Integrales und summatives Rechtsstaatsverständnis

Integrales und summatives Rechtsstaatsverständnis
QS-Recht

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Begründung: Eigenartige Abschnittsbennennung „Diskussionsstand“. Ist der noch aktuell? Bitte mal prüfen. --Geri, ✉ 03:55, 7. Okt. 2011 (CEST)


Integrales und summatives Rechtsstaatsverständnis bezeichnet mit den Bestandteilen integral und summativ zwei gegensätzliche Ansätze zur Interpretation des Grundgesetzes (GG) unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaats.

Als summativ wird jenes Rechtsstaatsverständnis bezeichnet, das das Wort „Rechtsstaat“ (als Begriff des geltenden Rechts der Bundesrepublik) ausschließlich als Namen beziehungsweise „Sammelbezeichnung einzelner im Text des Grundgesetzes belegbarer rechtsstaatlicher Gewährleistungen“ ansieht.

Diese Auffassung stützt sich darauf, dass nirgends im Grundgesetz in allgemeiner Weise gesagt wird, dass die Bundesrepublik ein Rechtsstaat sei und in Art. 28 GG (1)[1] den Bundesländern ausschließlich die „Grundsätze des […] Rechtsstaats im Sinne dieses Grundgesetzes“ verbindlich gemacht werden. Elemente oder Grundsätze von nicht-grundgesetzlichen Rechtsstaatsverständnissen würden daher weder den Bundesländern durch Art. 28 GG verbindlich gemacht, noch seien sie für die Bundesebene juristisch relevant.

Als integral wird jenes Rechtsstaatsverständnis bezeichnet, nach dem das Wort „Rechtsstaat“ nicht nur als rechtsphilosophischer und rechtspolitischer, sondern auch als Begriff des geltenden Rechts der Bundesrepublik eine Vielzahl von Aspekten (darunter auch solche, die im Text des Grundgesetzes nicht vorkommen) ‚integriert’ und seinerseits als „Grundlage für […] im Grundgesetz nicht erwähnte – unbenannte – Einzelgewährleistungen“ dienen kann.[2]

Diese Auffassung hält es für zulässig, die einzelnen rechtsstaatlichen Bestimmungen des Grundgesetzes zu einem „Rechtsstaatsprinzip“ zu integrieren und aus diesem Rechtsstaatsprinzip „Elemente“ die im Grundgesetz nicht genannt sind mit Anspruch auf juristische Verbindlichkeit abzuleiten.

Diskussionsstand

Von Vertretern des integralen Ansatzes wird zugestanden, dass zunächst einmal von den konkreten Normen des Grundgesetzes auszugehen sei und das allgemeine „Rechtsstaatsprinzip“ nur herangezogen werden dürfe, wenn es an konkreten Normen fehle.[3][4] Damit wird deutlich, dass es sich beim integralen Rechtsstaatsverständnis nicht um Rechtsanwendung, sondern um Rechtsschöpfung handelt[5]: Das „Rechtsstaatsprinzip“ von Rechtsprechung und Lehre, das über die „Grundsätze des […] Rechtsstaat im Sinne dieses Grundgesetzes[1] hinaus geht, ist – wie Eberhard Schmidt-Aßmann sagt – „konstitutiv“. Das Grundgesetz wird nicht angewendet, sondern es wird neues Recht geschaffen. Normen, die für (politisch) wünschenswert gehalten werden (und vielleicht auch tatsächlich wünschenswert sind), aber im Grundgesetz (noch) nicht enthalten sind, werden dennoch für geltendes Verfassungsrecht erklärt, ohne dass zuvor eine Verfassungsänderung im Wege des Art. 79 (1) und (2) GG[6] vorgenommen wird.

Literatur

  • Philip Kunig: Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1986. ISBN 3-16-645050-5

Einzelnachweise

  1. a b Art. 28 GG
  2. Frank Raue: Müssen Grundrechtsbeschränkungen wirklich verhältnismäßig sein?, in: Archiv des öffentlichen Rechts 2006, 79 - 116 (108 mit FN 99 f.) - Hv. hinzugefügt.
  3. Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrecht für die Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2, Müller: Heidelberg, 2004, 541 - 612 (545, 546, RN 8 und 9): „Ist das Rechtsstaatsprinzip nur eine Sammelbezeichnung für einzelne Gewährleistungen des Verfassungsrechts oder existiert es als Prinzip mit einem eigenständigen dogmatischen Gehalt? Dieser Frage nach einem summativen oder einem integralen Rechtsstaatsverständnis ist Philip Kunig nachgegangen. Seine gründlichen Analysen zeigen, daß die Bezugnahme auf das Rechtsstaatsprinzip in Judikatur und Schrifttum vielfach nur bündelnde […] Bedeutung besitzt, während die Lösung in dem entsprechenden Kontext konkreteren Vorschriften entnommen wird. Kunig sieht sich dadurch zu der Meinung veranlaßt, alle rechtsstaatlichen Fragestellungen durch problemnähere Normen beantworten zu können, so daß der Rückgriff auf ein dahinterstehendes Prinzip ‚des’ Rechtsstaates methodisch verwehrt sei. Von einem solchen Vorgehen erhofft er sich klarere, rechtlich belegbare Lösungen; und in der Tat sticht sein Vorschlag wohltuend ab von jenen Grenzverwischungen zwischen Verfassungsrecht und politischer Programmatik, wie sie gerade im Zeichen des Rechtsstaatsprinzips oft vorkommen. […]. Allen auftretenden Fragen ist auf diese Weise jedoch nicht beizukommen. […]. ‚Das’ Rechtsstaatsprinzip besitzt folglich zwei Schichten, […]: Es wirkt deklaratorisch als Kurzform, wo spezielle Gewährleistungen bestehen, konstitutiv aber dort, wo es um den Ausdruck gerade des Allgemeinen und des Systematischen geht.
  4. Bernd Grzesick, [Kommentierung zu Art. 20 Abschnitt] VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit, in: Theodor Maunz / Günter Dürig et al., Grundgesetz. Kommentar, Beck: München, 1958 ff., hier: 48. Lfg., 2006 [Loseblattsammlung ohne durchgehende Paginierung; Umfang dieses Abschnittes: 62 Seiten], S. 22, RN 44 f.
  5. Zu ihr bekennt sich das Bundesverfassungsgericht in anderem Kontext ausdrücklich: BVerfGE 34, 269 - 293 (286-288) – Soraya; vgl. kritisch zu dieser Entscheidung: Helmut Ridder, Alles fließt. Bemerkungen zum „Soraya-Beschluß“ des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, in: Archiv für Presserecht 1973, 453 - 457.
  6. Art. 79 GG
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