Geschichte Bozens

Geschichte Bozens

Die Geschichte der Stadt Bozen beginnt mit der Besiedlung der Gegend durch die Römer.

Inhaltsverzeichnis

Antike und frühes Mittelalter

Der Talkessel von Bozen war im frühen Mittelalter wegen seiner Sümpfe und häufigen Überschwemmungen unbewohnbar. Es gab jedoch schon zu Römerzeiten neben einer Straßenstation namens Pons Drusi (benannt nach Drusus, der auf seinem Germanienfeldzug vermutlich hier vorbeigekommen ist) eine Siedlung in der Umgebung des heutigen Domes (siehe Bild), wo man Reste einer frühchristlichen Kirche und einiger Gebäude aus dieser Zeit gefunden hat. Diese Siedlung hieß wahrscheinlich Bauzanum, wohl nach einem der ersten Bewohner, der Baudius oder ähnlich geheißen hat. Die Militärstation lag wahrscheinlich an der Brücke über den Eisack, in der Nähe der heutigen Ortschaft Kardaun, von dort ging die Straße über Rentsch auf den Ritten. Die Siedlungen im Tal wurden während der Völkerwanderung zugunsten befestigter Anlagen an erhöhter Stelle aufgegeben. In jener Zeit hat es vermutlich auf dem Virgl eine Burg namens Bozen gegeben. Für diese Burg ist ab dem 7. Jahrhundert ein bairischer Graf von Bozen bekannt. Davor war die Gegend von romanisierten Rätern bewohnt und stand zeitweise unter dem Einfluss der Langobarden. Hier hat auch Herzog Tassilo III. die Gründung des Klosters Innichen beschlossen. Zeugnis davon gibt freilich nur mehr die Vigiliuskirche am Virgl, die aus jener Zeit stammt und somit die älteste bestehende Kirche im Raum Bozen ist. Ihr Name weist darauf hin, dass die Kirche von Romanen oder Langobarden errichtet wurde, da der Heilige Vigilius ein Bischof von Trient war.

Mittelalter und Neuzeit

In der Folge gab es eine Grafschaft Bozen (entspricht in etwas den heutigen Gemeinden Bozen, Leifers, Terlan, Mölten, Jenesien, Sarntal, Teilen von Karneid und Deutschnofen)[1], die später aber an das Hochstift von Trient überging. Die Bischöfe haben die Siedlung wieder ins Tal verlegt und die Gründung eines Marktes angeregt.

Der Markt Bozen wurde um 1170 gegründet, und bestand ursprünglich nur aus einer Straße (der heutigen Laubengasse) und einem Platz (dem nördlichen Teil des heutigen Kornplatzes). Um 1200 entstand die bischöfliche Neustadt mit der Anlage weiterer Gassen (den heutigen: Silbergasse, Dr. Streitergasse, Obstplatz). Um 1210 gründeten die Herren von Wangen im Osten und Norden des bischöflichen Marktes eines eigene Vorstadt (heute Weintraubengasse, Bindergasse und Vintlerstraße)[1]

"Botzen", Kupferstich v. Matthäus Merian , 1649

Bozen ist seit seiner Gründung und Erhebung zur Stadt[2] vor mehr als 800 Jahren eine Handelsstadt, die günstig zwischen den ehemals bedeutenden Handelsdrehkreuzen Venedig und Augsburg liegt. Zu den viermal im Jahr veranstalteten Messen kamen Handelsleute aus Nord und Süd. Deshalb wurde 1635 der Merkantilmagistrat (Handelsgericht) gegründet, der in Marktzeiten aus je zwei deutschen und italienischen Räten (von den Kaufleuten aus ihren Kreisen bestimmt) gebildet wurde.

Merkantilmuseum: einziges Renaissancegebäude der Stadt und Sitz des ehemaligen Merkantilmagistrates

