Carl Wilhelm Tölcke

Carl Wilhelm Tölcke
Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung (oben: August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Mitte: Karl Marx, unten: Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle

Carl Wilhelm Tölcke (* 31. Mai 1817 in Eslohe (Sauerland); † 30. November 1893 in Dortmund) war ein deutscher sozialdemokratischer Politiker. Er gilt als „Vater der westfälischen Sozialdemokratie“ und war kurze Zeit Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Familie

Carl Wilhelm Tölcke wurde am 31. Mai 1817 in Eslohe als Sohn des Gendarmen Christian Tölcke und seiner Ehefrau Dorothea Schildmann geboren. Nach der Volksschule trat er 1832 in den preußischen Justizdienst ein und leistete seinen Militärdienst ab. Seit 1844 war er als Gerichtsaktuar am Land- und Stadtgericht Altena tätig, am 5. April 1844 heiratete er Friederike Antonia Müller, die Tochter eines Gerichtsaktuars aus Suhl. Das Ehepaar hatte acht Kinder.

Wirken in der Revolution von 1848/49

Nach Ausbruch der Märzrevolution veröffentlichte er am 8. April 1848 im Altenaer Wochenblatt einen Aufruf zur Bildung eines kampffähigen Korps der Stadt Altena. Daraufhin wurde er am 1. Juli aufgrund von „Dienstvernachlässigung“ entlassen. Einen Monat später wählte ihn der Konstitutionelle Bürgerverein von Altena zum Vorsitzenden. Nach Auflösung der Preußischen Nationalversammlung wurde Tölcke am 14. November 1848 unter dem Vorwurf Auktionsgelder unterschlagen zu haben kurz inhaftiert. Während des Iserlohner Aufstands von 1849 wurde ihm die Führung der Bürgerarmee angeboten, die er jedoch ablehnte. Nach dessen Scheitern wurde Tölcke steckbrieflich wegen Hochverrats gesucht und musste fliehen. Er stellte sich jedoch der Polizei bis Ende 1849 im Iserlohner Zeughaus in Haft, danach wurde er bis zu seinem Freispruch im Mai 1850 in die Zitadelle Wesel verlegt.

Führende Persönlichkeit im ADAV

Ab 1851 arbeitete er in verschiedenen Berufen wie Spezerei-Händler, Arbeiter, Handlungsreisender und Schriftsteller. 1857 wurde er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Amtsbeleidigung zu drei Monaten Haft verurteilt, die er in Duisburg absaß. In dem von ihm selbst herausgegebenen Blatt „Volksbote“ trat er für eine konstitutionelle Monarchie ein, was ihn in die Nähe von Ferdinand Lassalle brachte. Seit 1860 stand Tölcke in Kontakt mit dem Nationalverein, Anfang 1865 trat er der ersten Gemeinde im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) in Iserlohn bei. Trotz wiederholter Verbote agitierte er in Westfalen und im Rheinland, erlangte dadurch einen hohen Bekanntheitsgrad und gewann für den ADAV zahlreiche Anhänger. Am 30. November 1865 wurde er in Frankfurt am Main zum Präsidenten des ADAV gewählt, musste das Amt aufgrund seiner in den früheren Verurteilungen aberkannten bürgerlichen Ehrenrechte aber Mitte Juni 1866 wieder aufgeben. [1] Nachfolger wurde August Perl. Tölcke blieb aber in der Parteiführung. In dieser Zeit war Tölcke im Jahr 1868 an der Gründung der „Allgemeinen Genossenschaft der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter[2] als einer der ersten Gewerkschaften im Bereich der Montanindustrie beteiligt und wurde ihr Vorsitzender. Im gleichen Jahr wurde er auch Vizepräsident des ADAV, ein Jahr später wurde er besoldeter Sekretär des ADAV. Er betätigte sich kämpferisch gegen die konkurrierende sozialistische Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). 1870 kehrte er nach Iserlohn zurück und eröffnete dort eine Gastwirtschaft, blieb aber führend an den Auseinandersetzungen im Berliner Parteivorstand des ADAV beteiligt. Bei der Reichstagswahl 1874 kandidierte Tölcke an mehreren Orten, unter anderem in Dortmund, konnte aber kein Mandat gewinnen.

Politiker der SDAP und SPD

Gedenkstein auf dem Ostenfriedhof Dortmund

Daraufhin setzte er sich für die Fusion des ADAV mit der SDAP ein. Auf dem Gothaer Vereinigungsparteitag 1875 wurde dieser schließlich vollzogen, die neue Partei war die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands. Tölcke widmete sich daraufhin der Konsolidierung der neuen Partei, gründete den Dortmunder Ortsverein und wurde 1878 Redakteur der Westfälischen Freien Presse. Im Zuge des Sozialistengesetz wurde er 1879 wegen Beleidigung gegnerischer Reichstagsabgeordneter verurteilt, wegen einer schweren Erkrankung wurde die neunmonatige Haftstrafe jedoch unterbrochen. Nach der Genesung kandidierte er im gleichen Jahr vergeblich für die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung. Auch seine Kandidatur für den Reichstag 1890 blieb ohne Erfolg, die errungenen 26,7 % der Stimmen stellten aber einen Achtungserfolg dar.

Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes half er die Parteiorganisation und -presse in Westfalen noch einmal neu aufzubauen. Er nahm an den Parteitagen in Halle und Erfurt teil. Trotz schwerer Krankheit kandidiert er bei der Reichstagswahl 1893 erneut und unterlag nur knapp dem nationalliberalen Kandidaten. Carl Wilhelm Tölcke starb am 30. November 1893 in Dortmund im Alter von 76 Jahren. Die Beerdigung fand am 4. Dezember unter großer Anteilnahme seiner Parteigenossen auf dem Dortmunder Ostenfriedhof statt. [3]

Werke

  • Gebühren-Taxe für sämmtliche gerichtliche und außergerichtliche Auktions-Kommissarien der Preußischen Monarchie, ausschließlich der Rheinprovinz vom 21. Juni 1845, nebst tabellarischer Berechnung sämmtlicher Prozenten von Objekten von 1-1000 Thalern. Santz, Altena 1845
  • Zweck, Mittel und Organisation des Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins. Ein Leitfaden für die Agitatoren, Bevollmächtigten und Mitglieder des Vereins. C. Ihring, im Selbstverlage des Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, Berlin 1873 [4]
  • Arno Herzig: Carl Wilhelm Tölckes Presseberichte zur Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie 1848-1893. Quellen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Verlag Dokumentation, München 1976 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, 22)
  • Arno Herzig; Konrad Rosenthal: Carl Wilhelm Tölcke. Korrespondenz aus den Jahren 1848-1893. Stadt Iserlohn, Iserlohn 1977 (Haus der Heimat. Beiträge zur Geschichte Iserlohns, Bd. 16)

Literatur

  • Arno Herzig: Der Allgemeine Deutsche Arbeiter-Verein in der deutschen Sozialdemokratie. Dargestellt an der Biographie des Funktionärs Carl Wilhelm Tölcke, 1817-1893. Colloquium-Verlag, Berlin 1979 (Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Beiheft 5)
  • Bernd Faulenbach, Günther Högl, Karsten Rudolph, Uwe Schledorn, Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Bezirk Westliches Westfalen: Vom Aussenposten zur Hochburg der Sozialdemokratie, der SPD-Bezirk Westliches Westfalen 1893-1993. Essen, Klartext 1993, S. 20
  • Arno Herzig: Carl Wilhelm Tölcke. Vater der westfälischen Sozialdemokratie. In: Bernd Faulenbach (Hrsg.): Sozialdemokratie im Wandel. Der Bezirk Westliches Westfalen 1893–2001. 4. Auflage. Klartext, Essen 2001, ISBN 3-89861-062-4, S. 20f..
  • Georg W. Oesterdiekhoff, Hermann Strasser: Köpfe der Ruhr. 200 Jahre Industriegeschichte und Strukturwandel im Lichte von Biografien. Klartext, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0036-3, S. 68–73.

Weblinks

Einzelnachweis

  1. Gustav Mayer: Johann Baptist von Schweitzer und die Sozialdemokratie. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Gustav Fischer, Jena 1909 (Reprint: Detlev Auvermann, Glashütten im Taunus 1970), S., 162
  2. Er, der nach eigenen Worten nur deshalb in den Gewerkschaften tätig war, „um später den Beweis zu führen, daß die ganze Bewegung nichts tauge“. (Werner Ettelt / Hans-Dieter Krause: Der Kampf um eine marxistische Gewwerkschaftspolitik in der deutschen Arbeiterbewegung 1868 bis 1878, Berlin 1975, S. 212
  3. Kurt Koszyk: Tölcke, Carl Wilhelm. In: Hans Bohrmann (Hrsg.): Biographien bedeutender Dortmunder. Menschen in, aus und für Dortmund. 1, Ruhfus, Dortmund 1994, S. 146f..
  4. Auch einer Broschüre Tölckes konnte ihn nicht aus seiner Reserve herauslocken, obgleich sie das Märchen verbreitete, er wäre stets ein Verbündeter Liebknechts und der Gräfin Hatzfeld gewesen und hätte mit diesen gemeinsam die Arbeiterbewegung durch Verunstaltung von Scheinkämpfen ruiniert. Wenn Tölcke selbst diesen abgeschmackten Unsinn glaubte, so war er nicht ernst zu nehmen, glaubte er ihn aber nicht, so war er ein bösartiger Verläumder. (Gustav Mayer: Johann Baptist von Schweitzer und die Sozialdemokratie, S. 420)

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