Galeriegrab Calden I

Galeriegrab Calden I

Das 1948 entdeckte Galeriegrab Calden I liegt im Landkreis Kassel, zwischen den Verbreitungszentren der Wartbergkultur bei Fritzlar in Nordhessen und Warburg in Ostwestfalen. Der Zerstörungsgrad und das scheinbar unspezifische keramische Fundmaterial führten dazu, dass die Anlage in der wissenschaftlichen Diskussion zunächst keine Rolle spielte. Nachdem im Jahre 1947 offenbar ein großer Findling angepflügt worden war, erfolgte 1948 eine erste Untersuchung durch Otto Uenze. 1988 wurden die neuen Grabungen im Rahmen des Calden Projektes begonnen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Galeriegrab liegt südlich des Ortes in einem kleinen Tal, in unmittelbarer Nähe zweier Quellen.

Beschreibung

Lediglich zwei der Wandsteine befanden sich noch in situ, zwei weitere waren in den Innenraum gekippt. Mit Hilfe der Fundamentgräben der Wandsteine und der erhaltenen Steine ließ sich der Grundriss der in der römischen Kaiserzeit und im Mittelalter gestörten Anlage rekonstruieren. Vor dem nach Südosten orientierten Zugang fanden sich im Bereich einer großflächigen Störung zwei Decksteine.

Die Anlage bestand aus etwa 20 Wandsteinen aus Tertiärquarzit; und etwa 10 Decksteinen. Die Länge betrug 12,6 m, die Breite 3 m. Der Schlussstein am einen Ende der Anlage lag um ca. 1,2 m zurückgesetzt, zwischen Anten. Das entspricht dem Bauschema der Galeriegräber vom Typ Züschen und weist auf einen Zugang in Form eines Seelenloches. Die Standspuren des Schlusssteines am anderen Ende haben sich nicht erhalten. Die lichte Höhe des Innenraumes lässt sich auf 1,0 bis 1,5 m veranschlagen.

In seinen Abmessungen entspricht Calden I dem etwa einen Kilometer entfernten Calden II, lediglich die Längen scheinen zu differieren. Angesichts der unterschiedlichen Abmessungen in der Nekropole von Warburg scheint hier eine dogmatische Bautradition vorzuliegen.

Bestattungen

Trotz der Störungen waren Teile der Bestattungsschicht intakt. Die Zahl der Bestattungen wird vom Ausgräber auf 40 bis 80 geschätzt. Mindestens 40 Schädel wurden gefunden. Dem Anthropologen Alfred Czarnetzki lagen in den 60er Jahren die Reste von mindestens 30 Individuen vor. Obwohl keine vollständigen Skelette angetroffen wurden, lassen Skelettelemente im anatomischen Zusammenhang eine Rekonstruktion der Lagerung zu. Die Toten wurden in Rückenlage parallel zur Grabrichtung deponiert. Dies entspricht dem Befund in den Galeriegräbern Altendorf, Calden II und Wewelsburg I. Zum Teil scheinen sie nebeneinander niedergelegt worden zu sein. In einem Fall wurde eine mehrfache Überlagerung von Skelettteilen beobachtet.

Aufgrund der Kürze der Untersuchung und des Zerstörungsgrades wird davon ausgegangen, dass die ursprünglichen Bestattungen unvollständig erfasst wurde. Die Gesamtzahl wird man vorsichtig auf 100 bis 200 geschätzt.

Grabbeigaben

Keramik

In der Kammer wurde keine Keramik gefunden. Die gemachten Funde stammen aus dem Bereich der kaiserzeitlichen Störung im Eingangsbereich. Calden II verweist darauf, dass die Keramik der Wartbergkultur, anders als in zeitnahen anderen Kulturen, vor der Kammer verblieb. Lediglich ein kleiner Trichterbecher mit Innenösen konnte vollständig rekonstruiert werden. Er hat seine reinste Parallele in einem Gefäß aus Alsleben, das nach Beifunden und 14C-Datum in die Baalberger Kultur gehört. Die übrigen Gefäßreste stammen zumeist von Trichterrandgefäßen, die mitunter eine randbegleitende, feine Einstichreihe zeigen. Ob eine Arkadenrandscherbe im Kontext mit der Anlage steht, ist unklar. Angesichts der typochronologischen Bezüge des Ösenbechers ist dies jedoch nicht auszuschließen.

