Inhaltsbezogene Verwaltungsführung (Deutschland)

Inhaltsbezogene Verwaltungsführung (Deutschland)

Verwaltungsführung wird in diesem Artikel unter dem Aspekt behandelt, in welcher Geisteshaltung und damit in welchem Stil eine öffentliche Verwaltung durch das Führungspersonal wie geführt wird. Das "Wie" kann durch eine Richtlinie geregelt sein, meist liegt aber nur eine Geschäftsordnung vor. Als Beispiele seien die "Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien oder einer Oberfinanzdirektion (siehe hierzu die Liste der zöllnerischen Abkürzungen) genannt.

Dieser Artikel behandelt nicht die wirkungsorientierte Verwaltungsführung, die letztlich sachlich darauf abstellt, was eine Verwaltungsführung in finanzieller Hinsicht darf.

Inhaltsverzeichnis

Optimales Zusammenwirken aller Kräfte und kooperativer Führungsstil

Für ein optimales Zusammenwirken aller Kräfte innerhalb einer öffentlichen Verwaltung hat die jeweilige Verwaltungsführung die Voraussetzungen zu schaffen. Dabei sind die Erkenntnisse von Hochschulen und aus der Wirtschaft zu nutzen. Sehr dienlich in diesem Kontext ist, wenn oberste Bundes- und Landesbehörden entsprechende Richtlinien erlassen, die gegenüber Führungskräften aller Ebenen verbindlich regeln, wie sie sich im Umgang mit ihren Mitarbeitern verhalten sollen und was ihre Aufgaben sind, so wie es die Schweiz mit ihren Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde getan hatte.

Die Voraussetzungen für ein „optimales Zusammenwirken aller Kräfte“ in einer Verwaltung ist heute allgemein die Anwendung des kooperativen Führungsstils. Er ist das Grundprinzip für erfolgreiches Verwaltungshandeln. Er bedeutet die konsequente Förderung von Initiative und Selbständigkeit unter Entfaltung menschlicher und fachlicher Qualitäten, die aktive Mitwirkung aller Beteiligten am Führungsprozess, die überzeugende Motivierung der Zielsetzung und Begründung der Entscheidung mit anschließender sachgerechter Aufgabenerledigung. Mittels des kooperativen Führungsstils wird die Führung erleichtert, ein gutes Arbeitsklima geschaffen und die gesamte Verwaltungstätigkeit höchst effizient gestaltet.

Der kooperative Führungsstil fordert von den Führungskräften unter anderem vorausschauendes, unvoreingenommenes Denken, insbesondere auf den höheren Stufen der Hierarchie, und die Fähigkeit zu konzeptionellem und systematischem Arbeiten. Nur der Vorgesetzte, der künftige mögliche Situationen und die aus ihnen erwachsende Problematiken rechtzeitig erkennt und an ihre Bewältigung herantritt, kann sicher sein, mit der Entwicklung Schritt zu halten und sich vor Überraschungen zu schützen. Um dies zu gewährleisten, müssen Führungskräfte immer wieder Abstand von den Tagesfragen nehmen und sich auf ihre Führungsaufgaben konzentrieren.

Planung

Der Planung ist daher höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Sie dient einmal der gedanklichen Vorbereitung künftiger Entscheidungen z.B. bei Einführung neuer Gesetze, bei Gesetzesänderungen oder bei Aufhebung von Gesetzen. Oft kann dies zu Personalproblemen führen, weil Personal verstärkt oder abgebaut werden muss. Planung spielt aber auch eine Rolle für die Bewertung der Entscheidungsmöglichkeiten im Rahmen eines Auftrages und dessen Vollzugs.

Bestandsaufnahme

Zur Planung gehört vor allem eine Bestandsaufnahme der Verwaltungstätigkeit. In einem Soll/Ist-Vergleich ist auf den bisherigen gesetzlichen Grundlagen festzustellen, ob das "Soll" und das "Ist" übereinstimmen, d.h. was ist, was soll sein. Stimmen Soll und Ist nicht überein, muss das Ist mit entsprechenden Maßnahmen zum Soll geführt werden. Beispiel: Die Beschauquote bei der Einfuhr von Waren soll mindestens 5 % betragen. Eine Erhebung der Beschauzahlen ergibt, dass das Zollamt A 10 %, das Zollamt B 1 % und das Zollamt C 3 % der Waren beschaut. A kann es bei 10 % belassen, B muss die Beschauquote um 4 % und C um 2 % erhöhen.

