Vertikalrotor (Windturbine)

Vertikalrotor (Windturbine)
Hybrid aus Darrieus- und Savonius-Turbine

Ein Vertikalrotor (auch Vertikal(achs)windturbine, -windrad, oder -läufer genannt, kurz VAWT, englisch Vertical Axis Wind Turbine) ist eine Bauart der Windturbine, bei der die Achse[1] vertikal (lotrecht) steht.

Die Drehbewegung ist bei solchen Turbinen normalerweise unabhängig von der Windrichtung; sie benötigen also keine Windrichtungsnachführung. Eine solche windrichtungsunabhängige Turbine wird daher auch Panemone genannt (von griechisch pan = jeder oder alle; anemos = Wind).

Bei Windmühlen mit vertikaler Achse ist historisch bedingt die Bezeichnung Horizontal(rad)windmühle üblich, wobei sich die Richtungsangabe "horizontal" hier nicht auf die Lage der Achse sondern die der Radebene bezieht (vgl. Horizontalrad-Wassermühle).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Horizontalwindmühlen gehören wegen ihrer einfachen und robusten Bauweise zu den ältsten bekannten Mühlen. Lange vor den heute üblichen Windmühlen mit horizontaler Achse wurden sie von den Chinesen (Chinesische Windmühle), den Persern (Persische Windmühle) und anderen Hochkulturen verwendet. Erst im Mittelalter etablierte sich in der Neuen Welt die Bauform mit horizontaler Drehachse und Flügeln aus Holz und/oder Tuch.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen einige Ingenieure und Techniker an der Entwicklung von sogenannten „Windmotoren“ zu arbeiten, d. h. von fortschrittlichen Windmühlen als Maschinenantrieb für Pumpwerke und zur Stromerzeugung. Hierbei wurde neben Windrädern mit horizontaler Achse (etwa der Westernmill) auch an Weiterentwicklungen mit vertikaler Achse gearbeitet:

Typen

Widerstandsläufer

Siehe auch: Savonius-Rotor

Widerstandsläufer nutzen vorwiegend den Strömungswiderstand der Flügel. Durch den Staudruck, der durch das Abbremsen der Windströmung auf der Luv-Seite (dem Wind zu) des Flügels entsteht, wirkt eine Kraft auf die Fläche des Flügels, welche den Flügel nach Lee (vom Wind weg) drückt. Die Kraft ist am größten, wenn der Flügel still steht, sie reduziert sich, je schneller sich der Flügel dreht. Die Schnelllaufzahl Lambda ist immer kleiner als Eins; Widerstandsläufer sind also ausgesprochene Langsamläufer. Die theoretisch erreichbaren Leistungsbeiwerte liegen etwa bei maximal 0,2 - die praktisch erreichbaren noch deutlich niedriger.[2][3][4][5]

Typen

Auftriebsläufer

Siehe auch: Darrieus-Rotor

Auftriebsläufer nutzen den dynamischen Auftriebseffekt einer Tragfläche. Durch die Umströmung des profilierten Flügels entsteht auf der Flügelvorderseite ein Sog (Unterdruck), auf der Rückseite ein leichter Überdruck. Die Druckdifferenz bewirkt eine Kraft auf den Flügel. Diese Kraft erreicht ihr Maximum wenn der Flügel in Bewegung ist; die optimale Geschwindigkeit hängt von der Windgeschwindigkeit und dem Flügelprofil ab. Die Schnelllaufzahl Lambda ist größer als Eins, bis zu etwa Fünfzehn; es werden Leistungsbeiwerte von bis zu 0,5 erreicht. Je leistungsfähiger der Rotor jedoch im oberen Geschwindigkeitsbereich ist, umso geringer das Anlaufdrehmoment im Stillstand; große Auftriebsläufer ohne Flügelverstellung benötigen deshalb einen Hilfsmotor zum Starten.[2][3][4][5]

Typen
  • Darrieus-Rotor
    • O-Form („Schneebesen“-Form, klassisch)
    • H-Form
    • Helix-Form („Gyromill“, verdrillt)

Hybridformen

Hybridformen haben das Ziel, die Vorteile von Widerstands- und Auftriebsläufer bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten zu kombinieren. Im unteren Geschwindigkeitsbereich wirkt das hohe Drehmoment des Widerstandsläufers, so daß kein Startermotor erforderlich ist. Im oberen Geschwindigkeitsbereich wirkt das hohe Drehmoment des Auftriebssläufers. Hybridformen sind so flexibler einsetzbar, erreichen aber nicht so hohe Leistungsbeiwerte und somit Leistungen wie reine Auftriebsläufer.[2]