Das Bozner Becken fasziniert mit seinem einzigartigen Burgenreichtum. Rund 40 Burganlagen auf engstem Raum bilden die größte Burgendichte Europas. Seit dem 12. Jahrhundert wurden im Bozner Becken von adeliger Hand Burgen errichtet, meist an exponierten Punkten, um Prestige, Reichtum und weltliche Macht dieser Familien sichtbar zu machen. Anlagen wie Greifenstein, Rafenstein oder Weineck wurden an strategisch günstig gelegenen Stellen erbaut und verbanden den Anspruch politischer Macht mit Funktionen der Rechtsprechung und Steuereinhebung. Abgaben wurden großteils in Naturalabgaben geleistet, weshalb im Burgbereich auch Ställe und Lager für Getreide und Wein vorhanden waren. Im Spätmittelalter verlagerte sich die politisch-ökonomische Macht in die Städte Bozen, Meran und Brixen und an den landesfürstlichen Hof nach Schloss Tirol (ab circa 1420 nach Innsbruck). Gleichzeitig etablierten sich die Märkte und setzte sich die Geldwirtschaft definitiv durch. Das 14. und 15. Jahrhundert bedeutete somit einen Funktionswandel für die Burgen im Bozner Raum. Viele von ihnen wurden dem Verfall preisgegeben. Dieses Schicksal traf beispielsweise die Burg am Johanneskofel und Walbenstein. Andere Burgen, wie Schloss Runkelstein, Haselburg oder Schloss Maretsch wurden im Stil der Gotik und Renaissance zu Schlössern umgebaut.

Die wohlhabenden Bürger jener Zeit haben sich selbst auch einige Denkmäler gesetzt, so finden in der Pfarrkirche (seit 1964 Conkathedrale) mehr Leute Platz als in jeder anderen Kirche zwischen Verona und München. Die Kaufmannsfamilie Vintler hat 1388 mit dem Ankauf von Schloss Runkelstein versucht, eine dem Adelsrange gleichrangige Stellung zu erlangen. Gleichzeitig mit der Stadt etablierten sich um Bozen zwei Landgemeinden: (Zwölfmalgreien und Gries), die 1911 bzw. 1925 eingemeindet wurden.

1381 erhielt Bozen von Herzog Leopold III. von Österreich zusammen mit einem Ratsprivileg sein Stadtwappen: Es zeigt den umgekehrten österreichischen Bindenschild als Zeichen der landesfürstlichen Zugehörigkeit der Stadt, wobei der rote Balken mit einem sechszackigen goldenen Stern belegt ist, vermutlich als Hinweis auf die Gottesmutter Maria (stella maris), die Hauptpatronin der Stadtpfarrkirche.

20. Jahrhundert

Gebäude aus den 1930er-Jahren
Faschistisches Siegesdenkmal

Nach dem Sieg Italiens über Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg wurde Südtirol und damit auch Bozen 1918 von Italien zunächst besetzt und später annektiert. In der Zeit des Faschismus wurden viele Italiener aus südlichen Regionen nach Bozen umgesiedelt, während zahlreiche deutsche Bozener – wie in Südtirol allgemein – zwischen Auswanderung und rücksichtsloser Assimilierung wählen mussten (siehe dazu: Option).

Um die Italianisierung Südtirols voranzutreiben und den Italienern Arbeit zu geben, wurde in Bozen ein bedeutendes Industriegebiet errichtet. Die Einwohnerzahl wuchs sprunghaft an. Für die italienischen Einwanderer wurden auch Siedlungen im ländlichen Stil errichtet, die häufig über einen Garten verfügten. Diese Majorisierungspolitik wurde auch von der Republik Italien nach dem Krieg bis zur Gewährung eines Autonomiestatuts fortgesetzt, so dass heute über 70 % der etwa 100.000 Einwohner italienischer Muttersprache sind. Als deutlich sichtbares Zeichen der Italianisierung und des Sieges im Ersten Weltkrieg über Österreich-Ungarn errichtete die italienische faschistische Regierung 1928 mitten in der Stadt ein Siegesdenkmal als Triumphbogen sowie den Gerichtsplatz mit dem Haus des Faschismus, zeitgleich wurden Denkmale und Gebäude, die zu deutsch waren entfernt oder umgebaut. So wurde das Walther-Denkmal umgestellt, der Turm des Stadtmuseums abgebrochen, der Bahnhof umgebaut und das Kaiserjägerdenkmal abgebrochen.

Im Zweiten Weltkrieg prägte sich die deutsche Besatzung mit einem KZ Durchgangslager Bozen und dem Hauptquartier der Operationszone Alpenvorland in Bozens Geschichte ein. Das KZ war Ausgangspunkt von mindestens 13 Deportations-Zügen mit italienischen Juden und Widerstandskämpfern.

1964 wurden die Grenzen der Diözese Brixen so abgeändert, dass sie für ganz Südtirol zuständig ist. Bozen wurde dadurch Bischofssitz der Diözese Bozen-Brixen.