Prioritäten

Hat die Bestandsaufnahme Mängel ergeben, müssen diese unter Bildung von Prioritäten (Prioritätenliste) beseitigt werden. Beispiel für eine Prioritätenbildung: 1. Erhebung der Verbrauchsteuern; 2. Erhebung der Zölle ; 3. Einfuhrumsatzsteuer; 4. Nachprüfungsverfahren im Bereich Präferenzen; 5. Einhalten der Verbote und Beschränkungen bei der Einfuhr etc..

Zielsetzung

Die Prioritätenbildung muss dann durch eine exakte Zielsetzung umgesetzt werden (z.B. 5 % Mindestbeschauquote je Zollamt bei Einfuhr, Steigerung der Abgaben im Bezirk, der Aufgriffe bei Einfuhrverboten, der Bargeldkontrollen bei Einreise aus der Schweiz, 50 Falschparker täglich bebußen je Gemeindevollzugsmitarbeiter).

Wirtschaftlichkeit

Selbstverständlich muss bei der Zielsetzung auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Dies geschieht im Rahmen einer Kosten/Nutzenanalyse (Controlling).

Treffen der Entscheidung

Letztlich muss dann eine Entscheidung getroffen werden.

Erfolgskontrolle

Der koordinierte Vollzug einer getroffenen Entscheidung unterliegt dann der Erfolgskontrolle.

Keine automatische Führungskompetenz

Die organisatorischen und fachlichen Fähigkeiten führen nicht automatisch zu Führungskompetenz. Sie muss Tag für Tag neu erarbeitet werden. Nur ausnahmsweise gibt es "geborene Führer". Die Führungskompetenz muss ergänzt werden durch eine effiziente, menschliche Belange berücksichtigende Personalführung. Sie bedeutet, dass das Handeln aller an einer Aufgabe Beteiligten auf die gesetzten Ziele auszurichten ist. Dazu zählen die Fähigkeit zum Überblicken des Handlungsbereiches und der Wille, die Mitarbeiter positiv zu beeinflussen.

Delegation

Um sich den Kopf für die Führungsaufgaben frei zu machen, muss die Führungskraft Verantwortung delegieren. Delegation heißt, einem Mitarbeiter Aufgaben zur selbständigen Bearbeitung zu übertragen. Der Mitarbeiter kann die dafür erforderlichen Handlungen in Eigenregie vornehmen und trägt dafür mit seiner Unterschrift die Verantwortung. Nur ausnahmsweise darf der Vorgesetzte direkt intervenieren. Delegation bietet Gelegenheit, Nachwuchskräfte zu fördern und zu erproben. Sie steigert Selbständigkeit und Initiative der Mitarbeiter. Diese fühlen sich ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und empfinden die Kompetenzübertragung als Vertrauensbeweis, was ihr Verantwortungsbewusstsein stärkt. Die Delegation dient also der notwendigen Entlastung des Vorgesetzten. Er behält aber die Verantwortung für das Ganze.

Gegenseitige Information

In diesem Zusammenhang ist gegenseitige Information unerlässlich. Information darf keine Einbahnstrasse sein.

Gegenseitiges Vertrauen

Voraussetzung und Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit und damit einer erfolgreichen Mitarbeiterführung ist gegenseitiges Vertrauen, das der Vorgesetzte im persönlichen Kontakt mit seinen Mitarbeitern zu pflegen hat. Die Initiative dazu muss von ihm ausgehen. Er sucht z. B. seine Mitarbeiter am Arbeitsplatz auf, um Probleme zu besprechen und gegebenenfalls zu lösen. Zitiert er Mitarbeiter zu sich, sollte er ihnen mitteilen, worum es bei der Besprechung geht, so dass sich der Mitarbeiter darauf einstellen kann. Die zu verfolgenden Ziele legt er im Mitarbeitergespräch mit jedem seiner Mitarbeiter für eine bestimmte Periode fest. Am Schluss der Periode stellt er fest, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht. Ist das Ziel nicht erreicht worden, muss die Ursache erforscht werden (z.B. Ziel zu ehrgeizig, Mitarbeiter überlastet). Um den Teamgeist zu stärken und gleichmäßige Information sicherzustellen, hält der Vorgesetzte regelmäßige Dienstbesprechungen ab. Er lobt, wenn es sachlich geboten ist, auch vor Dritten. Getadelt wird dagegen in sachlicher Weise immer nur unter vier Augen. Er sorgt für gleichmäßige Auslastung seiner Mitarbeiter im Rahmen des Geschäftsverteilungsplanes. Das Beurteilungsgespräch ist ihm ein echtes Anliegen. Im Beurteilungsgremium versucht er, für seine Mitarbeiter das Beste zu erreichen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten setzt er sich für höherwertige Dienstposten ein, um seinen Mitarbeitern gegebenenfalls die Chance zur Beförderung zu geben. Er sorgt für eine optimale Personal- und Sachausstattung in seinem Bereich anhand der vorgegebenen Personalparameter und der Personalbedarfsberechnung. Er fördert die Fortbildung seiner Mitarbeiter und ist sich nicht zu schade, selbst an Personalführungsseminaren teilzunehmen. Er nimmt - soweit möglich - Einfluss darauf, dass Fortbildungslehrgänge funktionsbezogen, nachfrageorientiert und adressatengerecht angeboten werden. Bei der Bedarfsabfrage, dem Inhalt der Lehrgänge und der Teilnehmerauswahl sollte er auf Mitbestimmung drängen.

