Gebr. Oberlinger Orgelbau

Gebr. Oberlinger Orgelbau
Gebr. Oberlinger Orgelbau
Rechtsform
Gründung 1869
Auflösung 2006
Sitz Bad Kreuznach, Deutschland

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Gebr. Oberlinger Orgelbau war bis 2006 ein traditionsreiches Orgelbauunternehmen mit Sitz in Windesheim bei Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz). 2006 wurde sie an Egon Schmitz verkauft. Der neue Besitzer führte die Werkstätte mit zum Teil neuen Leuten seit 2007 unter dem Namen Orgelbaugesellschaft Reichenstein mbH weiter. 2009 verkaufte er die Orgelbaugesellschaft Reichenstein mbH an vier Mitarbeiter, die sie nun leiten. Einer der früheren Oberlinger Orgelbaumeister, Wolfgang Oberlinger, führt seit 2008 die Familientradition Oberlinger in einem neuen Unternehmen unter der Firma Oberlinger GmbH weiter.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einen ersten Orgelbaubetrieb in Windesheim gründete Jakob Oberlinger (* 6. März 1842; † 7. Mai 1916), dessen Großvater bereits 1773 bei der Hunsrücker Orgelbauerfamilie Stumm in Rhaunen als Schreiner gearbeitet hatte; die Familie Oberlinger sieht sich daher in der Tradition der Rheinischen Orgelbauer.

Jakob Oberlinger baute nach seiner Lehre und Wanderschaft 1869 seine erste Orgel für die evangelische Kirche in Hargesheim bei Bad Kreuznach. Ab 1872 betrieb Jakob zusammen mit seinem Bruder Karl sen. (* 23. März 1840; † 1919) die Werkstatt. Karl konnte als Tischlermeister wichtiges Wissen der Holzbearbeitung in den Betrieb einbringen und setzte so die Tradition der Tischler in der Familie fort. 1880 konnten die Brüder die Werkstatt durch Übernahmen von regionalen Orgelbaubetrieben wesentlich vergrößern.

Der technischen Innovation im Orgelbau um die vorletzte Jahrhundertwende folgend, baute das Unternehmen ab 1884 Orgelwerke mit mechanischen (Weeze bei Kevelaer), später mit pneumatischen Kegelladen (1895, Bingerbrück). Ab 1902 wurden Werke mit Röhrenpneumatik gefertigt (Landsweiler), 1912 wurde die erste Orgel mit einer elektro-pneumatischer Spieltraktur nachgerüstet (Bingerbrück). Durch den Einfluss der Orgelbewegung begann das Unternehmen schon 1937 wieder Schleifladen zu bauen, allerdings noch mit elektro-pneumatischer Spieltraktur. In den 1950er Jahren kehrte das Unternehmen endgültig wieder zum Bau von Schleifladen mit mechanischen Spieltrakturen zurück.

Nach dem Tod der beiden Gründer übernahm der Sohn Jakobs, Karl jun. (* 1879; † 1962), die Leitung des Unternehmens und führte es durch die schwierigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übergab Karl jun. das Unternehmen an zwei seiner Söhne, Hermann (* 18. Dezember 1908; † 2002) und Ernst (* 1. Januar 1915). Unter deren Leitung expandierte das Unternehmen, es beschäftigte bis zu 80 Mitarbeiter. Deren beide Söhne Helmut (* 9. Februar 1942) und Wolfgang (* 19. Januar 1943), die neben Orgelbau auch Betriebswirtschaft und Architektur studiert hatten, führten das Unternehmen seit 1980 in der vierten Generation mit nunmehr 55 Mitarbeitern in einem vergrößerten und in ein neues Gelände ausgelagerten Unternehmen fort.

In den 1990er Jahren intensivierte das Unternehmen seine wissenschaftliche Herangehensweise an den Orgelbau. Es arbeitete dazu mit Universitäten und Fachhochschulen zusammen. 1987 wurden vier historische Orgelinstrumente im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts rekonstruiert. Aufmerksamkeit erlangte das Unternehmen auch durch die von ihm geleiteten Forschungen und Entwicklungen im Bereich der technischen und klanglichen Innovationen im Orgelbau. So wurde zum Beispiel ein Externer Balancier entwickelt, eine mechanische Vorrichtung, um auch lange mechanische Spieltrakturen ohne Verlust der Präzision und Sensibilität realisieren zu können. Patentiert wurde die Erfindung eines raumsparenden Subbass-16'-Registers (Cubus 16'), das in kleinen Orgeln Verwendung finden soll. Ebenfalls patentiert wurde die Erfindung einer Vorrichtung zur Glättung von Luftströmen, die den durch das elektrische Schleudergebläse erzeugten und dabei verwirbelten Wind beruhigt.

Das Unternehmen zählte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den großen deutschen Werkstätten des Orgelbaus und war weltweit im Neubau und in der Restaurierung von Orgeln tätig. Das Arbeitsgebiet umfasste neben der Bundesrepublik Deutschland auch das europäische Ausland sowie mehrere Länder in Asien, Afrika und Amerika. Sie gewann auch regionale wirtschaftspolitische Bedeutung als Beispiel eines modernen Handwerkbetriebes in Rheinland-Pfalz.

2005 geriet das Unternehmen durch stornierte Großaufträge im Ausland in Zahlungsschwierigkeiten und musste Insolvenz beantragen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es über 1200 Orgelwerke gebaut.