21. Jahrhundert

Siegesplatz (früher Friedensplatz)

Das Leben zwischen den Sprach- bzw. Volksgruppen verläuft auch heute noch nicht immer problemlos und ist manchmal spannungsgeladen. Eine der jüngeren Auseinandersetzungen ist die Benennung des sogenannten Siegesplatzes. Er wurde von der Bozener Gemeindeverwaltung zunächst in Friedensplatz umbenannt, um damit einen Stein des Anstoßes zu beseitigen. Daraufhin initiierten einige italienische Parteien, mit an vorderster Front die postfaschistische Alleanza Nazionale, eine Volksbefragung – mit dem Ergebnis, dass aufgrund des Abstimmungsverhaltens der italienischen Mehrheitsbevölkerung der Friedensplatz 2003 wieder in Siegesplatz zurückbenannt werden musste.

Im November 2005 musste die Wahl des Bürgermeister und Gemeinderats wiederholt werden, nachdem der im Mai (mit 50,1%) gewählte Bürgermeister Giovanni Benussi keine Mehrheit im Gemeinderat aufbringen konnte.

Literatur

  • Andrä Johann Bergmeister: Physisch-medizinisch-statistische Topographie der Stadt Bozen mit den drei Landgemeinden zwölf Malgreien, Gries und Leifers, oder des ehemaligen Magistratbezirkes Bozen, Bozen: Selbstverlag 1854.
  • Bozner Bürgerbuch 1551–1806. Hrsg. vom Heimatpflegeverband Bozen, 2 Bde., Innsbruck: Wagner 1956.
  • Stadt im Umbruch – Beiträge über Bozen seit 1900. Hrsg. vom Südtiroler Kulturinstitut, Bozen: Athesia 1970.
  • Bruno Klammer (Hrsg.): P. J. Ladurner's Chronik von Bozen 1844, Bozen: Athesia 1982.
  • Rolf Petri: Storia di Bolzano, Padova: Il Poligrafo 1989. ISBN 8871150074 (mit Literaturverz. S. 265ff).
  • Bozen von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern / Bolzano dalle Origini alla Distruzione della Mura, Bozen: Athesia 1991. ISBN 887014559X.
  • Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern / Bolzano fra i Tirolo e gli Asburgo, Bozen: Stadtgemeinde Bozen 1999. ISBN 8870149862.
  • Hans Heiss: Gelungene Pazifizierung? Die Stadt Bozen/Bolzano im Spannungsfeld nationaler und kultureller Auseinandersetzungen 1919–1999. In: Roland Marti (Hrsg.): Grenzkultur – Mischkultur?, Saarbrücken 2000, S. 209-241.
  • Gabriele Rath u. a. (Hrsg.): Bozen – Innsbruck: zeitgeschichtliche Stadtrundgänge, Wien/Bozen: Folio 2000. ISBN 3852561256.
  • Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte, 5 Bde., Bozen: Athesia 2005–2008. ISBN 8860110203.
  • Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500, 2 Bde., Bozen: Stadtgemeinde Bozen 2005–2008, ISBN 889018700X[3] und ISBN 9788890187018[4].
  • Renate Brenn-Rammlmair: Stadtbaumeister Gustav Nolte. Der Heimatstil in Bozen 1908–1924, Bozen: Athesia 2007. ISBN 978-88-8266-361-2.
  • Hannes Obermair: Bozen/Bolzano 1850–1950 (Reihe Archivbilder), 2. Aufl., Erfurt: Sutton 2010. ISBN 978-3-86680-489-0.
  • Siglinde Clementi, Martha Verdorfer: Frauen – Stadt – Geschichte(n): Bozen/Bolzano vom Mittelalter bis heute, Wien/Bozen: Folio 2000. ISBN 3852561345.

Einzelnachweise

  1. a b Mahlknecht, Bruno: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 1, Athesia Spectrum, Bozen 2005, ISBN 8860110203, Vom bischöflichen Markt zum Stadtmagistrat, S. 40-48.
  2. Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter, Erlangen 1863, S. 263 ff..
  3. Download Bozen Süd - Bolzano Nord, Bd. 1. PDF 5,9 MB
  4. Download Bozen Süd - Bolzano Nord, Bd. 2. PDF 10,1 MB

Weblinks


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