Auswahl und Umgang mit den Mitarbeitern

Soweit ein Vorgesetzter darauf Einfluss nehmen kann, sorgt er für die richtige Auswahl der Mitarbeiter und den ihren Fähigkeiten entsprechende Einsatz. Er kümmert sich persönlich um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter, hört Anregungen an und nimmt sie ernst. Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, z.B. Mobbing versucht er sachlich zu lösen. Kontrollen führt er so durch, dass die Mitarbeiter auf keinen Fall den Eindruck gewinnen, sie würden lückenlos überwacht. Bei ihnen entsteht sonst der Eindruck, die Führungskraft traue ihnen nichts zu.

Auswahl von Vorgesetzten

An einen zukünftigen Vorgesetzten sind hohe Anforderungen zu stellen. Entscheidend für die Auswahl zum Vorgesetzten muss sein, dass dieser über die Fähigkeit verfügt, die Achtung und das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen, diese für ihre Aufgaben zu begeistern und sie zu selbständigem, initiativem Denken und Handeln anzuspornen. Klares Denken, Sinn für die großen Zusammenhänge und geistige Beweglichkeit, Sachkenntnis, Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsfreude, geistige Unabhängigkeit und Mut, echten Humor, Sinn für Gerechtigkeit und Verständnis für die Mitarbeiter sind unerlässliche Voraussetzungen. Seine persönlichen Interessen ordnet er der Sache unter. Er gibt Sicherheit, zeigt Durchsetzungsvermögen und Organisationstalent. Er weiß mit Untergebenen und höheren Vorgesetzten umzugehen. Er steht für seine Mitarbeiter ein und übt Selbstdisziplin.

Vorgesetztenfunktionen

Ein Vorgesetzter ist nicht nur Vorgesetzter, sondern auch Mitarbeiter (im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten) und Kollege (im Verhältnis zu gleichrangigen Vorgesetzten).

  • Als Vorgesetzter muss er die Führungsaufgaben unter vollem Einsatz seiner Person beispielhaft erfüllen. Er bietet seinen Mitarbeitern Anregungen und entfaltet seinen eigenen Führungsstil. Er gibt sich, wie er ist und behält über die eigene Zuständigkeit hinaus das Ganze im Auge. Er verlangt klare und präzise Antworten. Er muss fragen können. Er lässt die Lage reifen, ohne Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben und nimmt zu verantwortende Risiken auf sich. Er stellt klare Forderungen. Er erträgt Kritik, resigniert nicht trotz Enttäuschungen und Rückschlägen und weiß um die Unvollkommenheit menschlichen Handelns inklusive seines eigenen.
  • Als Mitarbeiter muss er sich für die Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen, selbständig und initiativ handeln sowie Verantwortung übernehmen. Er berät seine Vorgesetzten unvoreingenommen, er entlast sie und nimmt ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch. Er ordnet sich seinem Vorgesetzten unter, ohne zum unkritischen Ja-Sager zu werden. Er übt konstruktive Kritik.
  • Als Kollege muss er alle an der Lösung einer Aufgabe Beteiligten rechtzeitig kontaktieren und mit ihnen kooperieren. Er sorgt für umfassende und gegenseitige Information, geriert sich als Kollege und würdigt die Leistungen der Kollegen entsprechend.

Quellen

Weblinks

Literatur

  • Christian Furrer, Bundesrat und Bundesverwaltung, ihre Organisation und Geschäftsführung, 1986, Stämpfli-Verlag, Bern
  • Hans-Peter Duric, Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde. In: Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern. 1976, S. 267 ff.
  • Hans-Peter Duric, Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde. In: Verwaltung, Organisation, Personal. 1982, S. 64 ff.
  • Hans-Peter Duric, Rahmenrichtlinien für die Personalentwicklung in der Bundesfinanzverwaltung. In: Recht im Amt 5/1998, 221 ff
  • Thomas Sägesser, Regierungs- und Verwaltungorganisationsgesetz vom 21. März 1997, 2006, Stämpfli-Verlag,

Siehe auch

Personenbezogene Verwaltungsführung (Deutschland)


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