Hermann-Schlosser-Haus

Hermann-Schlosser-Haus
Untermainkai 4 von Südosten, August 2010

Das Hermann-Schlosser-Haus mit der Adresse Untermainkai 4, auch Villa Schlosser, eher selten nach dem Bauherrn Villa Schilling genannt, ist ein klassizistisches Wohngebäude am Mainufer des Stadtteils Altstadt von Frankfurt am Main. Es wurde 1823 unter Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess errichtet und wird zu seinem Frühwerk gezählt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Mittelalter zog sich an der Stelle des späteren Untermainkai die hohe Mauer der Frankfurter Stadtbefestigung. Davor lag ungefähr ab Höhe des Karmeliterklosters bis hinauf zur Leonhardskirche der Weinmarkt. Dort verzollten und schließlich löschten Schiffe selbst aus damals entfernten Orten wie Straßburg ihre entsprechende Ladung. Nach der Entfestigung des frühen 19. Jahrhunderts, also dem Abbruch fast aller Stadtmauern und -türme, wurde auch der Untermainkai als Bauland ausgewiesen.[1]

Über die Details des Bauens vor 1944 ist in Frankfurt am Main sehr wenig bekannt, da im Zweiten Weltkrieg sämtliche Bauakten verbrannten. Dies betrifft insbesondere die erst in jüngerer Zeit verstärkt rezipierte klassizistische Epoche, über die im Gegensatz zur älteren Architektur kaum ältere Werke existieren, die noch aus dem vollen Reichtum des Frankfurter Stadtarchivs schöpfen konnten. Hinzu tritt noch das Problem, dass Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess ohnehin kaum Aufzeichnungen hinterließ. Zu Privatbauten kann die heutige Forschung somit einzig noch die erhaltenen Grundbücher und Katasterpläne sowie etwaige Familiennachlässe heranziehen.[2][3]

Dieser geringen Überlieferung zufolge erwarb ein Arzt namens Georg Hermann Schilling das spätere Grundstück Untermainkai 4 – nach dem damaligen System der Hausnummern noch Lit. J III – und ließ hier 1823 nach Plänen von Hess das Wohngebäude mit einer nördlich anschließenden Hofanlage aufführen. Letztere stieß an die Alte Mainzer Gasse an und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts (1834, 1838 und 1886) mehrfach umgebaut, ist aber, wohl als Folge von Kriegseinwirkungen, nicht mehr erhalten.[1][4]

1955 erwarb die 1873 in Frankfurt am Main gegründete Degussa auf Initiative ihres langjährigen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Schlosser das Gebäude von der Stadt.[5] Dies war nur eine von zahlreichen Maßnahmen in der 1949–59 andauernden Wiedererrichtung des stark kriegszerstörten Komplexes, den man nun das gesamte Areal zwischen Weißfrauenstraße, Seckbächer Gasse, Untermainkai und Neue Mainzer Straße ausdehnte. Dabei wurde neben dem westlichen Ende der Alten Mainzer Gasse auch die Zollhofstraße eingezogen, die nördlich respektive östlich des Gebäudes bis dato als öffentliche Straßen fungiert hatten.[6]

1957 erfolgte im Auftrag des neuen Eigentümers eine stilgerechte Restaurierung unter der Leitung des Architekten Balon, 1964/65 führte man auch den westlich angrenzende Garten nach Plänen von Otto Derreth wieder auf seinen biedermeierlichen Zustand zurück.[4] Als sich Hermann Schlosser, seit 1915 fast ununterbrochen bei der Degussa tätig, 1965 aus dem aktiven Geschäftsleben – Ehrenmitglied war er bis zu seinem Tod 1979 – zurückzog, wurde das Gebäude am Untermainkai zu seinen Ehren nach ihm benannt.[5]

Seitdem dient das Haus als Rahmen für besondere Feierlichkeiten und Gäste, in dem das Unternehmen schon Nobelpreisträger, Minister- und zwei Bundespräsidenten begrüßen konnte. Im Keller befand sich bis Januar 2003 das in seiner Art nahezu einzigartige Münzkabinett der Degussa, das sich nun als Dauerleihgabe im Historischen Museum der Stadt befindet.[6]

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zählt das Hermann-Schlosser-Haus heute zu den wenigen erhaltenen und zudem kaum veränderten klassizistischen Privatbauten der Stadt. Ein besonderer Wert kommt ihm darüber hinaus noch insofern zu, als es eindeutig dem Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess zugeschrieben werden kann, der das Frankfurter Stadtbild des 19. Jahrhunderts wie kein Zweiter prägte.

