Grünes Männermanifest

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Das Grüne Männermanifest ist ein am 9. April 2010 veröffentlichtes Manifest von 21 jüngeren Männern der Grünen Partei in Deutschland. Der Gesamttitel der Schrift lautet “Nicht länger Machos sein müssen” – Das Grüne Männermanifest. Absicht der erklärten grünen Feministen ist es, hierin Ansätze darzulegen, mit denen Männer ihre Möglichkeiten durch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen über die bisherigen Geschlechterrollen hinaus erweitern können.[1] Erstmals trat damit eine Gruppe feministischer Männer einer politischen Partei mit ihren Forderungen wahrnehmbar an die deutsche Öffentlichkeit. Verfasst wurde das Manifest durch den Politiker und Politikwissenschaftler Sven Lehmann.[2] Zur Gruppe der Unterzeichner gehören Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete.[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Kern des Manifests ist die Forderung nach einem Ende der Rollenaufteilung nach Geschlecht. In Anlehnung an eine bekannte Aussage von Simone de Beauvoir formuliert das Manifest „Man wird nicht als Mann geboren, man wird dazu gemacht“ – das Diktum des sozialen Geschlechts, des Rollenzwangs und der festgelegten Verhaltensmuster gelte nämlich ebenso für Männer. Es sei jedoch es erst in jüngerer Zeit zum Thema geworden, dass Geschlechterrollen auch für Männer ein Korsett seien, das ihnen mehr schade als nütze.[3]

Die Männer kritisieren besonders die Situation ihrer Geschlechtsgenossen im Erwerbsarbeitsleben. Das Bild vom männlichen Hauptverdiener schwebe noch in den Köpfen vieler Personalverantwortlicher. Nicht-klassische Erwerbsbiografien mit etwa einer längeren Elternzeit seien dadurch kaum möglich.[3]

Konkrete Forderungen richtet das Manifest nach einer neuen Geschlechterperpektive für Männer in Lebensbereichen wie Arbeit, Familie, Gesundheit und Erziehung. So fordern die Unterzeichner des Manifestes eine flächendeckende Einführung des Boys’ Days, um mehr Männer in aktuell frauendominierte Berufe zu locken. Durch "mehr Erzieher, mehr Grundschullehrer, mehr Sozialpädagogen" ergäben sich für Jungen neue "role models", die eine neue Männlichkeit vermitteln helfen könnten. Die Unterzeichner fordern außerdem ein geschlechtersensibles Bildungs- und Berufsberatungsangebot für Jungen und Mädchen, die emanzipatorische Erziehung und individuelle Förderung beider Geschlechter, die verpflichtend paritätische Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern, neue Arbeitszeit- und Jobmodelle und bessere Präventionsprogramme in der Männergesundheit [3]

Unterzeichner

Die 21 Unterzeichner sind: Sven Lehmann, Jan Philipp Albrecht, Kai Gehring, Malte Spitz, Arndt Klocke, Gerhard Schick, Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler, Till Steffen, Rasmus Andresen, Eike Block, Christian Kühn, Max Löffler, Henning von Bargen, Christoph Erdmenger, Jörg Rupp, Martin-Sebastian Abel, Matthi Bolte, Martin Wilk, Janosch Dahmen, Can Erdal

Reaktionen

Aus der Grünen Parteispitze bekam das Grüne Männermanifest öffentliche Unterstützung. Der grüne Parteivorsitzende Cem Özdemir begrüßte das Manifest kurz nach seiner Veröffentlichung. Özdemir zufolge ist die Schwierigkeit der Debatte, dass eine „gesellschaftliche Diskussion von Männern über Männer [...] in der Luft [liegt], auch wenn mancher von ihnen sich bei der Dekonstruktion seiner Männerrolle erst mal etwas unbehaglich fühlt.“[1] Astrid Rothe-Beinlich, Mitglied im Bundesvorstand und Frauenpolitische Sprecherin der Bundespartei äußerte sich auch noch Monate nach der Manifest-Veröffentlichung erfreut und begrüßte, dass dadurch der notwendige Dialog befördert worden sei.[4][1] Auch die damalige frauen- und genderpolitische Sprecherin der Grünen Jugend, Franza Drechsel, lobte das Manifest der grünen Männer grundsätzlich, in ihren Positionen hingegen „verharrten die Autoren immer noch in der Zweigeschlechtlichkeit“.[1]

Auf der einige Monate nach Veröffentlichung des Manifests stattfindenden Bundesfrauenkonferenz der Grünen mit mehr als 80 Teilnehmenden im Oktober 2010 in Berlin wurde das Grüne Männermanifest durch drei Vertreter aus der Initiatoren- und Unterzeichnergruppe diskutiert, wobei insbesondere Fragen nach Plänen und konkreten Folgerungen aufkamen, die sich für die Beteiligten daraus ergeben würden.[5]

In den Medien und im Internet löste das Grüne Männermanifest rasch eine lebhafte Debatte aus,[6] die insbesondere in Blogs und Artikelkommentaren geführt wurde. Die Diskussion erschien häufig sehr emotional geprägt: Die äußerst unterschiedliche Resonanz reichte von Hasstiraden über Ironie und Witze bis hin zu Begeisterung[7].