Am 21. November 2006 kaufte ein regionaler Investor das Unternehmen, die Belegschaft wurde auf 20 Mitarbeiter reduziert und die Mitglieder der Familie Oberlinger schieden aus dem Unternehmen aus. Im Juni 2007 übernahm derselbe Investor das Unternehmen Emil Hammer Orgelbau in Hannover und fusionierte beide Orgelbauunternehmen unter der neuen Firma Orgelbaugesellschaft Reichenstein mbH.[Anm. 1] Mitte 2009 erwarben Mitarbeiter das Unternehmen und führten es weiter.

Die Orgelbautradition der Familie Oberlinger wurde 2007 durch die Gründung eines neuen Unternehmens, der Oberlinger GmbH, durch Wolfgang Oberlinger fortgeführt.

Aktuell

Im November 2011 hatte das Unternehmen noch zehn Mitarbeiter und musste beim Amtsgericht Bingen Insolvenz anmelden.[1] Mitarbeiter der Firma hätten teilweise über 9 Monate keinen Lohn mehr erhalten.[2]

Orgel Art Museum

Die Instrumentensammlung der Familie Oberlinger bildet den Grundstock für das Orgel Art Museum in Windesheim.

Werkliste (Auswahl)

Jahr Ort Kirche Bild Man. Reg. Bemerkungen/Quellen
1885 Leideneck Ev. Kirche von 1852 I/P 10 Originalzustand, Gebläse 1960. Prospekt dreiteilig, reichlich langweilig, die nüchterne Handwerks-arbeit damaliger Zeit[3]
1880 Todenroth Ev. Kirche 5
1885 Heyweiler Pfarramtlich zu Gödenroth 7
1898 Gödenroth Ev. Kirche 10
1900 Kappel Ev. Kirche von 1747 I/P 6 Prospekt dreiteilig, Kegelladen, Originalzustand, 1966 gereinigt, Gebläse[4]
1901 Seibersbach Ev. Johannes-Kirche Ersetzte eine vermutlich von Stumm stammende Orgel von 1764
1907 Gemünden Ev. Kirche 10
1970 Neustadt, Weinstraße Protestantische Stiftskirche III/P 51
1975 Berlin St. Paulus Berlin-Moabit - St. Paulus - Organ.jpg III/P 46
1982 Frankfurt am Main Alte Nicolaikirche Orgel Alte Nikolaikirche.JPG II/P 23
1981 Bonn-Beuel Kath. St. Josephkirche III/P 61
1981 Vilnius, Litauen Jesuitenkirche St. Kasimir II/P 45
1986 Alexandria (Virginia) St. Mary's Rom. Cath. Church II/P 17
1990 Dillenburg Evangelische Stadtkirche Evangelische Stadtkirche 11.jpg III/P 45 Historischer Orgelprospekt aus dem Jahr 1719 von Florentinus Wang, 1990–2005 mehrfach erweitert.[5]
1993 Braunschweig St. Thomas (Braunschweig) Orgel St. Thomas.JPG II/P 20 Organist spielt der Gemeinde zugewandt[6]
1996 Worms Wormser Dom II/P 18
1999 Peking China National Radio (CNR) - Sendesaal Organ CNR Beijing.jpg IV/P 51
2000 Worms-Hochheim Kath. Pfarrkirche Maria Himmelskron II/P 25
2003 Riga St. Petrikirche IV/P 77

Patente

Folgende Patente sind für Gebr. Oberlinger Orgelbau GmbH & Co. KG eingetragen:

  • DE19546312A1: Klangkörper für Orgeln, vom 19. Juni 1997[7]
  • DE19546312C2: Quaderförmiger allseits geschlossener Klangkörper für Orgeln, vom 25. März 1999[8]
  • DE10000159C1: Vorrichtung zur Glättung von Luftströmen, vom 23. August 2001[9]

Literatur

  • L. Finscher: Die Musik in Geschichte und Gegenwart: allgemeine Enzyklopädie der Musik. Bärenreiter, Kassel 1994.
  • J. Rodeland: Zur Geschichte der Orgelbauwerkstatt Oberlinger in Windesheim. In: Lebendiges Rheinland-Pfalz, Zeitschrift für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Landesbank Rheinland-Pfalz (Hrsg.). Jahrgang 30, Heft 2/3.
  • Thomas Jörg Frank: Orgelbau zwischen Orgelbewegung und französischer Orgelromantik. Dargestellt an ausgewählten Instrumenten der Orgelbauwerkstatt Oberlinger (Diss. Mainz). Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-4922-7.
  • E. Bush, Richard Kassel (Hrsg.): The Organ: An Encyclopedia. Routledge-Verlag, 2006, ISBN 978-0415941747.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. www.rhein-zeitung.de
  2. Allgemeine Zeitung Bad Kreuznach vom 14. November 2011
  3. 150 Jahre Kirche Leideneck, 2002, S. 68 (Kirchenrevision von 1916)
  4. 250 Jahre Ev. Kirche Kappel, 1997, S. 119f.
  5. Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Dillenburg: Evangelische Stadtkirche Dillenburg. [Faltblatt], o.O., o.J.
  6. Kirchenvorstand der Kirchengemeinde St. Thomas im Heidberg (Hrsg.): Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Thomas im Heidberg. [Faltblatt], o.O., o.J.
  7. Patent DE19546312A1 zugegriffen am 6. Juni 2011
  8. Patent DE19546312C2 zugegriffen am 6. Juni 2011
  9. Patent DE10000159C1 zugegriffen am 6. Juni 2011

Anmerkungen

  1. Die neue Firma rührt von der ebenfalls im Besitze des Investors befindlichen Burg Reichenstein bei Bingen her.

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