Beigaben

Die Toten wurden mit Schmuck und Ausrüstungsgegenständen beigesetzt. Hierzu gehören durchbohrte Tierzähne (Braunbär, Hund, Rind, Rothirsch, Schwein, seltener Wildkatze), Unterkieferhälften von Tieren (Fuchs, in einem Fall Reh), Feuersteinklingen und eine große Zahl von Pfeilbewehrungen aus Feuerstein und Kieselschiefer, die das zeitgenössische Formenspektrum abdecken. Zu den Besonderheiten zählt eine axtförmige, durchbohrte Bernsteinperle. Spuren grüner Patina auf dem Boden der Kammer, weisen auf das Vorhandensein von Kupfergegenständen unter den Beigaben.

Datierung

Zwei 14C-Datierungen an Menschenknochen geben als frühestmöglichen Zeitpunkt das 34. Jahrhundert. v. Chr. für diese Bestattungen. Dies entspricht den Ergebnissen aus der Nekropole von Warburg. Der Beginn der Belegung dürfte spätestens um 3400 v. Chr. begonnen haben. Das Fehlen von Formen, wie sie in der Hauptnutzungsphase B des nahe gelegenen Erdwerks und in der Anlage Calden II vorliegen, deutet an, dass die Nutzung zu dieser Zeit (um 3200) bereits ihr Ende gefunden hatte.

Menhir in Grabnähe

Während der Ausgrabung wurde von einem großen Stein berichtet, der etwa 40 Jahre zuvor 34 m nordöstlich der Anlage geborgen worden war. Die Maße wurden mit 4,0 × 0,6 × 0,6 m angegeben. 1948 war an der Entnahmestelle noch eine Mulde im Acker erkennbar. Der Verbleib des Steines konnte nicht festgestellt werden. Angesichts der Abmessungen ist die Deutung als Menhir erwägenswert, zumal ähnliche Befunde mittlerweile von einer ganzen Reihe grob zeitgleicher Galerien bekannt sind (Großenrode I und II, Odagsen, Muschenheim und Gudensberg). Grab und fraglicher Menhir könnten im Zusammenhang mit ihrer Lage im Quellbereich als Bestandteile eines kleinen religiösen Bezirkes gedeutet werden.

Siehe auch

Literatur

  • Dirk Raetzel-Fabian: Calden. Erdwerk und Bestattungsplätze des Jungneolithikums. Architektur – Ritual – Chronologie. Mit Beiträgen von Gerd Nottbohm, Kerstin Pasda, Gesine Weber und Jaco Weinstock. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 70. Bonn (Habelt) 2000, ISBN 3774930228.
  • Waldtraut Schrickel: Westeuropäische Elemente im neolithischen Grabbau Mitteldeutschlands und die Galeriegräber Westdeutschlands und ihre Inventare. Katalog der mitteleuropäischen Gräber mit westeuropäischen Elementen und der Galeriegräber Westdeutschlands. Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie des Mittelmeer-Kulturraumes 4-5. Bonn 1966.
  • Winrich Schwellnus: Wartberg-Gruppe und hessische Megalithik. Ein Beitrag zum späten Neolithikum des Hessischen Berglandes. Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 4. Wiesbaden 1979.
  • Otto Uenze: Das Steinkammergrab von Calden, Kr. Hofgeismar. In: Steinzeitliche Grabungen und Funde (Hrsg. Otto Uenze). Kurhessische Bodenaltertümer 1. Marburg 1951, 22-31.

Weblinks

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