Kurz nach der Veröffentlichung des Manifests im Internet wurde es im Wortlaut auch in der taz abgedruckt.[8] Die Süddeutsche Zeitung monierte, dass die Grünen Unterzeichner wegen der in ihrer Partei bereits herrschenden Quote so wie so keine Privilegien zu verlieren hätten und die Arbeitsmarktsituation außerhalb der Politik nicht genügend kennen würden, um für alle Männer sprechen zu können.[9]

Kritik im sozialwissenschaftlichen Umfeld

Der Sozialwissenschaftler Gerhard Amendt griff die Unterzeichner des Manifests in einem Artikel über das Grüne Männermanifest, der rund sechs Wochen auf dessen Veröffentlichung folgte, scharf an. Diese unterwürfen sich radikalfeministischen Patriarchatsklischees“, was sie „vaterlos und deshalb geschichtslos" mache: „Wenn sie sich "Machos" - dem Ideologiefrieden der Partei zuliebe nennen - ganz wie ein missbrauchtes Kind, das sich mit seinem Angreifer identifiziert -, dann haben sie sich nicht nur selber aufgegeben. Nein, viel schlimmer, sie haben damit zugleich die Geschichte ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter bis ins tausendste Glied entwertet.“[10]

Die Sozialwissenschaftlerin Sabine Hark sah in einem Artikel vom August 2010 eine Tendenz zu Beschreibungen und Erklärungen „aus der geschlechterstereotypisierten und -typisierenden Klamottenkiste“ im Grünen Männermanifest: „Wo dieses indes erkennt, dass auch Männer nicht geboren, sondern gemacht sind, sich Männlichkeiten also verändern – und dringend verändert werden müssen! –, wird uns in jenen Einlassungen eins ums andere Mal die Mär vom ewigen Wesen bzw. Naturell der Jungs aufgetischt. Da Jungs seien, wie sie sind, und sie in einer Welt zurecht kommen müssten, die nicht für sie gemacht sei, bedeute Geschlechtergerechtigkeit demzufolge, diese Welt endlich ihrem Wesen anzupassen [sic!].“[11]

Im Jahr 2010 nahm die Sozialwissenschaftlerin Ilse Lenz das Grüne Männermanifest in die aktualisierte Neuauflage der von ihr herausgegebenen umfangreichen zeitgeschichtlichen Quellensammlung Die Neue Frauenbewegung in Deutschland auf.

Literatur

Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Ausgewählte Quellen. 2., aktualisierte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17436-5, S. 1095–1098.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Florian Gathmann: Grünes Manifest: Abschied vom Macho-Mann. Artikel in Spiegel Online vom 15. April 2010. Abgerufen am 16. November 2011.
  2. Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Ausgewählte Quellen. 2., aktualisierte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17436-5, S. 1095.
  3. a b c Für des ganzen Absatz: blog-gruene-nrw.de: “Nicht länger Machos sein müssen” – Das Grüne Männer-Manifest auf GrünBlog von Bündnis 90/Die Grünen. Eintrag vom 9. April 2010.
  4. gruene.de: Bericht zum Bundesfrauenrat 2010. 5. Mai 2011. Abgerufen am 16. November 2011.
  5. gruene.de: Bericht zum Bundesfrauenrat 2010. 5. Mai 2011. Abgerufen am 16. November 2011
  6. Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Ausgewählte Quellen. 2., aktualisierte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17436-5, S. 1096.
  7. detektor.fm: Männertag - die Emanzipation des Mannes? 12. Mai 2010. Abgerufen am 15. November 2011.
  8. vgl. taz.de: Grünes Männermanifest: "Nicht länger Machos sein müssen". 13. April 2011. Abgerufen am 16. November 2011.
  9. Thorsten Denkler: Männermanifest der Grünen. Die neue grüne Männlichkeit. Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 16. April 2010.
  10. Deutschlandradio Kultur/Ortszeit – Politisches Feuilleton: Das Manifest der grünen Männer – Ein Schluck aus der Ideologiepulle. Von Gerhard Amendt, 25. Mai 2010. Abgerufen am 14. November 2011.
  11. streit-wert.boellblog.org: Sind Jungs so? Von Sabine Hark, 11. August 2010. Abgerufen am 14. November 2011.

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