Hauptpost (Leipzig)

Hauptpost (Leipzig)
Hauptpost am Augustusplatz 1964

Als Leipziger Hauptpost wird das in DDR-Zeiten anstelle von Vorgängerbauten errichtete 110 Meter lange Postgebäude am Augustusplatz (Ecke Grimmaischer Steinweg) und am Innenstadtring bezeichnet. Frühere historische Namen für das Haus und dessen Vorgängerbauten waren Hauptpostamt C 1, Postamt Nr. 1 und Oberpostdirektion Leipzig. Der Neubau der Post der DDR aus dem Jahr 1964 steht seit 1990 unter Denkmalschutz und seit 2011 leer.

Inhaltsverzeichnis

Funktion und Architektur

Blick in die Briefschalterhalle 1964

Das Haus hatte gleichzeitig Funktionen eines zentral gelegenen Postamtes und als Fernmelde- und Telegrafenamt (in den Nebengebäuden) und beherbergte auch bis zur „Wende“ die Postdirektion des Bezirkes Leipzig. Das 1926 für Zwecke der Postverwaltung errichtete Gebäude der Oberpostdirektion in der Südstraße (heute „Lipsius-Bau“ der HTWK, Karl-Liebknecht-Straße) war 1952 mit der Auflösung des Landes Sachsen und der Neugliederung der DDR in Bezirke zum Rat des Bezirkes Leipzig umgewidmet worden. Damit war ein dringender Bedarf für einen Neubau gegeben, zumal das alte Hauptpostamt im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Mit der Projektierung wurde 1959 begonnen. Der Entwurf des von 1961 bis 1964 errichteten 110 Meter langen Stahlbetonbaus stammte von Kurt Nowotny[1], dem Chefarchitekten im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen. Aufgrund der langen Bauzeit von 43 Monaten erreichten die Baukosten die damals beachtliche Summe von ca. 15,5 Millionen Mark. Dass der Kostenrahmen erheblich gesprengt wurde, lag auch an der für DDR-Verhältnisse hochwertigen technischen Ausstattung und Inneneinrichtung.

Gestalterisch und funktional war die Hauptpost zur Entstehungszeit auf der Höhe der Zeit, selbst wenn man internationale Maßstäbe anlegt. Der quaderförmige siebengeschossige Bau mit vorgesetztem sechsgeschossigen Fassadenteil ist aus Sichtbeton, Glas und Aluminium (Fensterrahmen) errichtet. Dazu gehört noch ein kurzer Seitenflügel am Grimmaischen Steinweg, der die Baulücke zum Fernmeldeamt schloss. Rechts oben an der Fassade war eine weithin sichtbare Zeigeruhr im Stil der Zeit angebracht, die in den 1990er Jahren demontiert wurde. Der Sockel der Hauptfront zum Augustusplatz und der Stirnseite am Grimmaischen Steinweg ist mit grauem Naturstein in Riemchenform verkleidet. Die Inneneinrichtung der Schalterhallen hatte Natursteinplatten als Fußböden, Schalter und Möbel aus kirschfarbenen Hölzern sowie Decken aus schallschluckenden Elementen. Insgesamt vermitteln Baukörper und Fassade den Eindruck einer klaren und maßvollen Architektur, die sich noch heute gut in die Bebauung des Platzes einfügt. Die bestehende Hauptpost ist einer der seltenen Fälle, in denen eine qualitativ ansprechende DDR-Architektur jenseits vom Einerlei der Plattenbauten gelungen ist. Daher ist ihre Aufnahme in die Denkmalliste der Stadt Leipzig als Zeugnis der DDR-Architektur zweifellos berechtigt. Mit der endgültigen Stilllegung des Gebäudes im Juli 2011 in der Funktion als Postamt ergibt sich die Frage seiner zukünftigen Nachnutzung.

Geschichte

Das „Posthörnchen“ (Poststall) am „Platz vor dem Grimmaischen Thore“, Ecke Grimmaischer Steinweg 1785
Das Neue Postgebäude von Albert Geutebrück, um 1840
Das Neue Postgebäude nach dem Umbau von 1884, um 1900

Schon um 1700 hatte an gleicher Stelle auf dem „Platz vor dem Grimmaischen Thore“ der in alten Chroniken so bezeichnete „Poststall“, auch „Posthörnchen“ genannt, bestanden. Das war eine Station zum Pferdewechsel für die fahrende und reitende Post, in späteren Zeiten auch mit Gasthof. Hier war der Ausgangs- und Endpunkt der Poststraßen nach Dresden, Grimma und Wurzen. Von dieser Stelle ging auch die Post nach Freiberg via Colditz und Nossen ab. Der längste Postkurs führte bereits 1694 nach Breslau über die Städte Großenhain und Königsbrück. Die Gebäude für die Abfertigung von Brief- und Paketpost befanden sich zunächst in der Leipziger Altstadt: Zuerst ab 1590 als Leipziger Ratspost und von 1661 bis 1712 als kursächsisches Postamt in der Alten Waage am Markt, später von 1712–1839 im Amtshaus an der Ecke Thomaskirchhof/Klostergasse gegenüber der Thomaskirche.

