Graphitoxid

Graphitoxid

Graphitoxid, früher auch Graphitsäure, ist eine nichtstöchiometrische Verbindung der chemischen Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff; sie kann aus Graphit unter Einwirkung starker Oxidantien gewonnen werden. In seiner maximal oxidierten Form bildet Graphitoxid einen gelben Feststoff; das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauererstoff reicht von 2,1:1 bis 2,9:1. Graphitoxid hat eine mit Graphit vergleichbare Schichtenstruktur, wenn auch die Abstände zwischen den Molekülebenen größer und unregelmäßiger sind.[1]

In basischen Lösungen zerfällt Graphitoxid in Flocken mit monomolekularer Schichtdicke, die als Graphenoxid bezeichnet werden (in Anlehnung an Graphen, die einlagige Form des Graphits).[2] Aus Graphenoxid kann ein hochfester papierähnlicher Werkstoff, Graphenoxidpapier, hergestellt werden, der in jüngster Zeit als mögliches Zwischenprodukt der Graphenherstellung interessant geworden ist. Allerdings (Stand 2010) weist auf diesem Weg hergestelltes Graphen noch zahlreiche chemische und strukturelle Unregelmäßigkeiten auf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Darstellung

Die erste Darstellung von Graphitoxid gelang 1859 dem britischen Chemiker Benjamin Collins Brodie jr., der Graphit mit einer Mischung aus Kaliumchlorat und rauchender Salpetersäure behandelte.[3] Schneller und ungefährlicher, bei höherer Ausbeute, ist das 1957 von William S. Hummers and Richard E. Offeman beschriebene Verfahren; sie verwendeten eine Mischung aus Schwefelsäure H2SO4, Natriumnitrat NaNO3, und Kaliumpermanganat KMnO4. Diese Methode ist bis heute (Stand 2009) im Einsatz.[1]

In jüngster Zeit wurde eine Mischung aus H2SO4 und KMnO4 benutzt, um Kohlenstoffnanoröhren in Längsrichtung aufzuschneiden, dabei entstehen mikroskopisch kleine, flache Graphenbänder mit einer Breite von wenigen Atomen, die an den Enden eine Kappe aus Sauerstoffatomen (=O) oder Hydroxylgruppen tragen (–OH).[4]

Struktur

Struktur und Eigenschaften des Graphitoxids werden durch die verwendete Synthesemethode und den erzielten Oxidationsgrad bestimmt. Die Schichtstruktur des eingesetzten Graphits bleibt typischerweise erhalten, aber die Lagen sind unregelmäßig hinsichtlich ihrer Planarität und weisen einen bis zu zweimal größerem Abstand (ungefähr 0,7 nm) als Graphit auf. Anders, als der historisch etablierte Name Graphitoxid andeutet, handelt es sich im strengen Sinn nicht um ein Oxid. Neben Epoxid- wurden experimentell noch folgende funktionelle Gruppen gefunden: Carbonyl- (=CO), Hydroxyl- sowie Phenyl-gruppen.[5][6]

Die exakte Struktur ist aufgrund des recht variablen Abstands der Lagen sowie der insgesamt geringen Ordnung im Detail noch nicht verstanden. Der Abstand der Graphenoxidlagen beträgt 1,1 ± 0,2 nm.[5][6] Aufnahmen mit dem Rastertunnelmikroskop lassen Regionen erkennen, in denen Sauerstoffatome in einem rechtwinkligem Muster mit einer Gitterkonstante von 0,27 nm × 0,41 nm angeordnet sind.[6][7] Die Kanten jeder Lage werden von Carboxylgruppen- und Carbonylgruppen begrenzt.[5] Mittels Röntgen-Photoelektronenspektroskopie lässt sich zeigen, dass Kohlenstoffatomen auch in Ringen ohne Sauerstoff (284,8 eV) vorhanden sind (vergleiche 286,2 eV für C–O, 287,8 eV für C=O und 289,0 eV für O–C=O).[8]

Graphitoxid nimmt sehr leicht Wasser auf, wodurch der Abstand zwischen den einzelnen Ebenen erheblich zunimmt (bis zu 1,2 nm im gesättigten Zustand). Bei höheren Drücken wird zusätzlich Wasser in den Raum zwischen den einzelnen Lagen eingebaut. Die Graphitoxidmasse speichert Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft in Proportion zur Luftfeuchtigkeit. Eine vollständige Trocknung erscheint schwierig, da ein Erhitzen auf 60–80 °C zur teilweisen Zersetzung des Materials führt.

Durch rasches Erhitzen auf 280–300 °C zersetzt sich Graphitoxid (englisch Exfoliation), wobei ein fein verteiltes, amorphes Kohlenstoffpulver, vergleichbar mit Aktivkohle, entsteht.

