Ich und Du (Buber)

Ich und Du (Buber)

Ich und Du (1919) ist eine der bekanntesten Schriften des Religionsphilosophen Martin Buber (1878–1965).

Bereits in den ersten Zeilen des Werkes wird Bubers philosophischer Ansatz offenbar, der sich, gespeist aus jüdisch-mystischer (Chassidismus) und christlich-mystischer (Meister Eckhart) Theologie, sowie aus existentialphilosophischen Ansätzen (v.a. Sören Kierkegaard)[1], in einem dialogischen Prinzip entwickelt:

„Die Welt ist dem Menschen zwiefältig nach seiner zwiefältigen Haltung. Die Haltung des Menschen ist zwiefältig nach der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann. Die Grundworte sind nicht Einzelworte, sondern Wortpaare. Das eine Grundwort ist das Wortpaar ‚Ich-Du‘. Das andre Grundwort ist das Wortpaar Ich-Es; (...) Somit ist auch das Ich des Menschen zwiefältig. Denn das Ich des Grundworts Ich-Du ist ein andres als das des Grundworts Ich-Es“.[2]

Somit bildet der Mensch seine Identität vornehmlich in Relation zu dem ihn Umgebenden heraus: Erst die Begegnung mit einem menschlichen Gegenüber, dem „Du“ (Ich-Du-Beziehung), oder mit der dinglichen Welt, dem „Es“ (Ich-Es-Beziehung), ermöglicht eine Abgrenzung des „Ich“ von seiner Umwelt.

„Es gibt kein Ich an sich, sondern nur das Ich des Grundworts Ich-Du und das Ich des Grundworts Ich-Es. Wenn der Mensch Ich spricht, meint er eins von beiden (...) Ich sein und Ich sprechen sind eins.“[3]

Die Ich-Du-Beziehung ist jedoch insofern von der Ich-Es-Beziehung unterschieden, als nur sie eine wirkliche Begegnung, ein wahrhaftiges „Gespräch“ zulässt. Als Dreh- und Angelpunkt des religionsphilosophischen Ansatzes Bubers ist jedoch die Beziehungshaftigkeit des Menschen zum „ewigen Du“ Gottes zu sehen:[4]

„Die verlängerten Linien der Beziehungen schneiden sich im ewigen Du“.[5]

Hierbei ist jedoch nicht von einem naiv-anthropomorphen Gottesbild auszugehen. Vielmehr ist das „ewige Du“, als notwendiger Fluchtpunkt der menschlichen Beziehungshaftigkeit zu sehen, als eine Art Kulmination aller menschlichen Relationalität. Aus dieser Wahrnehmung heraus eignet dem Göttlichen – neben unzählbar vielen anderen Attributen – auch das Attribut der Sprachfähigkeit, sodass der Mensch durchaus in ein Gespräch mit Gott eintreten kann. Ein Hinweis hierfür kann die Begegnung mit einem menschlichen Du sein:

„Jedes geeinzelte Du ist ein Durchblick zu ihm (sc. zum ewigen Du). Durch jedes geeinzelte Du spricht das Grundwort das ewige an“.[6]

Hinsichtlich seines Gottes- bzw. Religionsverständnisses liegt Bubers Ansatz ein inklusiver Pluralismus zugrunde, denn die vielen von Menschen erdachten Gottesnamen seien alle lediglich Ausdruck des einen dahinterstehenden „ewigen Du“:

„Ihr ewiges Du haben die Menschen mit vielen Namen angesprochen. (...) Aber alle Gottesnamen bleiben geheiligt“.[7]

Insofern ist Martin Buber hinsichtlich des religiösen Dialogs als ein Verfechter des Toleranzgedankens zu sehen.

Ausgaben

Ich und Du lässt sich neben Einzelausgaben im Sammelband Das dialogische Prinzip (1973) finden, zusammen mit drei anderen kürzeren Schriften: Zwiesprache, Die Frage an den Einzelnen und Elemente des Zwischenmenschlichen.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hans Joachim Störig: Martin Buber, in: Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1996, S. 609–612.
  2. Martin Buber: Ich und Du, Reclam, Stuttgart 2008, S. 3.
  3. Martin Buber: Ich und Du, Reclam, Stuttgart 2008, S. 4.
  4. So Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1996, S. 611.
  5. Martin Buber: Ich und Du, Reclam, Stuttgart 2008, S. 71.
  6. Martin Buber: Ich und Du, Reclam, Stuttgart 2008, S. 71.
  7. Martin Buber: Ich und Du, Reclam, Stuttgart 2008, S. 71.

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