Literatur

  • Evelyn Hils: Johann Friedrich Christian Hess. Stadtbaumeister des Klassizismus in Frankfurt am Main von 1816–1845. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-7829-0364-1 (Studien zur Frankfurter Geschichte 24).
  • Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Frankfurter Biographie. Zweiter Band M–Z. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7829-0459-1 (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission 19/2).
  • Günther Vogt: Frankfurter Bürgerhäuser des Neunzehnten Jahrhunderts. Ein Stadtbild des Klassizismus. Neuauflage. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-7973-0189-8.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Hils 1988, S. 179.
  2. Hils 1988, S. 9–11.
  3. Vogt 1989, S. 52.
  4. a b Vogt 1989, S. 288 u. 289.
  5. a b Klötzer 1996, S. 299.
  6. a b Ursprung und Heimat der Degussa bis 2001. In: geschichte.evonik.de. Abgerufen am 28. August 2010.

Weblinks

 Commons: Hermann-Schlosser-Haus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
50.107998.67702

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Haus Balken (Gelsenkirchen) — Haus Balken war ein an der Emscher gelegenes Rittergut in Gelsenkirchen Buer. Zu den ersten urkundlichen Hinweisen zählte 1307 der Freischöffe Godefridus de Balken miles in villa suthem und 1380 der Ritter Gottfried von Balken als Freischöffe an… …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Uentrop — ist ein Wasserschloss im Stadtteil Uentrop von Hamm. Das 1720 errichtete Schloss befindet sich heute in Privatbesitz und ist restaurierungsbedürftig. Seit dem 6. Februar 1986 steht es unter Denkmalschutz. Es ist von einem Park umgeben …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Ermlinghofen — Haus Ermelinghof Figur an der Zufahrt …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Korb — (* 1656 in Niese in der paderbörnisch lippischen Samtherrschaft Oldenburg; † 23. Dezember 1735 in Wolfenbüttel) war ein bedeutender deutscher Baumeister des Barock und wirkte vor allem im Fürstentum Braunschweig Wolfenbüttel und in der Stadt… …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Kallenberg — ist ein ehemaliges Herrenhaus und heutiger Bauernhof am Kallenberger Weg im Stadtteil Kirchende von Herdecke. Weiter östlich liegt eine Erbgruft und ein Friedhof. Südlich fließt der Ender Mühlenbach. Haus Kallenberg …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Grünewald — ist eine Villa mit englischem Landschaftsgarten in Solingen Gräfrath und ist als Baudenkmal geschützt. Wegen des repräsentativen Aussehens wird das Anwesen umgangssprachlich auch Schloss Grünewald genannt. Das Anwesen geht auf eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Schüttauf — (* 16. Dezember 1890 in Nieder Planitz bei Zwickau; † 25. Februar 1967 in Dresden) war ein deutscher Garten und Landschaftsarchitekt. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 1.1 Ausbildung 1.2 Funktionen …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Empel — ist die Ruine einer Wasserburg in Empel, einem Ortsteil von Rees im nordrhein westfälischen Kreis Kleve. Sie liegt in einem Naturschutzgebiet direkt am Empeler Meer, einem Altrheinarm, und ist von Wassergräben umgeben. Sie diente aber 2007 als… …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Crengeldanz — war ein Adelssitz im Stadtteilbezirk Crengeldanz in Witten. Im 14. Jahrhundert. war er im Besitz der Ministerialenfamilie von Dücker. In diese Familie heiratete Hermann von Witten Steinhausen (1374−1435) ein. Daraus ging die Linie Witten… …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Geinegge — p1 Burg Geinegge Entstehungszeit: um 1200 Burgentyp: Niederungsburg Erhaltungszustand: Überbaut, nicht erhalten Ständische Stellung: Grafen, Adlige …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”