Johanneskirche (Eltville-Erbach)

Johanneskirche (Eltville-Erbach)
Die Johanneskirche von Südosten, Juni 2011

Die Johanneskirche ist ein neugotisches, 1861 bis 1865 errichtetes evangelisches Kirchengebäude im hessischen Erbach im Rheingau.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Stifterin, Marianne von Oranien-Nassau, 1846

Nach ihrer 1849 erfolgten Scheidung von Albrecht von Preußen zugunsten einer Beziehung mit dem Kutscher Johannes van Rossum erwarb Marianne von Oranien-Nassau 1855 das Schloss Reinhartshausen bei Erbach. Dort wirkte sie in den nächsten Jahrzehnten als Mäzenatin. Als 1861 ihr aus der Beziehung hervorgegangene Sohn Johann Wilhelm von Reinhartshausen im Alter von nur 12 Jahren an Scharlach starb, schenkte sie der Gemeinde noch am Abend seines Todes 60.000 Gulden sowie ein Grundstück, um dort zu dessen Andenken eine Kirche, ein Pfarrhaus und eine Pfarrstelle zu errichten.

Die Pläne für den Neubau arbeitete Eduard Zais, der Sohn des berühmten nassauischen Baumeisters Christian Zais, aus. Obwohl er entsprechend seiner Ausbildung dabei noch klassizistische Proportionen verwendete, orientierte er sich in den neugotischen Einzelformen bereits an der damals gerade fertig gestellten Marktkirche in Wiesbaden. Auch Einflüsse der dortigen Bonifatiuskirche sind vor allem im Innenraum zu erkennen. Nach knapp vierjähriger Bauzeit konnte das Gebäude 1865 als erste evangelische Kirche im Rheingau eingeweiht werden.

Seitdem blieb die Kirche zunächst unverändert und auch von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg verschont. Eine Ausnahme stellen die um 1890 eingesetzten Chorfenster dar, auf die man zur Bauzeit bewusst verzichtet hatte, um den Charakter als Trauerkirche hervorzuheben. Erst bei einer Renovierung in den 1950er Jahren wurde dann die Fassung der Decke, ursprünglich blau mit goldenen Sternen, weiß überputzt, und Teile der Ausstattung der Seitenlogen entfernt. Dadurch wirkt die Kirche heute weit nüchterner als ursprünglich geplant.

Architektur

Äußeres

Das Gebäude ist eine dreischiffige Hallenkirche mit schiefergedecktem Satteldach. Baumaterial ist geputzter Backstein, für die Architekturteile ist vollständig gefasster Sandstein sowie teils auch Terrakotta verwendet. Im Süden tritt risalitartig ein Turm mit Spitzhelm aus der Fassade hervor, dessen Grundriss oberhalb des Daches vom Vier- in das Achteck übergeht; im Norden schließt ein 5/8-Chor von der vollen Breite des Mittelschiffes an. Auf die Ostung wurde in der Bauzeit zugunsten einer malerischen Wirkung zum Rhein hin verzichtet, was jedoch heute aufgrund der eingeholten Ortsbebauung nicht mehr erlebbar ist.

Die vertikale Gliederung der Wandflächen erfolgt in erster Linie durch ein System von Strebepfeilern mit zweifachem Wasserschlag. Ihren Abschluss bilden weit über das Dach hinausragende Säulen mit Nonnenkopfmaßwerk, sowie diese bekrönende Fialen mit Kreuzblumen. An der Nordost-, Südost-, Südwest- und Nordwestecke ist der vorgenannte Aufbau im Grundriss achteckig sowie zweistufig. Die eigentlichen Wandflächen werden von hohen Spitzbogenfenstern eingenommen, davon drei an der nördlichen Chor-, je vier an der Ost- und Westseite sowie zwei zu Seiten des Turmschafts an der Südseite. Die Fenster füllen einfache Maßwerken mit Nonnenköpfen sowie Drei- und Fünfpässen.