1836–1838 wurde am Augustusplatz (Ecke Grimmaischer Steinweg) nach einen Entwurf von Albert Geutebrück (1801–1868) das Neue Postgebäude errichtet. Zuvor befand sich an dieser Stelle bis 1835 der Gasthof „Zum weißen Schwan“. Dieser und einige kleinere Häuser wurden beim Bau des 87 Meter langen klassizistischen Gebäudes der Leipziger Oberpostdirektion abgerissen, dessen Hauptfront zum Augustusplatz ausgerichtet war. Der dreistöckige Bau mit einem Halbgeschoss über dem Erdgeschoss hatte zwei kurze Seitenflügel von etwa 20 bis 30 Metern Länge am Grimmaischen Steinweg und an der früheren Poststraße, die später bei der Errichtung des DDR-Neubaus von 1964 überbaut worden ist. Das Postgebäude war bis 1867 Sitz der wichtigsten Oberpostdirektion des Königreiches Sachsen.

Nach dem verlorenen preußisch-österreichischen Krieg als Bundesgenosse Österreichs wurde Sachsens wichtigste Postbehörde 1867 auf Druck Preußens eine untergeordnete Oberpostdirektion des Norddeutschen Bundes und nach der Reichsgründung 1871 der Kaiserlichen Deutschen Post (→ Reichspost). Das Bauwerk wurde in den Jahren 1881–1884 im Stil des Historismus (Neorenaissance) umgebaut und erfuhr dabei Veränderungen am Gesims und eine zeitgemäße Hervorhebung des Hauptportals in Form von aufgesetzten Säulen und Tympanon.

Die Statue der Telegraphie von Joseph Kaffsack, um 1890

Unter den sechs allegorischen Figuren von Joseph Kaffsack (1850–1890) auf der Attika über dem Mittelrisalit war auch eine mit Flügeln, die die damals modernste Form der Nachrichtenübertragung, die Telegrafie, darstellte. Ihr gegenüber war die zweite ebenfalls geflügelte Figur angeordnet, die die Briefpost verkörperte. Die anderen vier (flügellosen) Figuren dazwischen symbolisierten Handel, Kunst, Wissenschaft und Gewerbe. Mit dieser Figurenanordnung sollte wohl die Rolle einer schnellen Nachrichtenübertragung deutlich gemacht werden.

Die Ruine der Hauptpost (Postamt C 1) 1948 – Ansicht vom Augustusplatz

Nach dem Untergang des Deutschen Kaiserreichs war hier seit 1919 die Leipziger Oberpostdirektion der Reichspost der Weimarer Republik angesiedelt, die 1926 in den Neubau in der Südstraße umzog. Danach übernahm das Postbebäude am Augustusplatz immer mehr die Funktion eines Hauptpostamtes, bis es bei dem Luftangriff am 3. Dezember 1943 vollkommen zerstört wurde. Bis Kriegsende wurden behelfsweise deren Funktionen auf andere Postämter verlagert oder Notmaßnahmen ergriffen, um den Postverkehr aufrechtzuerhalten. So wurde im Reichsgericht ein Briefverteilzentrum installiert und 1944 im sogenannten Kosmos-Messehaus in der Gottschedstraße ein Ausweichquartier als Hauptpostamt geschaffen.

Der Nachfolgebau des historischen Bauwerks von Albert Geutebrück entstand in Gestalt der heutigen Hauptpost erst 1964. Wie in allen größeren Postämter der DDR befanden sich auch hier gesonderte Räume der Abteilung „M“ (Postkontrolle) des Ministeriums für Staatssicherheit („Stasi“) zur Überwachung der Brief- und Paketpost. Das MfS hatte desgleichen Abhöranlagen im angeschlossenen Fernmeldeamt installiert, wie nach der „Wende“ festgestellt wurde.[2] Seit 1990 verlor die Hauptpost nach und nach ihre frühere Bedeutung. Ursache dafür war die in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vollzogene Privatisierung und Aufspaltung des Staatsunternehmens Deutsche Bundespost in drei Teile: Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank. Die Telekom baute 1992 unweit der Hauptpost am Grimmaischen Steinweg (Ecke Querstraße) ein neues Verwaltungsgebäude für ihre Leipziger Niederlassung. In Radefeld, Landkreis Nordsachsen, entstand 1996 ein neues Postverteilungszentrum der Deutschen Post, und die Postbank nahm Quartier in einem Neubau in der Rohrteichstraße. Damit war das Gebäude der Hauptpost weitgehend funktionslos geworden. Bis zum Juli 2011 wurde noch der Betrieb in der großen Schalterhalle aufrechterhalten. Inzwischen ist das leerstehende Haus zur Location und Kulisse für allerlei Spektakel wie Helloween-Partys geworden.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Hocqél: Leipzig. Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart. Passage-Verlag, Leipzig 2004, ISBN 3-932900-54-5, S. 117
  2. Vgl. Wolfram Sturm: Geschichte der Leipziger Post von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von PRO LEIPZIG, Leipzig 2007, ISBN 978-3-936508-28-4, S. 157 ff.

Literatur

  • Wolfram Sturm: Geschichte der Leipziger Post von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von PRO LEIPZIG, Leipzig 2007, ISBN 978-3-936508-28-4
51.33907412.382691

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