formulierten Glaubenstatuten angenommen. Die Evangeliums-Christen bekannten sich darin unter anderem zur Bekenntnistaufe, womit sie sich den Baptisten annäherten. In Folge wurden sie auch in den Baptistischen Weltbund aufgenommen. Im gleichen Jahr wurden jedoch die Freiheiten, die das Toleranzedikt von 1905 gegeben hatte, erstmals wieder eingeschränkt. Ein für 1912 geplanter Kongress konnte schon nicht mehr stattfinden. Die erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Sankt Petersburg gegründete Bibelschule der Evangeliums-Christen wurde bereits 1914 wieder geschlossen, Publikationen verboten und viele evangelische Christen verhaftet und deportiert. Erst 1917 konnte der Bund der Evangeliums-Christen wieder offen arbeiten. Im Mai 1917 fand in Petrograd erstmals wieder ein Bundeskongress statt. Zugleich begannen auch Verhandlungen über einen eventuellen Zusammenschluss mit den russischen Baptisten, die jedoch am Konflikt über die Ordination von Predigern scheiterten. 1923 überschatteten Konflikte mit den kommunistischen Machthabern über die Teilnahme am Militärdienst und innere Konflikte den Bund. Trotzdem konnten noch zahlreiche Missionsprojekte innerhalb wie außerhalb der Sowjetunion initiiert werden. Der letzte Bundeskongress fand mit über 500 Vertretern im November 1928 in Leningrad statt. Ab April 1929 wurde die Arbeit des Bundes von sowjetischer Seite zunehmend behindert. In den folgenden Jahren brach die Arbeit im Bund schließlich vollkommen zusammen. Viele Evangeliums-Christen wurden verhaftet oder deportiert.

Erst nach 1940 begann sich eine Änderung der staatlichen Kirchenpolitik anzubahnen. Unter staatlichem Druck vereinigten sich im Oktober 1944 in Moskau Evangeliums-Christen und Baptisten zum Bund der Evangeliumschristen und Baptisten. Ein Jahr später stießen auch Teile der russischen Pfingstbewegung hinzu und der Bund änderte seinen Namen in Bund der Evangeliumschristen-Baptisten. Im August 1961 spaltete sich der nicht-anerkannte Rat der Kirchen der Evangeliumschristen-Baptisten (Initiativniki) ab. Stattdessen schloss sich im Dezember 1966 ein großer Teil der russischen Mennoniten an, so dass sich noch heute viele aus Russland stammende Mennoniten mit den Evangeliumschristen-Baptisten identifizieren.[1] Vertreter der Evangeliumschristen-Baptisten nahmen auch als Gäste an Mennonitischen Weltkonferenzen teil. Der Bund blieb viele Jahre neben der Russisch-Orthodoxen Kirche die einzig landesweit anerkannte Kirchengemeinschaft.

Gegenwart

In Russland ist die Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten heute mit etwa 80.000 Mitgliedern die größte protestantische Kirche des Landes. Auch in der Ukraine und anderen osteuropäischen Ländern bestehen nationale Gemeindeverbände der Evangeliumschristen-Baptisten.

Über die Rückwanderung von Russlanddeutschen nach Deutschland haben sich seit Ende des 20. Jahrhunderts auch an vielen deutschen Orten Gemeinden von Evangeliums-Christen oder Evangeliumschristen-Baptisten gegründet. Ein Teil der hier neu entstandenen Gemeinden hat sich in Gemeindeverbänden wie der Bruderschaft der Freien Evangeliums Christen Gemeinden oder der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Gemeinden zusammen gefunden. Ein Teil ist über die Arbeitsgemeinschaft der Evangeliumschristen-Baptisten im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden mit deutschen Baptisten verbunden oder ist mit Mennonitischen Brüdergemeinden im Bund Taufgesinnter Gemeinden zusammengeschlossen. Daneben gibt es auch Gemeinden außerhalb von Gemeindeverbänden.

Literatur

  • Heinrich Löwen jun.: Russische Freikirchen. Die Geschichte der Evangeliums-Christen und Baptisten bis 1944. Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn 1995, ISBN 3-926105-48-8 (Missiologica evangelica. Band 8)

Weblinks

 Portal:Baptisten – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Baptisten

Fußnoten

  1. All-Union Council of Evangelical Christians-Baptists. Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online, abgerufen am 21. Dezember 2009.

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