Die horizontale Gliederung bildet ein Kaffgesims unterhalb der Fenster, sowie unterhalb der Traufe je ein Fries von Maßwerk und Vierpässen. Dabei ist nur das Maßwerkfries mit den Strebepfeilern verkröpft und auch an der Südfassade durchgeführt. Die als Schaufassade ausgelegte Seite weicht ansonsten in ihrem Aufbau dahingehend ab, dass sie im Sinne eines romantischen Spätklassizismus von einem dreistufigen Treppengiebel zwischen den Strebepfeilern und dem Turmschaft bekrönt wird. Die Füllung des Giebels bilden neben Nonnenkopfmaßwerk frei behandelte Maßwerkformen, den Abschluss Fialen mit Kreuzblumen.

Unterster Teil des Turmschaftes ist das südliche Hauptportal mit neugotischem Türblatt mit Oberlicht innerhalb eines Spitzbogenportals mit Wimperg und flankierenden, zweistufigen Fialen mit Kreuzblumen. Die Füllung des Wimpergs besteht aus einer Maßwerkblume sowie Drei- und Fünfpässen, die Außenseite schmücken Krabben. Direkt über der bekrönenden Kreuzblume befindet sich eine achtteilige Fensterrose.

Auf Höhe des Treppengiebels besitzt der Turm nach Süden ein dreiteiliges, gekuppeltes Spitzbogenfenster, darüber bis auf Ausnahme der Nordseite eine Uhr. Die auf dieser Höhe flankierenden Abschlüsse der Strebepfeiler sind auch auf der rückwärtigen Dachfläche wiederholt. Dort schneiden sie in den viereckigen Turmgrundriss ein und überführen ihn so in das Achteck. Unterhalb des nachfolgenden Turmaufbaus umschließt diesen ein Fries aus Vierpässen.

Der achteckige Turmaufbau wiederholt in vertikal gedrängtem Maßstab sowohl die vertikale als auch horizontale Gliederung des Hauptgebäudes. Zwischen den acht schmalen, spitzbogig abgeschlossenen Fenstern, die als Schallöffnungen dienen und mit Nonnenkopfmaßwerk ausgestattet sind, steigen acht Strebepfeiler mit einfachem Wasserschlag und Fialaufbauten auf. Unterhalb der Traufe des abschließenden Spitzhelms mit Kreuzblume wird erneut auf die Friese von von Maßwerk und Vierpässen zurückgegriffen.

Inneres

Innenraum von Süden, Juni 2011

Im Süden liegt unterhalb des Turms eine einfache Vorhalle mit abgeschnürten Seitenkapellen, die sich ebenso wie der Haupteingang durch ein Spitzbogenportal mit Oberlicht zum Hauptschiff öffnet. Direkt oberhalb des Eingangs steht die moderne Orgelempore. Das Innere des heute vollständig weiß geputzten (vgl. Geschichte) Langhauses überspannt ein Kreuzrippengewölbe zu vier Jochen auf Achteckpfeilern mit Kämpferkapitellen. Die Achteckpfeiler aus rotem Mainsandstein sind steinsichtig belassen, die Kapitelle, als einziges Bauteil noch in reiner klassizistischer Formensprache, in Blau und Gold, die Gewölberippen und Schlusssteine in Rot gehalten.

Über dem farblich analog gestalteten Chor befindet sich ein etwas aufwändigeres Sterngewölbe, wobei der Gewölbescheitel von einem buntverglasten Oberlicht eingenommen wird. Die Nordwand des Chores öffnet sich in einem Abgang zur Gruft von Johann Wilhelm von Reinhartshausen. Diese rahmt eine allegorische Figurengruppe aus Carraramarmor des niederländischen Bildhauers Johann Heinrich Stöver: Glaube, Wort und Hoffnung, letztere Allegorie wurde 1956 durch ein Kreuz er- bzw. in die östliche Turmseitenkapelle versetzt.

Literatur

  • Folkhard Cremer (Bearb.): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen II. Regierungsbezirk Darmstadt. Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN 978-3-422-03117-3, S. 226 u. 227.

Weblinks

 Commons: Johanneskirche (Erbach) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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