Vor- und Nachteile, Einsatzgebiete

Aufgrund ihres konstruktiven Aufbaus und ihres physikalischen Wirkprinzips weisen Vertikalachser eine Reihe von Vor- und Nachteilen auf:[6][5]

Vorteile
  • Keine Windrichtungsnachführung notwendig
  • einfacher und robuster Aufbau
  • unempfindlich gegen wechselnde Winde (Stärke und Richtung)
  • Generator und Getriebe können leicht zugänglich in Bodennähe angeordnet werden
Nachteile
  • geringe Leistungsbeiwerte, insbesondere bei Widerstandsläufer
  • pulsierendes Drehmoment (kann durch Verdrillen des Rotors gemindert werden → Helix-Form)
  • geringe Windgeschwindigkeit in Bodennähe
  • evtl. Hilfsmotor als Anlaufhilfe erforderlich bei Auftriebsläufern
  • leistungsfähige Auftriebsläufer neigen zu Schwingungen an den Flügeln
  • kann bei Sturm nicht zum Schutz aus dem Wind gedreht werden
Einsatzgebiete

Aufgrund der Nachteile, insbesondere der geringen Leistung, haben sich Vertikalachser für den großtechnische Einsatz zur Stromerzeugung nicht durchgesetzt. Hier kommen heute fast ausschließlich Horizontalachser zum Einsatz.[7][2]

Die Einsatzgebiete für Vertikalachser, insbesondere Widerstandsläufer, liegen vorwiegend in Bereichen, wo nur eine vergleichsweise geringe Leistung benötigt wird, und wo die Vorteile, insbesondere die einfache Bauweise und die Unempfindlichkeit, überwiegen.[7] Da sie mit vergleichsweise einfachen Mitteln hergestellt werden können, werden sie häufig im Selbstbau für den Heimbereich genutzt.

Als Windgenerator zur Stromerzeugung kommen Vertikalachsrotoren vorwiegend zur Versorgung von Inselnetzen oder -anlagen, zum Laden von Akkus oder als Windenergieheizung zum Einsatz. Selten wird eine Einspeisung in das öffentliche Netz vorgenommen.[7]

Als mechanischer Antrieb werden Vertikalachsrotoren manchmal beispielsweise zum Antrieb von Pumpwerken für die Be- und Entwässerung verwendet. Verbreitet ist auch die Verwendung in der Heizungs- und Lüftungstechnik zur Verstärkung des Naturzuges durch Lüfter mit VAWT-Antrieb, welche auf Dächer oder Kamine aufgesetzt sind.

Auch Whirligig-Windspielzeuge und windgetriebene kinetische Skulpturen weisen häufig eine vertikaler Drehachse auf.[7]

Analogien zu Wasserturbinen

Obwohl bei Wasserturbinen (bis auf wenige Spezialanwendungen wie in Gezeiten-, Meeresströmungs- oder Wellenkraftwerken) die Strömung in ihrer Richtung annähernd konstanter ist und somit das große Argument der Richtungsunabhängigkeit entfällt, werden Querstromturbinen[8] auch als Wasserturbinen verwendet:

  • Klassische Wasserräder, auch Horizontalräder sind nur eingeschränkt mit VAWTs vergleichbar, da das Rad nicht quer durchströmt, sondern nur einseitig tangential umströmt wird.
  • Ossberger-Turbine: Wasser-Durchströmturbine
  • Gorlov-Turbine: ähnlich einem verdrillten H-Darrieus-Rotor

Literatur

Einzelnachweise

  1. Anmerkung: Genau genommen handelt es sich um eine Welle, da diese ein Drehmoment überträgt.
  2. a b c d Gasch, 2010 (siehe Literatur)
  3. a b Judith Jäger: Windkraftanlagen. Physikalisches Institut der Universität Tübingen, 23. August 2006, abgerufen am 4. August 2011.
  4. a b C. Tropea: Windturbinen. Vorlesungsskript. Technische Universität Darmstadt, Fachbereich Maschinenbau, Fachgebiet Strömungslehre und Aerodynamik, 7. Januar 2010, abgerufen am 4. August 2011.
  5. a b c Thomas Emmert: Windturbinen- ein Überblick. ProjektE, Fakultät Maschinenwesen, TU München, abgerufen am 4. August 2011 (PDF).
  6. Hannes Riegler: HAWT versus VAWT. In: REFOCUS. Juli/August 2003, S. 44-46 (Volltext als PDF).
  7. a b c d Halbhuber, 2009 (siehe Literatur)
  8. Anmerkung: Da Wasserströmungen im Gegensatz zu Windströmungen nicht immer horizontal gerichtet sind, ist hier weniger die absolute Ausrichtung der Achse sondern vielmehr die relative Ausrichtung quer zur Strömungsrichtung entscheidend.

Weblinks


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