Anwendungen

Spaltung (Exfoliation) von Graphitoxid bei hoher Temperatur.Das Probenvolumen erhöht sich dabei auf das Zehnfache und es bildet sich ein Kohlenstoffpulver, das Flocken aus Graphen enthält, deren Schichtdicke nur wenige Moleküllagen beträgt.[9]

Graphenherstellung

Seit kurzem ist Graphitoxid als mögliche Vorstufe für die Herstellung von Graphen in großem Maßstäb interessant geworden. Graphitoxid ist ein Isolator;[10] mit einer diffentiellen elektrische Leitfähigkeit von 5·10−3 S·cm-1; bei einer Vorspannung von 10 V ist es fast ein Halbleiter.[10] Aufgrund seiner hydrophilen Eigenschaften löst sich Graphitoxid in Wasser leicht auf, wobei es in mikroskopische kleine Graphenoxidflocken zerfällt, die meist eine Lage dick sind. Theoretisch sollte man daraus durch chemische Reduktion eine Suspension aus Graphenflocken erhalten.

Eine partielle Reduktion des Graphenoxids wird durch eine 24-stündige Behandlung mit Hydrazin bei 100 °C erreicht,[8] durch kurzzeitige, einige Sekunden dauernde Behandelung mit Plasma aus Wasserstoffgas,[10] oder einen starken Lichtpuls, wie dem eines Xenon-Blitz.[11]

Die Leitfähigkeit des so erzeugten Graphens liegt unter 10 S·cm-1,[11] die Elektronenmobilität zwischen 2–200 cm2·V-1·s-1 für Fehlstellen und 0,5 und –30 cm2·V-1·s-1 für Elektronen.[10] Diese Werte sind erheblich größer als die des Oxids, aber immer noch einige Größenordnungen kleiner als bei reinem Graphen.[10] Aufnahmen mit dem Atomkraftmikroskop zeigen, dass die Kohlenstofflagen durch Sauerstoffbindungen verformt werden sowie eine deutliche Rauigkeit der Oxidlagen, die nach der Reduktion bestehen bleibt. Diese Defekte erscheinen auch im Ramanspektrum des Graphenoxids.[10]

Graphenoxidpapier

Wie bei der Papierherstellung können Graphenoxidflocken aus einer wässrigen Dispersion geschöpft werden, wobei ein außerordentlich reissfestes Graphenoxidpapier entsteht.

Einzelnachweise

  1. a b William S. Hummers Jr., Richard E. Offeman: Preparation of Graphitic Oxide. J. American Chemical Society. 80, Nr. 6, 1958, S. 1339–1339. doi:10.1021/ja01539a017
  2. Daniel R. Dreyer, Sungjin Park, Christopher W. Bielawski, Rodney S. Ruoff: The chemistry of graphene oxide. Chemical Society Reviews. 39, 2010. S. 228-240 doi:10.1039/b917103g
  3. Benjamin C. Brodie, On the Atomic Weight of Graphite. Proceedings of the Royal Society of London. 10, 1859, S. 249.
  4. Dmitry V. Kosynkin, Amanda L. Higginbotham, Alexander Sinitskii, Jay R. Lomeda, Ayrat Dimiev, B. Katherine Price, James M. Tour: Longitudinal unzipping of carbon nanotubes to form graphene nanoribbons. Nature. 458, S. 872-876 (16. April 2009). doi:10.1038/nature07872
  5. a b c H. C. Schniepp et al.: Functionalized Single Graphene Sheets Derived from Splitting Graphite Oxide. American J. of Physical Chemistry, Serie B. 110, 2009, S. 8535. doi:10.1021/jp060936f
  6. a b c D. Pandey, R. Reifenberger, R. Piner: Scanning probe microscopy study of exfoliated oxidized graphene sheets. Surface Science. 602, Nr. 9, 2008, S. 1607-1613. doi:10.1016/j.susc.2008.02.025
  7. K. A. Mkhoyan et al.: Atomic and Electronic Structure of Graphene-Oxide. Nano Letters. 9, Nr. 3, 2009. S. 1058-1063. doi:10.1021/nl8034256
  8. a b S. Stankovich et al.: Stable aqueous dispersions of graphitic nanoplatelets via the reduction of exfoliated graphite oxide in the presence of poly(sodium 4-styrenesulfonate. J. Material Chemistry. 16, 2006. S. 155. doi:10.1039/b512799h
  9. A. V. Talyzin et al.: Nanocarbons by High-Temperature Decomposition of Graphite Oxide at Various Pressures, J. Phys. Chem. C. 113, Nr .26, 2008, S. 11279–11284 doi:10.1021/jp9016272
  10. a b c d e f C. Gomez-Navarro et al.: Electronic Transport Properties of Individual Chemically Reduced Graphene Oxide Sheets. Nano Letters. 7, Nr. 11, 2007. S. 3499 doi:10.1021/nl072090c
  11. a b Laura J. Cote, Rodolfo Cruz-Silva, Jiaxing Huang: Flash Reduction and Patterning of Graphite Oxide and Its Polymer Composite. Journal of the American Chemical Society. 131, 2009, S. 11027–11032 doi:10.1021/ja902348k

Weblinks

Siehe auch


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